Forschungs- und Innovationsprojekt
Analyse der Märkte für ausgewählte Öko-Produkte in Bayern

Murnau Werdenfelser auf Almwiese

Analyse der Märkte für ausgewählte Öko-Produkte in Bayern – Entwicklung und Potential von Öko-Milch sowie weiteren ökologischen Erzeugnissen

Um die Ziele des Landesprogramms BioRegio 2020 und zwischenzeitlich BioRegio 2030 erreichen zu können, beauftragte das Bayerische Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (StMELF) die LfL für diese umfassende Märkteanalyse. Das LfL-Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte (IEM) analysierte im Zeitraum von 2017 bis 2020 aufgrund der hohen Relevanz von Öko-Milch in Bayern dieses Marktsegment, sowohl auf Erzeuger- als auf Konsumseite.
Einen weiteren Fokus setzte das Projekt auf die Ziegenmilchproduktion, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewann. Hier insbesondere auf Lösungsansätze, wie in Bayern männliche Ziegenkitze gewinnbringend vermarktet werden können. Für einen weiteren Ausbau des Öko-Angebotes erarbeitete die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) Strategien und Problemlösungen für neue Öko-Spezialprodukte aus Bayern.

Die umfangreiche Marktanalyse für ausgewählte Öko-Produkte in Bayern umfasste drei Projektteile:

  • Potentialanalysen der Öko-Milcherzeugung sowie der Nachfrage nach Öko-Milch
  • Verbesserung der Aufzucht und Vermarktung von Öko-Ziegenkitzen
  • Teilmarktanalysen weiterer relevanter Öko-Produkte
Abstract in English

Bavaria ranks first in Germany in organic farming. Especially the dairy sector is of particular importance, as almost 50 % of the organic milk produced in Germany comes from Bavaria. Dairy products in Germany constitute the most important product group in the organic sector in terms of market volume. Also, the market for goat milk products has become more and more important in recent years and promises a high market potential. Here again, Bavaria is a major producer for goat milk in Germany. In addition, the majority of the milk goats in Bavaria are kept according to organic standards. The state of Bavaria aims to double the domestic production of organic products from 2012 to 2020. Due to its economic importance, the market for organic milk plays a key role in the development of organic agriculture in Bavaria. The aim of the project is therefore to analyze the potential of the increase of organic milk supply in Bavaria focusing both on challenges regarding farm conversion towards organic production and on the market potential for organic dairy products. Additionally, feasible solutions for the difficulties of the marketing of byproducts of organic milk production are sought with the main focus being on rearing and marketing of goat kids. Finally, market analysis of other relevant markets will complement the project. The insights gained regarding the development and growth potential of these markets and the resulting recommendations for policy makers and economic stakeholders will help to promote organic farming and to meet the demand for domestic products.

Ziel Gesamtprojekt

Das Ziel des Gesamtprojektes der Marktanalyse stand im Zusammenhang mit den Zielen des im damaligen Projektzeitraum liegenden Landesprogramms BioRegio Bayern 2020, die heimische Erzeugung von Öko-Produkten von 2012 auf 2020 zu verdoppeln, um die Nachfrage nach Öko-Lebensmitteln vermehrt aus heimischer Produktion zu decken. Mit dem Programm BioRegio 2030 setzt das bayerische Landwirtschaftsministerium das erfolgreiche Landesprogramm BioRegio Bayern 2020 zwischenzeitlich fort. Ziel von BioRegio 2030 ist es, dass 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern im Jahr 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. Gleichzeitig setzt das neue Landesprogramm auf eine Stärkung von Absatz und Nachfrage.

