Tierwohl in Rinderzuchtzielen
Die Tierwohldebatte hat inzwischen weite Bereiche der Gesellschaft erreicht. Insbesondere Milchviehhalter glaubten lange Zeit, das Thema sei auf die Geflügel- und Schweinehaltung begrenzt, inzwischen wird jedoch auch vermehrt die Milchviehhaltung kritisiert.
Während die tendenziösen Äußerungen von Hörning (2013) noch überzeugend widerlegt werden konnten, sind in anderen Bereichen die Vorwürfe vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft durchaus nachvollziehbar. Die jahrzehntelang quasi unumstrittene Enthornung wird vermutlich nicht mehr lange ohne wirksame Schmerzbehandlung zulässig bleiben, aber auch die Hornloszucht wird von Teilen der Gesellschaft in Frage gestellt.
Von besonderer ethischer Relevanz sind die Themen der Schlachtung trächtiger Rinder und der Verwertbarkeit männlicher Kälber von Milchrassen. Auch wenn dies keine züchterischen Themen sind, müssen sie gelöst werden, um den Sektor aus dem Fokus der Öffentlichkeit zu bringen.
Die züchterisch beeinflussbaren Fragestellungen des Tierwohls in der Rinderzucht finden sich auf den Gebieten Leistungszucht, (Euter-)Gesundheit, Nutzungsdauer sowie in der Erbfehlerproblematik. Eine züchterische Bearbeitung ist jedoch nicht nur eine Frage des „Wollens“, sondern vor allem auch des „Könnens“. Züchtung setzt immer voraus, dass eine Datengrundlage vorhanden ist und gepflegt wird, dass es eine ausreichende genetische Fundierung gibt und dass adäquate Methoden angewendet werden. Dieser Beitrag fasst zusammen, was in der Vergangenheit bereits geleistet wurde, vergleicht den Status Quo in verschiedenen Rassen und Regionen und bietet einen Ausblick auf die zukünftige züchterische Beeinflussung tierwohlrelevanter Merkmale.
Züchterische Verbesserung des Tierwohls in der Vergangenheit
Bereits kurz nach der Einführung des Tiermodells in der Rinderzucht erkannte man die Möglichkeiten, die das neue Zuchtwertschätzverfahren auch für niedrig erbliche Merkmale bot. Somit war es folgerichtig, ab Mitte der neunziger Jahre auch Merkmale wie Kalbeverlauf, Totgeburten, männliche und weibliche Fruchtbarkeit einer Zuchtwertschätzung zu unterziehen. Damit wurden diese Merkmale, die von den Züchtern schon immer als wichtig erachtet wurden, erstmals einer Selektion zugänglich (DGfZ-Schriftenreihe, Heft 11, 1998). Man muss aber auch festhalten, dass diese Merkmale nicht in erster Linie im Hinblick auf das Tierwohl eingeführt wurden, sondern weil sie natürlich auch eine konkrete wirtschaftliche Bedeutung besitzen.
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass bei diesen Merkmalen, ebenso wie bei vielen anderen Merkmalen aus dem Fitnessbereich, der züchterische Fortschritt nahezu ausschließlich auf dem Bullenvaterpfad entsteht, was die Effizienz im Vergleich zu Merkmalen, die auch auf der weiblichen Seite selektiert werden können deutlich einschränkt. Um die Jahrtausendwende kamen dann die Merkmale Zellzahl und Nutzungsdauer hinzu, ebenfalls zwei Merkmale, die von den Züchtern bereits seit Längerem gefordert worden waren.
Status Quo bei verschiedenen Rassen in verschiedenen Ländern
Entscheidend im Hinblick auf die züchterische Verbesserung des Tierwohls war, dass für diese „Fitnessmerkmale“ nicht nur Zuchtwertschätzungen eingeführt wurden, sondern dass diese auch mit zunehmender Bedeutung in den jeweiligen Gesamtzuchtwert einbezogen wurden. Der erste Gesamtzuchtwert (RZG) mit Fitnessmerkmalen wurde 1996 eingeführt, die Rassen Fleckvieh und Braunvieh folgten kurz danach (Aumann et al., 1995; DGfZ-Schriftenreihe, Heft 11, 1998).
