10. Bio-Streuobsttagung "Streuobst 2.0 – eine alte Obstkultur wird neu gedacht", 2022
Streuobst 2.0 – eine alte Obstkultur wird neu gedacht
Bei der diesjährigen Tagung gab es gleich zwei Dinge zu feiern: Zum einen die 10. Bio-Streuobsttagung in Freising an der LfL und zum anderen den Start der Umsetzung des Bayerischen Streuobstpakts.
Zitat aus der Tagungseinleitung
Extensiver Landschaftsobstbau, denn dazu zählt Streuobst, ist eine uralte menschliche Obstkulturform. Über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende war es die gängige Methode für die Menschen, ortsnah Obst zu produzieren.
Erst in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts wurde diese Obstbauform dann etwas abfällig Streuobst genannt, weil es ja nun den modernen intensiven Obstanbau in Plantagen gab und man dachte man braucht diese Obstbäume in der Landschaft nicht mehr. So verschwanden dann bis heute etwa 14-15 Millionen große Obstbäume in Bayern, viele durch Abholzung, da es dafür sogar lange Zeit Prämien der EU gab.
In den 1970er-Jahren erkannte man langsam den Wert der Obstbäume in der Landschaft und es gab viele Studien dazu, die zeigten, dass die Obstbäume mehr Wert hatten, als nur das Obst.
Streuobst 2.0 – aktuelle Entwicklungen
Auch wenn man den Wert schon erkannt hatte, gibt es heute wieder eine breite Wertschätzung der Streuobstbäume für die Umwelt, die Biodiversität, die Obstversorgung, das Klima, die Gesundheit, das Landschaftsbild, die Insekten, wie die Bienen, den Tourismus und die Umweltbildung.
Mit dem heutigen Wissen wird Streuobst nun neu gedacht und dafür wollen wir mit der Tagung ein paar Anregungen geben, denn noch immer werden bei der Neuanlage Fehler gemacht und nicht alle Dinge und Möglichkeiten betrachtet, die notwendig wären. Und es besteht auch großer Forschungsbedarf, da wir viel Wissen verloren haben und viele Dinge aufgrund der Klimaänderung auch heute nicht mehr gelten.
Auch bei neueren Anbauformen wie Agroforst und der Permakultur spielt der extensive Obstanbau eine wichtige Rolle.
Übersicht der Vorträge
Der Bayerische Streuobstpakt
Cordula John, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Wolfram Güthler, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV)
Eine große Hoffnung für den Bayerischen Streuobstbestand ist der Bayerische Streuobstpakt, der am 18. Oktober 2021 von der Bayerischen Staatsregierung und acht Verbänden unterzeichnet wurde. Der Pakt beinhaltet wichtige Weichenstellungen für die Zukunft des Streuobstes in Bayern, daher war er ebenfalls ein Thema der Tagung, auch wenn diese noch kein Auftakt für den Pakt war.
Unter anderem berichteten Cordula John und Wolfram Güthler zum aktuellen Stand des Pakts. Ziel ist, den derzeitigen Streuobstbestand in Bayern von rund fünf bis sechs Millionen Bäumen zu erhalten, sowie zusätzlich bis 2035 eine Million Streuobstbäume neu zu pflanzen. Das umfangreiche Maßnahmenkonzept umfasst auch die Verbesserung der Fördersituation für Streuobst in Bayern. Auch ein Vermarktungskonzept soll kommen: beteiligt am Pakt sind neben Landwirten und Baumschulen auch Obstverarbeiter. Denn die aufwändig zu bewirtschaftenden Streuobstwiesen sollen sich für die Beteiligten auch finanziell lohnen - heimischer Streuobstsaft, Most, Cider, Brand und Streuobst als Tafelobst soll in den Läden und Kantinen vermehrt sichtbar werden.
Entstehung und Umsetzung des Bayerischen Streuobstpakts 1,1 MB
Zielgerichteter Anbau von Streuobst für die Zukunft
Sebastian Grünwald, Grassl Hof, Ruhpalzing
Im nächsten Beitrag der Tagung erläuterte Sebastian Grünwald, der selbst einen Streuobsthof besitzt und als Berater im Bereich Streuobst tätig ist, worauf es aus seiner Sicht bei der Neuanlage von Streuobstwiesen ankommt, wo nach wie vor Fehler gemacht werden und welche Entscheidungen gleich bei der Planung gemacht werden müssen. Laut Herrn Grünwald werden viele neu gepflanzte Streuobstbäume nicht groß, da noch immer keine ausreichende Jungbaumerziehung durch Schnitt erfolgt, keine Baumscheibe gepflegt wird und es den Bäumen oft einfach an Nährstoffen mangelt. Eindrucksvoll waren seine Bilder von seinem Betrieb, wo Jungbäume durch gute Pflege schon nach wenigen Jahren eine erstaunliche Größe erreichen. Als Alternativen zu einem wirtschaftsorientierten Anbau zeigte er Anlagemöglichkeiten mit einer pomologisch orientierten Wiese oder einer Streuobstwiese mit vielen Obstwildarten, die weniger Pflege brauchen, als die üblichen Kulturobstarten und Sorten. Wie er abschließend sagte, ist eine gute Baumqualität, Jungbaumerziehung und -pflege die Basis für langlebige, stabile und ertragreiche Streuobstbestände mit entsprechenden Biodiversitätsleistungen.
Zielgerichteter Anbau von Streuobst für die Zukunft 5,6 MB
Neue Ideen und Partner für die Anlage von Streuobstwiesen
Norbert Metz, Landschaftspflegeverband (LPV) Mittelfranken
In seinem Vortrag zeigte Norbert Metz vom LPV Mittelfranken, der über langjährige Erfahrung bei der Umsetzung von Streuobstprojekten verfügt, welche kreativen Möglichkeiten es gibt, die Anlage von neuen Streuobstflächen zu initiieren. Folgende Beispiele stellte er dazu vor:
- staatlich geförderte private Pflanzungen
- Pflanzaktionen mit Kommunen
- neue Streuobstbestände auf ökologischen Ausgleichsflächen und Ökokontoflächen
- Anlage von "Bürgerobstwiesen"
- Aktion "Bäume wachsen mit Kindern"
- Sonderprojekte: z.B. "Obstwiesen Vielfalt"
- LPV Projekt "Landschaft anpacken"
- Zukunft Streuobst im Landkreis
Der Wert der Obstbäume für Kinder, Erwachsene und Ruhende
Barbara Stadlinger, Obernzenn
Barbara Stadlinger hat in Triesdorf die Baumwartausbildung absolviert und ist heute sehr engagiert, das Thema Streuobst an Kinder und Erwachsene weiterzugeben. Dazu ist Sie auch als Streuobstwiesenführerin aktiv und hat einen breiten Erfahrungsschatz zu Möglichkeiten, das Wissen zu Streuobst zu vermitteln. In vielen Beispielen Ihres Vortrags konnte Sie zeigen, wie man Kindern erfolgreich auf Streuobstwiesen Umweltwissen vermitteln kann. Sie stellte Projekte vor, wie beispielsweise Wiesenpflege als Ferienbetreuung oder Produktion und Vermarktung von Streuobstgummibären als Schulprojekt. Auch das Thema Obstbaumschnitt vermittelt Sie sowohl Kindern wie auch Erwachsenen. In Ihrem Schauobstgarten bietet sie Führungen für Erwachsene an, um über verlorenes Wissen zum Obstanbau aufzuklären. In Ihrer Gemeinde hat Sie sogar auf einem Teil des Friedhofs die Möglichkeit geschaffen, sich unter Streuobstbäumen beerdigen zu lassen.
Triesdorfer Baumwarte e.V.
Unser Obstparadies – Obstanbau ohne Pestizide
Martin Geng, Staufen im Breisgau
Martin Geng hat 2009 damit begonnen, Obstwiesen an seinem Betrieb anzulegen, und das alles völlig ohne den Einsatz von Pestiziden. Er stellte in seinem Vortrag seinen Betrieb vor, der inzwischen mehrfach für seine Artenvielfalt ausgezeichnet wurde, so auch 2019 als Bundessieger Ökologischer Landbau. Er kultiviert inzwischen über 300 Apfelsorten und über 200 Birnensorten auf seinem Betrieb, die sowohl als Tafelware, als auch in verarbeiteten Produkten in seinem Hofladen, auf Wochenmärkten und in einem Onlineshop vertrieben werden. Neben diesen Hauptobstarten pflegt er eine Vielzahl anderer Obstarten, die auf Streuobstwiesen wachsen, und macht auch Versuche z. B. mit Aprikosen, Pfirsichen, Kiwis, Mandeln, Feigen, Wildpflaumen, Nashi, Maronen, Maulbeeren, Milchorangen und Indianerbananen. Für seine Bemühungen um den Sortenerhalt wurde er mit der Eduard Lucas Medaille ausgezeichnet. Er konnte durch seinen Vortrag zeigen, dass eine hohe Biodiversität ein stabileres System erzeugt, dass auch ohne Pestizide funktioniert und hochwertiges Obst liefern kann. Wie er erläuterte, hat sein unbehandeltes Obst auch mehr gesunde Inhaltsstoffe, die im handelsüblichen Obst nicht mehr in der Menge zu finden sind. Inzwischen gibt er sein Wissen in der Obstparadies-Lernwerkstatt auch an andere weiter.
"Eva und Adam" – Tafelobst aus Streuobstsorten
Alois Wilfling, OIKOS, Gleisdorf, Steiermark
Alois Wilfling aus der Steiermark in Österreich hat es zusammen mit seiner Partnerin geschafft, ein funktionierendes neues Vermarktungssystem für alte Streuobstapfelsorten aufzubauen. In seinem Vortrag schilderte er, wie aus der Idee alten Sorten ihren wahren Wert zu geben eine neue Vermarktungsform für Streuobst mit dem Namen „Eva und Adam“ entstand. Dazu werden die alten Sorten sehr genau beschrieben und dem Käufer dadurch schmackhaft gemacht. Über einen Onlineshop kann man dann die gewünschten Sorten entweder in Kisten oder auch in hochwertigen Holzschachteln bestellen, die mit der gewünschten Sortenmischung bestückt werden. Die Auslieferung erfolgt dann per Post oder über Abholstellen. Die Ankaufspreise für die alten Apfelsorten sind preislich gestaffelt und je seltener eine Sorte, desto höher auch der Preis. Wie Herr Wilfling erläuterte, war er selbst überrascht wie gut das Angebot angenommen wurde und wie hoch die Nachfrage nach dem hochpreisigen Produkt ist. Im nächsten Schritt wird das Angebot nun um weitere Sorten erweitert und der Ankauf von alten Sorten ausgebaut.
"Eva und Adam" – Tafelobst aus Streuobstsorten 1,6 MB
Mehr zum Thema
Für die Förderung des Streuobstanbaus und der Vermarktung von Streuobstprodukten kann aktuell in Bayern auf verschiedene staatliche Förderprogramme zurückgegriffen werden. Wir geben einen Überblick über die vorhandenen Fördermöglichkeiten.
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