Landesprogramm BioRegio Bayern 2020 und BioRegio 2030 Externer Link

Hintergrund und Problemstellung

Die Bedeutung der ökologischen Milchwirtschaft in Bayern

Die ökologische Landwirtschaft spielt in Bayern eine große Rolle. Der Sektor Milch ist dabei von besonderer Bedeutung. Dies zeigt sich in der Tatsache, dass fast 50 % der in Deutschland erzeugten Öko-Milch aus Bayern stammt und 23 der 54 meldepflichtigen Molkereien in Bayern Öko-Milch erfassen. Hinzu kommt, dass der Bereich Milch in Deutschland hinsichtlich Marktvolumen mit 387 Mio. € Verkaufserlös im Jahr 2016 (zum Projektstart) die bedeutendste Produktgruppe im Biosektor darstellt. Somit werden etwa 19,5 % des Gesamtumsatzes aus dem Bio-Landbau in Deutschland mit Bio-Milchprodukten erwirtschaftet (Stand 2017/2018).
Seit 2015 ist der Öko-Milchpreis auf hohem Niveau stabil und wurde durch die Schwankungen auf dem Markt für konventionelle Milch nur geringfügig tangiert. Diese Stabilität und der hohe Abstand zwischen dem konventionellen und ökologischen Milchpreis, verbunden mit der hohen Förderung der Öko-Betriebe durch das bayerische Kulturlandschaftsprogramm, zählen zu den Gründen für viele Neuumstellungen in den Jahren 2016-2019. Auch wenn sich nach wie vor die Auszahlungspreise für Öko-Milch auf hohem Niveau halten, stellte sich angesichts der Neuumstellungen, d.h. des nun größeren Angebotes, die Frage, wie lang dieser Trend anhalten wird und welche Entwicklungen zukünftig im Öko-Milchmarkt in Bayern zu erwarten sind.

Nachfrage nach Öko-Milch

Gleichzeitig muss bei einer Potentialanalyse auch die Nachfrageseite betrachtet werden, da eine Angebotsausweitung bei gleichbleibender Nachfrage zum Preisdruck führen kann bzw. eine Vermarktung als Öko-Milch ausschließen könnte.

Ziegenmilchprodukte und Koppelprodukt Ziegenkitze

Auch der Markt von Ziegenmilchprodukten wuchs in Deutschland in den Jahren 2017/2018 (zum Projektstart) und verspricht weiterhin ein hohes Marktpotential. Auch hier stellt Bayern ein Zentrum der Milchziegenhaltung in Deutschland dar. Trotz dieses gestiegenen Absatzes blieb die Vermarktung des Koppelproduktes „männliche Ziegenkitze“ eine Herausforderung. Die ökologische Aufzucht der Kitze ist mit hohem Aufwand verbunden und in der Regel unwirtschaftlich. Daneben bestehen auch auf den anderen Stufen der Wertschöpfungskette Schwierigkeiten. Diese umfassen beispielsweise die Möglichkeit und Kosten der Schlachtung sowie die fehlende Attraktivität für den Handel aufgrund der relativ geringen Menge und des saisonalen und unregelmäßigen Anfalls der Kitze. Zudem ist das Produkt am deutschen Markt noch nicht etabliert und beim Verbraucher teilweise mit Vorurteilen wie “Bockgeschmack“ behaftet. Da Bayern ein Zentrum der Ziegenmilcherzeugung in Deutschland darstellt und es sich bei den Milchziegen in Bayern überwiegend um ökologisch gehaltene Tiere handelt, trifft die ungünstige Vermarktungslage damit besonders Öko-Betriebe.

Bedarf an weiteren Bio-Produkten aus Bayern

Da sich die Nachfrage nach Bio-Produkten mehr und mehr differenziert, reicht es für die in den Landesprogrammen BioRegio 2020 und 2030 angestrebten Ziele nicht aus, dass die bereits weit verbreiteten Frischeprodukte forciert werden, sondern es müssen auch innovative Strategien und Problemlösungen für weitere relevante Öko-Produkte entwickelt werden. Der Mangel an Informationen über das Marktpotenzial sowie die Unsicherheit der Erzeuger über potenzielle Vermarktungswege hemmen das Wachstum dieser Produkte.

Die drei Projektteile im Überblick (Ziele, Methode, Ergebnisse)

Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf den Betrachtungszeitraum im Projekt im Zeitraum von 2017 bis 2020. Eine nachträgliche Aktualisierung fand nicht statt.

