Forschungs- und Innovationsprojekt
Schafzucht: Multi-Natursprung (MuNaSch)

Entwicklung eines nachhaltigen Zuchtprogramms in der deutschen Schafzucht unter Nutzung des Multi-Natursprungs (MuNaSch)

Bisher ist es in der klassischen Tierzucht üblich, ein Vatertier und ein Muttertier gezielt unter Berücksichtigung des Pedigrees, der Leistungsparameter und des Exterieurs zu paaren.

Im vorliegenden Projekt sollen über einen Zeitraum von zunächst drei Jahren die Auswirkungen des gleichzeitigen Einsatzes von je drei bis vier Zuchtböcken in großen Zuchtherden geprüft werden. Die Partnerwahl der Elterntiere erfolgt ohne Beeinflussung durch den Menschen. Untersucht werden eine natürliche Präferenz für bestimmte Böcke, Auswirkungen auf die weibliche Fruchtbarkeit, Veränderung der genetischen Variabilität und die Verbesserung der Qualität der Zuchtwertschätzung mit dem BLUP-Tiermodell.

Ziele

Die praktische Schafzucht unterscheidet sich grundlegend von der Rinder-, Schweine- und Geflügelzucht. Während bei Letzteren die künstliche Besamung Stand der Technik ist, hat diese in der deutschen Schafzucht keine Bedeutung. Stattdessen findet die Bedeckung der Schafe generell durch eine natürliche Befruchtung (Natursprung) statt. Dabei werden 20 bis 50 Mutterschafe gewöhnlich für den Zeitraum einer Brunstperiode gezielt einem Bock zugeführt (Haring 1976; Hoops 2010). Nach mindestens zehntägiger Pause kann dann ein Bockwechsel erfolgen. Diese Methode ist allerdings sehr arbeits- und zeitintensiv und kollidiert zunehmend mit den Pflegezielen in der Landschafspflege.

Somit ist Herdbuchzucht insbesondere in größeren Betrieben kaum noch realisierbar, da hierbei die bestehende Herdenstruktur aufgelöst werden muss um Kleingruppen zu bilden die dann getrennt gehütet und versorgt werden müssen.

Im Rahmen des Projektes soll ein nachhaltiges Zuchtprogramm mit einem gleichzeitigen Einsatz von jeweils 3 bis 4 Zuchtböcken in großen Zuchtherden unter den Bedingungen der extensiven Hütehaltung etabliert werden. Das wesentliche Ziel des Projektes ist es, das Verfahren des gleichzeitigen Einsatzes von Zuchtböcken mit der notwendigen Abstammungssicherheit zur Markteinführung zu bringen. Hierbei begleiten wissenschaftliche Untersuchungen den Einsatz des innovativen Zuchtprojekts in Praxisbetrieben. Das Projekt dient auch dazu, die nachhaltige Leistungsfähigkeit von großen Zuchtbetrieben zu fördern.

Übergeordnete Ziele:

  • Die Weiterentwicklung der Zuchtprogramme bei Erweiterung der Handlungsspielräume der Züchter und gleichzeitiger Erhöhung der Datensicherheit.
  • Methodische Weiterentwicklung der routinemäßigen Abstammungsprüfung in der Schafzucht.
  • Verbesserung der Zuchtwertschätzung innerhalb der bestehenden organisatorischen Strukturen
  • Sowie die Forschung an mehreren väterlichen Halbgeschwistergruppen unter gleichen Umweltbedingungen

Konkrete Fragestellungen im Hinblick auf die weibliche Fruchtbarkeit:

  • Können analog zur Schweineproduktion, bei der die Fruchtbarkeit durch die Nutzung von Mischsperma gesteigert wurde, Verbesserungen durch multiplen Natursprung auch beim Schaf realisiert werden?
  • Welchen Einfluss hat der gleichzeitige Einsatz von Zuchtböcken insbesondere im Hinblick auf?
    • die Befruchtungsrate und die Mehrlingshäufigkeiten?
    • die Anzahl der Mehrlinge, die von verschiedenen Vätern stammen
    • die Parameter des Tierwohls (Fitness der Lämmer, Nutzungsdauer der Mutterschafe)?
    • die Auswahl der Vatertiere bei der Paarung?
    • die Einsatzfähigkeit der Böcke (Konkurrenzkämpfe)?

Konkrete Fragestellungen im Hinblick auf die Zuchtwertschätzung:

  • In welchem Ausmaß wird durch den Einsatz mehrerer Böcke die effektive Nachkommenzahl in der Zuchtwertschätzung verbessert?
  • In welchem Ausmaß wird durch den Einsatz mehrerer Böcke die genetische Verknüpfung zwischen Herden verbessert?
  • In welchem Ausmaß wird durch die Sicherstellung der väterlichen Abstammung die Qualität der Zuchtwertschätzung verbessert?