Überblick über die Gewichtung verschiedener Merkmalskomplexe
Reinhardt (2014) gibt einen Überblick über die Gewichtung des Fitnesskomplexes bei verschiedenen Holsteinpopulationen im Jahr 2013 (Abbildung). Es wird erkennbar, dass die Milchleistung bei allen Populationen weniger als 50%-Anteil ausmacht.
Während Fruchtbarkeit in allen Populationen einen erheblichen Anteil besitzt, werden die Merkmale Zellzahl (bzw. Mastitis) und Nutzungsdauer sehr unterschiedlich gewichtet. Interessanterweise weisen alle dargestellten Gesamtzuchtwerte einen hohen Anteil Exterieur auf. Dies ist insofern bemerkenswert, weil hohe Exterieurzuchtwerte nicht automatisch gleichbedeutend mit einer verbesserten Fitness sind, dies gilt insbesondere für die Merkmale Rahmen und Milchtyp (e.g. Oltenacu und Broom, 2010). Problematisch ist auch, dass es bislang nicht möglich ist, für das Exterieur objektive ökonomische Gewichte abzuleiten (e.g. Krogmeier et al., 2006). Insofern hängt es von den konkret berücksichtigten Exterieurmerkmalen und deren Gewichtung ab, ob Exterieur im Gesamtzuchtwert dem Fitnesskomplex und damit dem Tierwohl zuzuordnen ist. Festzuhalten bleibt aber, dass Nutzungsdauer, Eutergesundheit und Fruchtbarkeit international feste Bestandteile von Rinderzuchtzielen sind und dass deren Anteil im Zeitablauf immer mehr gestiegen ist.
Ökonomisches Gewicht ist nicht gleich Selektionserfolg
Auch wenn die Darstellung der Zuchtziele gebräuchlich und allgemein verbreitet ist, darf nicht vergessen werden, dass es sich um eine Darstellung von wirtschaftlichen Gewichten und genetischen Standardabweichungen handelt und nicht um erwartete Selektionserfolge. Beispielsweise werden mit dem in Tabelle 1 dargestellten Zuchtziel für Fleckvieh rund 75 Prozent des monetären Zuchtfortschritts in der Milchleistung erzielt und nur 12 Prozent in allen Fitnessmerkmalen zusammen. Betrachtungen von Egger-Danner (2013) zeigen, dass selbst bei einer Verdoppelung des Fitnessanteils im Gesamtzuchtwert Fleckvieh immer noch rund 58 Prozent des Erfolgs in der Milch erwartet werden, bei einem erwarteten Erfolg in der Fitness von 38 Prozent.
Innerhalb Deutschlands sind die Zuchtziele der verschiedenen Rassen relativ ähnlich, wenn man einmal von den Besonderheiten der Zweinutzungsrassen absieht. Der Fitnesskomplex hat einen Anteil von 35 bis 90 Prozent, je nach Rasse und abhängig davon, ob man Exterieur zur Fitness zählt oder nicht (Tabelle 1). Interessant ist dabei die Betrachtung der beiden speziellen Bereiche Milch und Fitness in der letzten Zeile der Tabelle, die die enorme Spannweite bei den verschiedenen Zuchtzielen zeigt. Auch hier suggerieren die Zahlen wieder eine Bedeutung der Fitness, die sich im Selektionserfolg nicht so zeigt. Beispielsweise beträgt die Korrelation der konventionellen und ökologischen Gesamtzuchtwerte beim Fleckvieh über 0,9.
Die Frage, ob die „ökologischeren“ Gesamtzuchtwerte auch besser für das Tierwohl sind, lässt sich nicht zweifelsfrei beantworten, zumindest die niedrige Gewichtung der Eutergesundheit lässt Fragen offen.
Neuere Entwicklungen
Leistungsniveau
Während bei vielen Merkmalen grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Landwirten und Gesellschaft herrscht, dass eine Verbesserung wünschenswert ist, scheiden sich an der Höhe der Leistungen die Geister. Dies ist natürlich einerseits etwas irrational durch den „Effekt der großen Zahl“ bedingt. Während sich niemand an der Leistung einer Milchziege mit 800 kg stößt, erscheinen Lakationsleistungen von Kühen in der Größenordnung von 10.000 oder 12.000 kg dem Laien unvorstellbar.