Ziel

Aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung spielt der Markt für Öko-Milch eine Schlüsselrolle für die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in Bayern und die Erreichung der Ziele der Landesprogramme BioRegio 2020 und 2030. Im vorliegenden Projekt wurde daher der Markt für ökologische Milch analysiert, wobei sowohl Herausforderungen auf Erzeugerseite als auch auf Nachfrageseite betrachtet wurden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und abgeleiteten Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaftsbeteiligte sollen helfen, den Ökolandbau voranzubringen und die Nachfrage durch heimische Produkte zu decken.

Methode

Für die Analyse des Entwicklungspotentials der Bio-Milchproduktion in Bayern wurde zunächst der Status Quo der Öko-Milchviehhaltung und -erzeugung in Bayern erfasst (Kapitel 2 im Abschlussbericht). Anschließend wurden mittels Literaturrecherche und Experteninterviews die Faktoren identifiziert, die maßgeblich einen Einfluss auf die Entscheidung von Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern haben, auf eine ökologische Bewirtschaftung umzustellen (Kapitel 3 im Abschlussbericht). Um den Einfluss der identifizierten Faktoren besser einschätzen zu können, wurden zudem die Ergebnisse einer Umfrage konventioneller Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter von Milchviehbetrieben zum Umstellungsinteresse vorgestellt (Kapitel 4 im Abschlussbericht).
Für die Analyse des Nachfragepotentials der Verarbeiter, des Handels und der Verbraucher von Öko-Milch und ausgewählten Öko-Milchprodukten wurde einerseits die Bio-Milchproduktion und -erfassung in Bayern betrachtet. Bezüglich der Nachfrageeinschätzung betrachteten die Forschenden zudem auch Absatzkanäle und verschiedene Bio-Milchprodukte. Datengrundlage hierfür bilden neben LfL-internen Daten auch externe Daten von Marktforschungsinstituten. Ergänzt wurde die quantitative Analyse um Meinungen und Einschätzungen von relevanten Marktteilnehmern, maßgeblich der bayerischen Molkereien (siehe Kapitel 5 und 6 im Abschlussbericht).

