Moving Fields: Hightech - Züchtung für Energie- und Klimaschutz
Moving-Fields-Anlage ermöglicht, Pflanzenbestände durch ein Gewächshaus fahren zu lassen
Ziel der Untersuchungen an Gerste ist, Sorten und Zuchtstämme zu identifizieren, die für den Anbau in Biogasfruchtfolgen besonders gut geeignet sind.
Um die Energieausbeute nachwachsender Rohstoffe zu erhöhen, ist die züchterische Verbesserung des Biomasseertrages von Energiepflanzen einer der vielversprechendsten Wege. Die schnelle Erfassung von aussagekräftigen, sortenspezifischen Biomasseertragsdaten ist aber mit großem Aufwand verbunden.
Damit Ertragsunterschiede verschiedener Sorten möglichst genau erfasst werden können, wird eine Hochdurchsatz-Phänotypisierungs-Anlage, namens Moving Fields, eingesetzt.
Diese Fließbandanlage ermöglicht es, kleine Pflanzenbestände vollautomatisch, objektiv und äußerst exakt zu pflegen (wiegen, bewässern, düngen) und zu beobachten (fotografieren). Wöchentlich im visuellen und Nahinfrarot-Lichtbereich gesammelte Farbbilder ergeben Informationen sowohl über die Wachstumsdynamik, Morphologie und Architektur der Pflanzenbestände als auch über deren energetische Aktivität (Fluoreszenz) und über die Entwicklung ihrer Wurzeln.
Um den zukünftigen Herausforderungen in der Pflanzenzüchtung gewachsen zu sein, verfügt das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung seit einem Jahr über eine Hochdurchsatz-Phänotypisierungsanlage. Diese Anlage – namens Moving Fields – ermöglicht es, einzelne Pflanzen oder sogar kleine Pflanzenbestände automatisch durch ein Gewächshaus fahren zu lassen. Der Standort der Pflanzen / Pflanzenbestände wird dadurch fortlaufend verändert, um eventuelle Umwelteinflüsse, die durch den Standort im Gewächshaus oder durch die benachbarten Pflanzen verursacht werden, nahezu auszuschließen. Außerdem können die Pflanzenbestände an Messstationen vorbeigefahren werden, um dort exakt gewogen, bewässert und gedüngt zu werden.
Die Moving Fields Anlage ermöglicht es, Pflanzenbestände durch ein Gewächshaus fahren zu lassen. Pflege (Bewässerung, Wiegung, Düngung) und Beobachtung (Fotografieren) können dabei vollautomatisch und äußerst exakt geschehen.
Wichtig sind die Beobachtungskammern der Anlage. In diesen Beobachtungskammern werden die Pflanzenbestände mit verschiedenen Kameras fotografiert. Mit einer Kamera lassen sich in verschiedenen Einfallswinkeln (von allen Seiten und von oben) hochauflösende Farbbilder erzeugen. Mit einer zweiten Kamera lässt sich die Fluoreszenz der Pflanzenbestände festhalten, was einen Einblick in ihre Stoffwechsel Aktivitäten erlaubt. Mit einer dritten Kamera, die im Nahinfrarotlichtbereich fotografiert, lässt sich die räumliche Verteilung des Wassergehaltes im Boden feststellen; mit einer vierten Kamera kann das Wurzelwachstum quantifiziert werden.
Mittels spezieller Software können von den aufgenommenen Farbbildern Informationen über geometrische Merkmale wie die Kontur (a) und farbliche Merkmale als die Menge toten Blattmaterials (b) erlangt werden. Auch Bilder vom Fluoreszenz-Verhalten (c) lassen sich mittels komplexer Berechnungen exakt auf z.B. Farbintensität (d) analysieren.
