Forschungs- und Innovationsprojekt
Etablierung von Raubmilben in der Hopfenbau-Praxis über Untersaaten

Ausbringung der autochthonen Raubmilbenart Typhlodromus pyri. aus deutschen Wein- und Obstbau Gebieten

Im Rahmen eines von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projektes im Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) werden über drei Vegetationsperioden hinweg (2018 bis 2020) Versuche zur Etablierung von Raubmilben über winterharte Untersaaten zur nachhaltigen Spinnmilbenkontrolle im Hopfen durchgeführt.

Hintergrund

Einer der Hauptschädlinge des Kulturhopfens ist die Gemeine Spinnmilbe Tetranychus urticae, die Qualitäts- und Ertragsverluste bis hin zum Totalausfall verursacht. Deshalb werden nicht nur in Deutschland, sondern europa- und weltweit regelmäßig Akarizide zur Spinnmilbenbekämpfung eingesetzt. Im deutschen Wein- und Obstbau hingegen erfolgt eine nachhaltige Spinnmilben-Kontrolle überwiegend durch etablierte Populationen von Raubmilben. In der Hopfenbau-Praxis ist diese Form der biologischen Schädlingsbekämpfung jedoch derzeit nicht praktikabel, da bei der Ernte nahezu alle oberirdischen Pflanzenteile vom Feld geholt werden. Dadurch fehlt den Raubmilben eine Möglichkeit zur Überwinterung im Hopfengarten, was die Grundlage einer dauerhaften Etablierung stabiler Raubmilben-Populationen im Hopfengarten wäre.

Ziel

IIn dem dreijährigen Forschungsprojekt wurde versucht, durch die Einsaat geeigneter winterharter Untersaaten in den Fahrgassen ein Refugium für die Überwinterung von Raubmilben im Hopfengarten zu schaffen. Von diesem Refugium aus können ab dem Frühjahr erneut die Hopfenpflanzen besiedelt werden. So soll eine dauerhafte Etablierung der Raubmilben im Hopfen ermöglicht werden. Damit wird eine funktionierende, nachhaltige und wirtschaftliche Methode zur Spinnmilbenkontrolle im ökologischen Pflanzenschutz entwickelt, die einen essenziellen Baustein des integrierten Pflanzenschutzes darstellt.

Relevanz in der Hopfenbau-Praxis

Besonders wichtig ist die Möglichkeit eines effektiven, nachhaltigen, biologischen Spinnmilbenmanagements vor allem im ökologischen Hopfenanbau. Eine Alternative zum vorbeugenden Einsatz von Molke und Schwefel ist nötig, da diese Methoden vorhandene Nützlinge gefährden und somit nicht nachhaltig sind. Aufgrund aktueller Diskussionen über Spritzmittelzulassungen, Umweltbelastung und Bienengefährdung durch Pflanzenschutzmitteleinsatz in der Landwirtschaft wird eine wirksame biologische Bekämpfung der Gemeinen Spinnmilbe allerdings auch für konventionell bewirtschaftete Betriebe zunehmend interessant.

Methode

Durch Blattbonituren während der Vegetationsperiode, Ertrags- und Qualitätsermittlung nach der Ernte und Bonituren der Untersaaten im zeitigen Frühjahr wurde der Erfolg der Raubmilbenansiedelung sowie der Spinnmilbenbekämpfung kontrolliert.

