Praxisinformationen
Zuchtwertschätzung Gesundheitsmerkmale

Seit April 2009 wurden von DI Astrid Köck (BOKU) Zuchtwerte für Gesundheitsmerkmale für Fleckvieh-Stiere geschätzt und von der ZuchtData den österreichischen Zuchtorganisationen und Züchtern zur Verfügung gestellt.

Diese Zuchtwerte waren aber bisher nur als interne Ergebnisse anzusehen und damit inoffiziell. Der Beratende Ausschuss Zuchtwertschätzung hat am 15.06.2010 beschlossen, dass ab Dezember 2010 die Gesundheitszuchtwerte offizielle Zuchtwerte in der gemeinsamen ZWS Österreich/Deutschland sein werden.

Änderungen

Im Vergleich zu den Zuchtwerten, die bis zum August zur Verfügung gestellt wurden, gibt es sehr große Veränderungen im gesamten ZWS-Ablauf, die naturgemäß deutliche Änderungen in den geschätzten Zuchtwerten bewirken.

  • neue Definition der Merkmale:
    Beim Merkmal Mastitis wurde der Beobachtungszeitraum von -10 bis 50 Tage nach der Abkalbung auf 150 Tage nach der Abkalbung ausgeweitet. Die Fruchtbarkeitsstörungen wurden bisher als ein Merkmal aufgefasst, aktuell aber auf frühe Störungen und Zysten aufgeteilt, wodurch die Metritis zum Teil wegfällt und die Abgänge wegen Unfruchtbarkeit großteils nicht zum Tragen kommen. Beim Milchfieber wurden bisher die Abgänge wegen Stoffwechselerkrankungen nicht berücksichtigt.
  • neue Validierung der Daten:
    Die Datenvalidierung war bisher strenger, sodass sich aktuell die Datenmenge sehr stark vergrößert hat (Mastitis +30%, Fruchtbarkeit +65%, Milchfieber +40%). Der weniger strengen Validierung wird durch ein entsprechend angepasstes Modell Rechnung getragen.
  • neues ZWS-Verfahren und Modell:
    Bisher wurde ein Schwellenwert(Threshold)-Vatermodell für die ZWS verwendet. Durch die deutlich geänderte Datenvalidierung musste das Modell um die Erfassungsart ergänzt werden. Dadurch ist es mit einem Schwellenwertmodell zu Konvergenzproblemen gekommen, sodass (wie auch in Skandinavien angewendet) auf ein lineares Modell umgestellt wurde.
  • neue genetische Parameter:
    Durch das neue Modell und die neue Datenvalidierung mussten die Heritabilitäten neu geschätzt werden. Die bisherigen Erblichkeitswerte mit einem Schwellenwert-Vatermodell liegen deutlich höher (Koeck et al. 2010). Diese sind allerdings nicht direkt vergleichbar, weil sie auf einer anderen Skala ausgedrückt werden. Die auch von Koeck et al. 2010 geschätzten Erblichkeiten mit dem linearen Tiermodell wurden bestätigt bzw. liegen aktuell etwas höher.
  • neue Mindestsicherheit:
    Die Sicherheitsberechnung erfolgt jetzt passend zum verwendeten ZWS-Modell und fällt dadurch allerdings im Schnitt niedriger aus als bisher. Bisher wurden die ZWe mit mind. 60% Sicherheit (bei Milchfieber mind. 100 Töchter) veröffentlicht, jetzt ab 30% ähnlich der Regelung bei den anderen Merkmalen.
Aufgrund der genannten zahlreichen Umstellungen und Verbesserungen fallen die ZW-Korrelationen zwischen aktuellem Testlauf und den Zuchtwerten vom August entsprechend niedrig aber nachvollziehbar aus (Tabelle 4).
Tabelle 4: ZW-Korrelationen zwischen den Zuchtwerten vom August und dem Testlauf
 MasfFruZystMifi
Mastitis-alt0,76   
Fruchtbarkeitsstörung-alt 0,650,68 
Milchfieber-alt   0,85
Datengrundlage für die ZWS sind tierärztliche Diagnosen von den Arzneimittelabgabe- und Anwendungsbelegen, die im Rahmen des Gesundheitsmonitorings seit 2006 vorerst nur in Österreich erhoben werden. Diese Daten werden entweder elektronisch direkt vom Tierarzt übermittelt oder im Rahmen der Leistungskontrolle von den Kontrollorganen erfasst. Für die ZWS wird überprüft, ob die Kuh im jeweiligen Zeitraum gesund war oder vom Tierarzt behandelt wurde. Wiederholte tierärztliche Behandlungen werden nicht berücksichtigt.
Mit der Datenvalidierung wird gewährleistet, dass nur Daten von Betrieben in die ZWS eingehen, die aktiv am Gesundheitsmonitoring teilnehmen und die Diagnosen weitgehend vollständig vorliegen. Bevor die Diagnosedaten in der Datenbank (Rinderdatenverbund) gespeichert werden, wird eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt. Weiters werden verschiedene Datenüberprüfungen durchgeführt, um Betriebe mit unvollständiger Erfassung von Betrieben mit niedriger Frequenz zu unterscheiden. Diese Betriebe werden weitgehend ausgeschlossen bzw. nur der Zeitraum einer validen Datenerfassung für die ZWS berücksichtigt. Es liegt in der Verantwortung des Landwirts, dass die Daten zuverlässig und vollständig sind.

