Evaluierung der Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) auf Insekten – Teilprojekt 2 AUM im Grünland

Malaisefalle zum Fang flugfähiger Insekten im GrünlandZoombild vorhanden

Malaisefalle zur Untersuchung der Insektendiversität im Dauergrünland

Fallstudie zur Wirkung von Maßnahmen mit multifunktionalem Potenzial im Bayerischen EPLR 2014-2020 auf Insektenbiomasse und -diversität und Ableitung von Optimierungsmöglichkeiten (Teilprojekt 2 - Grünland)

Mit dem Kulturlandschaftsprogramm kann der Freistaat Bayern Ausgleichszahlungen für umweltschonende Bewirtschaftung im Grünland gewähren. Inwieweit AUM zum Schutz der Biodiversität beitragen, ist jedoch nicht ohne weiteres ableitbar. Belastbare Zahlen zur Wirkung der AUM auf die Insektenfauna von landwirtschaftlichen Nutzflächen sind daher dringend erforderlich. In Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) wird seit 2019 das Projekt "Evaluierung der Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen auf Insekten" durchgeführt. Die Teilprojekte 1 (AUM in Ackerlandschaften) und 2 (AUM im Grünland) sind an der LfL und das Teilprojekt 3 (AUM im Vertragsnaturschutz (VNP)) ist am LfU angesiedelt. Ziel dieses Projektes ist es, die Wirkung von AUM auf die Insektenvielfalt in landwirtschaftlichen Nutzflächen zu evaluieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Hintergrund

Es ist bekannt, dass Insekten Bestandteil funktionierender Ökosysteme sind, jedoch in den vergangenen Jahrzehnten sowohl ihre Individuen- als auch Artenzahlen zurück gehen. Ein Großteil der Verantwortung für den Insektenrückgang wird dabei der Landwirtschaft angelastet, was in Bayern zu intensiven Diskussionen dazu und auch zum Rückgang der Artenvielfalt im Allgemeine geführt hat.
Diese Diskussion ist allerdings nicht neu und der Freistaat Bayern gewährt mit dem Kulturlandschafts- (KULAP) und dem Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) bereits seit Längerem Ausgleichszahlungen für umweltschonende Bewirtschaftung. Auf Grund des aktuellen, großen öffentlichen Interesses muss aber verstärkt geprüft werden, inwieweit Agrarumweltmaßnahmen (AUM) zur Erhaltung und Förderung der Insekten beitragen. Anhand der den AUM-Maßnahmen zugrunde liegenden Bewirtschaftungsauflagen und deren ökologischen Auswirkungen können dann Möglichkeiten zur Aufwertung und Weiterentwicklung der AUM für die faunistische Biodiversität abgeleitet werden. Die Ergebnisse tragen damit zur Ausgestaltung von Maßnahmen in zukünftigen Förderperioden bei.
Die AUM im Grünland haben sehr unterschiedliche Ziele. Diese reichen vom Klimaschutz, Boden- und Gewässerschutz bis zur Erhaltung der Biodiversität und der Kulturlandschaft. Ihre Wirkung auf Insekten ist aufgrund der Vielfalt der Maßnahmen oft nicht genau bekannt. In einer Fallstudie wurde daher die Insektenfauna von Grünland mit betriebs- und flächenbezogener Förderung untersucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch standörtliche und klimatische Faktoren, wie z. B. die Landschaftsstruktur, die Vielfalt der Insekten prägen. AUM im Grünland können daher nur im Landschaftskontext bewertet werden.
Blutzikade aus der Malaisefalle

Blutzikade (Cercopis vulnerata)

Fransenflügler aus der Malaisefalle

Fransenflügler

Rüsselkäfer aus der Malaisefalle

Rüsselkäfer

Fächerflügler aus der Malaisefalle

Fächerflügler

Folgende Hypothesen werden im Teilprojekt 2 AUM im Grünland untersucht:

  • Ein hoher Anteil AUM in der Landschaft fördert die Insektenvielfalt
  • Flächen ohne AUM haben eine geringere Insektenvielfalt
  • Flächenbezogene AUM (insbesondere VNP) zeigen die größte Wirkung

Ziele

Wiesengrashüpfer (Chorthippus dorsatus) im Netz der MalaisefalleZoombild vorhanden

Wiesengrashüpfer (Chorthippus dorsatus)

Ziel des Teilprojektes "Evaluierung von Agrarumweltmaßnahmen TP2-Grünland“"
Ziel dieses Teilprojektes ist es, den Einfluss von flächen- bzw. betriebsbezogenen Agrarumweltmaßnahmen unter Berücksichtigung weiterer Faktoren (Landschaftskontext, Bewirtschaftung, Vegetation) auf die Biomasse und die Artenvielfalt der Insekten im Grünland zu evaluieren. Als Vergleich dienen Grünlandflächen ohne Agrarumweltmaßnahmen. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen Empfehlungen für die Erhaltung der Insektenvielfalt im Wirtschaftsgrünland abzuleiten.

