Wildgänse in Bayern: attraktiv und konfliktreich
Foto: Dr. Christian Wagner
Gänse nehmen in Bayern zu
Die Bestände von Grau-, Kanada- und Nilgänsen nehmen in Bayern zu. Viele Menschen freuen sich über die Beobachtung von Wildgänsen. Sie empfinden sie als attraktiv, schön und intelligent. Im Gegenzug können Wildgänse aber auch Fraßschäden auf landwirtschaftlich genutzten Flächen verursachen und Badestrände verunreinigen. In besonders betroffenen Regionen entstehen Initiativen zum Management von Wildgänsen.
Ein einfaches Rezept, mit den Schäden umzugehen, gibt es nicht. Es ist wahrscheinlich, dass ein Lösungsansatz für die Situation in einer Region in einer anderen Region nicht praktikabel oder auch nicht zielführend ist. Für die Auswahl geeigneter Maßnahmen ist es deswegen wichtig, sich am Beginn des Umsetzungsprozesses grundlegende Fragen zu stellen und zu beantworten. Auch die Festlegung eines Ziels (z. B. Reduzierung der Schäden) hilft bei der Arbeit und der Kommunikation.
Schäden durch Wildgänse
Was machen die Wildgänse?
Wildgänse kommen nicht über das ganze Jahr in gleicher Anzahl in einem Gebiet vor. Sie nutzen Gewässer als Rückzugsräume, Inseln als Brutplätze und Felder zur Nahrungsaufnahme im Laufe des Jahres unterschiedlich, je nachdem ob sie Brutvögel sind oder Nichtbrütertrupps angehören. Aber auch je nachdem, ob sie flugfähig sind oder mausern und somit flugunfähig, ob sie auf dem Durchzug sind oder in einem Gebiet verweilen, verändern sich die Verhaltensmuster. Das Management muss das jahreszeitliche Auftreten der Wildgänse berücksichtigen.
Gibt es tatsächlich relevante Schäden?
Wildgänse nehmen zu, das ist unbestritten. Mehr Wildgänse müssen aber nicht zwangsläufig mehr Schäden anrichten. Es ist wichtig, die Art der Schäden zu benennen. Gleichzeitig sollte man zur Versachlichung der Debatte – wann immer möglich – zum Beispiel die Ernteausfälle schätzen lassen oder den Mehraufwand für die Strandreinigung benennen.
Wann und wo treten die Schäden auf?
Die Schäden können zu allen Jahreszeiten auftreten. Sie können lokal begrenzt sein (Badestrand, Acker am Gewässerrand) oder relevant für einen größeren Raum (z.B. eine Gemeindeflur oder ein Flusstal). Werden die Schäden durch Gänsefamilien, Nichtbrütertrupps, Mausergruppen, durchziehende oder überwinternde Gänse verursacht? Je nachdem entstehen in der Landwirtschaft über den Winter Schäden im Wintergetreide, oder im Frühjahr Ertragseinbußen im Grünland und Verluste im Mais. An Badestränden entstehen die Konflikte eventuell überwiegend während der Badesaison.
Welche Akteure sollten mit einbezogen werden?
Der menschliche Faktor darf im Gänsemanagement nicht unterschätzt werden. Deswegen sollten von vorne herein alle Akteure beziehungsweise betroffenen Personen und Institutionen mit in das Management einbezogen werden. Wenn es einen aktiven Akteur vor Ort gibt erfolgt die Umsetzung schneller.
Welche Maßnahmen sind möglich und sinnvoll?
Maßnahmen könnten je nach Wirkungsweise unterteilt werden in
- Eingriff in die Mortalität (adulter) Individuen
- Eingriff in die Fortpflanzung
- Vergrämung
- Biotopmanagement
Konzepte zur Populationslenkung umfassen Bereiche mit Vergrämungsmaßnahmen und Bereiche, in denen die Wildgänse geduldet werden. Duldungsflächen liegen optimaler Weise an den Ruhegewässern. Eine Abgrenzung zu den Vergrämungsflächen z. B. durch Hecken ist Schäden durch Wildgänse eventuell sinnvoll.
