Länderübergreifende Ökorinderzucht
Durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Öko-Verbänden, Zuchtorganisationen und Öko-Forschung wird die Öko-Rinderzucht gestärkt.
Eine wirtschaftliche ökologische Milchviehhaltung erfordert eine lange Nutzungsdauer bei guter Grundfutterlebensleistung. Da sehr hohe Tagesleistungen unter Bio-Bedingungen nicht erfüttert werden können, ist die Bedeutung der Milchleistungsmerkmale geringer als in der konventionellen Milchviehhaltung. An die Stelle von Extremleistungen und Frühreife treten daher eine ausgewogene Körper- und Leistungsentwicklung, eine hohe Stoffwechselstabilität, gute Fruchtbarkeit und Persistenz sowie gesunde Euter und Fundamente.
Um diese Eigenschaften in der Milchviehherde zu etablieren und zu erhalten, braucht es eine gezielte Zucht. Dies gelingt mit dem Ökologischen Zuchtwert (ÖZW), in dem die bedeutenden Bio-Merkmale besonders hoch gewichtet werden. Um auch in Zukunft eine möglichst breite Basis von geeigneten Zuchtbullen zu gewährleisten, wird die länderübergreifende Öko-Rinderzucht intensiviert und ausgeweitet.
Intensive Zusammenarbeit der Ökoverbände mit den Zuchtorganisationen
Die Ökoverbände in Süddeutschland und Österreich unterstützen dabei das Konzept ÖZW und dessen Weiterentwicklung ausdrücklich. In einem gemeinsamen Positionspapier von Bio Austria, der Landesvereinigung für den Ökologischen Landbau in Bayern e.V (LVÖ) und der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau Baden-Württemberg e.V. (AöL) empfehlen die Bioverbände ihren Mitgliedsbetrieben, bei der Bullenauswahl den ÖZW zu berücksichtigen. Um zu gewährleisten, dass ein ausreichendes Zuchtbullenangebot für ökologische Milchviehbetriebe vorhanden ist, wird außerdem an die Besamungsstationen appelliert, den ÖZW beim Bullenankauf zu berücksichtigen.
Um hierfür die Grundlagen zu schaffen, wurden die Anliegen der Bio-Rinderzucht intensiv mit den Zuchtorganisationen und den Besamungsstationen diskutiert und eine gemeinsame Vorgehensweise abgestimmt. Im "Beratenden Ausschuss Zuchtwertschätzung beim Rind", einem internationalen Entscheidungsgremium der Rinderzucht, wurde jetzt einstimmig beschlossen, dass der ÖZW für alle Bullen innerhalb der gemeinsamen deutsch-österreichisch-tschechischen Zuchtwertschätzung gerechnet und als Zuchtwert-Information veröffentlicht wird. Hierdurch wird gewährleistet, dass der ÖZW länderübergreifend in den Zuchtwert-Datenbanken erscheint, ein ÖZW für Kühe auf Öko-Betrieben gerechnet wird und die Information auch den Besamungsstationen beim Bullenankauf zur Verfügung steht.
ÖZW auch für Kandidaten
Um mittelfristig ein ausreichendes Angebot an geeigneten Zuchtbullen für Biobetriebe zu gewährleisten, ist es auch notwendig, dass die Besamungsstationen den ÖZW beim Bullenankauf berücksichtigen können. Neu ist deshalb, dass der ÖZW auf den Kandidatenlisten, das heißt auf den Zuchtwertinformationen für die typisierten, männlichen Kälber angedruckt wird. Aus der Gruppe dieser Kälber erfolgt die Auswahl und der Ankauf der Besamungsbullen durch die Stationen. Der Rang nach ÖZW in der entsprechenden Halbgeschwister-Gruppe gibt einen wichtigen Hinweis auf die Eignung für Biobetriebe.
ÖZW-Logo für besonders geeignete Bullen
Schon jetzt werden für ökologische Betriebe besonders geeignete Bullen in speziellen Empfehlungslisten gesondert veröffentlicht. Diese Bullen können jetzt mit dem "ÖZW-Logo" beworben werden.
Grundsätzlich zeigt ein hoher ÖZW eine besondere Eignung des entsprechenden Bullen für ökologische Milchviehbetriebe an. Dennoch können auch bei diesen Bullen gravierende Schwächen in Einzelzuchtwerten zu Problemen führen. Aus diesem Grund erhalten nur Zuchtbullen das ÖZW-Logo, die neben einem sehr guten ÖZW ein insgesamt ausgeglichenes Vererbungsbild zeigen. Bullen mit deutlichen Schwächen in den Zuchtwerten, die insbesondere im ökologischen Bereich sehr wichtig sind (unter anderem Persistenz und Leistungssteigerung, Eutergesundheit und Fruchtbarkeit, Fundament und Euter), werden nicht gesondert empfohlen.
Die Verwendung von Mindestkriterien löst natürlich immer wieder Diskussionen aus. So wird kritisiert, dass Bullen mit sehr guten Fitnesseigenschaften nur aufgrund von Schwächen in einem Einzelmerkmal nicht in den Empfehlungslisten zu finden sind. Mit den Empfehlungslisten und dem neuen ÖZW-Logo sollen aber besonders Betriebe unterstützt werden, die sich wenig mit Zucht beschäftigen. Züchterisch unerfahrene Betriebe können auf Bullen aus dieser Liste zurückgreifen, ohne dass sie Probleme in der Nachzucht, aufgrund von bereits bekannten Schwächen in einzelnen Merkmalen, befürchten müssen.
Auch soll durch das ÖZW-Logo verdeutlicht werden, dass in der ökologischen Milchviehhaltung darauf geachtet wird, schon bei der Anpaarung mögliche negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit und das Tierwohl zu minimieren.
Erfahrene Züchter werden sicherlich auch Bullen mit hohem ÖZW, die nicht in den Empfehlungslisten sind, gezielt einsetzen. Eine solche Anpaarung setzt aber die Kenntnis der Einzelzuchtwerte voraus, und Anpaarungen müssen mit viel Bedacht durchgeführt werden.
Mit dem neuen ÖZW-Logo (mit und ohne Schriftzug) können besonders geeignete Zuchtbullen beworben werden.
Die Zusammenarbeit der deutschen und österreichischen Bioverbände mit den Zuchtorganisationen und Besamungsstationen sowie den Forschungsstellen in Bayern (LfL-Bayern), Baden Württemberg (Team Zuchtwertschätzung am LGL in Kornwestheim) und Österreich (Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein) ist ein weiterer wichtiger Schritt, ökologische Milchviehhalter bei ihrer züchterischen Arbeit zu unterstützen. Um dies weiterhin zu gewährleisten, müssen natürlich auch in den nächsten Jahren Weiterentwicklungen stattfinden. Das Konzept ÖZW wird deshalb auch in Zukunft neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden.
Nachfrage bestimmt zukünftiges Angebot
Für den Biobetrieb gilt es natürlich nach wie vor, den ÖZW auch entsprechend zu nutzen und die geeigneten Bullen nachzufragen.
Die ÖZW-Zuchtwerte für die Rassen Braunvieh, Gelbvieh und Fleckvieh können über folgende Internetadressen abgerufen werden:
Autoren:
Dr. Dieter Krogmeier, LfL, Institut für Tierzucht,
Priv.-Dozent Dr. Andreas Steinwidder, Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein