Von der historischen Beweidung zur modernen Weidehaltung
Wiesen und Weiden prägen die bayerische Kulturlandschaft. Das verkörpert seit jeher auch die grasende Kuh am bayerischen Hof. Doch von der Beweidung, der Ursprungsform der Grünlandnutzung, ist in Bayern nicht mehr viel zu sehen. Maximal zehn Prozent der gesamten Rinderhaltung in Bayern findet noch auf der Weide statt. Durch die stetige Verbesserung der Futterkonservierung in Form von Silage ist der Anteil beweideter Flächen kontinuierlich zurückgegangen.
An Stelle der Weidewirtschaft trat die intensive Stallhaltung, die enorme Leistungen beim Einzeltier erzielt. Auch darum beendete die Bayerische Landesanstalt für Tierzucht in Grub, eine der Vorgängeranstalten der LfL, schon Ende der 1950er Jahre ihre bis dahin umfangreichen Forschungsarbeiten zur Weidehaltung. Im Laufe der Jahrzehnte gingen dadurch wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch von Generation zu Generation weitergegebenes Erfahrungswissen verloren.
Erst in den letzten Jahren ist das Potenzial der Weide für die Fütterung wiederentdeckt worden. 2005 begann das Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft mit ersten Forschungsarbeiten für eine moderne, professionelle Weidehaltung. Im Rahmen mehrerer Forschungs- und Pilotprojekte zur "Effizienten Futter- und Weidewirtschaft" erwies sich für Bayern die sogenannte Vollweidehaltung mit Kurzrasenweide als ein Schlüssel zu niedrigen Kosten vor allem in der Milchproduktion. Für bäuerliche Familienbetriebe in Bayern eröffnen sich mit der Weidehaltung und dem Verzicht auf zum Teil teuer erkaufte Höchstleistungen neue wirtschaftliche Alternativen.
In jeder Hinsicht konkurrenzfähig: Die professionelle Kurzrasenweide
Nach den durchweg positiven Forschungsergebnissen der letzten 15 Jahre favorisieren Experten wie auch Siegfried Steinberger für bayerische Rinderhalter vor allem das System der Kurzrasenweide. Hier überweiden im Gegensatz zur Umtriebs- und Portionsweide die
Tiere großflächig die komplette Weidefläche. Entscheidend ist eine Rasenhöhe von sechs bis maximal acht Zentimetern, da diese den optimalen Energieertrag und den geringsten Verlust garantiert.
Zugefüttert werden muss im Idealfall nur noch in den Monaten November bis März. Die Kurzrasenweidehaltung kann sowohl mit Jungrindern, Mutterkühen, Ochsen und Milchvieh betrieben werden und ist unter den Weidesystemen das kostengünstigste und arbeitsextensivste. In den meisten Fällen kompensiert diese sogenannte Low-Cost-Strategie die Leistungsverluste bei Milch und Zuwachs und erlaubt eine hohe Flächenleistung und somit viel Milch und Fleisch aus Gras. Die Weidehaltung ist zudem artgerecht.
Rinder sind Weidetiere und können in der freilaufenden Herde ihr arteigenes Verhalten voll ausleben. Und ökologisch betrachtet hat die Weidehaltung Vorteile. So ist der Maschineneinsatz gering und der Energiebedarf beispielsweise im Vergleich zur Maissilage um 80 Prozent niedriger. Die Emissionen von Ammoniak betragen bei Weidehaltung nur ein Drittel gegenüber der konventionellen Haltung im Boxenlaufstall. Und durch die Einsparung beim Kraftfutter stehen mehr wertvolle Eiweißlieferanten wie Soja dem Menschen zur Verfügung.
Das System Weide ist komplex und erfordert ein ausgeklügeltes Management des Landwirts. Extensiv auf der Fläche und intensiv im Kopf. Darum ist eine kompetente Beratung bei der Betriebsumstellung klare Empfehlung. Die LfL arbeitet hier mit ihren aktuellen Erkenntnissen dem bayerischen Beraternetz zu. Siegfried Steinberger hilft in Einzelfällen sogar persönlich oder vermittelt Kontakte zum Erfahrungsaustausch der Landwirte untereinander.
Almen und Alpen in Bayern – Weidewirtschaft im Zeichen von Klimawandel und Naturschutz
Ein wichtiger Anteil der historisch entstandenen Weideflächen in Bayern sind Almen und Alpen. Gemeint ist das Gleiche: Die Almen in Bayern sind im Allgäu die Alpen, beides hochgelegene Viehweiden, die nur im Sommer bewirtschaftet werden. Bereits im siebten Jahrhundert begann der Auf und Ausbau der Almwirtschaft in der uns heute noch bekannten Form. Im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft sind auch die Almweiden im stetigen Rückgang. Allein in den letzten zehn Jahren gingen 1.800 Hektar Almweideflächen verloren. Dieser Verlust entspricht etwa der Fläche von 64 Almen.
Dabei sind die Almgebiete in den bayerischen Kalkalpen mit vielen endemischen Arten besonders vielfältig. Während Verbuschung und Erosion der Böden voranschreiten, erhöht das zu lange Gras auf Steilhängen im Winter die Lawinengefahr. Die LfL bemüht sich seit vielen Jahren aktiv um die Erhaltung und Wiederherstellung von Almen.
Aufbauend auf dem viel beachteten Projekt "Weidesanierung durch gezielte Beweidung" untersuchte Siegfried Steinberger in den letzten Jahren die notwendige Anpassung der Almwirtschaft an den fortschreitenden Klimawandel. Die höhere durchschnittliche Jahrestemperatur führt zu einer Verlängerung der Vegetationsphase und einem stärkeren Wiesenwachstum. Das erlaubt nicht nur einen um bis zu drei Wochen früheren Auftrieb, sondern verlangt auch eine höhere Anzahl von Rindern auf der Alm.
Zoombild vorhanden
Steinberger und seine Kollegen beraten vor Ort zur professionellen Vollweidehaltung
Die Sanierung und Reaktivierung von Alpen und Almen ist nicht nur Landschaftspflege bzw. Kulturlandschaftsgestaltung, sondern aktiver
Naturschutz. Eine weitere Forschung zur fachgerechten Almwirtschaft und einem professionellen Weidemanagement an der LfL wird dabei helfen, auch ertragsarme Hochflächen in den Bayerischen Alpen wirtschaftlicher zu betreiben. Der Erhalt oder gar Ausbau von Almflächen wird aber weiterhin nicht ohne staatliche Förderung auskommen.