LfL-Standpunkt
Leistung von Nutztieren

Hohe Leistungen von Nutztieren werden nicht immer von allen Seiten positiv bewertet. Leistungen von Tieren sind aber nicht vergleichbar mit Leistungen von Arbeitnehmern oder von Sportlern. Während man Menschen Leistungen abverlangen kann, gibt ein Nutztier Leistungen her, wenn man ihm möglichst ideale Bedingungen verschafft. Dieser "Standpunkt" beleuchtet die verschiedenen Facetten des Themas.

Hintergrund

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wurden hohe Leistungen von Nutztieren angestrebt und honoriert. Zu Beginn des Jahrhunderts waren tierische Produkte knapp, später ermöglichten steigende Leistungen den Betrieben steigende Einkommen. Seit den neunziger Jahren wurden zunehmend Studien veröffentlicht, die einen negativen Zusammenhang zwischen Leistung und Gesundheit bzw. Nutzungsdauer von Tieren berichteten. Ebenso gab es aber auch Studien, die keine negativen Zusammenhänge beobachteten. Einige extreme Fälle von hohen Leistungen, z.B. in der Putenzucht, wurden zum Katalysator einer generellen Leistungskritik.

Lage

Bei fast allen Nutztierarten und -rassen ist die Produktivität auf Grund der Erfolge der Agrarforschung gestiegen. Je nach ökonomischer Relevanz und biologischen Voraussetzungen kann dieser Anstieg jedoch ganz unterschiedlich ausfallen. Beispielsweise ist die Milchleistung beim Fleckvieh seit 1970 von 4.200 kg auf 8.000 kg gestiegen, während die tägliche Zunahme in der Rindermast im gleichen Zeitraum nur von 1.000 g/d auf 1.322 g/d anstieg. In der Schweinemast stieg die tägliche Zunahme von 600 g/d auf 809 g/d und die Ferkelzahl der Sauen hat sich von 18,5 auf 24,6 aufgezogene Ferkel pro Sau und Jahr erhöht. Extreme Leistungssteigerungen gab es beim Mastgeflügel. Ein Broiler von 1957 benötigte noch 100 Tage bis zum Erreichen eines Lebendgewichts von 1,8 kg. Im Jahr 2000 waren es nur noch 32 Tage.

Ursachen für Leistungssteigerungen

Die Ursachen für Leistungssteigerungen sind vielfältig und großenteils wurden diese durch Verbesserungen erzielt, die auch dem Tierwohl zugutekommen. Solche Verbesserungen sind z.B.
  • die drastische Reduktion von seuchenhaften Infektionskrankheiten wie Brucellose, Tuberkulose beim Rind oder Rhinitis beim Schwein,
  • verbesserte Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten wie Mastitis, Wurmbefall oder Durchfall,
  • erhebliche Verbesserung der hygienischen Qualität, des Futterwerts und der Schmackhaftigkeit der (Grob-)Futtermittel,
  • Übergang von der restriktiven Fütterung zur Sattfütterung (ad lib-Fütterung),
  • Optimierung der Futterrationen und gezieltes Controlling aller Fütterungsparameter.
Darüber hinaus gab es Managementmaßnahmen, wie z.B. die Verringerung des Erstkalbealters, die Verkürzung der Säugezeit beim Schwein, bessere Melktechnik, automatische Melksysteme und organisatorische Verbesserungen wie Deckzentren, optimierte Fressplätze etc.. Weitere Elemente sind Verbesserungen bei Licht, Luft und Hygiene in den Ställen und eine bessere Ausbildung der Tierhalter.
Weitgehend unklar ist, wie stark der Einfluss der Zucht auf die Leistungssteigerung war. Zwar gibt es beeindruckende Beispiele wie die Arbeit von Havenstein et al. (2003) beim Geflügel, die der Zucht einen sehr hohen Beitrag bescheinigen, aber in der Praxis findet genetischer Fortschritt und Managementfortschritt gleichzeitig statt und ist bei den Leistungsmerkmalen nicht immer sauber zu trennen. Bei Überlegungen zur Leistungshöhe ist auch immer zu beachten, dass die Tiere selbst durch die Zucht verändert wurden. Kühe sind heute 12 cm größer als 1980 und Schweine werden auf 20 kg höhere Endgewichte gemästet, was die Höhe vieler Leistungsparameter indirekt beeinflusst.