Ergebnisse/Ergebnisüberblick

Für die Nachfrageentwicklung der bayerischen ökologischen Milchwirtschaft spielte im Betrachtungszeitraum der Einzelhandel die zentrale Rolle. Hier glichen sich die bayerischen und nationalen Strukturen mehr und mehr aneinander an. Bei einem Bevölkerungsanteil von 15,8% (Statistisches Bundesamt, 2020) betrug der Anteil Bayerns an den Ausgaben im Einzelhandel für Bio-Milch und Bio-Molkereiprodukte 18,3%. Die Nachfrage nach Produkten aus ökologischer Erzeugung war in Bayern damit zwar immer noch deutlich über dem nationalen Schnitt. Bayerns Vorsprung nahm aber langsam ab. Für den Absatz der bayerischen, ökologischen Milchwirtschaft, die für die Hälfte der deutschen Milcherzeugung steht, waren die Märkte außerhalb Bayerns sowohl im Betrachtungszeitraum als auch perspektivisch mindestens genauso bedeutend wie der heimische Markt.
Preise
Der Abstand zwischen den Erzeugerpreisen konventioneller und ökologisch produzierter Milch hatte sich seit 2017 auf das Niveau vor der Abschaffung der Milchquoten zurück entwickelt. Die Preisänderungen auf der Erzeugerstufe wirkten sich wegen der häufigen unterjährigen Preisverhandlungen zwischen dem Handel und Handelsmarkenlieferanten unmittelbar auf die Verbraucherpreise für konventionelle Konsummilch aus. Dieser Effekt war auch bei den Verbraucherpreisen von Butter und Käse aus konventioneller Erzeugung zu beobachten – nicht aber bei den Joghurt-Preisen. Die Segmente Trinkjoghurt und Fruchtjoghurt ermöglichten eine Differenzierung durch Marken, Sorten und Geschmacksvariationen und boten dadurch auch mehr Wertschöpfungsoptionen für die Molkereien. Die Produktpreise entkoppelten sich dadurch von den Erzeugerpreisen der Milch.
Potenziale im Bereich der Produktenwicklungen
Auf die höher veredelten Segmente entfielen im konventionellen Bereich gut 57% der nachgefragten Joghurtmenge – bei Bio-Ware nur 35%. Hierbei spielte offenbar der Wunsch bioaffiner Kunden nach Natürlichkeit eine Rolle, die frische und saisonale Früchte selbst zugeben wollten. Die bislang nicht vollständig genutzten Potenziale durch Zutaten, die im Trend bei Gesundheitsbewussten, Allergikern und Sportlern liegen, sollten besser abgeschöpft werden. Beispiele hierfür sind Proteinzusätze, Milchkaffees oder die Zugabe von Pseudocerealien und exotischen Früchten. Aufbauend auf die positive Entwicklung der Bio-Konsummilch sollte sich in Zukunft verstärkt der Diversifizierung von Bio-Molkereien gewidmet werden.
Wo wird eingekauft?
Die Entwicklung der Einkaufsmengen der privaten Haushalte nach Einkaufsstätten verlief in Bayern und auf nationaler Ebene parallel. Der LEH gewann in allen untersuchten Bio-Produktbereichen an Bedeutung. Die Wachstumstreiber bei Bio-Molkereiprodukten waren im Zeitraum 2016 bis 2018 vor allem die Super- und Verbrauchermärkte mit weniger als 5.000m2 Fläche. In diesem Segment dominierten die Handelsunternehmen Edeka und Rewe. Mit verbreiterten und vertieften Sortimenten gewannen sie Marktanteile vom Naturkostfachhandel.
Einkaufs- und Vertriebsstrategien
Sowohl im bayerischen als auch im nationalen LEH liefen die meisten Bio-Produkte über die Kassenbänder der Edeka, gefolgt von Aldi, Rewe und mit deutlichem Abstand Lidl. Die Einkaufs- und Vertriebsstrategien dieser vier Handelsunternehmen waren entscheidend für die Entwicklung der bayerischen Molkereien.
Wichtiger Aspekt dieser Arbeit war die Frage, ob der LEH die günstigeren Erzeugerpreise in den Nachbarstaaten ausnutzt, um sich im Preiswettkampf zu profilieren. Die Analyse zeigte, dass in allen betrachteten Produktbereichen das Niedrigpreissegment an Bedeutung verlor. Der Handel setzte also bei Bio nicht so stark auf niedrige Preise, sondern auf Marken, Herkunft, Verbandsware und Vielfalt im Sortiment. Dennoch dominierten bei Konsummilch, Joghurt und Butter niedrigpreisige Handelsmarken mit Mengenanteilen jenseits der 60%. Der befürchtete Preisrutsch nach der Umstellung vieler Milcherzeuger auf ökologische Landwirtschaft hatte im Untersuchungszeitraum 2014 bis 2018 nicht stattgefunden, weil im Einzelhandel Bio-Molkereiprodukte nicht über aggressive Preise vermarktet wurden. Kleinere Molkereien konnten dadurch profitieren, dass sie einzelnen Super- und Verbrauchermärkten beim Aufbau vielfältiger Sortimente halfen.

Ziel

Im Bereich Öko-Milchziegen lag der Fokus auf dem Koppelprodukt Ziegenkitz, dessen Vermarktung sich bisher schwierig gestaltete. Ziel dieses Projektteiles war es daher, praktikable Lösungen für die Kitzaufzucht zu entwickeln und die Vermarktungssituation der Bio-Ziegenkitze in Bayern zu verbessern.