Ergebnisse

Das Herdbuchprogramm serv.it OVICAP, das im Auftrag der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL) für die Zuchtverbände und Züchter*innen von vit bereitgestellt wird, wurde für die Informationsverarbeitung im Projekt angepasst und erweitert:
  • Deckregister: es werden die Muttertiere, die Deckböcke und die Deckperiode eingetragen.
  • Ablammerfassung: aufgrund der Trächtigkeitsdauer wird die Zuordnung zum Deckregister geprüft. Die individuelle, eindeutige Kennung aller im Rahmen des Projektes aufgezogener Lämmer (Ohrmarke mit Viehverkehrsnummer) wird erfasst. Für die Lämmer wird dann ein Untersuchungsantrag erstellt.
  • Lieferung der Typisierungsergebnisse (Abstammungsmarker) der Lämmer: Die Typisierungsergebnisse der Lämmer werden vom Labor dem Herdbuchsystem automatisiert (Webservice) zur Verfügung gestellt.
  • Ermittlung des Vaters: über einen Abgleich der Lammtypisierungen mit den Typisierungen der Böcke wird der Vater des Lamms ermittelt. Zweifelsfälle werden gekennzeichnet und eine weitere Untersuchung kann beauftragt werden. Der identifizierte Vater wird in das Pedigree des Lamms eingetragen.
  • Kontrollfunktionen werden den Züchtern und den Zuchtverbänden zur Verfügung gestellt (Selektion von Listen mit Zweifelsfällen, Art der Zuordnung von Vätern).
Verfahren zur praktischen Züchtung sind wichtige Bestandteile moderner Zuchtprogramme. Ziel des Projektvorhabens war die Entwicklung und Routineimplementierung eines Verfahrens zur Abstammungskontrolle und Zuchtwertschätzung für große Schafzuchtbetriebe mit überwiegend Hütehaltung.
Im Vordergrund stand dabei aufgrund der wirtschaftlichen Situation der deutschen Schafzucht für den Tierzuchtforschung e.V. die Etablierung einer kostengünstigen Abstammungskontrolle für die Zuordnung der Väter selektierter Lämmer aus Bockgruppen. Mit dem Verfahren wird die allgemeine Fruchtbarkeit innerhalb Herden gesteigert und die Genauigkeit der Zuchtwertschätzung verbessert. Die entwickelten Methoden und Strukturen, wie automatisierte papierlose Verfahren und Schnittstellen, die die Abstammungsüberprüfung wie auch die Datenverarbeitung im Ovicap vereinfachen, können seit Abschluss des Projekts von allen Schafzuchtbetrieben in Deutschland genutzt werden. Die notwendigen Untersuchungsverfahren sind standardisiert und bezahlbar. Somit konnte ein innovatives Zuchtprogramm in Deutschland etabliert werden.
Die Anwendung des Multi-Natursprungs ist auf Zuchtverbandsebene in den Regelbetrieb übergegangen. Die beteiligten Schafzüchter werden zum überwiegenden Teil den Multi-Natursprung weiterführen. Einzelne Fragen und auftretende Probleme können von den Zuchtverbänden schnell gelöst werden.
Das Projekt konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Erfreulich ist, dass einige Zuchtbetriebe neu in den Multi-Natursprung eingestiegen sind. Auch kleinere Zuchtbetriebe zeigen Interesse an dem Verfahren.
  • Die gute Vergleichbarkeit der Nachzucht von gleichzeitig eingesetzten Deckböcken und die Verbesserung der Zuchtwertschätzung auch durch den hohen Anteil von Wurfgeschwistern, die von unterschiedlichen Vätern abstammen
  • Die verbesserte Fitness der Lämmer, da Böcke mit weniger lebensfähigen Lämmern nicht mehr eingesetzt werden. Indirekt wird die Fitness auch durch die Dominanz der aktiven und fitten Böcke gefördert.
  • Eine verbesserte Fruchtbarkeit der Mutterschafe
  • Geringere Lämmerverluste durch eine verkürzte Lammzeit
  • Eine insgesamt geringere Arbeitsbelastung für den Schafzuchtbetrieb
  • Ein ideales Verfahren für verschiedenste züchterische Fragestellungen.

Projektinformation
Projektleitung: Dr. Christian Mendel (LfL, ITZ Arbeitsgruppe Schaf und Ziege)
Projektbeteiligte:
Dr. Christian Mendel (LfL),
Arno Rudolph (Landesverband Thüringer Schafzüchter e.V.),
Dr. Johann-Georg Wenzler (Landesschafzuchtverband Baden-Württemberg e.V.)
Projektpartner:
Christian-Albrechts Universität Kiel, Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände e.V.;
Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V.,
Tierzuchtforschung e.V. München,
Bayerische Herdbuch-Gesellschaft für Schafzucht e.V.
Projektlaufzeit: 25.04.2017 bis 30.04.2021
Finanzierung: Landwirtschaftliche Rentenbank
Fördernummer: 799498