Futteraufnahme bei der Milchkuh gezielt abschätzen (Teil 1)

Kühe am Fressgitter Grub

Eine möglichst genaue Schätzung der Futteraufnahme ist Voraussetzung für eine aussagefähige Rationsplanung. Um hier eine Verbesserung zu erzielen, wurden unter Federführung des DLG-Arbeitskreises Futter und Fütterung neue Gleichungen abgeleitet. Die Gleichungen basieren auf einer umfassenden Auswertung von Versuchsdaten von Kühen mit Einzeltierfütterung.

Im vorliegenden Beitrag von Dr. Hubert Spiekers von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Grub und Dr. Leonhard Gruber von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein werden die herausgearbeiteten Zusammenhänge dargestellt. In einem zweiten Beitrag wird die Anwendung der Gleichungen in der Rationsplanung erläutert.

Für die Auswertungen zur Futteraufnahme standen die Daten von zehn Versuchseinrichtungen zur Verfügung. Aus der Tabelle 1 sind die beteiligten Einrichtungen und die Ansprechpartner zu ersehen. Insgesamt kamen zirka 32.000 Datensätze von 2.264 Kühen zur Auswertung.
Es wurde darauf geachtet, dass sowohl bei den Tieren als auch in der Futterqualität und der Rationsgestaltung die gesamte Bandbreite der Praxis erfasst wurde.
Tab. 1: Datenbasis für die Auswertung zur Futteraufnahme
VersuchseinrichtungAnsprechpartnerRasse
BAL Gumpenstein (A)Dr. L. Gruber
T. Guggenberger
Holstein, Fleckvieh, Braunvieh
TUM WeihenstephanProf. Dr. F.J. SchwarzFleckvieh, Red Holstein
ETH Zürich (CH)Dr. D. ErdinHolstein, Fleckvieh
LVA IdenDr. B. Fischer
T. Engelhard
Holstein
LWZ Haus Riswick, KleveM. Berntsen
Dr. H. Spiekers
Holstein
Universität HohenheimDr. H. SteingaßHolstein
FAL BraunschweigDr. U. Meyer
Prof. G. Flachowsky
Holstein
ALP Liebefeld-Posieux (CH)A. ChassotHolstein, Braunvieh
LVVG AulendorfDr. T. JilgFleckvieh
BLT/LfL GrubA. Obermaier
Dr. R. Maierhofer
Fleckvieh
Grafik: Verteilung der gemessenen täglichen Futteraufnahmen (n= 31.865)Zoombild vorhanden

Abb. 1: Verteilung der gemessenen täglichen Futteraufnahmen (n= 31.865)

Die Futteraufnahmen schwankten in einem weiten Bereich (s. Abb. 1), so dass eine gute und aussagefähige Beschreibung der Einflussgrößen möglich ist. Für die Höhe der Futteraufnahme sind das Tier, die Rationsgestaltung und das Management im Betrieb maßgebend. Im Weiteren werden die wesentlichen Einflussgrößen, wie sie sich in den abgeleiteten Gleichungen zeigen, dargestellt. Die Größen lassen wichtige Schlussfolgerungen für die praktische Rationsgestaltung zu. Generell ist zu beachten, dass die Futteraufnahme der Tiere physikalischen, chemischen und hormonellen Steuerungsmechanismen unterliegt. Mit den vorliegenden Gleichungen sollen diese möglichst gut gefasst werden.

Laktationsstadium beachten

Grafik: Fixe Effekte des Laktationsmonats auf die Höhe der Futteraufnahme (kg TM je Tier und Tag)Zoombild vorhanden

Abb. 2: Fixe Effekte des Laktationsmonats auf die Höhe der Futteraufnahme (kg TM je Tier und Tag)

Bei der Kuh hat das Laktationsstadium eine überragende Bedeutung für die Futteraufnahme. Viele Faktoren wirken je nach Laktationsstadium unterschiedlich. Dies gilt z.B. für die Lebendmasse, die Milchleistung und die Kraftfuttermenge. Die neuen Gleichungen schätzen daher die Futteraufnahme grundsätzlich in Abhängigkeit von den Laktationstagen. Zur Verdeutlichung ist in Abb. 2 der Einfluss des Laktationsstandes auf die Futteraufnahme dargestellt. Erst im letzten Laktationsdrittel ist das optimale Futteraufnahmevermögen gegeben.
Grafik: Einfluss der Milchleistung auf FutteraufnahmeZoombild vorhanden

