Winterroggen – Aktuelle Ergebnisse aus der Praxis und den Landessortenversuchen

Roggenähren im Feldbestand.

Der bayerische Durchschnittsertrag liegt heuer mit 53 dt/ha auf Niveau des zehnjährigen Mittels und leicht über dem Vorjahr. Wegen der teils extremen Trockenheit in weiten Teilen von Nordbayern fielen die Erträge dort heuer im Mittel deutlich geringer aus als im Süden.
Die Roggenfläche (inkl. Wintermenggetreide), die zur Körnernutzung dient, verringerte sich heuer im Vergleich zum Vorjahr um rund 6 % auf 33.500 ha. Die Körnererzeugung von Wintermenggetreide, darunter versteht man einen Mischanbau von mehreren Wintergetreidearten, nahm davon etwa 1.500 ha ein. Aus den Mehrfachanträgen ist zu entnehmen, dass in Bayern neben Körnerroggen noch weitere 2.500 ha Roggen zur Erzeugung von Ganzpflanzensilage (GPS) angebaut wurden. Verglichen mit 2021 ist dies ein Rückgang von etwa einem Drittel.

Sortenwahl

Bei der Wahl einer Körner-Roggensorte sollte Wert gelegt werden auf hohe und stabile Erträge, auf eine ausreichende Standfestigkeit sowie auf möglichst gute Krankheitsresistenzen vor allem gegen Mutterkorn und Braunrost. Letzterer spielt vor allem in den wärmeren bayerischen Regionen eine größere Rolle. In manchen Jahren tritt auch Rhynchosporium stärker auf. Mehltau war in letzter Zeit dagegen kein nennenswertes Problem.
Ist geplant, Brotroggen zu vermarkten, werden häufig ein hl-Gewicht von mindestens 72 kg und Mindestfallzahlen von 120 s gefordert. Bei trockenen Abreife- und Erntebedingungen sind die Fallzahlen vor allem bei den gängigen Hybridsorten häufig sehr hoch und damit über dem für das Verbacken optimalen Bereich. Dann suchen vor allem Verarbeiter von ökologisch erzeugtem Roggen fallzahlschwächere Partien. Die meisten Populationssorten erreichen nie diese hohen Werte. Da sie aber wesentlich ertragsschwächer sind, ist ihr Anbau nur bei deutlichen Preisaufschlägen sinnvoll.

Mutterkorn

Für Verarbeiter von Roggen zu Lebensmitteln sind mutterkornbelastete Partien ein zunehmendes Problem, denn Mutterkörner enthalten giftige Verbindungen, die Ergotalkaloide. Nach Infektion der Roggenblüte mit dem Mutterkornpilz kann anstelle eines Getreidekornes ein dunkelgefärbtes, meist deutlich größeres, aus der Ähre herausragendes Gebilde heranwachsen. Dieses ist die Überdauerungsform des Mutterkornpilzes und wird Mutterkorn genannt. Neben Roggen befällt der Pilz auch andere Getreide- und zahlreiche Gräserarten.
Grenzwerte
Zum 01.01.2022 sind Höchstgehalte an Mutterkorn-Sklerotien und Ergotalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln verschärft bzw. neu eingeführt worden. Seit diesem Zeitpunkt gilt für unverarbeitetes Getreide (außer Mais, Roggen und Reis), das zur Lebensmittelerzeugung bestimmt ist, ein neuer Grenzwert für Mutterkorn-Sklerotien von 0,2 g pro Kilogramm Getreide. Für unverarbeiteten Roggen gilt der alte Grenzwert von 0,5 g/kg noch bis 30.06.2024. Danach soll auch für Roggen der Wert auf 0,2 g/kg gesenkt werden.
Außerdem wurden für etliche Getreideprodukte (z. B. Mehl) zum Jahresanfang erstmals Höchstgehalte für Ergotalkaloide eingeführt. Diese sollen zum 01.07.2024 teilweise weiter reduziert werden. Einzelheiten sind in der Verordnung (EU) 2021/1399 der Kommission vom 24.08.2021 zu finden. Es ist zu erwarten, dass die aufnehmende Hand bei den angelieferten Partien zukünftig noch mehr Wert auf niedrige Mutterkorngehalte legt.
Um den Mutterkorngehalt im Endprodukt unbedenklich bzw. möglichst gering zu halten, erarbeitete das Max Rubner-Institut in Zusammenarbeit mit weiteren Experten für den Getreidebau und die Getreideverarbeitung