Duldungsflächen
Alleine die Vergrämung der Wildgänse von betroffenen Feldern löst die Problematik nicht, sondern führt zu einer Verlagerung. Deswegen sollten Maßnahmen, die auf die Vergrämung von Wildgänsen abzielen eng an die Ausweisung von Duldungsflächen oder Ablenkungsflächen geknüpft werden. Duldungsflächen sind solche Flächen, auf denen die Anwesenheit von Gänsen keine Schäden verursacht. Ablenkungsflächen werden speziell für Gänse angelegt oder optimiert. Duldungs- beziehungsweise Ablenkungsflächen weisen optimale Lebensbedingungen für Wildgänse auf. Sie sind störungsarm (inklusive Jagdruhe, Lenkung des Besucherverkehrs und Leinenzwang für Hunde), haben qualitativ hochwertige Nahrung sowie kurze Vegetation (bis etwa 30 cm), sind übersichtlich und wenn möglich in der Nähe der Ruheflächen (Gewässer).
Duldungsflächen beziehungsweise Ablenkungsflächen werden gerne angenommen, wenn sie schon im Vorfeld regelmäßig aufgesucht werden. Sie sollten im näheren Umfeld der Flächen liegen, auf denen vergrämt wird. Begrenzender Faktor ist oftmals die Flächenverfügbarkeit.
Maßnahmen: Übersicht
Kategorisierung der Anwendbarkeit auf die unterschiedlichen Gänsegruppen und Wirksamkeit
Familien = Alttiere mit Gösseln, Junggesellen/Nichtbrüter = Individuen zur Brutzeit, die nicht am Brutgeschehen teilnehmen, Mausergäste = nichtbrütende, flugunfähige Individuen, Zugvögel/Winter- gäste = Gänse, die nur zur Zugzeit im Herbst, Winter oder Frühjahr anwesend sind, Jahresvögel/Standvögel = Individuen, die ganzjährig im Gebiet anzutreffen sind. Allgemeine Abschätzung der Wirksamkeit: +++ = sehr hoch, ++ = hoch, + = eingeschränkt wirksam. * = aktuell in Bayern nur im Rahmen von Forschungsvorhaben erlaubt.
Maßnahmen: Jagd und Gelegebehandlung
Eingriff in die Mortalität adulter Individuen – Jagd
Die Jagd ist – konsequent durchgeführt – das vielleicht wichtigste Managementinstrument. Seit 2014 sind die Jagdzeiten deutlich erweitert. Kanada-, Grau- und Nilgänse dürfen einheitlich vom 1. August bis zum 15. Januar bejagt werden. Es ist wichtig, effektiv und effizient zu jagen. Dazu gehören revierübergreifende Jagden, effiziente Jagden an Ruhegewässern oder Jagden mit Gänseliegen oder Spiegeltarnständen auf Schadflächen (siehe Bild oben). Eine Unterstützung der Jäger zum Beispiel bei der Rupfung der erlegten Tiere oder der Vermarktung des wertvollen Wildbrets kann ebenfalls sinnvoll sein. Prinzipiell sollte genau abgewägt werden, wo die Jagd stattfindet und wo die Gänse in Ruhe gelassen werden können.
Eingriff in die Fortpflanzung – Gelegebehandlung
Zoombild vorhanden
Gelegebehandlungen aktuell nur im Rahmen eines Forschungsvorhabens durchführbar, Foto: Philipp Bozem
Bei der Gelegebehandlung wird durch Anstechen der Eier die Eientwicklung gestoppt. Die brütende Gans bemerkt dies nicht und setzt die Bebrütung fort. Je Gelege verbleiben zwei Eier unversehrt, um den Elterntieren weiterhin zu ermöglichen Nachwuchs aufzuziehen und um Nachbruten zu verhindern. Mit der Maßnahme lassen sich die Familiengrößen signifikant verringern. Die Gelegebehandlung ist in Bayern nur im Rahmen von Forschungsvorhaben durchführbar. Hier ist eine Jagdrechtsanpassung nötig, um das Instrument bayernweit als Managementmaßnahme umsetzen zu können.