Abb. 3: Einfluss der Milchleistung auf die Futteraufnahme im Verlauf der Laktation (kg TM/kg Milch)

Im ersten Drittel der Laktation ist das Futteraufnahmevermögen am niedrigsten. Aber gerade in dieser Phase ist der Bedarf der Tiere an Energie und Nährstoffen hoch. Um eine ausreichende Futteraufnahme zu gewährleisten, wird deshalb bestes Grobfutter und soviel Kraftfutter wie möglich gefüttert. Die Regulation der Futteraufnahme nach Milchleistung ist in dieser Phase noch wenig ausgeprägt. Deutlich wird dies in Abb. 3. Zu Ende der Laktation steigt die Futteraufnahme im Mittel um 0,2 kg TM je kg Milch. Zu Anfang sind dies nur 0,1 kg TM je kg Milch.
Gegenläufig ist die Situation bei der Lebendmasse und der Kraftfuttermenge. Zu Beginn der Laktation erhöht sich die Futteraufnahme bei Anstieg der Lebendmasse um 100 kg um etwa 1,3 kg TM je Tag und am Ende um lediglich 0,8 kg TM. Die Aufnahme an Futtertrockenmasse erhöht sich zu Beginn der Laktation um etwa 0,6 kg TM, wenn 1 kg TM aus Kraftfutter zugelegt wird. Am Ende der Laktation ist der Effekt mit 0,4 kg TM je Tag erheblich niedriger.

Die dargestellten Zusammenhänge erklären, dass die Kühe im ersten Drittel der Laktation oft unterversorgt und im letzten Drittel oft überversorgt sind. In der Praxis wird in der zweiten Hälfte der Laktation vielfach zu viel Kraftfutter gegeben, da das Futteraufnahmevermögen unterschätzt wird.

Zu Ende der Laktation frisst die Kuh viel stärker nach Leistung und die Verdrängung von Grobfutter durch Kraftfutter ist höher. Bei gleicher Leistung und Futterqualität sind daher sehr unterschiedliche Mengen an Kraftfutter erforderlich, um die Kuh auszufüttern.
Für die gleiche Leistung sind zu Beginn der Laktation auf Grund der geringen Aufnahme an Grobfutter etwa 1 bis 1,5 kg Kraftfutter mehr erforderlich. Bei Anwendung der neuen Gleichungen kann insbesondere zu Ende der Laktation vielfach Kraftfutter eingespart werden.

Laktationsnummer und Rasse haben Einfluss

Die Daten zeigen auch, dass zwischen den Tieren der ersten und denen der späteren Laktationen ein erheblicher Unterschied besteht. Fazit aus den neuen Gleichungen ist, dass in der Rationsplanung zwischen Kühen und Kalbinnen zu unterscheiden ist und das Laktationsstadium unbedingt zu berücksichtigen ist.

Bei der Rasse bestehen ebenfalls Unterschiede in der Futteraufnahme, die über fixe Effekte erfasst werden. Für Braunvieh ergibt sich z. B. eine um etwa 0,8 kg Trockenmasse je Tag höhere Futteraufnahme als bei Fleckviehtieren, wenn das gleiche Gewicht und die gleiche Leistung unterstellt wird. Ähnlich liegt Deutsch Holstein wobei noch nach Managementniveau unterschieden wird.

Grobfutterqualität bleibt maßgebend

Grafik: Milch aus Grobfutter in Abhängigkeit vom Energiegehalt des GrobfuttersZoombild vorhanden

Abb. 4: Milch aus Grobfutter in Abhängigkeit vom Energiegehalt (MJ NEL / kg Grobfutter-TM)