Einflussfaktoren
Es ist bekannt, dass der Mutterkornbefall von zahlreichen Faktoren – wie z. B. der Witterung, Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, dem Standort und Ausgangsinokulum im Boden – abhängt. Aber auch die Sorte spielt eine Rolle. Im Rahmen der Sortenzulassung werden Resistenzprüfungen mit künstlich erhöhtem Mutterkorn-Infektionsdruck durchgeführt. In diesen Prüfungen wiesen die mit "mittel" anfällig beschriebenen Sorten (Symbol: o) im mehrjährigen Schnitt rund dreimal so viel Mutterkorn auf wie die "gering" mutterkornanfällig bewerteten Sorten (Symbol: +). Diese Auswertung soll eine grobe Vorstellung vermitteln, mit welchen Sortenunterschieden in etwa zu rechnen ist.
Wie stark eine Sorte für Mutterkorn anfällig ist, hängt unter anderem davon ab, wieviel Pollen sie produziert. Denn ein hohes Pollenangebot führt zu einer raschen Befruchtung. Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Blüten schnell schließen und Mutterkornsporen diese nicht mehr infizieren können. In der Regel stäuben Populationssorten kräftiger und über einen längeren Zeitraum als Hybriden. Bei einigen Hybridsorten – im Landessortenversuch sind das Piano, SU Cossani und SU Perspectiv – wird dem Praxissaatgut zur Sicherstellung einer raschen Bestäubung deshalb 10 % Populationsroggen beigemischt. In den LSV und der Mutterkorn-Resistenzprüfung, die Grundlage für die Mutterkorneinstufung ist, werden jedoch nur die reinen Hybridsorten getestet. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Mutterkornanfälligkeit bei den genannten Sorten in der Praxis etwas geringer ist als in der Sortenbeschreibung dargestellt. Ob die Beimischung von ertragsschwächeren Populationsroggen im Praxissaatgut negative Auswirkungen auf den Ertrag hat, wurde nicht untersucht.

Hybridsorten

Obwohl die Saatgutkosten bei Hybriden etwa doppelt so hoch sind, lohnt sich ihr Anbau meist. Nur auf sehr ertragsschwachen Standorten und bei extensivem Anbau wird der Ertragsvorteil durch das teurere Saatgut zunichte gemacht. Im fünfjährigen Mittel liefern die Hybriden im LSV gut 20 % höhere Erträge. Da sich die Roggenzüchtung vorrangig auf Hybriden konzentriert, hat sich der Ertragsabstand im Laufe der Zeit vergrößert.

Landessortenversuche

In den bayerischen Landessortenversuchen (LSV) standen heuer 11 Roggensorten (9 Hybrid- und 2 Populationssorten) an vier Standorten. Alle Sorten werden in zwei Intensitätsstufen geprüft. Stufe 1, die keine Fungizide und keinen bzw. nur wenig Wachstumsregler erhält, liefert Informationen über die Resistenzeigenschaften und die Standfestigkeit der Sorten. Die intensive Stufe 2 wird dagegen nach Bedarf mit Fungiziden und Wachstumsreglern behandelt. Sie lässt die Ertragsleistung der Sorten bei intensivem Anbau erkennen.

Ergebnisse

Der Ertragsunterschied zwischen den beiden Behandlungsstufen liegt in den bayerischen LSV im Fünfjahresmittel bei 8 dt/ha bzw. 10 %. Dieser Mehrertrag reichte in den letzten fünf Jahren nur an etwa der Hälfte der Standorte aus, um die Zusatzkosten zu decken.
Da die bayerischen LSV-Standorte seit 2017 bei Roggen von sechs auf vier reduziert wurden, ist eine Ertragsauswertung nach mehreren Anbaugebieten nicht mehr sinnvoll. Aufgrund der geringen Anzahl an Roggenversuchen werden alle LSV, die in der Südhälfte von Deutschland stehen, gemeinsam verrechnet und unter der Bezeichnung "Anbaugebiete Süddeutschland" veröffentlicht. Die Sortenempfehlung hingegen wird nur für Bayern ausgegeben.