Relativ unstrittig ist, dass zwischen Leistung und Fitnessmerkmalen ein genetischer Antagonismus besteht. Dies ist eine zwangsläufige Folge jeder Selektion auf mehrere Merkmale unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder künstliche Selektion handelt (Falconer und Mackay, 1996). Beim Fleckvieh betragen beispielsweise die Korrelationen zwischen Milchmenge und Nutzungsdauer ungefähr -0,10, zwischen Milchmenge und Fruchtbarkeit -0,3 bis -0,6 und zwischen Milchmenge und Mastitis -0,2 bis -0,3 (Egger-Danner, 2013). Das bedeutet aber nicht, dass man diese Antagonismen nicht unter Kontrolle halten könnte; vielmehr war die Zucht in den vergangenen Jahren recht erfolgreich, Fitnessmerkmale bei gleichem oder steigendem Leistungsniveau züchterisch zu verbessern.
Andererseits liegt es auf der Hand, dass die ausgeprägte Mobilisierung von Körperfettreserven am Laktationsbeginn eine physiologische Belastung darstellt (Martens, 2013). Kontrovers diskutiert wird aber, in welchem Umfang dies grundsätzlich tierwohlrelevant ist (Schwerin, 2014). Auch zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass genetisch überlegene Bullen auch in ungünstigeren Umweltverhältnissen Töchter mit höheren Leistungen hervorbringen (Gerber et al, 2008).
Es gibt also wenig wissenschaftlich gesicherte Hinweise, dass ein Verzicht auf weitere Leistungssteigerungen oder sogar eine Selektion gegen Leistung tatsächlich zu nennenswerten Verbesserungen des Tierwohls führen würde, die man ansonsten nicht erreichen könnte. Schon gar nicht kann man erwarten, dass ein Aussetzen der Leistungsselektion alleine zu einer signifikanten Verbesserung von Fitness und Gesundheit führen würde.
Gesundheit und Stoffwechsel
Züchterische Nutzung von Gesundheitsdaten
Wie bereits in der Einleitung erwähnt hängt die züchterische Erschließung neuer Merkmale in erster Linie von der Verfügbarkeit geeigneter Leistungsprüfungen bzw. Kalibrierungsdatensätze ab. Die ersten Entwicklungen gab es bei den sogenannten direkten Gesundheitsmerkmalen, beginnend mit einer Zucht auf Mastitisresistenz in den nordischen Ländern (Heringstad et al., 2003). Seit 2010 gibt es in Österreich Zuchtwerte für die Gesundheitsmerkmalskomplexe Mastitis, Zysten, frühe Fruchtbarkeitsstörungen und Stoffwechselstörungen (Fürst et al., 2013). Einzelheiten zur züchterischen Nutzung von Gesundheitsmerkmalen können an dieser Stelle nicht dargestellt.
Tabelle 2 stellt den Stand der Erfassung von Gesundheitsdaten in Deutschland und Österreich dar. Allen Programmen zur Erfassung von Gesundheitsdaten gemeinsam ist, dass (mit Ausnahme von Österreich) das erzeugte Datenvolumen für eine flächendeckende Zuchtwertschätzung und damit für eine wirksame züchterische Verbesserung der Tiergesundheit zu klein ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der sehr geringen Erblichkeit dieser Merkmale. Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn auch in Deutschland eine verbindliche Rechtsgrundlage für die Erfassung tierärztlicher Diagnosen geschaffen würde und die Zuchtverbände ihre Mitglieder entsprechend dem österreichischen Vorbild zur Teilnahme am Gesundheitsmonitoring verpflichten würden. Ich glaube nicht, dass eine solche Datengrundlage generell durch eine genomische Zuchtwertschätzung basierend auf Kuh-Phänotypen ersetzt werden kann.
Tabelle 2: Gesundheitsdatenerfassung in Deutschland (nach Zeiler, 2014)Bundesland/Land | Programm | Zeitraum der Datenerfassung | Anzahl teilnehmender Betriebe | Wer dokumentiert? |
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Sachsen-Anhalt + Thüringen | BHNB | 2009 - 2013 | 8 | Landwirt |
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Weser-Ems | GKUH (Plus) | 2009 - 2012 | 50 | Landwirt |
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Sachsen | Zukunftsforum Veredelungsland Sachsen | 2009 - 2013 | 76 (incl. Schwein) | Landwirt |
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Mecklenburg-Vorpommern | Testherden | ab 2005 | 30 | Landwirt |
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Berlin-Brandenburg | Testherden | ab 2009 | 62 | Landwirt |
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Schleswig-Holstein | Pilotprojekt Rindergesundheit | ab 2012 | ? | k.A. (LW) |
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Rheinland Pfalz | Gesundheitsmonitoring Rind | ab 2013 | ? | Landwirt |
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Baden-Württemberg | Gesundheitsmonitoring GMON | Seit 2009 | 1.000 | Tierarzt |
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Bayern | Pro Gesund | seit 2012 | 603 | Tierarzt, LOP, Landwirt |
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Österreich | GMON | seit 2006 | 23.278 | Tierarzt |
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In der Zwischenzeit werden Ersatzlösungen gesucht, entweder in Form von vertieften Auswertungen flächendeckend vorhandener Daten (e.g. Buttchereit et al., 2009), durch die bessere Auswertung von Infrarotspektren aus der Milchleistungsprüfung (e.g. Soyeurt et al., 2007) oder zukünftig auch die direkte Nutzung von Metaboliten (Wimmers et al., 2015).
Vor- und Nachteile existierender Leistungsprüfungssysteme
Die existierenden Leistungsprüfungssysteme bieten vor allem den Vorteil, dass sich neue Erhebungen mit relativ geringem Kostenaufwand aufsatteln lassen. Sie bieten aber auch den entscheidenden Nachteil, dass die Kontrollfrequenz für eine wirksame präventive Nutzung schlicht zu gering ist. Insbesondere am Beginn der Laktation müssten die Kontrollintervalle drastisch verkürzt werden, um Informationen aus MIR-Spektren, Metaboliten oder auch von betriebseigenen Sensoren effektiv für das Gesundheitsmanagement einzelner Tiere verwenden zu können. Das ist aus züchterischer Sicht zwar weniger von Interesse, aber Landwirte werden sich solchen Systemen nur dann anschließen, wenn sie auch für ihr eigenes Management einen Nutzen daraus ziehen können.
Precision Farming kann zukünftig die klassische Leistungsprüfung in Teilen ersetzen
Die Zukunft zu einer phänotypischen und züchterischen Verbesserung des Tierwohls (nicht nur der Gesundheit) liegt im Precision Farming, einem sich rasant entwickelnden Feld. Precision Farming wird in Zukunft die klassischen Leistungsprüfungen ersetzen, dazu beitragen, die Tiere individuell zielgerecht zu versorgen und eine Vielzahl neuer Merkmale auch für die Tierzucht erschließen. Bereits heute können Biomarker für Mastitis (Friggens et al., 2007) und Ketose auf dem Betrieb untersucht und das Zyklusgeschehen in Form von Progesteronprofilen dargestellt werden, allerdings noch nicht zu marktfähigen Preisen (Boichard und Brochard, 2012). Die Erfahrung lehrt, dass nützliche Technologien früher oder später zu massentauglichen Preisen angeboten werden. Der Forschungsbedarf auf diesem Gebiet ist enorm, sowohl was den Zugriff auf solche Daten angeht, als auch hinsichtlich der Extraktion relevanter Informationen aus den „Big Data“.
Erbfehler und genetische Dispositionen
Die Erbfehlerproblematik hat durch die massenhafte Verfügbarkeit genomischer Daten eine neue Bedeutung erlangt. Nicht deshalb, weil Erbfehler auf Grund der intensiven Tierzucht häufiger geworden wären, sondern weil unser vertieftes Wissen uns auch eine neue Verantwortung auferlegt. Diese Verantwortung betrifft sowohl die Vermeidung von Leiden bei den betroffenen Tieren, als auch einen verantwortungsvollen Umgang mit der genetischen Variabilität.
Zuchtprogramme, die ihr Engagement für Tierwohl glaubhaft machen wollen, müssen zukünftig sowohl über ein wirksames Monitoringsystem, als auch über eine nachhaltige Strategie zum Management der Erbfehler und genetischen Dispositionen verfügen (Boichard und Brochard, 2012). Dabei ist die „Null-Toleranz-Strategie“ suboptimal, wie Ergebnisse von Egger-Danner et al. (2015) zeigen. Wirksamer ist eine Kombination von Ausschluss der Träger vom Einsatz in der Kuhpopulation und Nutzung von ET mit Trägern bei Bullenmüttern.