Untersaaten

Als winterharte Untersaat wurde einerseits Rohrschwingel Festuca arundinacea verwendet, der bereits positive Effekte in anderen Versuchen gezeigt hat; andererseits wird eine Grünlandmischung eingesetzt, die unter anderem Wiesenfuchsschwanz Alopecurus pratensis, Wiesenrispe Poa pratensis und Wiesenschwingel Festuca pratensis enthält. Hintergrund dieser Auswahl ist die Fähigkeit der Raubmilben, sich zeitweise alternativ von Gräserpollen zu ernähren. Auf diese Weise soll das Überleben der Raubmilben im Frühjahr zwischen der winterlichen Ruhephase und dem Beginn des Spinnmilbenbefalls im Hopfen sichergestellt werden.
Des Weiteren sollen diese Untersaaten das Mikroklima im Hopfengarten ganzjährig positiv zugunsten der Raubmilben beeinflussen.
Ein zusätzliches Versuchselement war die Pflanzung von Erdbeerpflanzen als holzigen Pflanzen, angelehnt an die Bedingungen im Wein- und Obstbau, zur Überwinterung der Raubmilben in den Fahrgassen eines Hopfengartens anstelle einer Untersaat. Für die Praxis erlangt dies aufgrund der aufwändigen Pflanzung und Pflege jedoch keine Relevanz.
Blick in ein Hopfenfeld mit Dauerbegrünung der Fahrgasse

Untersaa-
ten für Raub-
milben

Gräser und Leguminosen in der Fahrgasse im abgeernteten Hopfengarten

Ersatzhabitat nach der Hopfen-Ernte

Eingesetzte Nützlinge

Heimische Raubmilben

Hauptziel ist die Etablierung der autochthonen Raubmilbenart Typhlodromus pyri. Diese Raubmilbe ist eine im deutschen Wein- und Obstbau verbreitete heimische Art, die in der Lage ist, verschiedene Schadmilbenarten (Spinnmilben, Kräuselmilben, Pockenmilben) wie auch Gräserpollen als Nahrungsquelle zu nutzen. Durch diese geringe Spezialisierung bzw. durch die Nutzung alternativer Nahrungsquellen kann T. pyri langfristig stabile Populationen aufbauen. Die dauerhafte Ansiedelung von T. pyri im Hopfengarten soll eine kontinuierliche Spinnmilbenminderung bewirken, die einen schädigenden Befall des Hopfens weitgehend verhindert.
Pflanzen in einem Kofferraum

Anlieferung von Raubmilben aus dem Weinberg

Blick in ein Hopfenfeld

Ausbringung von Raubmilben Frostruten-Strücken

Hopfenaufleitung mit einem Stück Weinrebe mit dem Raubmilben in den Hopfen übertragen werden. Im Hintergrund Erdbeeren in der Fahrgasse

Hopfenaufleitung mit einem Stück Weinrebe

Gekaufte Raubmilben

Zusätzlich wurden verschiedene Varianten des Einsatzes von gezüchteten allochthonen Raubmilben getestet, um den Effekt gekaufter Raubmilben zu optimieren, welche bei zu befürchtendem extremem Auftreten der Gemeinen Spinnmilbe ergänzend eingesetzt werden können. Im Versuch wurde vor allem ein Mix aus den Raubmilben-Arten Phytoseiulus persimilis und Neoseiulus californicus verwendet. Diese Mischung aus zwei Raubmilbenarten hat auch in vorangegangenen Versuchen erfolgversprechende Ergebnisse gezeigt; nun wurden Fragen zur bestmöglichen Methode, Zeitpunkt und Aufwandmenge betrachtet.
Bohnenblatt auf Hopfenblatt um Raubmilben zu übertragen

Ausbringung von Raub-
milben auf Bohnenblättern

Ergebnisse

Schon im ersten Versuchsjahr stellte sich heraus, dass die Methode der Ausbringung des Raubmilben-Mix aus Phytoseiulus persimilis und Neoseiulus californicus großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Maßnahme hat: Die Verteilung der Raubmilben auf Bohnenblättern führte zu signifikant geringerem Spinnmilbenbefall als bei Ausbringung mittels Mini-AirBug. Da es 2018 aufgrund des heißen Sommers an zwei Standorten einen besonders starken Spinnmilbenbefall gab, mussten im Vergleich zu den chemisch behandelten Praxisparzellen Einbußen hingenommen werden. In den beiden folgenden Versuchsjahren, in denen der Spinnmilbendruck auf normalem bzw. moderatem Niveau lag, wurden nur bei der optischen Doldenbonitur geringe Unterschiede zwischen den Raubmilben-Parzellen und der gespritzten Praxis festgestellt. Bei den Alphasäuren pro ha [kg], einem wichtigen Parameter für den Hopfenpflanzer, zeigten sich dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungen, da die teilweise geringeren Erträge der Versuchsglieder durch höhere Alphasäuregehalte ausgeglichen werden.