Maßnahmen: Vergrämung
Zoombild vorhanden
Beim Einsatz einer Drohne gesetzlichen Vorgaben beachten, Foto: Dr. Christian Wagner
Vergrämungsmaßnahmen sollten dosiert und intelligent eingesetzt werden. Es gilt, mit kurzen, variabel eingesetzten Signalen zu arbeiten. Der Erfolg von Vergrämungsmaßnahmen steigt mit dem Vorhandensein von Duldungs- beziehungsweise Ablenkungsflächen. Auch die Jagd kann als Vergrämungsmethode verwendet werden. Die Kombination mehrerer Vergrämungstechniken erhöht den Vergrämungseffekt.
Kombinierter Signale
Empfehlenswert ist die Verwendung kombinierter Signale. Solche Kombinationen sind oft deutlich wirksamer als rein akustische oder optische. Leuchtsignalsterne, Pfeifpatronen oder Pyroknallpatronen lassen sich mit Schreckschusspistolen abfeuern. Auch Signalraketen können eingesetzt werden. Es wird ein kleiner Waffenschein benötigt.
Trainierte Hunde
Trainierte Hunde können eine gute Wirkung entfalten. Zwar müssen die Hunde im Vorfeld trainiert und von einem Begleiter geführt werden, die Vergrämungswirkung aufgrund der für die Gänse unvorhersehbaren Reaktionen der Hunde ist dafür sehr hoch. Auch die Gefahr des damit verbundenen Gewöhnungseffekts ist gering. Der Einsatz muss regelmäßig wiederholt werden.
Greifvogel
Die Verwendung eines Greifvogels stellt eine reelle Gefahr für die Gänse dar. Es müssen große Vögel, die Gänse schlagen können, eingesetzt werden (z. B. Seeadler). Die Schon- und Jagdzeiten sind zu beachten. Bei einem Einsatz außerhalb der Jagdzeit darf der Greifvogel keine Beute machen.
Der Einsatz des Greifvogels kann nur durch einen Falkner mit Genehmigung des Jagdausübungsberechtigten erfolgen. Der Einsatz muss mehrmals wiederholt werden.
Vergrämungsmethoden unterscheiden sich in Wirksamkeit, Personalaufwand und Kosten Anschaffung bzw. Unterhalt
Die relevanten Signale sind dabei unterschiedlich. Allgemeine Abschätzung der Wirksamkeit: +++ = sehr hoch, ++ = hoch, + = mäßig/wenig bekannt.
Maßnahmen: Biotopmanagement
Maßnahmen des Biotopmanagements werden ergriffen, um Wildgänse von bestimmten Flächen fernzuhalten oder auf bestimmte Flächen zu lenken. Sie sind von eher dauerhafter Wirkung.
Umzäunen von Brutflächen
Wildgänse brüten in Bayern überwiegend auf Inseln. Eine effektive, meist aber recht aufwendige Maßnahme ist die Umzäunung dieser Brutinseln. Die Methode eignet sich vor allem für überschaubare Brutareale, in denen die Standorte der Gelege bekannt sind. Als alleinige Maßnahme angewendet, müssen alle Brutinseln für einen sicheren Erfolg hermetisch umzäunt werden.
Inselanbindung
Durch Schaffung von dauerhaften Verbindungen zwischen Inseln und Festland wird eine vormalige Insel potentiell für Raubsäuger erreichbar, der Standort wird als Brutplatz für Gänse uninteressant. Dabei kann die Anbindung aus einer Festlandbrücke, einem Baumstamm oder einem Steg bestehen. Auch Flachwasserzonen zum Land hin senken die Bereitschaft von Wildgänsen, auf diesen Inseln zu brüten.
