Forschungs- und Innovationsprojekt
Entwicklung eines Online-Tools für Humuserhalt und -aufbau in Bayern
Foto: Tino Böcher
Humusmanagement in landwirtschaftlich genutzten Böden ist von enormer Bedeutung für eine nachhaltige Landnutzung, die Anpassung der Landwirtschaft an stattfindende Klimaveränderungen, sowie die Abschwächung des Klimawandels selbst. Für eine größtmögliche Effektivität sollten humusfördernde Bewirtschaftungsmaßnahmen jedoch an die jeweiligen Standorteigenschaften und die bisherige Bewirtschaftung angepasst werden. Durch ein modellbasiertes Online-Tool soll dies bayerischen Landwirten in Zukunft ermöglicht werden.
Hintergrund
In landwirtschaftlich genutzten Böden ist grundsätzlich eine gute Humusversorgung anzustreben, da dadurch nahezu alle Bodenfunktionen positiv beeinflusst werden: Beispielsweise erhöht Humus das Wasserspeicher- und Infiltrationsvermögen, die Speicherung und Nachlieferung von Nährstoffen, die Biodiversität und biologische Aktivität im Boden, sowie generell die Systemresilienz. Diese Eigenschaften machen Humuserhalt und -aufbau zu einer essenziellen Maßnahme für langfristige Bodenfruchtbarkeit und die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel.
Böden als CO2 Speicher
Zudem spielt Humus aufgrund seines hohen Gehalts an organischem Kohlenstoff (C{sub]org[/sub]) eine Schlüsselrolle im globalen Kohlenstoffkreislauf und hat damit das Potential, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre direkt zu regulieren. Über Pflanzen wird Corg in den Boden eingetragen und unterliegt dort permanenten Um- und Abbauprozessen. Diese Dynamik hat zur Folge, dass Böden sowohl Quelle als auch Senke von klimaschädlichem CO2 sein können – je nachdem, ob Humus ab- oder aufgebaut wird.
Das CO2-Sequestrierungspotential von Böden durch Humusaufbau erfährt seit einigen Jahren immer mehr Beachtung in Politik und landwirtschaftlicher Praxis, und wird zunehmend auch von anderen Wirtschaftszweigen und der Zivilgesellschaft wahrgenommen. Beispielsweise werden von verschiedenen privatwirtschaftlichen Initiativen sog. Humuszertifikate auf dem freien CO2-Markt verkauft.
Was sind Humuszertifikate?
Humuserhalt in landwirtschaftlichen Böden - online Tool zur Unterstützung der Landwirte
Allerdings ist vor dem Hintergrund des Klimawandels schon die bloße Erhaltung der Kohlenstoffvorräte in vielen landwirtschaftlich genutzten Böden eine immer größere Herausforderung. Außerdem variiert die Wirkung verschiedener als humusfördernd geltenden Bewirtschaftungsmaßnahmen mit den Standorteigenschaften und hängt nicht zuletzt von der bisherigen Bewirtschaftung der Fläche ab.
Humuserhalt und -aufbau ist deswegen oftmals nur unter großen Anstrengungen und mit standortangepassten Lösungen zu erreichen. Um ihre Bewirtschaftung humusoptimiert planen zu können, benötigen Landwirte einfach zu bedienende, standortangepasste Werkzeuge. Ein solches möchten wir für den bayerischen Ackerbau in diesem Projekt entwickeln.
Ziel
Ziel ist die Entwicklung eines praxistauglichen digitalen Planungs- und Beratungswerkzeuges für bayerische Landwirte, welches die schlagspezifische Planung der Bewirtschaftung im Hinblick auf Humuserhalt und -aufbau im Ackerbau ermöglicht.
