LfL-Standpunkt
A2-Milch: A2 or not A2?
Kuhmilch enthält natürlicherweise mehrere verschiedene Varianten des Beta-Kaseins. Zwei australische Forscher haben in den neunziger Jahren einen Gentest für die Beta-Kaseinvariante A2 entwickelt und in der Folge ein Unternehmen zur Vermarktung von A2-Milch aufgebaut. Das Unternehmen postuliert eine bessere Verträglichkeit von A2-Milch für Personen, die sonst keine Milch vertragen und finanzierte zahlreiche Studien. In der Werbung wird A2 als die "ursprüngliche" Variante dargestellt, die Alternativvariante A1 dagegen als "von der Züchtung gemacht".
Lage
A2-Milch konnte in mehreren westlichen Ländern einen erkennbaren Marktanteil erobern. In Deutschland gibt es bisher nur vereinzelte Erzeuger, die A2-Milch ab Hof vermarkten. Wir müssen aber auch in Deutschland damit rechnen, dass Molkereien das Thema konkret aufgreifen. Der A2-Genotyp von Besamungsbullen ist flächendeckend verfügbar und es gibt zahlreiche reinerbige Bullen im Angebot. Betriebe fragen sich daher, ob sie jetzt züchterisch in Richtung A2 umsteuern sollten.
Gesundheitliche Wirkungen
In einer Übersichtsstudie hat KErn, zusammen mit dem Cochrane-Institut Deutschland, die verfügbaren Studien ausgewertet. Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise für eine negative Wirkung von A1-Milch auf Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurologische Störungen. Die wissenschaftlichen Beweise für eine positive Wirkung von A2-Milch auf das Magen-Darm-Wohlbefinden von empfindlichen Personen sind schwach belegt. Nur wenige Studien befassen sich mit Mitteleuropäern, der Schwerpunkt lag auf Probanden aus dem asiatischen Raum, die sich oft selbst als laktoseintolerant (Biologisch gibt es keinen naheliegenden Zusammenhang zwischen Laktoseintoleranz und A1-Kasein. Die Auswahl der Studienteilnehmer dürfte auch durch die ins Auge gefassten Zielmärkte in Asien mitbestimmt worden sein.) bezeichneten.
Züchterische Möglichkeiten
Eine Auswertung der Genotypisierungsergebnisse in Bayern ergab, dass 38 % der Fleckviehkühe, 73 % der Braunviehkühe und 42 % der Holsteinkühe den erwünschten Genotyp A2A2 aufweisen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den verfügbaren Besamungsbullen. Qualitativ unterscheiden sich diese nicht vom übrigen Bullenangebot. Eine langsame Umzüchtung wäre daher kein Problem, bei Fleckvieh und Holstein könnte dies in einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren geschehen, bei Braunvieh in 8 bis 10 Jahren. Es muss aber befürchtet werden, dass bei einem "A2-Hype" nur noch A2A2-Bullen nachgefragt werden. Das würde bedeuten, dass 62 % (Fleckvieh) bzw. 27 % (Braunvieh) der jährlich neu erzeugten Zuchtbullen nur wegen des Selektionskriteriums A2 gemerzt würden, was im Hinblick auf die biologische Vielfalt für Fleckvieh, aber auch für Braunvieh eine Katastrophe wäre.
Markt
Trotz vieler Veröffentlichungen von der bzw. über die "a2 Milk Company" gibt es keine Zahlen zum Absatz von A2-Milch respektive zum eingesetzten Rohstoffvolumen. Aussagen werden lediglich zu den Märkten getroffen, auf denen die Firma vertreten ist sowie zum Umsatz der Firma. Von den 1,3 Mrd. NZ-Dollar (NZD, 1 NZ-Dollar = 0,59 Euro) entfallen ca. 175 Mio NZD auf Trinkmilch, ca. 1 Mrd. NZD auf Babynahrung und 66 Mio NZD auf Ingredients (separat vermarktete Milchinhaltsstoffe). Diese Umsätze werden in Neuseeland, Australien, China und den USA erwirtschaftet. Die Herstellung erfolgt durch Lizenznehmer. Laut Angaben der a2 Milk Company auf deren Internetseiten (Abfrage 6.12.2019) wird bislang auf 30 Farmen in Australien und Neuseeland A2-Milch erzeugt. Angaben zu China und den USA gibt es nicht. Im Oktober 2019 teilte die Firma mit, dass sie sich im November 2019 komplett aus dem britischen Markt zurückzieht.
