Ackerbauliche Hinweise zur Minderung der durch Verzwergungsviren verursachten Schäden

Infektionen mit Verzwergungsviren im Getreide können je nach Witterungsverlauf einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden hervorrufen. Neben der Witterung spielt auch die Verbreitung der Vektoren (Blattläuse und Zikaden), der Saatpunkt und die Sortenwahl eine entscheidende Rolle bei Symptomausprägung. Ist der Befall zu massiv, ist der Umbruch der betroffenen Fläche oftmals der einzige Ausweg.

Bei den Verzwergungsviren handelt es sich um eine Gruppe von mehreren Viren. Das Gerstengelbverzwergungsvirus (Barley yellow dwarf virus, BYDV) und das Getreidegelbverzwergungvirus (Cereal yellow dwarf virus, CYDV) welche beide über Blattläuse übertragen werden, und das durch Zikaden übertragene Weizenverzwergungsvirus (Wheat dwarf virus, WDV).

Befallssymptomatik

Nahaufnahme von grünen Pflanzen

Bei Infektionen mit dem Gelbverzwergungsvirus liegt meist ein nesterartiger, über das gesamte Feld verteilter Befall vor, der bei begünstigen Bedingungen im Herbst und Winter zu einer flächendeckenden Infektion führen kann. Die virusbeladenen Blattläuse infizieren den Bestand meist schon im Herbst (Primärinfektion). Infektionsquellen stellen dabei das Ausfallgetreide, aber auch infizierter Mais und diverse Gräser dar. Zu einer Virusausbreitung im Bestand kommt es, wenn ungeflügelte Nachkommen zu benachbarten Getreidepflanzen wandern (Sekundärinfektion). Es entstehen die oben beschriebenen mehr oder weniger großen Befallsnester. Diese Form der Virusausbreitung kommt erst mit Wintereinbruch zum Erliegen. Sollte dieser ausbleiben, können die Blattläuse lebend überwintern und bis in das Frühjahr hinein für die Virusverbreitung sorgen.

Infektionen mit dem Weizenverzwergungsvirus erfolgen ebenfalls im Herbst. Symptome infizierter Pflanzen sind Chlorosen und Verfärbungen der Blätter, sowie Wuchsveränderungen, die bis zum Abstreben der Pflanze führen können. Im Herbst wird das frisch ausgesäte Getreide durch einfliegende Zikaden infiziert. Die Zikaden besiedeln meist die Feldränder und breitet sich von dort im Bestand aus.

Begünstigt durch den Klimawandel ermöglichen trockene-warme Perioden im Herbst eine verlängerte Besiedelung und Infektion der Wirtspflanzen durch die virusbeladenen Vektoren (Blattläuse und Zikaden). Zudem fördern warme, windgeschützte Lagen, wie Südhänge, Hecken und Waldränder das Auftreten und die Aktivität der Vektoren. Die wärmeliebenden Vektoren fühlen sich in lückigen Beständen wohl und sind durch die, bei warmer Witterung dort herrschenden höheren Temperaturen, aktiver. Lange trockene und warme Perioden im Herbst und Frühjahr begünstigen das Auftreten bzw. die Populationsentwicklung der virusübertragenden Insekten. Ebenso begünstigt ein milder Winter das Überleben der Vektoren und ist damit förderlich für nachfolgende Frühjahrsinfektionen.

Saatzeitpunkt

Der angepasste Saatzeitpunkt spielt eine wichtige Rolle, um einen Befall mit Verzwergungsviren einzugrenzen oder gar weitgehend zu vermeiden. Winterungen sollten deshalb in günstigen Lagen nach dem 25. September gesät werden. Frühere Saattermine sind zu vermeiden, da die Vektoren eine längere Zeitspanne zur Verfügung haben, um mögliche Infektionen ins Wintergetreide zu setzen. Gut zu beobachten war dies im Frühjahr 2024 in der Wintergerste. In früh gesäten Praxisschlägen ist der Virusbefall wesentlich stärker als bei späterer Saat. Bei Sommergetreide empfiehlt sich dagegen ein früherer Saattermin. Die Vektoren können meist erst Ende April bis Ende Mai hohe Populationsdichten aufbauen, deshalb ist ein zeitiger Frühjahrsaattermin sinnvoll, damit die Vektoren nicht in die gerade auflaufende Saat einfliegen können. Je weiter fortgeschritten das Entwicklungsstadium der Pflanze ist, desto weniger anfälliger sind sie gegenüber Infektionen mit Verzwergungsviren.