Sind hohe Leistungen schlecht?

Die Beurteilung der Leistungshöhe fällt dem Laien schwer. Wir kennen aus dem Sport Beispiele, wo Leistungen scheinbar nur noch durch unsaubere Trainingsmethoden gesteigert werden können und die Fortschritte dennoch gering sind, z. B. beim 100m-Lauf. Im Humanbereich kennt man auch Beispiele, wo Arbeitgeber Leistungsdruck aufbauen und damit ihren Mitarbeitern gesundheitlich schaden.
Tierische Leistungen sind, mit Ausnahme des Reitsports, anders zu sehen. Die Leistung, die wir beobachten, ist das Ergebnis einer möglichst optimalen Gestaltung der Umwelt zur Entfaltung des (genetischen) Leistungsvermögens. Es ist dagegen bei Tieren nicht möglich, die Leistung durch psychischen oder physischen Druck zu steigern.
Da wir meistens Durchschnittsleistungen betrachten, kommt ein nicht unerheblicher Teil der Leistungssteigerung auch daher, dass Betriebe mit schlechtem Management, ungünstigen Standorten, schlechtem Gesundheitsstatus oder schlechter Fütterung bereits aus der Produktion ausgeschieden sind.
Es ist falsch, Leistungen anhand absoluter Zahlen zu beurteilen, weil Menschen diese gerne zum eigenen Erfahrungshorizont in Beziehung setzen. So kommt Normalbürgern eine Milchleistung von 10.000 kg/Jahr bei einer Kuh viel vor, eine Leistung von 800 kg/Jahr bei einer Milchziege aber nicht. Ebenso wird einem Normalbürger der Fleischanteil eines Mastschweins von 60 % sehr hoch vorkommen. Diese Zahl bezieht sich aber auf den „leeren“ Schlachtkörper, der nur 80% des Lebendgewichts ausmacht. Umgerechnet ergeben sich 48% Magerfleisch im lebenden Tier, was verglichen mit 44% Muskelmasse bei jungen Männern nicht besonders eindrucksvoll ist.

Sind extrem hohe Leistungen schlecht?

Homogenität der Leistungen ist in keiner natürlichen Population gegeben und sie ist aus Sicht der Evolution (und der Tierzucht) auch gar nicht wünschenswert. Insofern gibt es in jeder Population, und sogar in jeder Herde, Tiere mit extrem hohen und extrem niedrigen Leistungen. Bereits im Jahr 1932 gab es z. B. in der Herde des Versuchsguts Grub eine Kuh, die eine Jahresleistung von 11.000 kg Milch erzielte, die durchschnittliche Milchkuh gab damals knapp über 2.000 kg. In jeder Population kommen auch sehr hohe Leistungen vor, das ist ein Ausdruck der biologischen Vielfalt. Gesunde Tiere mit hohen Leistungen aus der Produktion zu nehmen, führt nicht dazu, dass es zukünftig weniger Tiere mit hohen Leistungen gibt. Es wäre rechtlich auch kaum zu begründen.

Grenzen der Leistungssteigerung

In den meisten Populationen kann man davon ausgehen, dass eine jährliche Leistungssteigerung von 1 - 2% erreicht wird. Es gibt ein Langzeit-Selektionsexperiment bei Mais, das seit über 100 Generationen durchgeführt wird und immer noch keine Selektionsgrenze bei der auf steigende Leistung selektierten Linie erreicht hat. Umgerechnet auf Nutztiere bedeutet das, dass wir noch einige hundert Jahre Zuchtfortschritte erzielen können. Auch die Verbesserung des Managements und der Umwelt wird nicht stoppen. Insofern ist in absehbarer Zukunft nicht mit einem Ende der Leistungssteigerungen zu rechnen, die relative Bedeutung von Produktionsleistungen in den Zuchtzielen von Rindern und Schweinen nimmt aber seit 25 Jahren zu Gunsten von Fitnessmerkmalen kontinuierlich ab.