Folgende Merkmale gehen in die Zuchtwertschätzung ein:

  • Mastitis: akute und chronische Mastitis
    -10 bis 150 Tage nach der Abkalbung plus Abgänge wegen Eutererkrankungen im gleichen Zeitraum
  • frühe Fruchtbarkeitsstörungen: Gebärmutterentzündung, Nachgeburtsverhaltung, puerperale Erkrankungen
    bis 30 Tage nach der Abkalbung plus Abgänge wegen Unfruchtbarkeit im gleichen Zeitraum
  • Zysten:
    30 bis 150 Tage nach der Abkalbung
  • Milchfieber (Gebärparese):
    -10 bis 10 Tage nach der Abkalbung plus Abgänge wegen Stoffwechselerkrankungen im gleichen Zeitraum
Es gehen nur Daten von Kühen in die ZWS ein, die während des Beobachtungszeitraums auf einem validierten Betrieb gestanden sind. Bei den abgegangenen Tieren werden nur Kühe berücksichtigt, die zumindest die Möglichkeit hatten bei Mastitis und Zysten bis zum 100. Tag und bei den frühen Fruchtbarkeitsstörungen bis zum 20. Tag unter Beobachtung zu sein. D.h. Kühe, die aufgrund anderer Ursachen abgehen (Leistung, Verkauf zur Zucht, usw.), werden nur dann als gesund berücksichtigt, wenn sie nach dem 100. bzw. 20. Laktationstag abgegangen sind.
In die aktuelle ZWS gingen 5.350 validierte Betriebe mit 143.954 Fleckviehkühen ein. In Tabelle 1 ist ein Überblick über die Anzahl an Datensätzen (Laktationen), die in die Testlauf-ZWS eingegangen sind. Die höchste Frequenz ist mit 9,8% bei der Mastitis festzustellen, wovon die Abgänge wegen Eutererkrankungen ca. 1,5% ausmachen.
Tabelle 1: Anzahlen und Frequenzen im ZWS-Datensatz
 NFrequenz (%)davon Abgang (%)
Mastitis223.3509,81,47
Frühe Fruchtbarkeitsstörungen252.5405,00,04
Zysten219.2255,4 
Milchfieber258.2882,40,22
Die Zuchtwertschätzung wird mit einem univariaten BLUP-Tiermodell mit dem Programmpaket MiX99 (Lidauer et al., 2008) durchgeführt. Die Sicherheitsberechnung erfolgt mit dem Programm ApaX (Stranden et al., 2001) nach dem Ansatz von Tier und Meyer (2004).

Folgende Einflussfaktoren werden in der ZWS berücksichtigt:

  • Laktation(1-5+)*Kalbealter(6 Klassen in 1. und 2. Laktation)
  • Kalbejahr*Kalbemonat
  • Erfassungsart*Kalbejahr
  • Betrieb*Kalbejahr (zufällig)
  • permanente Umwelt Tier (zufällig)
  • genetischer Effekt Tier
Mit dem Effekt Erfassungsart wird die Art der überwiegenden Erhebungsmethode am Betrieb (elektronisch oder vom Kontrollorgan) berücksichtigt. Werden mehr als die Hälfte der Diagnosen auf einem Betrieb pro Jahr vom Kontrollorgan erfasst, geht das Kontrollorgan direkt in die ZWS ein. Kontrollorgane mit weniger als 5 Betrieben werden in einer Klasse zusammengefasst. Kommt der überwiegende Teil der Diagnosen elektronisch vom Tierarzt, so werden diese in eine Klasse zusammengefasst, nur bei Betrieben über 20 Kühen wird noch zwischen 50-75% und über 75% elektronisch unterschieden.

