Jahresbericht der LfL 2019: Nutztiere
Schweinehaltung: Unser Hauptfokus ist das Tierwohl
Die Schweinehaltung, nach der Rinderhaltung der bedeutendste Zweig der Fleischerzeugung, ist eine wichtige Einkommensquelle für die bäuerliche Landwirtschaft in Bayern. 3,19 Millionen Schweine halten die bayerischen Landwirte, das sind über zwölf Prozent des deutschen Schweinebestands und mit über 4.800 Betrieben befindet sich jeder fünfte Schweinebetrieb Deutschlands in Bayern. Die LfL mit ihrem Institut für Landtechnik und Tierhaltung untersucht und entwickelt in wissenschaftlichen Studien Haltungsverfahren und Haltungstechniken für Nutztiere.
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Frau Dr. Jais, die konventionelle Stallhaltung von Schweinen ist ziemlich in Verruf geraten in letzter Zeit. Wie sehen Sie das als Wissenschaftlerin, die sich seit vielen Jahren mit der Praxis der Schweinehaltung beschäftigt?
In der Tat steht die Schweinehaltung stark in der Kritik. Themen, die noch vor zehn Jahren nur in Tierschutzkreisen diskutiert wurden, sind jetzt in der gesamten Gesellschaft angekommen. Und es ist auch richtig, dass es in der Forschung und beim Bauern vor Ort lange Zeit in erster Linie um die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und eine effizientere Erzeugung ging. Ziel war es fast ausschließlich, möglichst kostensparend möglichst viel günstiges Schweinefleisch zu erzeugen, keine Frage. Der Blick hat sich aber schon vor einigen Jahren geändert und mittlerweile ist uns allen klar: Bei den Haltungsformen stehen wir vor einer Zeitenwende.
Dazu tragen aktuell beim Schwein auch die sehr emotional geführten Diskussionen bei, die die breite Öffentlichkeit erreicht haben, etwa die zur Ferkelkastration, zum Kürzen von Ferkelschwänzen oder zur Sauenhaltung im engen Kastenstand.
Das sind alles Themen, die im Grunde unsere aktuellen Produktionsverfahren teilweise in Frage stellen. Aber genau daran arbeiten wir in unseren Forschungsprojekten, indem wir neue Stallkonzepte entwickeln, wissenschaftlich untersuchen und auf ihre Praxistauglichkeit testen. Unser Hauptfokus ist schon seit Jahren das Tierwohl. Auch angesichts des veränderten Verbraucherverhaltens müssen wir den Bauern helfen, wirtschaftlich vertretbar mehr Tiergerechtigkeit in den Stallungen umzusetzen. Nur so erreichen wir langfristig wieder eine breite gesellschaftliche Akzeptanz unserer Haltungs- und Erzeugungsbedingungen.
Aber machen die Bauern da überhaupt mit?
Unterschätzen Sie nicht vor allem die jüngere Generation. Ich muss hier eine Lanze für die Landwirte brechen. Natürlich gibt es schwarze Schafe, aber grundsätzlich haben unsere Landwirte ein großes Interesse, dass sich ihre Tiere wohlfühlen. Geringe Tierverluste sind eines der wichtigsten Ziele in der Schweinehaltung, egal ob bio oder konventionell. Ich kenne Familienbetriebe, die an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten, gerade weil sie sich für ihre Schweine einsetzen. Da gibt es Bauern, die nachts im Stall schlafen, wenn die Sauen werfen. Wenn ich von Wirtschaftlichkeit spreche, berührt das ja auch die Frage: Ist die zeitliche und körperliche Belastung des Landwirts noch vertretbar? Auch darum berücksichtigen wir selbstverständlich weiterhin neben der Tiergerechtheit die Arbeitsbedingungen und Ökonomie bei unseren Forschungsprojekten.
Womit wir bei Ihren aktuellen Forschungsarbeiten wären. Welche Themen bearbeiten Sie denn gerade konkret?
Bei der Ferkelerzeugung beschäftigen wir uns nun schon seit Jahren mit verschiedenen Typen sogenannter Bewegungsbuchten. Damit wollen wir erreichen, dass Sauen schon wenige Tage nach der Geburt ihrer Ferkel wieder frei laufen dürfen. Aber da hängen natürlich neue Fragen dran. Haben die neuen Buchten Gefahrenstellen? Funktionieren die Buchten auch praktisch und sind sie anwenderfreundlich? Wie können wir verhindern, dass die Sauen ihre Ferkel versehentlich erdrücken? Solche Fragen lassen sich nur in vielen Versuchen und Tests beantworten.
Bei der Mast ist der Verzicht auf das Kürzen der Ferkelschwänze ein großes Thema in unserer Forschungstätigkeit. Neugeborenen Ferkeln wird üblicherweise wenige Tage nach der Geburt ein Stück des Schwanzes gekürzt, um dem Schwanzbeißen vorzubeugen, was ja zu schweren Verletzungen und zu Schmerzen bei den Tieren führen kann. Seit bereits acht Jahren suchen wir in Versuchen nach Ansätzen, wie das Schwanzbeißen durch Änderungen der Haltungsbedingungen verhindert werden kann. Hier haben wir schon einige Erfolge erzielt. So treten deutlich weniger Schwanzverletzungen auf, wenn die Ferkel von vornherein etwa Heu zusätzlich zum Kraftfutter bekommen. Aktuell arbeiten wir an sogenannten Komfort-Plus-Buchten mit Liegebereichen, Heu als Beschäftigungsmaterial, Mikrosuhle und höherem Platzangebot je Tier.
In Schwarzenau werden derzeit neue Demonstrations- und Versuchsställe für die Schweine gebaut. Das Millionenprojekt gilt als zukunftsweisende Positionierung des Freistaats für mehr Tierwohl. Wo sehen Sie perspektivisch ihre Forschungsarbeit?
Da wir intensiv an alternativen Stallkonzepten arbeiten, ist der Neubau der Tierwohlställe in Franken für uns ein Glücksfall. Damit bekommen wir noch bessere Möglichkeiten, herkömmliche und alternative Haltungssysteme in ihren Auswirkungen auf Tierverhalten und Tiergesundheit zu untersuchen. Bei unserer Forschungsarbeit wird uns das Thema artgerechte Schweinehaltung sicher noch einige Jahre erhalten bleiben. Aus der Umstellung von Haltungssystemen ergeben sich automatisch neue Fragestellungen, auf die die Forschung Antworten finden muss. Wo gibt es Einsparpotenziale in der Schweinehaltung, die das Tierwohl nicht einschränken? Wie viel Technologie braucht der Schweinestall? Wie gehen wir arbeitstechnisch mit den neuen Entmistungsproblemen um, wenn der Spaltenboden wegfällt. Lassen sich Stallbauten entwickeln, die sich flexibel an neue Haltungsanforderungen anpassen lassen? Die Schweinehaltung ist ein herausforderndes Geschäft, da werden uns die Themen sicher nicht ausgehen.