Der Karpfen als Motor für die Gastronomie einer ganzen Region
Teichlandschaft im Aischgrund
In Europa existieren eine Reihe von bedeutenden und traditionsreichen Karpfenteichgebieten. Diese finden sich vor allem in Teilen von Frankreich, Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich, Ungarn und im ehemaligen Jugoslawien. Die Besonderheit der bayerischen Karpfenteichgebiete in Franken und der Oberpfalz liegt in ihrer kleinen Betriebsstruktur. Die Bewirtschaftung erfolgt hier von zahlreichen Teichwirten, meist im bäuerlichen Nebenerwerb.
Die bayerische Karpfenteichwirtschaft
Spiegelkarpfen
Der Aischgrund
Neben der Befragung von Experten wurden Gastwirte mittels Fragebogen und per Telefon befragt. Die Informationen von 82 Gastwirten konnten hierbei ausgewertet werden. Bezüglich des Mengenverbrauchs standen insgesamt die Angaben von 138 Gastwirten zur Verfügung. Dadurch war es möglich, repräsentative Aussagen über den Aischgrund zu machen.
Analyse der Karpfenteichwirtschaft am Aischgrund
In dem Untersuchungsgebiet wurden insgesamt 194 Karpfen-Gaststätten ermittelt. Traditionell wird der Karpfen während der sog. "Karpfensaison" in den acht Monaten mit dem Buchstaben "r" angeboten, also von September bis April. Der Karpfen ist ein Motor der Gastronomie. Mit dem Auftakt der Karpfensaison nimmt das Geschäft in den Gaststätten sprunghaft zu. Die drei nachfragestärksten Monate während der Karpfensaison sind hierbei nach Nennungen der Gastwirte der September, Oktober und November. Die Nachfrage verringert sich dann und erlebt im April (Karwoche) wieder eine deutliche Zunahme.
Insgesamt werden während einer Saison 15.000 Zentner Karpfen verbraucht. Dies entspricht 750 t oder einer Menge von etwa 1,2 Mio. Karpfenportionen. Hierbei dominiert die traditionelle fränkische Zubereitungsart als halber gebackener Karpfen. Von 100 Karpfengerichten werden im Untersuchungsgebiet 81 Gerichte als gebackene Karpfenhälften mit fränkischem Kartoffelsalat serviert. Nur 9 % werden als "Karpfen blau" vermarktet. Zunehmend findet das grätengeschnittene Karpfenfilet Verbreitung; allerdings hat es derzeit nur einen Anteil von 8 Prozent, da der traditionelle gebackene Karpfen sehr beliebt ist. Bei den untersuchten Gaststätten handelt es sich weitgehend um Traditionsgaststätten. Die lange Tradition der Gaststätten wird in ihrem meist sehr hohen Alter (30 Prozent befragten Betriebe sind über 200 Jahre, knapp 20 Prozent 100 – 200 Jahre alt), der langjährigen Familienbewirtschaftung (38 Prozent sind seit mehr als 100 Jahren in einer Familie) und im jahrzehntelangen Karpfenangebot (knapp 10 Prozent der Befragten bieten Karpfengericht seit 80 Jahren oder länger an, weitere 10 Prozent bieten sie seit vielen Generationen an) sichtbar. Von fast allen Gastwirten wird der Karpfen lebend vom Handel bzw. direkt von Teichwirten bezogen.
Ein Großteil besitzt bereits seit Jahrzehnten Hälterungen. In diesen kann meist der Bedarf für drei bis vier Wochen gehältert werden. Die Karpfen können so stets frisch angeboten werden. Ein untrügliches Kennzeichen der Frische ist der sich nach oben biegende Schwanz des kurz vor der Zubereitung geschlachteten halbierten, gebackenen Karpfens. Dieses Zeichen der Frische ist für den Konsumenten wichtig. Der Karpfen wird überwiegend von heimischen Konsumenten verzehrt. Mehr als 50 Prozent der Karpfenkonsumenten kommen direkt aus der Region; 30 Prozent stammen etwa aus den nahen Ballungszentren Nürnberg-Fürth-Erlangen oder Bamberg. 10 Prozent der Gäste sind Durchreisende und nur 5 Prozent sind Übernachtungsgäste. 54Prozent der Gastronomen betreiben Werbung, beispielsweise mit Hilfe von Zeitungsannoncen für Ihren Betrieb. Zwei Drittel der Befragten würden die Erstellung eines Karpfenlokalführers begrüßen.
Folgerung
Gebackener Karpfen
Durch die Einführung von innovativen Karpfengerichten kann der Absatz von Karpfen an Personen, die nicht zu den regelmäßigen Karpfen-Essern zählen, deutlich gesteigert werden. Vor allem durch das Angebot von grätengeschnittenen Karpfenfilets können nach Aussage der Gastronomen neue Konsumenten an den Karpfen heran geführt werden.
Vermarktung des Karpfen am Aischgrund
In vielen Kriterien erfüllt der Karpfen heute die Wünsche der Verbraucher. Durch die Befragungen der Fachhochschule Weihenstephan im Jahr 2001 wird deutlich, dass der Karpfen dem Verbraucher sehr gut schmeckt (Marketingkonzept Aischgründer Karpfen, 2002). Zudem werden Karpfen in einer intakten, reizvollen Kulturlandschaft erzeugt. Die Erzeugung ist umweltgerecht und aufgrund der geringen Besatzdichten besonders artgerecht. Die Erzeugung erfolgt auf Basis von Naturnahrung und Getreide. Bei fachgerechter Erzeugung ist der Karpfen ein Fisch mit geringem Fettgehalt und hervorragender Fettsäurezusammensetzung. Bei der Erzeugung und bei der Vermarktung herrschen kurze regionale Wirtschaftskreisläufe vor. Ohne lange Transportwege landet der Karpfen absolut frisch auf dem Teller des Verbrauchers. Dies Argumente dürften die Gründe für die Beliebtheit des Karpfens in der Region Aischgrund sein. Der Karpfen ist somit regional ein sehr zukunftsfähiges Produkt. Dies lässt sich auch am wachsenden Erfolg der zahlreichen Fischküchen ablesen.
Der Grundgedanke bei der Vermarktung des Aischgründer Karpfens als Regionalprodukt beruht darauf, dass die Einzigartigkeit der „Karpfen-Gaststättenkultur“ für die Vermarktung stärker genutzt werden könnte und somit die Region auch eine Aufwertung für Ausflugsgäste und Touristen erfahren könnte.
Ein zentraler Punkt hierbei ist, dass die kleinstrukturierte, bäuerliche Nebenerwerbsteichwirtschaft als Wirtschaftsfaktor, als Teil der kulturellen Identität sowie als ökologisch wichtiger Teil der Kulturlandschaft nachhaltig erhalten bleibt.
Projektinformation
Projektbeteiligte: Evelyn Raudner, Prof. Dr. Bätzing, Werner, Institut für Geographie/Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Dr. Oberle, Martin/Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Fischerei, Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft, Höchstadt