Gewogenes Mittel aus der Intensität des Spinnmilbenbefalls der Doldenbonitur.

Spinnmilbenbefalls Oberulrain 2019

Boxplots des Alphasäure-Ertrags einer Versuchsernte. Die Versuchsparzellen unterscheiden sich nicht

Alphasäureertrag [kg/ha] der Versuchs-ernte 2020

Boxplots stellen den Doldenschaden einer Versuchsernte dar. unbehandelte Kontrolle am stärksten geschädigt, Parzellen mit heimischen Raubmilben weniger, mit gekauften Raubmilben noch weniger, Praxis am besten

gewogenes Mittel der Dolden-bonitur der Versuchsernte 2020

Bei der Ernte 2019 zeigte sich, dass die beiden vielversprechendsten Methoden vom Vorjahr, die heimische Raubmilbe T. pyri auf Bugruten von Weinreben (2b) sowie der Raubmilben-Mix auf Bohnenblättern (3b), wieder überzeugten: Beide Varianten wiesen im gewogenen Mittel einen signifikant geringeren Doldenbefall auf als die unbehandelte Kontrolle (1b). Dennoch waren alle Raubmilben-Versuchsglieder stärker durch Spinnmilbenbefall geschädigt als die nach den Regeln des integrierten Pflanzenschutzes behandelte Praxis-Parzelle (P). Insgesamt lag vor allem ab Ende Juli ein hoher Spinnmilbendruck am Versuchsstandort vor.
Um geeignete Methoden der Raubmilben-Ausbringung auszuarbeiten, konnten sowohl für heimische Raubmilben aus Weinbergen als auch für gekaufte Raubmilben verschiedene Varianten gegeneinander verglichen werden. Beim Winterschnitt der Weinreben anfallendes Rebmaterial mit Raubmilben-Besatz sollte besser zügig ausgebracht und in der Untersaat im Hopfengarten verteilt werden, da sich die Zahl vitaler Raubmilben bei längerer Lagerung in einer Kühlung reduziert. Frostruten, die im Mai vom Wein geschnitten werden, sind unverzüglich in die Hopfengärten zu bringen.
Bei gezüchteten Raubmilben wurden sowohl bei der Ausbringung auf Bohnenblättern als auch bei Streuware in Sachets oder Boxen an den Hopfenreben zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Der geeignete Zeitpunkt für diese Ausbringung liegt Ende Mai oder Anfang Juni, wenn die Spinnmilben beginnen Populationen im Hopfen aufzubauen.
Nach diesen Anpassungen der Ausbringungsmethoden konnte in der letzten Versuchssaison 2020 an beiden Standorten, an denen ein relevanter Spinnmilbenbefall auftrat, die Spinnmilbenzahl pro Blatt im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle signifikant gesenkt werden.

Fazit

Zum Abschluss des Projekts kann festgehalten werden, dass Raubmilben bei geringem bis moderatem Spinnmilbenbefall in der Lage sind, diesen Befall zu kontrollieren und auf einem tolerierbaren Niveau zu halten. Der Alphasäure-Ertrag wird dadurch nicht gefährdet. Beim Doldenschaden, der bei Aromasorten ebenfalls relevant sein kann, konnten Raubmilben je nach Stärke des Befalls jedoch nicht die Wirkung von Akariziden ersetzen.
Durch den Verzicht auf Akarizide siedelten sich auch im konventionell bewirtschafteten Hopfengarten verschiedene Nützlinge wie der Schwarzer Kugelmarienkäfer und Blumenwanzen in höherer Dichte an.
Die Begrünung der Fahrgassen mit Untersaaten hat aus Gründen des Erosionsschutzes breiten Einzug in die Hopfenbaupraxis gefunden. Um damit einen Rückzugsraum für Nützlinge zu schaffen, sollten geeignete ausdauernde Untersaaten gewählt und im Rotationsverfahren alle zwei bis vier Jahre erneuert werden.
Abstract