Negative Folgen von Leistungssteigerungen?

Bei einer konsequenten Selektion auf ein einzelnes Merkmal entwickeln sich im Lauf der Zeit sog. genetische Antagonismen, d.h. es kommt zu unerwünschten Effekten auf andere Merkmale. Wenn es sich dabei um unerwünschte Effekte auf Gesundheit und Fitness handelt, ist dies tierwohlrelevant und sollte deshalb vermieden werden. Bei allen Merkmalen, die regelmäßig gemessen werden, können wir die genetischen Beziehungen zwischen Merkmalen schätzen und daher potenziell unerwünschte Beziehungen beobachten und in der Selektion berücksichtigen. Beim Rind tun wir dies z. B. für Nutzungsdauer, Fruchtbarkeit, Eutergesundheit, Vitalität der Kälber, Geburtsverlauf und noch einige Gesundheitsmerkmale, beim Schwein sind es Fruchtbarkeit und Nutzungsdauer. Durch die Berücksichtigung dieser Beziehungen in der Zuchtarbeit haben wir in den vergangenen 20 Jahren keine unerwünschten Entwicklungen mehr in diesen Merkmalen.

Unerwünschte Leistungssteigerungen

Leistungssteigerungen sind negativ zu bewerten, wenn sie Tiere in einen unphysiologischen Zustand bringen oder wenn sie auf Kosten gesellschaftlich unerwünschter Nebenwirkungen erzielt werden. Unphysiologische Zustände können beispielsweise durch sehr hohe Kraftfuttergaben an Wiederkäuer entstehen, gesellschaftlich unerwünschte Nebenwirkungen können z. B. notwendige Sojaimporte aus Südamerika sein, ein anderes Beispiel sind extreme hohe Fruchtbarkeiten beim Schwein. Würfe mit durchschnittlich 20 Ferkeln sind möglich, setzen aber voraus, dass grundsätzlich ein Teil der Ferkel mutterlos aufgezogen wird. Das hat negative Effekte auf die Gesundheit und das Tierwohl der Ferkel (Rzezniczek et al., 2015). Dafür ist kein gesellschaftlicher Konsens erkennbar.

Sollte man an Stelle von Leistungssteigerungen nicht lieber Kosten senken?

Aus ökonomischer Sicht führen Leistungssteigerungen in der Regel zu besseren wirtschaftli-chen Ergebnissen. Das liegt daran, dass bei hohen Leistungen die gleiche Produktionsmenge weniger Festkosten verursacht. Dabei liegt das Optimum meistens am oberen Ende des Leistungsspektrums. Steigende Leistungen führen folglich eher zu Einkommensverbesserungen als eine Produktionsausweitung bei konstantem Leistungsniveau. Auch im Hinblick auf die Umweltbilanz führen höhere Leistungen bei gleicher Produktionsmenge zu einem geringeren Ressourcenverbrauch und zu einer geringeren Umweltbelastung.

Bewertung

Steigende Leistungen sind weiterhin vertretbar, solange die Rahmenbedingungen, insbesondere beim Tierwohl eingehalten werden. Hierzu gehört insbesondere, dass sich mit dem Leistungsvermögen der Nutztiere auch das gesamte Management und die Qualität von Futter und Haltungsumwelt gleichgerichtet entwickeln. Um nachhaltig Nutztiere halten zu können, müssen wir alle relevanten Merkmale und Parameter kontinuierlich messen, dokumentieren und überwachen, um die Qualität der Nutztierhaltung belegen zu können und Fehlentwicklungen rechtzeitig entgegenzuwirken.
Literatur
Havenstein GB, Ferket PR, Qureshi MA (2003) Growth, livability, and feed conversion of 1957 versus 2001 broilers when fed representative 1957 and 2001 broiler diets. Poultry Science 82: 1500-1508
Moose SP, Dudley JW, Rocheford TR (2004) Maize selection passes the century mark: a unique resource for 21st century genomics. Trends in Plant Science 9: 358-364
Rzezniczek M, Gygax L, Wechsler B, Weber R (2015) Comparison of the behaviour of piglets raised in an artificial rearing system or reared by the sow. Applied Animal Behaviour Science 165: 57-65