Neben dem Tier ist das Futter von entscheidender Bedeutung für die Höhe der Futteraufnahme. Allein der Energiegehalt des Grobfutters geht in die Schätzgleichung ein. Steigt der Energiegehalt im Grobfutter um 1 MJ NEL je kg TM, so steigt die Futteraufnahme um etwa 1 kg TM je Tag. Da bei gegebener Leistung dadurch auch die Kraftfuttermenge abgesenkt werden kann, steigt die mögliche Grobfutterleistung merklich mit dem Energiegehalt im Grobfutter. Deutlich wird dies an der Abb. 4. Diese zeigt, dass die Grobfutterleistung insbesondere zu Beginn der Laktation mit der Energiedichte im Grobfutter ansteigt.
Neben der Energiedichte beeinflusst die Gärqualität die Aufnahme an Grobfutter. Zu geringeren Futteraufnahmen als kalkuliert können ungünstige Veränderungen am Eiweiß während der Silierung führen. Die Abbauprodukte des Futterproteins können zu einer chemisch gesteuerten Sättigung führen. Sehr hohe Gehalte an Gärsäuren in der Gesamtration können ebenfalls die Futteraufnahme mindern. Bei gleichem Energiegehalt wird außerdem von Heu mehr aufgenommen als von Grassilage. Das Gleiche gilt für Frischgras.

Für die konkrete Rationsplanung sind somit die Energiegehalte im Grobfutter sowie Rasse, Lebendmasse, Laktationsstadium und Leistung der Tiere im Bestand erforderlich. Bei einem typischen Laktationsverlauf kann dann die erforderliche Menge an Kraftfutter kalkuliert werden.

Management auf hohe Futteraufnahme ausrichten

Von entscheidender Bedeutung für das Niveau der Futteraufnahme ist das Managementniveau im Betrieb. Effekte von 1 bis 1,5 kg TM je Kuh und Tag sind möglich.
Für die Fütterungspraxis ist das Erschließen dieser Managementeffekte der entscheidende Ansatz. Von großer Bedeutung ist die optimale Vorbereitung auf die Kalbung, eine ungestörte Kalbung sowie eine gezielte und erfolgreiche Anfütterung nach der Kalbung. Weitere Faktoren sind die Rationskontrolle, das Futtertischmanagement und die Futtervorlage. Mischration muss dabei nicht zwingend besser sein, da auch Einzelkomponenten bei der richtigen Vorlage zu hohen Futteraufnahmen führen können. Allerdings entfällt bei TMR das Problem der Selektion. Der erforderliche Anteil an Kraftfutter in der TMR lässt sich mit den neuen Gleichungen ebenfalls kalkulieren. Mit steigendem Leistungsniveau in der Herde ist ein höherer Anteil an Kraftfutter erforderlich.
Durch die aufgestellten Gleichungen kann etwa 87 % der Streuung in der Futteraufnahme erklärt werden. Es bleibt somit noch ein Restfehler von etwa 1,3 kg Trockenmasse. Dies erklärt sich durch tierindividuelle Streuungen und der Tatsache, dass durch die Gleichungen nicht alle Faktoren und Wechselwirkungen erfasst sind. In der Fütterungspraxis ist daher bei Anwendung der Gleichungen auch weiterhin ein gezieltes Fütterungscontrolling unverzichtbar. Ferner erfordert die Anwendung der Gleichungen ein darauf abgestimmtes Vorgehen in der Rationsplanung. Dies wird im nächsten Beitrag erläutert.

Fazit

Zur Schätzung der Futteraufnahme bei der Milchkuh bleibt Folgendes festzuhalten:

  • Die Schätzung hat grundsätzlich in Abhängigkeit vom Laktationsstadium zu erfolgen.
  • Auf Grund der unterschiedlichen Futteraufnahme und Laktationsverläufe ist eine getrennte Schätzung für Färsen und Kühe erforderlich.
  • Beim Futter ist der Energiegehalt des Grobfutters und die zugeteilte Menge an Kraftfutter zu berücksichtigen.
  • Soweit möglich ist das produktionstechnische Managementniveau des Betriebes zu berücksichtigen.
  • Für die Abschätzung der Futteraufnahme beim Einzeltier ist die Milchleistung und das Laktationsstadium unverzichtbar. Soweit möglich ist eine Berücksichtigung der Milchkontrolldaten zu empfehlen. Alternativ sind standardisierte Laktationskurven anzuwenden.
  • Die relativ große einzeltierbedingte Streuung der Futteraufnahme ist zu beachten.
  • Die Abschätzung der Futteraufnahme ist durch eine systematische Rationskontrolle zu sichern.