LfL-Arbeitsrahmenprogramm 2019 – 2023: 2. Übergeordnete Herausforderungen für die Land- und Ernährungswirtschaft
Die bayerische Landwirtschaft muss vielen Herausforderungen begegnen. Dazu bringen wir smarte Innovationen in die Betriebe, wollen wir Akzeptanz in der Gesellschaft schaffen, den Bayerischen Weg weitergehen und neuen Risiken aktiv begegnen.
Digitalisierung
Zentrales Anliegen der bayerischen Agrar-, Forst- und Ernährungspolitik ist es, die relativ kleinstrukturierte bayerische Land- und Forstwirtschaft an den rasanten Entwicklungen der Digitalisierung teilhaben zu lassen, damit sie wettbewerbsfähig und zukunftsfähig bleiben kann.
Dazu arbeitet die LfL am Aufbau und Betrieb eines Digitalisierungszentrums in Ruhstorf mit einem Bauernhof der Zukunft ("Future Farm"), auf dem unter anderem die angebotenen digitalen Lösungen für die bayerische Landwirtschaft neutral analysiert und auf ihre Praxistauglichkeit hin erprobt werden; außerdem wird dort ein digitales Landmodell zur Bewertung von Ökosystemeffekten sowie ein offenes Technologielabor zur Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft geschaffen werden
Neben der Forschung für die Praxis ist es aber gleichfalls erforderlich, dass wir uns selbst in unserer Arbeit stärker digitalisieren. Zukunftsfähige Betriebe erwarten von uns digitale Dienstleistungen und die Nutzung moderner Kommunikationsformen für den Wissenstransfer.
Gesellschaftliche Erwartungen
Bürger, Verbände und Organisationen betrachten die Produktionsverfahren in der Landwirtschaft zunehmend kritisch. Etablierte Formen der Landwirtschaft werden in Frage gestellt. Gleichzeitig wachsen die Ansprüche an die Landwirtschaft zur Gestaltung einer vielfältigen, attraktiven Kulturlandschaft und die Steigerung der Biodiversität.
Im Planungszeitraum wird sich deshalb die Landwirtschaft den immer lauter werdenden Forderungen nach neuen, gesellschaftlich besser akzeptierten Produktionsweisen in Feld und Stall stellen müssen. Dabei ist die Information der Gesellschaft über die Vorteile einer modernen und effizienten Landwirtschaft zwar eine wichtige Aufgabe, kostenträchtige Modifizierungen von Produktionsverfahren in der Tier- und Pflanzenproduktion werden jedoch unweigerlich folgen müssen. Hieraus resultiert ein erheblicher Forschungsbedarf.
Bayerischer Weg und Diversifizierung
Bayern geht seit langem einen eigenständigen Weg, der Agrarpolitik als Gesellschaftspolitik versteht: Dieser Bayerische Weg bedeutet, dass das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs mit einer flächendeckenden Landbewirtschaftung als Zukunftsmodell ständig weiterentwickelt wird. Die Bayerische Staatsregierung will eine flächengebundene, ressourcenschonende und nachhaltige Land- und Forstwirtschaft. Zum Bayerischen Weg gehört auch die Erkenntnis, statt einem "Wachsen oder Weichen" möglichst vielen aktiven Landwirten Zukunftsperspektiven im ländlichen Raum zu eröffnen, u.a. durch Diversifizierung, also weiteren wirtschaftlichen Standbeinen innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft wie Tourismus, Energiegewinnung oder Bioökonomie.
Die Lebensqualität des ländlichen Raums und insbesondere die Attraktivität der Tourismusregionen können nur durch eine flächendeckende Landbewirtschaftung und eine breite Verankerung der Landwirtschaft in der Gesellschaft gesichert werden. Dazu muss der Dialog mit der gesamten Gesellschaft erweitert und vertieft werden, um den Mehrwert heimischer Landwirtschaft für jeden Bürger sichtbar zu machen.