Zu Absatz und Umsatz liegen auch für Deutschland keine Zahlen vor. Vereinzelt werden Milchautomaten mit A2-Milch betrieben und regional begrenzt nehmen Lebensmittelmärkte A2-Milchprodukte ins Regal. Im Gesamtmarkt konkurrieren die Produkte im Premiumpreisniveau mit laktosefreier Milch, Weidemilch, regionaler Milch, Bio-Milch, Tierwohl-Milch etc. und allen möglichen Kombinationen daraus sowie pflanzlichen Ersatzprodukten. Da aktuell keine ernährungsphysiologischen Vorteile beworben werden dürfen, werden der Preis und die individuelle Qualitäts- und Genusswahrnehmung (Nutzen) des Verbrauchers über die langfristige Etablierung entscheiden.
Unter der bisher nicht nachgewiesenen Annahme, dass Personen, die laktoseintolerant sind (10-20 % der Bevölkerung Nordeuropas), aber dennoch gerne Kuhmilch trinken wollen und Personen, die nicht laktoseintolerant sind, aber Kuhmilch diffus "schlecht vertragen" die Käufer des Produktes sind, ist bei geeigneter Vermarktung ein Marktanteil von 10 % durchaus möglich.
Einzelbetriebliche Entscheidungen auf Erzeugerseite
Als wesentliche Entscheidungsgrundlage fehlt derzeit eine Angabe darüber, welchen Preisaufschlag der Lebensmitteleinzelhandel oder die A2-Milch-Erzeuger realisieren könnten. Die Umstellungskosten für einen Betrieb mit 100 Kühen liegen in der Größenordnung von 60.000 bis 80.000 €. Die Umstellungskosten hängen stark von der einzelbetrieblichen Situation (Rasse, Ausgangsgenetik, Bestandsergänzung) und der notwendigen Geschwindigkeit der Umstellung auf A2-Milch ab. Unter der Annahme einer weiten Verbreitung von A2 in den Milchkuhpopulationen dürfte sich ein Preisaufschlag nur vorübergehend realisieren lassen. Sobald mehrheitlich A2-Milch produziert wird, verschwindet der Verkaufsvorteil "einzigartig, selten = knapp", der einen höheren Verkaufspreis rechtfertigt wieder und A2 wird zur Standardmilch. Je stärker A2-Milch im Trend wird, desto mehr ist dann damit zu rechnen, dass Milch mit A1-Anteilen preislich abgestraft wird.
In der Regel wird der einzelne Betrieb daher nur umstellen, wenn er über eine günstige Ausgangssituation verfügt und ein potenter Abnehmer ihm einen (dauerhaften) Aufschlag von mindestens 5ct/kg bietet.
Bewertung
Da Wirkungen auf Gesundheit oder Wohlbefinden für Mitteleuropäer nicht nachgewiesen sind, muss A2-Milch als Lifestyle-Produkt angesehen werden, das nur einen begrenzten Markt finden wird. Eine züchterische Umstellung ganzer Populationen erscheint daher nicht angebracht, wenn auch möglich. Die Umstellung einzelner Betriebe kann wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn die genetische Ausgangslage günstig ist und ein zuverlässiger Abnehmer einen deutlichen Bonus zahlt. Aus Sicht der bayerischen Milcherzeuger macht eine Bestärkung des Trends "A2-Milch" nur dann Sinn, wenn damit neue Vermarktungs- und Wertschöpfungsmöglichkeiten geschaffen werden, die auch den regionalen Aspekt miteinbeziehen. Andernfalls sind Milchregionen mit größer strukturierten Betrieben (neue Bundesländer) und geringeren Umstellungskosten die eigentlichen Profiteure.
Stand: 30. Juni 2020