Jahresbericht der LfL 2019: Nutztiere
Verantwortungsvolle Tierzucht für Bayern
Die LfL deckt mit ihrem Institut für Tierzucht alle Bereiche der Tierzüchtung ab. Ob Rind, Schwein, Pferd, Schaf oder Ziege, seit vielen Jahrzehnten arbeitet das Institut an genetischen Fortschritten für fast alle Nutztierarten und überwacht die bayerischen Zuchtprogramme. Die Möglichkeiten der Nutztierzüchtung haben sich in den letzten 50 Jahren revolutioniert. Durch Digitalisierung und Genetik können immer mehr Merkmale erfasst und züchterisch bearbeitet werden. Hierzu gehören neben Leistung auch Verhalten, Gesundheit, Effizienz oder die Anpassung an Standortbedingungen.
Alle Erkenntnisse aus den nationalen und internationalen Forschungs- und Innovationsprojekten unter Beteiligung des Institutes für Tierzucht kommen uneingeschränkt den bayerischen Zuchtverbänden und damit der bayerischen Landwirtschaft zu Gute. Seit einigen Jahren gewinnen bestimmte Zuchtmerkmale wie Fitness oder Gesundheit zunehmend an Bedeutung oder werden im Gesamtzuchtwert zum Beispiel für die Ökolandwirtschaft anders gewichtet. Aber die wissenschaftliche Zuchtarbeit hat auch ihre Grenzen, sowohl ethische, wie ganz praktische.
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Die Tierzucht hat das Aussehen, die Leistungen und das Verhalten von Tieren schon immer verändert. Lange Zeit aber erfolgte Züchtung eher planlos und im privaten Rahmen. Erst an der Wende zum 20. Jahrhundert erkannte man, dass für die systematische Ausnutzung der natürlichen genetischen Variabilität eine möglichst breite Basis objektiver Leistungsdaten und genaue Abstammungsaufzeichnungen notwendig sind.
Zunächst konzentrierte man sich dabei auf Zuchtziele, die in erster Linie leicht messbare Leistungseigenschaften wie Milch, Fleisch oder Eier im Blick hatten und darüber hinaus eine relativ hohe Erblichkeit (Heritabilität) aufwiesen. Dank Digitalisierung und komplexen genetisch-statistischen Methoden hat die moderne Tierzucht, wie sie heute am Institut für Tierzucht praktiziert wird, ein nie dagewesenes Niveau und einen enormen Organisationsgrad erreicht. Dies garantiert den fast völligen Wegfall unerwünschter genetischer Besonderheiten und ausgewogene Gesamtzuchtziele und erleichtert die Züchtung in Merkmalen, die niedriger erblich sind.
Im Zuge der kritischen Auseinandersetzung mit der konventionellen Landwirtschaft und geänderten gesellschaftlichen Einstellungen ist in den letzten Jahren auch die Tierzucht ins Visier von Kritikern geraten. Der Vorwurf galt vor allem einer allein auf Leistung ausgerichteten Zuchtwertschätzung. Dabei wurde oftmals übersehen, dass Leistung in der Tierzucht schon seit vielen Jahren nicht mehr einseitig als Milch- oder Fleischmenge definiert wird und dass ein Großteil der Leistungssteigerungen in den vergangenen Jahrzehnten auf die Optimierungen in Haltung, Fütterung und Management zurückzuführen waren, nicht auf die Genetik. Gleichwohl tragen Züchter Verantwortung für die in einigen Bereichen negativen Folgen einer zu starken Fokussierung der Zucht auf produktionsrelevante Merkmale.
Das Institut für Tierzucht an der LfL ist sich seiner Führungs- und Vorbildfunktion als staatliche Institution bewusst und hat seine von jeher solide Zuchtarbeit auf Ausgewogenheit und genetische Vielfalt ausgerichtet. Langlebigere, fruchtbarere und gesündere Tiere sind den bayerischen Zuchtprogrammen nicht erst seit gestern ein Anliegen. Vor allem in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten konnte zum Beispiel im Fitnessbereich ein deutlicher Zuchtfortschritt erzielt werden.
Mit Digitalisierung, neuen genomischen Kenntnissen und den Fortschritten im Bereich der modernen Reproduktionstechnologie könnten weitere Begrenzungen heutiger Zuchtarbeit überwunden werden. Damit entstehen vielleicht Möglichkeiten, von denen Züchter bisher nur träumen konnten. Das kann Fluch und Segen zugleich sein und wirft zusätzliche ethische Fragen auf. Verantwortungsbewusste, staatliche Züchtungsforschung, wie sie das Institut für Tierzucht betreibt, hinterfragt immer wieder Möglichkeiten und Grenzen von Züchtungsmaßnahmen.
Schließlich können einseitige und schnelle Zuchterfolge eine ganze Zuchtpopulation in eine genetische Schieflage führen mit nicht absehbaren Dauerfolgen. In den aktuellen Generationen bayerischer Zucht stecken die kumulierten Anstrengungen von Jahrzehnten an Zuchtarbeit. Die Zuchtpopulation im Hinblick auf aktuelle und zukünftige Anforderungen weiter zu entwickeln, stellt nicht nur eine große Herausforderung, sondern auch eine große Verantwortung für alle Beteiligten dar.
Tierzucht ist ein langwieriger Prozess, der in Generationen gedacht werden muss. Seit mehr als zwei Jahrzehnten legt das Institut für Tierzucht einen Hauptfokus auf die Tiergesundheit und versucht damit, Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu geben und
zu einer nachhaltigen, wettbewerbsfähigen und gesellschaftlich akzeptierten Rinderzucht beizutragen.
Genomische Zuchtwertschätzung im Labor
Ausgehend von ersten Daten aus dem Projekt "Pro Gesund", dem bisher umfassendsten Gesundheitsmonitoring der Rinderbestände Bayerns, geht man mit "BraunviehVision" und "FleQS" weitere Schritte Richtung Gesundheit und Langlebigkeit von Rindern in Bayern. Im Rahmen der üblichen Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung werden bei beiden Projekten von allen einbezogenen Kühen zusätzliche Merkmale wie Gesundheit, Klauenpflege, Tierverhalten und Kälberkrankheiten erfasst und zusammen mit ihrem genetischen Profil züchterisch ausgewertet. Erstmals werden damit genomische Zuchtwerte für die wichtigsten Gesundheitsmerkmale aus den Merkmalsblöcken Eutergesundheit, Fruchtbarkeit und Stoffwechsel bestimmt und können in der Zuchtplanung genutzt werden.
Das Projekt FleQS ist ein Verbundprojekt des Institutes für Tierzucht der LfL mit den im Landesverband bayerischer Rinderzüchter e.V. organisierten Zuchtverbänden und den in der Arbeitsgemeinschaft der Besamungsstationen in Bayern organisierten Besamungsstationen als Wirtschaftspartner. Unterstützt wird das Projekt durch eine Millionenförderung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und weitere unterstützende Projektpartner. Bei Braunvieh-Vision arbeitet das Institut mit den deutschen Braunviehzuchtverbänden (Allgäuer Herdebuchgesellschaft, Weilheimer Zuchtverbände und Rinderunion Baden-Württemberg) sowie dem FBF (Förderverein Bioökonomieforschung e.V.) zusammen.