Biodiversität und Umweltverantwortung
Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein zentrales Element der Nachhaltigkeit. Die Landwirtschaft steht nicht nur in der Pflicht, einwandfreie Nahrungsmittel in ausreichender Menge zu er-zeugen, sondern trägt auch Mitverantwortung für eine breitgefächerte Biodiversität, die einen Gradmesser für den schonenden Umgang mit der Umwelt darstellt.
Das Wissen um ökologische Zusammenhänge, die Erwartungen der Gesellschaft und die gesetzlichen Rahmenbedingungen befinden sich in ständiger Weiterentwicklung und erfordern eine laufende Anpassung der landwirtschaftlichen Produktionsprozesse.
Klimawandel und Risikomanagement
Der Klimawandel ist ein globales Problem mit regionalen Konsequenzen. Produktionsschwankungen mit schwer zu kalkulierenden Effekten und ein höheres Ausfallrisiko sind die kurzfristige Folge.
In Bayern führen einerseits zunehmende Starkregen- und Unwetterereignisse und andererseits längere Dürreperioden zu höheren Risiken für die Landwirtschaft.
Häufiger auftretende Witterungsextreme führen zudem zu einem erhöhten Krankheits- und Schädlingsrisiko sowie hitzestress- bzw. wasserüberschussbedingten Ertragsdepressionen. Die Zuwachsraten zukünftiger landwirtschaftlicher Produktionsmengen werden sich bei überschaubaren Nutzflächenreserven tendenziell eher verringern. Gleichzeitig steigt der Nahrungsmittelbedarf weltweit durch sich ändernde Konsumgewohnheiten und steigende Bevölkerungszahlen.
Die LfL arbeitet hier interdisziplinär an Fragen der Züchtung, der Pflanzengesundheit, der Klimaauswirkungen der Tierhaltung und an ökonomischen wie ökologischen Fragestellungen.
Tierwohl und Tiergesundheit
Die Verbrauchervorstellungen über landwirtschaftliche Tierhaltung haben sich besonders in den letzten Jahren weit vom täglichen Tun der Landwirte entfernt. Dabei sind von grundlegenden ethischen Fragen bis hin zu produktionstechnischen Lösungen eine Vielzahl von Interessen mit äußerst heterogenen Ansprüchen zu berücksichtigen. Praktische Fragen der Tierhaltung betreffen nicht mehr nur die Tierhalter direkt, sondern werden zunehmend gesellschaftlich wahrgenommen. Umweltrelevante Auswirkungen der Nährstoffanfälle und Emissionen sind ebenfalls im Fokus.
Die LfL bietet für Politik und Praxis eine umfassende Wissensgrundlage durch die institutsübergreifende Bearbeitung von Fragestellungen zu Zucht, Ernährung und Haltung von Nutztieren. Auch in Zukunft wird die LfL den Bogen von Grundsatzfragen bis hin zur Beratung der Praxis spannen. Hierzu wird die LfL das von ihr entwickelte Leitbild für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung auf den Betrieben der BaySG Schritt für Schritt umsetzen und dabei wesentliche Erfahrungen für die Transformation der bayerischen Tierhaltung gewinnen.
Agrarpolitik im Wandel
Die EU hat die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) durch verschiedene Reformen immer wieder an die neuen Herausforderungen für die europäische Landwirtschaft angepasst. Für die neue Programmperiode ab 2020 werden die Möglichkeiten der Weiterentwicklung bereits diskutiert. Hauptaugenmerk der EU sind die nachhaltigere Nutzung natürlicher Ressourcen, der Klimawandel, der zunehmende Wettbewerb auf den Weltmärkten und die Erhaltung prosperierender ländlicher Räume in der EU. Eine GAP 2020 wird auch zukünftig eine rentable Nahrungsmittelerzeugung und eine stabile Nahrungsmittelversorgung mit sicheren Lebensmitteln gewährleisten müssen, wobei besonders Tierwohl sowie soziale und ökologische Belange noch stärkere Berücksichtigung finden werden.
Für die LfL bedeutet dies eine Vielzahl neuer Rahmenbedingungen, die weiteren Forschungs- und Beratungsbedarf mit sich bringen.