Mittelbare Beeinflussung des Tierwohls
Neben den klassischen Fitness-, Exterieur- und Gesundheitsmerkmalen gibt es weitere Bereiche, die das Tierwohl mittelbar beeinflussen. Wichtigstes Merkmal ist in diesem Bereich die genetische Hornlosigkeit, die bei einer konsequenten Nutzung mittel- bis langfristig die Schmerzen der Enthornung und der anschließenden Heilungsphase komplett vermeiden könnte. Allerdings sind die Voraussetzungen bei den wichtigen Milch- und Zweinutzungsrassen unterschiedlich gut. Während die Hornlosigkeit beim Fleckvieh mittlerweile zum Selbstläufer geworden ist und bei Holstein durch die weltweite Populationsgröße und das Reservoir der Red Holsteins gute Aussichten bestehen (Segelke et al., 2013), gibt die Situation beim Braunvieh zu wenig Hoffnung Anlass.
Andere Bereiche, die das Tierwohl mittelbar beeinflussen und züchterisch relevant sind, sind das Sexing von Sperma, automatisch erhobene Body Condition Scores sowie die Zucht auf Größe bzw. Rahmen. Gesextes Sperma wird sich zu einer neuen Herausforderung entwickeln. Hier gilt, wie bei den Erbfehlern, dass neue technische Möglichkeiten den Züchtern neue Verantwortung auferlegen. Früher oder später wird man Sexing einsetzen, um die Problematik unwirtschaftlicher männlicher Kälber bei Jersey und Holstein zu umgehen. Automatisch erhobene Body Condition Scores und insbesondere deren Dynamik können sich als Merkmal erweisen, das sowohl züchterisch interessant ist, als auch im täglichen Management wichtige Hilfestellungen bieten kann. Über die Zucht auf Größe ist schon genügend geschrieben worden, der unerwünschte Zusammenhang zur Nutzungsdauer ist weitgehend manifest
Schlussfolgerungen und Literatur
In der Rinderzucht hat sich im Hinblick auf die Berücksichtigung tierwohlrelevanter Merkmale in den vergangenen 20 Jahren viel getan. Man kann durchaus behaupten, dass alles, was auf dem jeweiligen technischen Entwicklungsstand machbar war, auch umgesetzt wurde. Dabei kam die Forderung nach züchterischen Verbesserungen in tierwohlrelevanten Merkmalen immer von den Landwirten selbst, lange bevor die Gesellschaft und die Medien begannen, sich für das Thema zu interessieren.
Der Anteil der Leistung in Rinderzuchtzielen ist stets heftig diskutiert. Dabei sind die Auswirkungen auf den Zuchtfortschritt in der Milchleistung in aller Regel durchaus verkraftbar, wie Modellrechnungen zeigen (Egger-Danner, 2013). Der Trend zu einer höheren Gewichtung von Fitness- und Gesundheitsmerkmalen wird auch in Zukunft anhalten. Für überzeugende Schritte in Richtung Tierwohl benötigen wir intensive interdisziplinäre Forschung im Hinblick auf die Physiologie und Indikatoren für einen gesunden Stoffwechsel (DGfZ-Projektgruppe „Ökonomie und Tiergesundheit“, 2013) und die Schaffung einer breiten Datengrundlage.
Um neue Merkmale möglichst rasch flächendeckend einsetzen zu können, kann aber nicht abgewartet werden, bis 3.000 Besamungsbullen hinreichend sichere Zuchtwerte haben. Aus diesem Grund wird es zukünftig vermehrt erforderlich werden, Kühe mit zuverlässigen Phänotypen zu genotypisieren. Während die Ansätze hierzu in den Betrieben Mitteldeutschlands auf der Hand liegen (Projekt Kuh-L, Swalve et al., 2013), sind in vielen anderen Regionen neue Ideen gefragt.
In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Stimmung sind tierwohlorientierte Zuchtziele alleine jedoch nicht mehr ausreichend. Wenn eine mehrheitliche gesellschaftliche Akzeptanz sichergestellt werden soll, müssen Zuchtprogramme auch die Bereiche Erbfehler und mittelbare Tierwohleffekte überzeugend darstellen können.