Tagfalter in der bayerischen Agrarlandschaft

Kleiner Fuchs, Foto:R. Walter.

Tagfalter erkennen

In Bayern sind Vorkommen von 169 Tagfalterarten bekannt. Sie werden mit den Nachtfaltern (1001 Arten) und den Kleinschmetterlingen (1968 Arten) zur Ordnung der Schmetterlinge zusammengefasst. Die tagaktiven, meist mit einem bunten Muster gekennzeichneten Tagfalter lassen sich durch keulenförmig verdickte Fühlerspitzen eindeutig von ihren nahen Verwandten unterscheiden.
Tagfalter erfreuen sich in unserer Gesellschaft einer sehr großen Beliebtheit. Viele Arten sind in der Natur leicht erkenn- und bestimmbar. Zudem liegt viel Wissen über ihre Lebensweise und ihre Verbreitung in Bayern und Deutschland vor. Ausführliche Informationen zu Tagfaltern, wie zum Beispiel Bestimmungshilfen, Daten zu ihrer Bestandsentwicklung und hilfreiche Literatur stellt das seit 2005 bestehende bundesweite Tagfaltermonitoring bereit.

Admiral auf Durchwachsener Silphie. Foto: R. Walter.

Keulenförmig verdickte Fühler sind das gemeinsame Erkennungsmerkmal der Tagfalter.
Hier schön zu erkennen beim Admiral, einer Wanderfalterart auf der Blüte einer mehrjährigen Energiepflanze, der Durchwachsenen Silphie, die er zur Nektaraufnahme nutzt.(Foto: R. Walter)

Geschlechtsdimorphismus
Unterschiedliche Färbung von Männchen und Weibchen tritt zum Beispiel beim Hauhechelbläuling auf: Die Männchen sind in ihrer Grundfärbung blau, die Weibchen braun.

Hauhechelbläuling-Männchen

Hauhechel­­bläuling-Männchen, Foto: R. Walter.

Hauhechelbläuling-Weibchen

Hauhechel­bläuling-Weibchen, Foto: R. Walter.

Tagfalter – gute Zeiger für Biodiversität und Bestäubung

Hauhechelbläuling-Männchen.

Männchen des Hauhechel­bläulings auf der Blüte des Weißklees, Foto: R. Walter.

Da der Kenntnisstand zu Tagfaltern über ihre Vorkommen und Lebensraum­ansprüche im Vergleich zu vielen anderen Insektengruppen sehr gut ist, werden sie häufig als Zeiger für die Biodiversität herangezogen. Zudem zählen Tagfalter wie Wildbienen und Schwebfliegen zu den Bestäubern und können somit eine wichtige agrar­ökologische und -ökonomische Funktion erfüllen.
Unter den Bläulingen ist der Hauhechelbläuling die häufigste und verbreitetste Art. Er besiedelt ein breites Spektrum an Offenland­lebensräumen. Als Eiablagepflanze benötigt er Leguminosen wie Hornklee, Weißklee, Hopfen-Schneckenklee oder Luzerne.
Viele früher in der Agrarlandschaft sehr weit verbreitete Tagfalterarten sind in ihrem Bestand rückläufig, manche stehen bereits auf der Vorwarnliste oder gelten als gefährdet. Einer der Mitverursacher für diesen rückläufigen Trend ist der Verlust geeigneter Lebensräume durch eine intensivere landwirtschaftliche Bewirtschaftungs­weise. Die LfL arbeitet daher seit Jahren gemeinsam mit den Landwirten an der Verbesserung der Biodiversität in der Agrarlandschaft.
Kleiner Feuerfalter.

Kleiner Feuerfalter (Lycaena phlaeas), Foto: R. Walter.

Schornsteinfeger

Schornsteinfeger (Aphantopus hyperantus), Foto: R. Walter.

Tagfalter in der Agrarlandschaft – Lebensweise und Lebensräume

Raupe des Schwalbenschwanzes.Zoombild vorhanden

Raupe des Schwalben­schwanzes,
Foto: Juliane Tanz.

Die Entwicklung der Tagfalter erfolgt über mehrere Stadien, vom Ei über Raupe und Puppe bis zum geschlechtsreifen Falter. Dabei sind viele Arten an bestimmte Eiablage- und Raupenfraß­pflanzen gebunden. Häufig müssen diese nicht nur in ausreichender Anzahl vorhanden sein, sondern es bedarf spezieller mikroklimatischer Bedingungen. Weniger stark ist meist die Bindung der geschlechtsreifen Tagfalter an Blütenpflanzen, deren Nektar sie saugen. Die Flächen für die Larvalentwicklung sind nicht immer identisch mit denen, die zum Saugen genutzt werden. Allerdings sollten die Flächen in räumlicher Nähe zueinander liegen.
Unter den Tagfaltern gibt es einige Arten, die auf spezifische Biotoptypen wie Wälder, Moore oder Magerrasen angewiesen sind. Viele Tagfalterarten sind allerdings typische Bewohner der offenen Agrarlandschaft und besiedeln dort Wiesen, Weiden, extensiv genutzte Ackerflächen sowie nutzungs­begleitende Strukturen wie Säume, Randstreifen und Gehölzbiotope.
Entscheidend für den Aufbau stabiler Populationen ist auch eine ausreichende Größe der Lebensräume und ihre Vernetzung mit Trittstein­biotopen sowie ein Nutzungs­mosaik. Somit ist stets die Kulturlandschaft auf größerer Skalenebene zu betrachten, wie zum Beispiel das FInAL-Projekt mit einem Landschafts­ausschnitt von 3 mal 3 km.

Pressemitteilung: Förderung von Insekten in Agrarlandschaften: LfL als Verbundpartner im Projekt ‚FInAL‘ Externer Link

Extensives Grünland erhalten und fördern

Extensive Salbei-Glatthaferwiese.Zoombild vorhanden

Extensiv genutzte Salbei-Glatthaferwiese. Foto: R. Walter.

Um die Artenvielfalt der Tagfalter und ihre Vorkommen in der Agrarlandlandschaft zu erhöhen, ist die Erhal-tung von extensiv genutztem Grünland mit maximal zwei bis drei Schnitten sehr wichtig. Diese Flächen dienen auch als Spenderflächen für neue wiederge-schaffene Lebensräume in der Umgebung. Da eine weniger intensive Bewirtschaftung von Grünland, ab-hängig von der noch erhaltenden Pflanzenartenvielfalt, nicht oder nur über sehr lange Zeiträume zu einer Ar-tenanreicherung führt, kann eine Mahdgutübertragung oder eine Nachsaat (Transfer - Artenanreicherung), die Ansiedelung beschleunigen.

Mehr zum Projekt Transfer – Artenanreicherung im Wirtschaftsgrünland

Großes Ochsenauge

Großes Ochsenauge (Maniola jurtina), Foto: R. Walter.

Aurorafalter Männchen

Aurorafalter (Anthocharis cardamines) -Unterseite. Foto:R. Walter

Aurorafalter Männchen mit orangen Flecken an den Flügelspitzen

Aurorafalter (Anthocharis cardamines) - Oberseite, Foto:R. Walter

Eine größere Artenvielfalt an Insekten auf extensiv genutztem Grünland bestätigt auch eine aktuelle Studie der LfL in vier grünland­dominierten Regionen in Bayern (Panassiti et al.). Gute Erfolge zeigten dabei vor allem flächenbezogene Agrar­umwelt­maßnahmen im Grünland, wobei besonders blüten­bestäubende Insekten wie Schwebfliegen, Wildbienen und Schmetterlinge davon profitieren.

Evaluierung der Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) auf Insekten – Teilprojekt 2 AUM im Grünland

Artenreiche Äcker erhalten und fördern

Ackerstiefmütterchen

Ackerstiefmütterchen (Viola arvensis). Foto: F. Mayer

Einige Tagfalterarten besiedeln extensiv genutzte Äcker. Hervorzuheben ist der Kleine Perlmutterfalter (Issoria lathonia), für den das Ackerstiefmütterchen wahrscheinlich die wichtigste Raupenfutterpflanze darstellt. Für ihn sind lückigere Getreidebestände mit geringer Düngung und mit doppeltem Reihensaatab-stand oder Ackerrandstreifen wichtig, die ausreichend Licht für Ackerwildkräuter liefern. Insbesondere ertragsschwächere Äcker bieten sich dafür an. Auch längere Stoppel- oder Rotationsbrachen sind eine Option. Da der Kleine Perlmutterfalter sehr ausbreitungsstark ist und mehrere Generationen im Jahr bildet, besteht eine gute Chance, dass neu geschaffene Lebensräume besiedelt werden.

Acker-Vegetation

Weißklee-Gelbling

Großes Ochsenauge (Maniola jurtina)

Zur Förderung blütenbesuchender Insekten kann zudem der Anbau von Klee-Luzerne-Gras dienen. Davon profitieren an Schmetterlingsblütler gebundene Tagfal-terarten, wie z.B. die Goldene Acht (Colias hyale). In dem aktuell laufenden Forschungsprojekt FINDIG wird ein angepasstes Kleegrasmanagement im ökologischen Landbau untersucht, das zu einer Steigerung von bestäubenden Insekten wie Tagfalter beitragen kann. In der Erhaltung artenreicher Ackerlebensräumen hat aktuell der Ökolandbau eine zentrale Rolle.

Förderung blütenbesuchender Insekten durch Diversifizierung im Grünbrachemanagement (FINDIG)

Auch kleinräumig die Vielfalt angebauter Kulturen zu erhöhen, um mehr Grenzlinien zu schaffen, fördert die Insektenvielfalt (LfL-Projekt: Pflanzenbausysteme der Zukunft). In wenig strukturierten, ackerdominierten Landschaften auf fruchtbaren Standorten (höhere Ackerwertzahl) besteht ergänzend die Möglichkeit zunächst durch die Ansaat von Blühflächen zumindest kurzzeitig Refugien für viele Insekten zu schaffen (Wagner et al. 2014). Die vertikale Vegetationsstrukturen haben für viele Insekten eine wichtige Funktion zur Überwinterung ihrer Larvalstadien wie z.B. dem Schachbrettfalter. Der Fokus sollte langfristig dennoch auf der Integration von landwirtschaftlicher Produktion und der Schaffung von Lebensräumen durch extensive Ackerrandstreifen und Bewirtschaftung von (Teil-)Flächen ohne Pestizide liegen.
Blühfläche mit blühenden Kräutern

Mehrjährige Blühfläche. Foto: R. Walter

Schwlabenschwanz

Schwalbenschwanz. Foto:C. Wagner

Nutzungsbegleitende Strukturen in der Agrarlandschaft – wichtige Kleinstlebensräume, Refugien und Verbundachsen

Nutzungsbegleitende Strukturen wie Säume, Randstreifen, Graswege sind in einer Agrarlandschaft für viele Tagfalter wichtig als Kleinstbiotope, Trittsteine und Verbundachsen.
Zudem ist eine räumliche Vernetzung heterogener Lebensräume für Arten mit z.B. unterschiedlichem Saug- und Larvalhabitat entscheidend. Auch Gewässerrandstreifen, deren primäres Ziel Gewässer- und Erosionsschutz ist, werden von einer Vielzahl an Insekten genutzt, wie eine aktuelle Evaluierungsstudie der LfL zeigt. Vor allem, wenn diese kräuter- und blütenreich sind, wirkt sich dies günstig auf die Artenvielfalt und Häufigkeit von Insekten aus, wobei insbesondere Schmetterlinge davon profitieren (Birnbeck et al.).

Birnbeck et al.: Evaluierung der Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) auf Insekten – Teilprojekt 1: AUM in Ackerlandschaften

Schachbrettfalter

Schachbrettfalter. Foto: R. Walter

Gräser in Säumen

Saum mit Gräsern. Foto: R. Walter

Mädesüß am Grabenrand

Saumstruktur entlang von Gewässern. Foto: R. Walter

Mädesüß-Perlmutterfalter

Mädesüß-Perlmutterfalter, Foto: R. Walter

Blütenreicher Grasweg

Blütenreicher Grasweg. Foto: R. Walter

Rundaugen-Mohrenfalter

Rundaugen-Mohrenfalter. Foto: R. Walter

Nutzungsmosaik – räumliche und zeitliche Staffelung

Größere Wiesengebiete innerhalb kürzester Zeit ohne Randstreifen zu mähen, ist für viele Insekten ungünstig. Es sollten stets Rückzugsräume und Saughabitate im näheren Umkreis vorhanden sein. Anzustreben wäre deshalb ein Nutzungsmosaik wie eine räumlich und zeitlich gestaffelte Mahd sowohl von Wiesen als auch von Säumen und Randstreifen. Entlang von Nutzungsgrenzen könnten schmale Streifen als Refugium stehen bleiben. Über Winter stehengelassene Altgrasstreifen für einige Tagfalterarten dienen auch zur Überwinterung für einige Tagfalterarten, insbesondere ihrer Larvenstadien.

Wildlebensraumberatung und Studien der LfL zur Insektenviel-falt in der Agrarlandschaft

Hervorzuheben ist die Wildlebensraumberatung (WLB) an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Fortsen, die Landwirte in Bayern über lebensraumverbessende Maßnahmen beraten und unterstützen. Die LfL koordiniert die WLB fachlich und wissenschaftlich.
Ab 2023 wird in Wildlebensraum-Modellgebieten der Trend von ausgewählten Artengruppen beobachtet, um die Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen auf die Artenvielfalt aufzuzeigen, u.a. auch von Tagfaltern.

Wildlebensraumberatung in Bayern