Material und Methoden

Studiendesign

Untersuchungsregionen
Die Insektenbiomasse und -vielfalt wurde in vier Grünlandregionen in Bayern untersucht: im Jahr 2019 im Bayerischen Wald (BW) und im Ostallgäu (OA) und im Jahr 2020 im Vorderen Oberpfälzer Wald (VOW) und im Chiemgau (CH).
AUM-Landschaftsgradienten
Für jede Region wurden 6 Landschaftsausschnitte mit einer Fläche von 2 km² ausgewählt. Der Grünlandanteil beträgt im Minimum 20% und im Maximum 88%. Für jede der vier Regionen bilden diese 6 Landschaftsausschnitte einen regional typischen Gradienten des Flächenanteils der darin umgesetzten Grünland-AUM ab. Der geringste Anteil Grünland-AUM in einem Landschaftsausschnitt liegt bei 2% (Bayerischen Wald), der höchste bei 61% (Ostallgäu)
Untersuchungsvarianten
In jedem Landschaftsausschnitt wurden anschließend für die Untersuchung drei Grünlandflächen mit Eigenschaften und einer Mindestflächengröße von 0,5 ha als Varianten für diese Untersuchung ausgewählt: keine Agrarumweltmaßnahme (noAUM), betriebsbezogene Agrarumweltmaßnahme (bAUM) und flächenbezogene Agrarumweltmaßnahme (fAUM). Insgesamt wurden jeweils 24 Grünlandflächen für noAUM, bAUM und fAUM untersucht. Innerhalb der 24 bAUM Flächen gab es auf 11 Flächen die Maßnahme B10 (in Kombination mit B11), d.h. im Gesamtbetrieb wurde ökologischer Landbau betrieben. Bei 24 fAUM Flächen gab es auf 10 Flächen auch eine VNP Maßnahme. Die häufigste fAUM war B30 (Extensive Grünlandnutzung entlang von Gewässern und in sonstigen sensiblen Gebieten).

Bewirtschaftung

Bewirtschaftungsintensität
Der Index für die Bewirtschaftungsintensität von Grünland (Land Use Intensity Index - LUI) nach Blüthgen et al. (2012) berücksichtigt die Anzahl der Schnitte, den Stickstoffeintrag (kg Stickstoff pro ha und Jahr) und die Beweidungsintensität (Großvieheinheiten pro ha und Jahr). Da durch AUM meist eine geringere Bewirtschaftungsintensität erzielt werden soll wird hier zum besseren Verständnis ein "Extensivierungsindex" (Land Use Extensification Index - LEI) verwendet, der aus dem Kehrwert des LUI (LEI = LUI-1 = 1/LUI) gebildet wird.

Vegetation

Vegetationsaufnahme
Für die 72 Untersuchungsflächen wurde einmalig eine detaillierte Vegetationsaufnahme durchgeführt. Die methodische Vorgehensweise der Vegetationsaufnahme orientierte sich am Grünlandmonitoring der LfL (Heinz et al. 2015). Die Aufnahmen in den 72 Grünlandflächen erfolgten im Zeitraum vom 05.05.2020 - 05.08.2020 (BW und OA) bzw. 10.05.2021 - 08.07.2021 (VOW und CH). Nach Möglichkeit wurde die Kartierung vor dem 1. Schnitt bzw. 2. Schnitt durchgeführt, wobei die Vegetation im Durchschnitt mindestens eine Höhe von 10 cm aufweisen musste. Die Vegetationsaufnahme erfolgte in einem Kreis mit r ≈ 2.8 m (A = 25 m2). Der Kreismittelpunkt war das Kopfende der Malaisefalle mit Fangbehälter. Innerhalb des Kreises wurden die Deckungsgrade (nach Braun-Blanquet) aller Gefäßpflanzen-Arten (Gräser, Kräuter, Leguminosen) erfasst.

