Forschungs- und Innovationsprojekt
Kann Hopfen einen pflanzeneigenen Schutz gegen die Gemeine Spinnmilbe aufbauen?

In einem fünfjährigen Forschungs- und Innovationsprojekt soll untersucht werden, ob die Dauerkultur Hopfen in der Lage ist, eine systemisch erworbene Abwehr oder Resistenz (Systemic Acquired Resistance, SAR) gegen die Gemeine Spinnmilbe aufzubauen. Von 2021 bis 2025 werden dazu im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes "Induzierte Resistenz im Hopfenanbau gegen Spinnmilben: Analyse und Verwertung als Baustein im integrierten Pflanzenschutz" umfassende Versuche am Hopfenforschungszentrum der LfL durchgeführt.

Hintergrund

Einer der bedeutendsten Schädlinge im Hopfenbau ist die Gemeine Spinnmilbe Tetranychus urticae. Da Spinnmilben sich bei warmen und trockenen Bedingungen besonders zügig vermehren, muss davon ausgegangen werden, dass dieser Schädling vom Klimawandel mit der Zunahme trocken-heißer Tage profitiert. Gleichzeitig wird durch das gesellschaftliche Bestreben, den chemischen Pflanzenschutz zu reduzieren, die Zulassungssituation für Akarizide zur Spinnmilbenbekämpfung kontinuierlich schwieriger. Ohne die Möglichkeit eines Wirkstoffwechsels steigt wiederum die Gefahr von Resistenzbildungen bei den Spinnmilben. In den letzten Jahren wurde ein alternativer Ansatz mit dem Einsatz von Raubmilben getestet. Der Einsatz von Nützlingen allein scheint derzeit allerdings nicht ausreichend, die Wirkung eines Akarizids vollständig zu ersetzen, da bei starkem Spinnmilbenbefall die Effizienz der Raubmilben jene eines Akarizid-Einsatzes nicht komplett erreichen kann.
In mehrjährigen Pflanzenschutz-Versuchen zur Bekämpfung der Gemeinen Spinnmilbe konnte in den vergangenen Jahren immer wieder beobachtet werden, dass nach einer starken Schädigung der Hopfenpflanzen durch Spinnmilben der Befall in den folgenden Jahren praktisch immer sehr gering ausfiel. Einzelne unbehandelte Kontroll-Parzellen waren im Folgejahr genauso oder weniger stark befallen wie Parzellen mit den jeweiligen Pflanzenschutzanwendungen. Es scheint, als würde die Pflanze nach einer solchen Schädigung einen eigenen Schutz gegen diesen Schädling aufbauen, der in den folgenden Jahren zum Tragen kommt.

Blick in einen Bio-Hopfengarten mit extremem Spinnmilbenbefall. Die Hopfenreben sind rotbraun, haben kaum noch Laub und Dolden.

Blick in einen Bio-Hopfengarten. Die Hopfenreben sind grün und gesund.

Zielsetzung

In diesem innovativen Projekt sollen die langfristigen Auswirkungen eines starken einmaligen Spinnmilbenbefalls auf Hopfenpflanzen untersucht werden. Dabei soll gezeigt werden, ob und wie sich die Pflanzen gegen zukünftige Spinnmilben-Schäden schützt. Der Spinnmilbenbefall in den Folgejahren nach starkem Befall wird sowohl in Praxis-Hopfengärten als auch unter kontrollierten Bedingungen im Topf-Versuch dokumentiert. Um mögliche Veränderungen im Sekundär-Stoffwechsel der Hopfenpflanzen aufzuzeigen, werden Blätter und Dolden von diesen wie auch von Kontrollpflanzen im Labor analysiert.
Das umfassende Ziel des Forschungsprojektes ist, die Notwendigkeit des Einsatzes von Akariziden im Hopfenbau zu reduzieren. Dazu soll überprüft werden, ob es möglich ist die Pflanzen in bestehenden Hopfengärten oder auch Hopfenfechser für die Neuanlage so "abzuhärten", dass sich die Pflanzen selbst gegen die Gemeine Spinnmilbe schützen können.