Sortenanfälligkeit

Alle Getreidearten sind anfällig für Verzwergungsviren. Wintergerste wird oft am stärksten geschädigt. In der Anfälligkeit gibt es bei Wintergerste Sortenunterschiede. Erstmalig wurde 2012 eine gegen Gerstengelbverzwergungvirus resistente Wintergerstensorte in Deutschland zugelassen. Mittlerweile stehen mehrere resistente Sorten zur Verfügung. Gegenüber dem von Zikaden übertragenen Weizenverzwergungsvirus wirkt die Resistenz allerdings nicht. Dies sollte beim Anbau dieser Sorten bedacht werden. BYDV resistente Sorten kommen besonders für den Anbau in räumlicher Nähe zur Wirtspflanze Mais, für Frühsaaten in warmen Lagen sowie für Anbauverfahren ohne Insektizide gegen Blattläuse in Frage. In den bayerischen Landessortenversuchen werden 2023/24 die gegen Gerstengelbverzwergungvirus resistenten Sorten Bonnovi, Orcade (zweizeilig) sowie Fascination, Integral, KWS Exquis und SU Virtuosa (mehrzeilig) geprüft. Ertragsergebnisse liegen nach der Ernte 2024 vor.

Bekämpfungsstrategien

Ein Baustein, um Verzwergungsviren-bedingte Schäden im Getreideanbau zu vermeiden, ist die konsequente Beseitigung des Ausfallgetreides. Infiziertes Ausfallgetreide aber auch eine Reihe von Getreide- und auch Grasarten können mit Verzwergungsviren infiziert sein und als Infektionsquelle für die frisch eingesäten Bestände dienen: dies nennt man „Grüne Brücke“. Besondern ist hierbei auf Mais zu achten. Wurde verstärkter Virusbefall in der näheren Umgebung nachgewiesen, ist es ratsam, die eigenen Bestände besonders sorgfältig auf die Vektoren hin zu überprüfen und bei Erreichen der Schadschwellen die Blattläuse mit geeigneten Insektiziden zu bekämpfen.

Gegen den Vektor des Weizenverzwergungsvirus, der Wandersandzirpe Psammotettix alienus, eine Zikade, gibt es derzeit keine Bekämpfungsmöglichkeiten. Insektizide sind gegen Zikaden nicht zugelassen und auch die Wirkung der Insektizide ist gegenüber Zikaden eingeschränkt. Einzig die Beseitigung der Grünen Brücke und andere ackerbauliche Maßnahme können hier einschränkend wirken.

Nur bestimmte Blattläuse sind Vektoren für die Gelbverzwergungsviren und den verschiedenen Serotypen. Blattläuse sollten nur dann chemisch bekämpft werden, wenn Schadschwellen überschritten sind. Dies ist zur Vermeidung der Ausbildung von Resistenzen gegenüber den insektiziden Wirkstoffen und aus Gründen des Umweltschutzes absolut sinnvoll. Werden Insektizide vor dem Erreichen der Schadschwelle appliziert, so sind Mehrerträge keineswegs gesichert. Um die Blattlauszahlen korrekt zu erfassen, ist eine regelmäßige Kontrolle der Bestände notwendig. Zur Ermittlung des Blattlausbesatzes sind in der kritischen Phase regelmäßig an fünf zufällig ausgewählten Stellen im Schlag jeweils 10 Getreidepflanzen auf das Vorhandensein von Blattläusen zu kontrollieren. Bekämpfungswürdig anzusehen sind 20 % mit Blattläusen befallene Pflanzen ab dem 2-3 Blattstadiums des Getreides; bei Frühsaaten (Auflauf vor dem 25. September) liegt die Bekämpfungsschwelle bei 10 Prozent der Pflanzen mit Läusebesatz (Läuse an jeder zehnten Getreidepflanze).

Fazit

Folgende Maßnahmen können den durch Verzwergungsviren verursachten Schaden begrenzen:

  • Das konsequente Beseitigen des Ausfallgetreides
  • Die Wahl des richtigen Saatzeitpunktes
  • Kontrolle des Bestandes auf Vektoren und Ermittlung der Blattlausdichte
  • Schadschwellen-orientierte Blattlausbekämpfung
  • Lückige Bestände vermeiden
  • Anbau toleranter bzw. resistenter Sorten

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