Insektenerfassung

Fangmethoden und Fangzeiträume
Die Insekten wurden mit drei unterschiedlichen Methoden erfasst: Malaisefallen, Insekten-Sauger, Keschern. Im Rahmen der bisherigen Auswertung wurden nur Tiere, die mittels Malaisefalle gefangen wurden, berücksichtigt. Über einen Zeitraum von einem Jahr wurde je Untersuchungsfläche jeweils eine Malaisefalle möglichst in der Mitte der Grünlandflächen in drei Fangzeiträumen zu je zwei Wochen aufgestellt. Der erste Fangzeitraum lag im Juni, der Zweite im Juli und der Dritte im September.
Malaisefallen
Bei dem verwendeten Fallentyp handelt es sich um die Malaisefalle nach Prof. Barták. Diese zeltartigen Netze mit Fangbehälter sind eine gängige Methode zur Erfassung eines breiten Artenspektrums flugfähiger Insekten und kommen in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Einsatz. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) empfiehlt im Methodenleitsatz zum Aufbau eines bundesweiten Insektenmonitorings die Verwendung von Malaisefallen (BfN 2019). Die in die Malaisefalle einfliegenden Tiere wandern nach oben, landen in der Kopfdose und werden dort in einer Fangflüssigkeit konserviert. Bei der Fangflüssigkeit handelt es sich um eine Mischung aus 80%igem Ethanol und Ethylenglykol im Verhältnis 2:1. Ethylenglykol wurde zugesetzt, da dieses schwer flüchtig ist und somit auch bei hohen Temperaturen bzw. starker Sonneneinstrahlung kaum verdunstet.
Aufbereitung und Analyse des Probenmaterials
Zwar waren in den Proben auch andere Arthropoden, wie z.B. Spinnentiere, enthalten, es handelt sich bei dem Großteil der Tiere aber um Insekten, weshalb im Folgenden vereinfacht nur noch von Insekten gesprochen wird. Im Labor wurde das Abtropfgewicht der gefangenen Tiere nach Ssymank et al. (2018) in Anlehnung an die Krefeldstudie (Hallmann et al. 2017) ermittelt.
Dazu wurde die Probe in ein Sieb mit einer Maschenweite von 0,5 mm überführt und sobald der Zeitabstand zwischen zwei Tropfen, die aus dem Sieb fallen, größer als 10 Sekunden war, das Gewicht bestimmt. Für 216 der insgesamt 432 Malaisefallenproben wurde danach mittels DNA-Metabarcoding eine Artbestimmung durchgeführt. Hierbei werden die Insekten einer Malaisefallenprobe gemahlen und homogenisiert. Aus diesen Mischproben werden dann spezifische mitochondriale Genabschnitte (CO1-Gen) identifiziert und sequenziert. Die Gensequenzen werden anschließend mit einer Referenzdatenbank verglichen und den Arten zugeordnet. Die restlichen 216 Malaisefallenproben wurden auf Ordnungsebene sortiert und die einzelnen Individuen gezählt.
Ausgewählte Tiergruppen, wie z.B. Schwebfliegen, Netzflügler und Wildbienen, werden anschließend noch von Experten nach morphologischen Merkmalen auf Artniveau bestimmt. Die genannten Gruppen wurden ausgewählt, da sie gut untersucht sind und wichtige Ökosystemfunktionen, wie z.B. Bestäubung und Schädlingsregulation übernehmen. Die Aufteilung der Malaisefallenproben erfolgte dabei so, dass aus jedem Probenahmezeitraum je eine Leerung dem DNA-Metabarcoding und eine der klassischen Sortierung zugeordnet wurde. Für die Biomasse wurden 6 Proben insgesamt erhoben (je 2 Leerungen für 3 Fangzeiträume, 6 Wochen Fangzeit je Standort). Die einzelnen Proben wurden anhand der genauen Standzeit der Malaisefalle zunächst auf g/Tag umgerechnet. Die Standzeiten waren insgesamt möglichst einheitlich bis auf einzelne Sonderfälle (z.B. umgestürzte Falle). Anschließend wurden die 2 Proben eines Zeitraumes gemittelt und danach der Gesamtmittelwert aus den Werten für die 3 Zeiträume gebildet.
Für die Individuenzahlen aus der „Insekten-Sortierung“ wurden je Grünlandfläche 3 Proben erhoben (je 1 Leerungen für 3 Fangzeiträume, 3 Wochen Fangzeit je Standort). Die Individuenzahlen der einzelnen sortierten Gruppen in den 3 sortierten Proben pro Grünlandfläche wurden aufsummiert und der Gesamtmittelwert der Individuen/Tag (analog zur Biomasse) bestimmt. Für die Artenlisten aus dem „Insekten-Metabarcoding“ wurden je Grünlandfläche 3 Proben erhoben (je 1 Leerungen für 3 Fangzeiträume, 3 Wochen Fangzeit je Standort). Die Artenlisten wurden zunächst auf Fehler und Plausibilität geprüft und konsolidiert, d.h. je Untersuchungsfläche wurde für die 3 Proben die minimale Anzahl an nachweisbaren Arten bestimmt und anschließend als Gesamtartenzahl für die Fläche aufsummiert.
Statistische Auswertung
Die statistische Auswertung erfolgte mittels Bayes-Inferenz in generalisierten, gemischten Regressionsmodellen (GLMM). Modelliert wurde die Insektenbiomasse, die ermittelte Gesamtartenzahl sowie die Artenzahlen der fünf artenreichsten Insektengruppen (Käfer (Coleoptera), Zweiflügler (Diptera), Hautflügler (Hymenoptera), Schmetterlinge (Lepidoptera), Hemiptera (Schnabelkerfe)), sowie die drei wichtigsten Bestäubergruppen (Schwebfliegen (Syrphidae), Wildbienen (Apiformes) und Tagfalter (Papilionoidea)). Für die Biomasse wurde dabei eine Gamma-Verteilung und für die Artenzahlen eine negativ binomiale Verteilung angenommen. In den verschiedenen Regressionsmodellen wurden die Varianten, der prozentuale Anteil an Grünland-AUM im Landschaftsausschnitt, der Extensivierungsindex (LEI) und die Anzahl an Pflanzenarten als feste Faktoren („fixed effects“) definiert. Die Untersuchungsregionen (BW, OA, VOW, CH) und die Landschaftsausschnitte (Hexagone 1-6) wurden als verschachtelte zufällige Faktoren („nested random effects“) verwendet. Für die Artenzahlen der Insekten wurde zusätzlich die unterschiedliche Standzeit der Malaisefalle in Tagen (stundengenau) als Offset-Term in den Regressionsmodellen berücksichtigt, um Ergebnisse entsprechend zu standardisieren.