Überspannung landwirtschaftlicher Kulturen
Überspannung landwirtschaftlicher Kulturen hindert flugfähige Tiere am Einfliegen auf betroffene Felder. Dabei werden in Bearbeitungsrichtung des Felds etwa zwei Millimeter dicke Schnüre oder Drähte auf 80 Zentimeter Höhe gespannt. Die Entfernung zwischen den Schnüren sollte in etwa zwölf Meter betragen.
Um ein Einwandern aus benachbarten Flurstücken zu vermeiden bietet es sich an, an den Feldrändern weitere Drähte in Höhe von 30-50 Zentimeter anzubringen. Wird das Feld auch von Nilgänsen angeflogen ist es ratsam, zusätzliche Diagonalüberspannungen vorzunehmen.
Mobile Zäune
Flugunfähige mausernde Gänse oder Familientrupps sind auf gewässernahe Äsungs- und Ruheflächen mit freiem Zugang und Sicht auf die sichere Wasserfläche angewiesen. Einfache Weidezäune für Geflügel sorgen für einen wirksamen Schutz der dahinter liegenden Flächen. Sie besitzen im unteren Bereich kleinere Gitterweiten, sodass Jungtiere nicht durch den Zaun schlüpfen können. Eine Höhe von 50 Zentimeter und eine bodennahe Maschenweite von fünf Zentimeter sind ausreichend. Solche Weidezäune werden erfolgreich an Badeplätzen eingesetzt.
Feste Zäune und Hecken
Foto: Dr. Christian Wagner
Feste Zäune und Hecken widersprechen dem Sicherheitsbedürfnis der Wildgänse. Sie können gleichzeitig den Einflug der Tiere behindern. Solche dauerhafte Installationen und Anpflanzungen sind in Bezug auf Anschaffung und Pflege kostspieliger als mobile Zäune. Als wichtiges Landschaftselement gliedern sie sich ins Landschaftsbild ein und werden von der Bevölkerung oftmals als attraktiv empfunden.
Nutzungsänderungen
Bei gewässernahen Feldern und Wiesen mit für Gänse attraktiven Feldfrüchten ist zu überlegen, ob eine Nutzungsänderung sinnvoll ist. Falls über den Winter Probleme entstehen, wäre der Anbau von Sommerfrüchten eine Alternative. Falls die Schäden im Mai oder Juni entstehen, sind Winterfrüchte besser geeignet. Sie sind im Mai schon höher gewachsen und werden oft nur vom Rand her abgefressen.
Zwischenfrüchte
Zwischenfrüchte können helfen, im Herbst und Winter Schäden in den Winterfeldfrüchten zu minimieren. Dazu müssen für Gänse attraktive Pflanzen, wie Gräser oder Klee, ausgesät werden. Die oft verwendeten Senfsaaten sind nicht geeignet.
Stoppelbrachen
Stoppelbrachen sind attraktive Äsungsflächen für Wildgänse. Sie können helfen, Fraßschäden im Wintergetreide zu vermeiden. Dazu müssen sie in optimaler Weise über den Winter stehen gelassen werden. Aber auch kürzere Standzeiten verringern (dann im Herbst) den Fraßdruck auf neu eingesätes Getreide. Auch eine gestaffelte Maisernte ist eine Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum attraktive Nahrungsflächen zur Verfügung zu stellen.
Fütterungverbot
Fütterungen üben eine große Anziehungskraft auf Wildgänse aus. Ein Fütterungsverbot wäre in urbanen Räumen in vielen Fällen eine sinnvolle Managementmaßnahme, ist aber nur schwer umzusetzen. Alternativ kann je nach örtlichen Gegebenheiten die gezielte Fütterung an bestimmten Plätzen des Gewässers mit artgerechten Futtermitteln erlaubt werden. Dies lenkt das Gänsevorkommen und ist einfacher durchsetzbar als ein generelles Fütterungsverbot.