Methode

Zunächst wurde der Status Quo der ökologischen Ziegenhaltung und Öko-Ziegenmilcherzeugung in Bayern erfasst (Abschlussbericht: Kapitel 7). Um die Problematik bei der Vermarktung von Bio-Ziegenkitzen besser zu verstehen, wurden zunächst die Herausforderungen bei Aufzucht und Vermarktung der Bio-Kitze betrachtet. Dies beinhaltete auch die Ergebnisse der schriftlichen Befragung der ziegenhaltenden Betriebe. Diese Problemfelder bilden gleichzeitig die Grundlage für die Entwicklung von Ansätzen zur Verbesserung der Aufzucht- und Vermarktungssituation der Bio-Ziegenkitze in Bayern.

Lösungsansätze

Übergeordnetes Ziel dieses Arbeitspaketes war es, Ansatzpunkte aufzuzeigen, wie Aufzucht und Vermarktung der männlichen Ziegenkitze auf Bio-Betrieben wirtschaftlich attraktiver gestaltet werden kann, so dass langfristig mehr männliche Ziegenkitze als Bio-Kitze vermarktet werden können und der heimische Absatz verbessert wird. Neben ökonomischen Gesichtspunkten waren bei der Erarbeitung von Lösungsansätzen hier auch Tierwohlaspekte von Bedeutung (Abschlussbericht: Kapitel 8).

Die Lösungsansätze umfassen beispielsweise:

  • Kosteneinsparung bei der Aufzucht
  • Durchmelken zur Reduktion der Kitzzahl
  • Angebotsbündelung zur besseren Marktübersicht und Vermarktung
  • verschiedene Strategien zur Verbesserung der Vermarktung

Vermarkungsaktion „Allgoiß“
Basierend auf diesen Lösungsvorschlägen wurde die Vermarkungsaktion „Allgoiß“ in Zusammenarbeit mit der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten ins Leben gerufen, mit deren Hilfe mehr Ziegenkitze regional vermarktet werden sollen (siehe Kapitel 9 im Abschlussbericht).

Ziel

Da sich die Nachfrage nach Bio-Produkten mehr und mehr differenziert, reicht es für die in den Landesprogrammen BioRegio 2020 und 2030 angestrebte Ziele nicht aus, dass die bereits weit verbreiteten Frischeprodukte forciert werden, sondern es müssen auch innovative Strategien und Problemlösungen für Spezialprodukte entwickelt werden. Der Mangel an Informationen über das Marktpotenzial sowie die Unsicherheit der Erzeuger über potenzielle Vermarktungswege hemmen das Wachstum dieser Produkte.
In Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) wurden in diesem Projektteil fünf relevante Teilmärkte des bayerischen Öko-Sektors betrachtet, zu denen unzureichend Informationen vorlagen. Es wurden Informationen über den Anbau sowie über Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen erstellt, die Grundlage für die Umsetzung regionaler Wertschöpfungsketten bilden können. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und abgeleiteten Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaftsbeteiligte sollen helfen, den Ökolandbau entsprechend den Zielen des Landesprogramms zu entwickeln und mehr Nachfrage durch heimische Produkte zu decken.

Methode

Die Teilmarktanalysen von der Erzeugung bis zum Verbraucher für weitere relevante Öko-Produkte wurden in Kooperation mit der HSWT im Rahmen von Abschluss- und Projektarbeiten durchgeführt. Hierfür erstellten Studierende fünf Marktübersichten, welche die Grundlage für die Umsetzung regionaler Wertschöpfungsketten bilden können (z. B. für das Bayerische Bio-Siegel). Im Vorfeld priorisierte die LfL im Einvernehmen mit den Mitgliedern des LfL-Arbeitskreises „Märkte für Öko-Lebensmittel“ die relevanten Teilmärkte (Kapitel 10 im Abschlussbericht).