Wir verfolgten dabei zwei Fragestellungen:

  • Q1: Gibt es einen direkten Einfluss der drei Varianten (noAUM, bAUM, fAUM), des Anteils an Grünland-AUM im Landschaftsausschnitt, sowie deren Wechselwirkung auf die Biomasse und Vielfalt von Insekten?
  • Q2: Gibt es einen direkten Einfluss des Extensivierungsindex (LEI) bzw. des Pflanzenartenreichtums (SVegetation), des Anteils an Grünland-AUM im Landschaftsausschnitt, sowie deren Wechselwirkung auf die Biomasse und Vielfalt von Insekten?
Leerung des Fangbehälters einer Malaisefalle

Leerung der Malaisefalle.

Keschern auf einer Kurzrasenweide

Keschern

Saugproben: Erfassung bodennaher Insekten mittels eines Laubsaugers.

Saugproben

Insektenausbeute nach Leerung eines Fangbehälters einer Malaisefalle nach 1 Woche.

Insektenausbeute einer Malaisefalle nach 1 Woche.auf Extensivwiese.

Eingezäunte, vor Milchkühen geschützte Malaisefalle auf einer Kurzrasenweide.

Malaisefalle auf Weide

Gemähte Wiese mit einer Malaisefalle.

Malaisefalle nach der Mahd

Ergebnisse

Deskriptive Statistik

Extensivierungsindex (LEI) und Anzahl an Pflanzenarten (SVegetation)
Die Korrelation von LEI und SVegetation beträgt 0.55. Je extensiver die Bewirtschaftung des Grünlandes, desto höher ist damit die Pflanzenvielfalt. Der LEI nimmt von noAUM über bAUM zu fAUM zu.
Insektenbiomasse
Im bayerischen Wirtschaftsgrünland wurden im Durchschnitt 3,53 g/Tag Insektenbiomasse (Insekten und andere Arthropoden) mit den Malaisefallen gefangen. Es war kein deutlicher Unterschied in der Biomasse zwischen den Varianten erkennbar (Mittelwerte ±Standardabweichung): noAUM 3,63 ±0,96 g/Tag, bAUM 3,50 ±0,81 g/Tag und fAUM 3,48 ±0,75 g/Tag).
Sortierte Insekten
Insgesamt wurden auf den 72 Grünlandflächen über eine jeweils 3-wöchige Standzeit der Malaisefallen 561.165 Insekten gefangen und in 49 unterschiedliche Ordnungen und/oder Familien sortiert. Auf noAUM wurden 189.811, auf bAUM 195.238 und auf fAUM 176.116 Individuen gefangen. Bei Betrachtung der Gesamtanzahl an Individuen einzelner Insektengruppen lässt sich jedoch kein klares Muster in Bezug auf die untersuchten Varianten erkennen. Fliegen und Mücken, die als Zweiflügler Diptera) zusammengefasst werden, sind mit 83% der gesamten Individuen die individuuenreichsten Insektengruppen. Es wurde kein Unterschied in der Häufigkeit der gefangenen Insekten pro Tag zwischen den untersuchten Varianten gefunden.
Artenvielfalt der Insekten - Metabarcoding