Establishment of predatory mites on undersown crops in hop cultivation

The two-spotted spider mite Tetranychus urticae is one of the two major pests in hop cultivation. Conventional growers use acaricides to control spider mites, often in a preventive manner. In organic hops there is up to date no effective way of controlling spider mites. In vineyards or orchards established populations of predatory mites solve this problem. However, other than in vineyards or orchards, in a hop garden the entire plant biomass is removed from the field at harvest, and no habitat remains for predatory mites to overwinter in the field. Therefore, we tested three different undersown crops in the driving lanes as hibernation quarters for beneficials: Tall fescue Festuca arundinacea already showed promising results in a previous project and provides not only habitat but also grass pollen as food for predatory mites in spring. Second, a grassland mixture of six legumes and eight grasses (e.g., Alopecurus pratensis, Poa pratensis, Festuca pratensis) was sown as food source for the mites and to create more attractive habitat for beneficials. Legumes are popular with organic farmers due to the biological nitrogen fixation. The third variant were strawberries as ligneous plants in the lanes, providing comparable hibernation quarters to vineyards or orchards without hampering the farmer’s regular works in the hop garden.
The focus of the project is the native predatory mite Typhlodromus pyri, a well-established species in vineyards. We got grapevine cuttings in May during pruning of vineyards, cut them into small pieces and dispersed them in experimental hop gardens. We also tested purchasable predatory mites. In the first year of the project we used a mix of Phytoseiulus persimilis and Amblyseius californicus as well as Amblyseius andersoni. For those allochthonous predatory mites we also tested different ways of dispersal in the hop garden: On bean leaves, on vermiculite dispersed with mini air bug or strewn by hand, and in sachets at different stages of development.
In 2018 we achieved only results regarding the different predatory mite species. We were not able to interpret the three undersown crops in the lanes as summer was unusual dry and hot, why the different grasses didn’t grow well. So far, the predatory mites mix on bean leaves yielded best results and seemingly was most user-friendly for the growers. Typhlodromus pyri also performed quite well in one experimental field until heat and drought affected the predatory mites.

Weitere Informationen

Ab 2021 laufen in Kooperation mit einem großen Nützlings-Anbieter Versuche um die Ausbringung Maschinell durchführen zu können und damit wirtschaftlicher zu gestalten.
In einem fünfjährigen Forschungs- und Innovationsprojekt zur induzierten Resistenz wird ab 2021 die pflanzeneigene Abwehr von Hopfen gegen Spinnmilben untersucht.

Mehr

Die Ansiedelung heimischer Raubmilben im Hopfen wird im Biodiversitäts-Projekt der Hopfenforschung über die Pflanzung von Weinreben im Hopfen sowie durch die Schaffung von Refugien aus Brennnesselranken und ‚Wildem Wein‘ an den Rändern von Hopfengarten weiterverfolgt.

Mehr

Weitere Informationen zur Spinnmilbenbekämpfung mit Raubmilben aus dem Vorgängerprojekt zum

Einsatz und Etablierung von Raubmilben zur nachhaltigen Spinnmilbenkontrolle im Hopfen

Projektinformation
Projektleitung: Dr. Florian Weihrauch, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Hopfenforschungszentrum, Arbeitsgruppe IPZ 5e
Projektbearbeitung: Maria Obermaier
Projektpartner: Praxisbetriebe aus dem ökologischen und integrierten Hopfenbau
Laufzeit: 05/2018−04/2021
Finanzierung: Förderung durch die BLE im Rahmen des "Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft" (BÖLN)
Förderkennzeichen: 2815NA131