Übersicht der untersuchten Teilmarktanalysen:

  • Kartoffelprodukte
  • Senf
  • Cerealien: Emmer, Einkorn und Hartweizen
  • Pseudo-Cerealien: Buchweizen, Amaranth, Quinoa und Hirse
  • Fruchtzubereitungen

Ergebnisüberblick und Empfehlungen

Die Erzeugerinnen und Erzeuger waren grundsätzlich bereit, die fünf betrachteten Nischenprodukte anzubauen, wenn die Vermarktung gesichert ist. Verarbeitung und Handel wollen erst in entsprechende Anlagen und Logistik investieren, wenn sowohl die Nachfrage als auch das Angebot an bayerischen Rohwaren für die Amortisation entsprechender Investitionen ausreicht. Um den gordischen Knoten zu durchschlagen, können Initiativen in den bayerischen Öko-Modellregionen Potenziale eröffnen. Unter dem Projektmanagement der Modellregion können relevante Nischenprodukte für die jeweilige Region identifiziert werden, Kontakte zwischen regionaler Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung hergestellt werden. Auch die Information potenzieller Kundinnen und Kunden über den Nutzen der Produkte sollte in solchen Projekten integriert sein. Partner bei der Vermarktung kann insbesondere der Naturkosthandel sein, der sich durch ein breites und tiefes Angebot vom Lebensmitteleinzelhandel abheben kann.
Horizontale Kooperationsmodelle
Bei einigen Produkten ist die Zusammenarbeit von Erzeugung und Verarbeitung durch den Zusammenschluss zu Erzeuger- und Vermarktungsgemeinschaften anzuraten (horizontale Kooperationsmodelle). Hierzu zählen Emmer und Einkorn, Hirse und Buchweizen sowie Kartoffeln. Bei Letzteren bietet die Belieferung von Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung Potenziale, da die Herstellung von Schälkartoffeln keine hohen Investitionen erfordert.
Vertikale Kooperationsmodelle
Ein Merkmal Bayerns ist die kleinstrukturierte Landwirtschaft. Dies gilt umso mehr für den Ökolandbau. Dies ist ein Nachteil, wenn es darum geht, große Mengen für die Verarbeitung zur Verfügung zu stellen. Die Chancen der kleinen Betriebe bei den betrachteten Nischenprodukten liegen aber gerade in der Kooperation mit kleineren Verarbeitern, Handwerksbetrieben, Manufakturen und in der Direktvermarktung (vertikale Kooperationsmodelle).

Zusammenfassende Bewertung der fünf untersuchten Produktbereiche:

  • Kartoffelprodukte
    • Produktbeispiele: Trockenprodukte, gekühlte Produkte, Tiefkühlprodukte, Snacks, Flocken, Granulat; geschälte oder vorgegarte Kartoffeln für Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie.
    • Be- und Verarbeitungsschritte nach der Ernte (nicht alle Schritte für alle Produkte erforderlich): Reinigen, Schälen, Schneiden, (Farb-) Auslesen, Pürieren, Trocknen (durch Walzen oder Heißluft), Kochen oder Frittieren, Verpacken.
    • Anbaubedingungen: Lockere, warme Sand- bis sandige Lehmböden. Anbau in Schwaben, Franken, Niederbayern, nördliches Oberbayern. Ø Anbaufläche je Betrieb: 2 ha in Bayern, 8 ha in Niedersachsen.
    • Hemmnisse in der Landwirtschaft: Preis deutlich unter Speisekartoffeln. Gefahr hoher Verluste durch Krautfäule, Schädlingsbefall, da Einsatz von chemischen Pestiziden nicht erlaubt.
    • Hemmnisse Verarbeitung und Handel: Investitionen für Verarbeitungsanlagen kostenintensiv. Break-even nur bei hohem Absatz zu erreichen. Märkte bereits von Anbietern außerhalb Bayerns besetzt.
    • Chancen: Verarbeitung als Verwertungsoption bei mangelnder äußerer Qualität. Gründung von Verwertungsgenossenschaften. Zeitlich konzentrierte Lohnproduktion von Flocken und Granulat. Trend zur Außerhausverpflegung: Schälkartoffelproduktion mit Potential etwa in öffentlichen Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen. Kartoffelprodukte mit Potenzial für Bayrisches Bio-Siegel.
  • Fruchtzubereitungen
    • Produktbeispiele: TK-Früchte, Konfitüren, Fruchtjoghurt, -quark, Smoothies, Trockenfrüchte.
    • Be- und Verarbeitungsschritte nach der Ernte (nicht alle Schritte für alle Produkte erforderlich): Waschen, Entsteinen/ Entkernen, Schockfrosten, Pürieren, Passieren, Abfüllen, Tiefkühlen. Bei Nüssen Trocknen, Kalibrieren, Knacken, Verpacken.
    • Anbaubedingungen: Früchte wärmeliebend, hoher Wasserbedarf (ggf. Bewässerung notwendig), Gefahren durch Spätfröste, Hagel, Pilz- und Insektenbefall.
    • Hemmnisse in der Landwirtschaft: Preis deutlich unter Frischvermarktung. Gefahr hoher Verluste durch Spätfröste und Schädlingsbefall (nur Einsatz von Kupferlösungen und Nützlingen möglich).
    • Hemmnisse Verarbeitung und Handel: In Bayern nur kleine Mengen verfügbar für die Herstellung von Fruchtzubereitungen (i.d.R. TK). Auslandsware von Verarbeitern wegen Versorgungsicherheit bevorzugt. Im Ausland (z.B. in Polen, Rumänien, Bulgarien, Serbien) höhere Verarbeitungsmengen und automatisierte Aufbereitung.
    • Chancen: Wunsch der Erzeuger, bei Übermengen und Abweichungen von Vermarktungsnormen an die Verbeiter zu liefern. Dieser wird aber selten von Verarbeitern akzeptiert. Investitionen in Be- und Verarbeitung von Hasel- und Walnüssen bieten Chancen für Vermarktung an Konditoreien, für Müsli, süße Brotaufstriche. Vernetzung von Erzeugern untereinander und mit Manufakturen in der Region sinnvoll.
  • Cerealien
    • Produktbeispiele: ganzes Korn, Mehl, Gries bzw. Kuskus aus Emmer, Einkorn, Hartweizen, Grundstoffe für Mehl, Brot, Müsli, Teigwaren, Bier.
    • Be- und Verarbeitungsschritte nach der Ernte (nicht alle Schritte für alle Produkte erforderlich): Reinigen, Trocknen, Schälen, Polieren, Mälzen, Mahlen, Flocken, Verpacken.
    • Anbaubedingungen: Emmer und Einkorn auf Grenzstandorten mit sehr niedrigem Ertrag, Hartweizen vornehmlich in Niederbayern und Unterfranken. Hartweizen gut auch auf trockenen Böden, allerdings mit geringerer Ertragssicherheit in Bayern als Weichweizen.
    • Hemmnisse in der Landwirtschaft: Fehlende Händler oder Verarbeiter im Umkreis der Betriebe, geringe Erträge bei Emmer und Einkorn, Standortkonkurrenz von Hartweizen für Dinkel und Weizen.
    • Hemmnisse Verarbeitung und Handel: Mengen aus Bayern gering. Investitionen in Anlagen zum Entspelzen oder für die weitere Verarbeitung amortisieren sich zu langsam. Liefersicherheit bei überregionalem Bezug höher. Bayerische Anbaumengen durch Direktvermarkung und individuelle Lieferketten leicht zu vermarkten.