Über eine Fangzeit von 3 Fangwochen wurden auf 72 Grünlandflächen über 2.200 Insektenarten mittels Malaisefallen im Grünland nachgewiesen. Obwohl mehr als 80 % der gefangenen Tiere Zweiflügler (Dipteren) waren, stellen diese lediglich 41% aller Arten. Insgesamt wurden 238 Insektenarten mehr im fAUM als im noAUM Grünland gefangen. Auch in den fünf artenreichsten Insektenordnungen wurden deutlich höhere Artenzahlen im fAUM-Grünland gefunden. Das Grünland im Bayerischen Wald (BW) und im Vorderen Oberpfälzer Wald (VOW) beherbergt einen höheren Artenreichtum im Vergleich zum Ostallgäu (OA) und Chiemgau (CH) (BW: 1246 > VOW: 1239 > OA: 1150 > CH: 993).
Beim Vergleich der sortierten Individuen und der durch Metabarcoding ermittelten Artenzahlen aus Malaisefallen wird des Weiteren deutlich, dass die Individuenzahlen einzelner Gruppen sich nicht in der Artenzusammensetzung widerspiegeln (vgl. z.B. Zweiflügler).

Statistische Auswertung mittels verallgemeinerten, gemischten Regressionsmodellen (GLMM)

Q1: Direkter Einfluss der Varianten (noAUM, bAUM, fAUM) und des Anteils Grünland-AUM, sowie deren Wechselwirkung auf Insektenbiomasse und -vielfalt
Insektenbiomasse: Ein direkter Einfluss der Varianten auf die Insektenbiomasse konnte nicht gezeigt werden. Artenvielfalt der Insekten – Metabarcoding: Eine flächenbezogene AUM (fAUM) wirkte sich positiv auf die Artenzahlen von Syrphidae (Schwebfliegen), Apiformes (Wildbienen) und Papilionoidea (Tagfalter) aus. Zusätzlich wirkten sich betriebsbezogene AUM (bAUM) positiv auf die Anzahl an Wildbienenarten aus. Der Anteil Grünland-AUM im Landschaftsausschnitt beeinflusste die Insektenvielfalt über eine Wechselwirkung mit den Untersuchungsvarianten. So deuten erste Ergebnisse der Regressionsmodelle darauf hin, dass die Artenzahlen von einigen Insektengruppen, wie auch den Insekten insgesamt, zusätzlich durch ein komplexes Zusammenspiel der AUM und der umgebenden Landschaftsstruktur beeinflusst wird.
Q2: Direkter Einfluss des Extensivierungsindex (LEI) bzw. der Anzahl an Pflanzenarten (SVegetation) und Anteil Grünland-AUM, sowie deren Wechselwirkung auf Insektenbiomasse und -vielfalt
Insektenbiomasse: Ein Einfluss des Extensivierungsindex (LEI) und der Anzahl an Pflanzenarten (SVegetation) auf die Insektenbiomasse konnte nicht gezeigt werden. Artenvielfalt der Insekten – Metabarcoding: Der LEI hatte einen direkten Einfluss auf die Artenzahl von verschiedenen Insektengruppen. Je extensiver die Grünlandbewirtschaftung war, desto höher war die Artenvielfalt von Insekten insgesamt, Hymenoptera (Hautflügler), Hemiptera (Schnabelkerfe), Syrphidae (Schwebfliegen), Apiformes (Wildbienen) und Papilionoidea (Tagfalter). Die Anzahl an Schmetterlingsarten (Lepidoptera) wurde durch den LEI abhängig von der Wechselwirkung mit dem Anteil an Grünland-AUM in der Landschaft beeinflußt. SVegetation wirkte sich positiv auf die Artenzahlen von Apiformes (Wildbienen) und Papilionoidea (Tagfalter) aus (ohne Abbildung).

Fazit und Ausblick

Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) auf einer gelbblühenden PflanzeZoombild vorhanden

Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus)

Die Untersuchungen lieferten neue Erkenntnisse zum Einfluss von betriebs- und flächenbezogenen AUM (bAUM bzw. fAUM), bzw. des Extensivierungsgrades auf die Biomasse und Artenvielfalt von Insekten im Wirtschaftsgrünland. Die bisherigen Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich flächenbezogene AUM, sowie spezifisch eine extensive Bewirtschaftung positiv auf die Artenzahlen vieler Fluginsekten im Grünland auswirken. Besonders profitierten dabei viele Bestäuberinsekten wie z.B. Tagfalter, Wildbienen und Schwebfliegen.
Schachbrett (Melanargia galathea) auf einer lila Blüte in einer BlumenwieseZoombild vorhanden

Schachbrett (Melanargia galathea)

Entsprechend den sehr vielfältigen Habitatansprüchen von Insekten (schon z.T. innerhalb einer Gattung), so vielfältig sind die art- und gruppenspezifischen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen AUM bzw. dem LEI und verschiedenen Insektengruppen. Unterschiede zwischen den Varianten, sowie ein Effekt des Extensivierungsindex (LEI) auf die Insekten-Biomasse im Grünland konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Da mit Malaisefallen vor allem Fluginsekten gefangen werden, muss bei der Analyse die Wechselwirkung mit Landschaftsfaktoren unbedingt berücksichtigt werden. Erste Ergebnisse deuten auf eine komplexe Wechselwirkung der AUM und des LEI mit dem Anteil an Grünland mit AUM bzw. der Landschaftsstruktur für bestimmte Insektengruppen hin. Einige AUM sind nicht direkt auf die Förderung der Insektendiversität ausgelegt.

Auf Basis der hier vorgestellten Ergebnisse, werden daher perspektivisch folgende Ansätze empfohlen:

  1. gezielte Evaluierung und Optimierung einzelner zur Erhaltung der Biodiversität ausgerichteter Maßnahmen im Wirtschaftsgrünland (z.B. Erhaltung artenreicher Grünlandbestände/B40, extensive Beweidung, Schnittzeitpunkte); und/oder
  2. Entwicklung eines Index, der insektenfördernden Bewirtschaftung (z.B. weniger Schnitte, extensive Beweidung etc.) adäquat abbildet, um z.B. eine gezielte Beratung einfach und schnell zur Verfügung stellen zu können.
Beide Varianten stellen vielversprechende Ansätze dar, den staatlich geförderten Schutz und die Erhaltung von Insekten besser ins KULAP und VNP zu integrieren. Da diese Untersuchung ihren Schwerpunkt in grünlanddominierten Landschaften hatte und die Landschaft aber einen großen Einfluss auf die Insekten hat, sollten in weiterführenden Untersuchungen auch Grünlandgebiete mit höherem Ackeranteil berücksichtigt werden.
Für weitere Erkenntnisse sollen die Artbestimmungen ausgesuchter Insektengruppen aus den Malaisefallen (Zikaden, Schwebfliegen, Wildbienen) sowie die Artenzahlen aus den genetischen Untersuchungen (Metabarcoding) der Saugproben in den nächsten Schritten ausgewertet werden.

Projektinformation
Projektleitung: Roswitha Walter
Projektbearbeiter: Dr. Bernd Panassiti, Michaela Schumann
Wissenschaftliche Begleitung: Johannes Burmeister, Sebastian Wolfrum
Weitere Unterstützung durch die Arbeitsgruppe Bodentiere: Sabine Topor, Michael Weber, Josefa Weinfurtner
Laufzeit: 01.01.2019 - 30.09.2022
Projektpartner: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU)
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)