Methoden

In dem fünfjährigen Forschungsprojekt soll untersucht werden, ob dieser Effekt der erworbenen pflanzlichen Abwehr bzw. Resistenz gegen Spinnmilben im Hopfen nachweisbar ist, wie lange er anhält und worauf er beruht. Dafür werden unterschiedliche Ansätze verfolgt:

Sortenauswahl

Als Modell-Sorten für den Versuch wurden vier Sorten ausgewählt, die in Deutschland bzw. in der Hallertau wirtschaftlich bedeutend sind und häufig angepflanzt werden:
  • Hallertauer Tradition (HTR): hochfeine Aromasorte vom Typ Hallertauer aus dem Hüller Zuchtprogramm, die in den 1990er-Jahren auf den Markt kam und seit Jahren eine der beiden bedeutendsten Aroma-Sorten für die Herstellung klassischer Biere ist
  • Herkules (HKS): auf einem Drittel der Hopfenfläche in Deutschland wächst diese ertragreiche Hochalphasorte, deren Bedeutung seit ihrer Einführung 2006 kontinuierlich zunimmt
  • Spalter Select (SSE): hochfeine und farnesenhaltige Aromasorte aus dem 'Saazer Formenkreis', Hüller Selektion der alten Spalter Landsorte, die im Vergleich zu HTR und HKS als widerstandfähiger gegen die Gemeine Spinnmilbe gilt
  • Tettnanger (TET): Alte, klassische Landsorte, einer der fünf Noble hops, mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung für das Anbaugebiet Tettnang

Freiland-Versuch

Im Freiland wurde in 31 konventionelln bewirtschafteten Hopfengärten von 20 Praxisbetrieben je eine unbehandelte Parzelle etabliert. Das bedeutet, dass eine Teilfläche jedes Hopfengartens von ca. 500 – 600 m² über fünf Jahre hinweg nicht mit Akariziden behandelt wird. Alle übrigen Krankheiten und Schädlinge werden in gewohnter Weise behandelt. Der Spinnmilbenbefall in dieser Parzelle wird regelmäßig bonitiert. Zum Vergleich wird angrenzend in demselben Hopfengarten eine weitere Parzelle, die jährlich mindestens einmal mit einem Akarizid behandelt wird und möglichst frei von Spinnmilbenbefall bleiben soll, ebenfalls regelmäßig bonitiert.
Bei entsprechendem Spinnmilbenbefall wird eine Versuchsernte durchgeführt, um den qualitativen und quantitativen Unterschied der Parzellen eines Hopfengartens feststellen zu können.

Topf-Versuch

Unter kontrollierten bzw. semi-kontrollierten Bedingungen im Topfversuch werden die Reaktionen von Hopfenpflanzen auf Spinnmilbenbefall detailliert untersucht. Hierfür wird ein Teil der Pflanzen gezielt einem definierten Befall mit Spinnmilben ausgesetzt, während die Kontrollpflanzen unter Zuhilfenahme von Akariziden ‚sauber‘ gehalten werden. Beim Neuaustrieb soll untersucht werden, ob Spinnmilben einen Unterschied in der Präferenz zwischen den Varianten machen, also ob die zuvor befallenen Hopfenpflanzen dann weniger attraktiv für die Spinnmilben sind. Außerdem werden Hopfenfechser intensivem Spinnmilbenbefall ausgesetzt und später ausgepflanzt, um zu prüfen, ob es möglich ist, die Hopfenpflanzen bereits abzuhärten, bevor sie in den Hopfengarten ausgepflanzt werden.

Analytik

Durch den Vergleich von mit Spinnmilben befallener und unbefallener Hopfenpflanzen soll ein Profil der pflanzlichen Abwehr erstellt werden. Dafür werden einerseits Blätter, andererseits Doldenmuster beprobt. Dabei werden auch Unterschiede zwischen den Sorten erwartet, da diese auch verschiedene Gehalte an Aromakomponenten aufweisen. Dies deutet auf Unterschiede in der Ausbildung von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen hin, die sich gegebenenfalls in einer unterschiedlich ausgeprägten pflanzlichen Abwehrreaktion gegen Verletzungen durch Spinnmilben widerspiegeln. Die Untersuchungen sollen mit Hilfe der Gaschromatographie-Massenspektroskopie durchgeführt werden.

Ergebnisse

Erste Zwischenergebnisse werden Ende 2023 erwartet.

Projektinformation
Projektleitung: Dr. Florian Weihrauch, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung
Hopfenforschungszentrum, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung: Arbeitsgruppe Ökologische Fragen des Hopfenbaus
Projektbearbeitung: Maria Obermaier
Projektpartner: Praxisbetriebe aus dem integrierten Hopfenbau; Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung: Arbeitsgruppe Ökologische Fragen des Hopfenbaus
Hopfenanalytik
Laufzeit: 06/2021-05/2025
Finanzierung: Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Förderinitiative "Vermeidung und Verminderung von Pestiziden in der Umwelt"
Förderkennzeichen: AZ 35937/01-34/0