    • Chancen: Bereicherung der Fruchtfolge. Regionale Kooperationen in der Be- und Verarbeitung (z.B. Emmerbier der Riedenburger Brauerei), bei Hartweizen Kooperation mit Nudelherstellern und Legebetrieben zur Verwertung von S- und XL- oder Knickeiern. Potenzial für Bayerisches Bio-Siegel.
  • Pseudo-Cerealien
    • Produktbeispiele: Körner, Mehl aus Buchweizen, Quinoa, Amarant, oft in Backmischungen, da keine Eigenbackfähigkeit. Müsli, Brot, Teigwaren, Snacks, Flocken, gepoppte, gepuffte oder extrudierte Produkte.
    • Be- und Verarbeitungsschritte nach der Ernte (nicht alle Schritte für alle Produkte erforderlich): Reinigen, Trocknen, Schälen (bei Buchweizen, Quinoa), Polieren, Mahlen, Poppen, Mischen, Verpacken.
    • Anbaubedingungen: Amarant, Quinoa stammen aus Südamerika, im Ertrag nicht wettbewerbsfähig zu Weizen oder Dinkel. Quinoa trocken- und kälteresistent auf Grenzstandorten möglich, Amarant benötigt besseres Klima. Buchweizen ist als Bodenverbesserer ideal auf leichten Böden.
    • Hemmnisse in der Landwirtschaft: Amarant und Quinoa mit niedrigen Erträgen, kaum Erfahrungen im Anbau in Bayern. Be- und Verarbeitungsstrukturen fehlen meist in Bayern.
    • Hemmnisse Verarbeitung und Handel: Produkte noch relativ unbekannt beim Verbraucher. Aktuelle Nachfrage wird größtenteils durch Importe aus Osteuropa und Südamerika gedeckt. Amarant und Quinoa werden nicht mit Bayern assoziiert. Gesundheitsfördernde Wirkung in Bayern nicht bekannt genug.
    • Chancen: Bereicherung der Fruchtfolge. Bodenverbesserung durch Buchweizen. Quinoa auf Grenzstandorten. Gute Planung der Be- und Verarbeitungsschritte vor testweisem Anbau. Trend zu mehr Unverträglichkeiten und glutenfreier Ernährung. Information zu den gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen (Superfood). Kaum Potenziale für Bayerisches Bio-Siegel bei Quinoa und Amarant.
  • Senf
    • Produktbeispiele: Senfkörner, Senfblätter, Senfmehl, Senfpulver. Hauptprodukt Tafelsenf, Senfkörner, Sauerkonserven, Mayonnaise, Feinkostsaucen. Senf auch als Bodenverbesserer und Futtermittel.
    • Be- und Verarbeitungsschritte nach der Ernte (nicht alle Schritte für alle Produkte erforderlich): Trocknung, Grobreinigung, Feinreinigung und Sortierung (etwa durch Farbausleser) auch zum Trennen bei Gemengesaat. Schälen, Mahlen, Verpacken.
    • Anbaubedingungen: Anbau vornehmlich in Oberfranken. Geringe Ansprüche an Standort; starkes Wachstum verhindert Verunkrautung; allerdings hohes Insektenrisiko. Daher vielfach Gemengeanbau mit anderen Kulturen; Oft als Zwischenfrucht zur Bodenverbesserung.
    • Hemmnisse in der Landwirtschaft: Insektenrisiko (z.B. Erdfloh, Rapsglanzkäfer) bis hin zur Gefahr des Totalausfalls. Fehlende Verarbeiter im Umkreis.
    • Hemmnisse Verarbeitung und Handel: Bisher nur ein Unternehmen in Bayern mit Farbauslesemöglichkeit (weite Transportwege). Versorgungsrisiko bei Konzentration auf bayrischen Zutatenlieferanten hemmt die Verwendung des Bayerischen Bio-Siegels.
    • Chancen: Senf hat hohes regionales Imagepotenzial. Es gibt bereits erfolgreiche Vermarktung von Senf mit Bayerischem Bio-Siegel. Weiterverarbeitung der Rohstoffe näher an die Erzeuger bringen. Überregionaler Erfahrungsaustausch mit anderen Bio-Senf-Anbaugebieten zur Reduzierung der Anbaurisiken.

Abschlussbericht

Den umfassenden Abschlussbericht mit Darstellung von Hintergrundinformationen, Problematik, Vorgehensweise, Methodik sowie Ergebnissen der drei Projektteile können Sie beim Arbeitsbereich Ökologische Land- und Ernährungswirtschaft im LfL-Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte anfordern.
Publikationen

Projektinformation
Projektleitung: Johannes Enzler, LfL-Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte (IEM)
Projektbearbeiter: Christina Mack, Marlen Machinek, IEM
Laufzeit: 01.09.2017 – 29.02.2020
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Projektpartner: Prof. Paul Michels, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT)
Förderkennzeichen: A/17/17