Genetische Parameter und Veröffentlichung

Die Heritabilitäten wurden anhand eines Subdatensatzes (ca. 45.000 Laktationen) mit dem Programm VCE (Groeneveld et al., 2008) auf Basis eines BLUP-Tiermodells für die ZWS neu geschätzt (Tabelle 2).
Tabelle 2: Heritabilitäten
 AnzahlHeritabilitätStandardfehler
Mastitis41.1492,00,36
Frühe Fruchtbarkeitsstörungen45.8692,30,33
Zysten40.4684,60,32
Miclhfieber46.8243,60,29

Veröffentlichung

Die Zuchtwerte werden wie gewohnt auf einen Mittelwert von 100 und eine Streuung von 12 Punkten aufgrund der wahren genetischen Standardabweichung eingestellt. Die Basis stellen ebenfalls die 8 bis 10 Jahre alten Stiere dar. Zu beachten ist, dass die Skala gedreht wurde, damit höhere Werte züchterisch wünschenswert sind.
Die Zuchtwerte werden ab einer Sicherheit von 30% ausschließlich für Stiere veröffentlicht. Derzeit gehen die Gesundheits-Zuchtwerte weder in den Fitnesswert noch in den Gesamtzuchtwert ein. Diesbezüglich sind noch weitere Arbeiten geplant (z.B. Eutergesundheitsindex, Fruchtbarkeitsindex).
In Tabelle 3 sind einige Statistiken zu den geschätzten Zuchtwerten hinsichtlich Mittelwerten und Streuungen auch im Vergleich zur bisherigen ZWS dargestellt.

Tabelle 3: Statistiken zu den geschätzten Zuchtwerten pdf 13 KB

SäulendiagrammeZoombild vorhanden

Abb. 1: Durchschnittliche Krankheitsfrequenzen

Die Bandbreite der den Zuchtwerten zugrunde liegenden Krankheitsdaten ist in Abbildung 1 zu sehen. Daraus ist ersichtlich, dass große genetische Unterschiede zwischen den besten und schlechtesten Stieren bestehen. Die Differenzen liegen je nach Merkmal zwischen ca. 6 und 10% Krankheitsfällen zwischen den besten und schlechtesten 20 Stieren nach geschätztem Zuchtwert.
Der genetische Trend (Abbildung 2) kann für alle Merkmale als weitgehend stabil angesehen werden, wenngleich das aufgrund der sehr kurzen Zeitspanne an vorliegenden Diagnosedaten nur wenig aussagekräftig ist.
Aufgrund der relativ geringen Anzahl an Töchtern im Gesundheitsmonitoring aus dem Testeinsatz pro Stier bekommen nur sehr wenige junge Stiere offizielle Zuchtwerte (Abbildung 3). Bei einer Sicherheitsgrenze von 50% (Abbildung 4) reduziert sich diese Anzahl noch einmal deutlich.
Liniendiagramm

Abbildung 2: Genetischer Trend der Fleckvieh-Stiere

Liniendiagramm

Abbildung 3: Entwicklung der Anzahl Stiere mit Sicherheit >30%

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Abbildung 4: Entwicklung der Anzahl Stiere mit Sicherheit >50%

Fazit

Die offizielle Veröffentlichung der Gesundheitszuchtwerte stellt einen weiteren Meilenstein in der ZWS und in der Zucht auf Fitness und Gesundheit dar. Die Daten wurden im Rahmen des Gesundheitsmonitorings Rind in Österreich in den letzten Jahren von der BOKU ausführlich wissenschaftlich analysiert und eine Gesundheits-ZWS entwickelt. Weitere notwendige Weiterentwicklungen betreffen vor allem die korrekte Einbeziehung in den Gesamtzuchtwert und die Entwicklung von Eutergesundheits- und Fruchtbarkeitsindices. Sobald Daten aus Deutschland vorliegen, wird auch eine Überprüfung der Modelle notwendig sein. Entscheidend für die längerfristige Qualität der Gesundheitszuchtwerte ist die möglichst flächendeckende, vollständige Erfassung der Diagnosen!

Dr. Christian Fürst
Dr. Christa Egger-Danner

ZuchtData-EDV-Dienstleistungen GmbH
Dresdner Straße 89/19
A-1200 Wien
E-Mail: fuerst@zuchtdata.at
Internet: www.zuchtdata.at Externer Link

DI Astrid Köck
PD Dr. Birgit Fürst-Waltl

Universität für Bodenkultur Wien
Gregor Mendel Straße 33
A-1180 Wien
Internet: www.boku.ac.at Externer Link