Konkret soll das Online-Tool drei Funktionen erfüllen:
1. Prognose der Humusentwicklung
Auf Grundlage der bisherigen Bewirtschaftungsdaten, der Standorteigenschaften und des initialen Corg-Vorrates wird die zukünftige Humusentwicklung bei gleichbleibender Bewirtschaftung modelliert. Es erfolgt eine Einteilung in die Entwicklungsszenarien Humusaufbau, -erhalt oder -verlust (s. Abb. 1)
2. Regionale Benchmarks
Einordnung und Bewertung der prognostizierten Humusentwicklung mit Hilfe von regionalen Benchmarks als Zielgröße für die zukünftige Humusentwicklung (s.u.); Darauf basierende Definition eines schlagspezifischen Entwicklungsziels (Humuserhalt oder -aufbau)
3. Prognose der Maßnahmenwirkung
Schlagspezifische Prognose der Wirkung verschiedener landwirtschaftlicher Maßnahmen bzw. ihrer Kombination hinsichtlich Humuserhalt und -aufbau; Vergleich der Maßnahmenwirkung mit dem status quo (siehe 1., Abb. 2); Empfehlung von geeigneten Bewirtschaftungsmaßnahmen zum Erreichen des jeweiligen Entwicklungsziels (siehe 2.)
Methode
Das Online-Tool basiert auf mehreren wissenschaftlich etablierten, prozessbasierten Bodenkohlenstoff-Modellen (CCB, Century, CTOOL, ICBM, RothC, Yasso), sowie verschiedenen Berechnungsverfahren zur Schätzung des pflanzenbürtigen Kohlenstoff-Eintrags (Riggers et al. 2019) . Die Modelle werden mit bayerischen Daten aus Dauerversuchen und Langzeit-Monitoringprogrammen der LfL (Bodendauerbeobachtung , Humusdatenbank) kalibriert. Durch die Auswahl eines geeigneten Modellensembles soll eine größtmögliche Modellsicherheit erreicht werden.
Auf Basis der vorliegenden bayerischen Bodendaten werden außerdem regionale Benchmarks ermittelt. Diese markieren das theoretische Fließgleichgewicht der standorttypischen Bodenkohlenstoffvorräte und definieren somit Werte, bis zu denen das Entwicklungsziel Humusaufbau realistisch ist, bzw. oberhalb derer ein Erhalt der Humusvorräte anzustreben ist. Das Konzept der standorttypischen Humusgehalte wird damit auf Kohlenstoffvorräte überführt und für Bayern aktualisiert.
Bedienung des Online-Tools
Das entwickelte Online-Tool soll benutzerfreundlich und einfach zu bedienen sein, sodass auf Grundlage von möglichst wenigen, bzw. einfach zu erhaltenden Informationen möglichst zuverlässige Bewirtschaftungsempfehlungen getroffen werden können. Lediglich die Bestimmung des aktuellen (initialen) Humusgehaltes als wichtige Eingangsgröße für die zugrundeliegende Modellie-rung ist für belastbare Vorhersagen notwendig. Alle weiteren Angaben beziehen sich auf in der Regel auf bekannte Werte bzw. Bewirtschaftungsmaßnahmen. Es wird geprüft, ob das fertige Online-Tool in bereits bestehende LfL-Werkzeuge eingebunden werden kann, um Mehraufwand bei der Dateneingabe für die Nutzer*innen zu vermeiden.
Ergebnisse
In einem ersten Arbeitsschritt werden momentan die bayerischen Humus- und Bewirtschaftungsdaten so aufbereitet und ergänzt, dass sie zur Modellkalibration sowie Definition der regionalen Benchmarks verwendet werden können.
Projektinformation
Projektleitung LfL: Martin Wiesmeier
Projektbearbeitung LfL: Manuel Sümmerer , Heide Scherzer-Gois, Melanie Treisch, Annette Freibauer, Johannes Burmeister, Martin Wiesmeier
Laufzeit: 01.03.2021 bis 31.07.2023
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)
Projektkoordination: LfL
Projektpartner: Institut für Agrarklimaschutz am Thünen-Institut (PD Dr. Axel Don, Dr. René De-chow)
Förderkennzeichen: KL/20/04
Literaturverzeichnis
Riggers, Catharina; Poeplau, Christopher; Don, Axel; Bamminger, Chris; Höper, Heinrich; Dechow, René (2019): Multi-model ensemble improved the prediction of trends in soil organic carbon stocks in German croplands. In: Geoderma 345, S. 17–30. DOI: 10.1016/j.geoderma.2019.03.014.
Riggers et al.(2019), geoderma