Die mit der Anlage aufgenommenen Bilder werden mit einer speziellen Software ausgewertet. Programmierte Algorithmen (mathematische Funktionen) ermöglichen es mittels komplexer Berechnungen eine Vielfalt agronomisch bedeutender Parameter sehr exakt zu quantifizieren. Sowohl von individuellen Pflanzen, als auch von den kleinen Pflanzenbeständen, können Informationen über den Wachstumsverlauf, die Morphologie und Architektur der Pflanzen erlangt werden. Farbklassifizierung ermöglicht es, aus den Bildern auch Informationen über Krankheitsbefall, Stress, Nährstoffstatus und Reife der Pflanzen zu abzurufen. Mit Fluoreszenzbestimmungen werden Informationen über Stoffwechsel und Photosynthese gewonnen.
Von Wintergerste zu Biogas
Wintergerste ist nicht die Pflanzenart mit den höchsten Erträgen für die Biogaserzeugung. Das ist unangefochten Mais. Pro Hektar bringt Gerste 8 – 13 Tonnen Trockenmasse, während Mais 16 – 22 Tonnen pro Hektar einbringen kann. Dass die LfL in diesem Projekt trotzdem Wintergerste einsetzt, liegt daran, weil Wintergerste besonders gut für die Verbesserung der Nachhaltigkeit von Fruchtfolgen geeignet ist. Im Herbst gesät, kann Wintergerste, besser als andere Nutzpflanzen, den Boden gegen Erosion und Auswaschung von Nährstoffen schützen. Im Vergleich zu anderen Getreidearten hat Wintergerste den zusätzlichen Vorteil, dass sie einige Wochen früher geerntet werden kann. Dies ermöglicht eine längere Vegetationszeit der Folgefrucht und erweitert damit die Möglichkeiten der Fruchtfolgenplanung.
Sortenvergleich Biomasse-Ertrag
Im Frühjahr 2013 wurden die grundsätzlichen Funktionen der Moving Fields Anlage - wie die kontinuierliche Standortänderung der Pflanzengefäße, das automatische Bewässern, die Bildaufnahme und die Bildanalyse - mittels eines ersten Versuches etabliert. Ziel dieses Versuches war es, 48 Wintergerstenzuchtstämme und -sorten bezüglich ihres Potenzials zur Erzeugung großer Mengen von Biomasse zu vergleichen, um so vielversprechende Züchtungskandidaten selektieren zu können. Dazu wurden diese Wintergerstengenotypen im Januar mit jeweils acht Wiederholungen in 384 Kleinstparzellen angebaut. Jeder Pflanzenbestand hatte eine Fläche von 0,1 m2 (Tiefe: 20 cm) und enthielt 30 Pflanzen. Nach der Vernalization wurde ab April die Biomasse-Entwicklung der Versuchspflanzen mit Hilfe der Moving Fields Anlage wöchentlich fotografisch verfolgt, mit Kameras im visuellen Lichtbereich (300 – 700 nm) und mit Kameras, welche die Fluoreszenz der Pflanzenbestände festhalten. Ende Juni wurden alle Pflanzen geerntet und deren Frisch- und Trockenmasse bestimmt.
Obwohl die Anlage in den ersten Monaten noch fast täglich Kinderkrankheiten zeigte, waren im ersten Versuch schon signifikante Unterschiede in der Biomasse-Entwicklung der untersuchten Wintergerstensorten festzustellen. Messungen der von der Anlage gesammelten Bilder konnten mit den gewogenen Trockenmasse-Werten korreliert werden. Die Wachstumsdynamik der Pflanzenbestände konnte an Hand der mit der Anlage gesammelten Bilder quantifiziert und statistisch beschrieben werden. Anhand dieser statistischen Beschreibungen konnten deutliche Sortenunterschiede gefunden werden
Das Wachstumsdiagramm verdeutlicht beispielhaft die zeitliche Veränderung der Blattfläche (als Vertreter für Biomasse) eines Wintergerstenbestandes (Sorte Amelie, Wiederholung 3). Messwerte (geschlossene Symbole) zeigen die Menge der grünen Pixel in den Bildern dieses Pflanzenbestandes. Abweichungen (rote Linien) von einem statistischen Model (schwarze Linie) sind gering.
Abbildung 2
Abbildung 2 zeigt die modellierte Fläche der Pflanzenbestände variierte deutlich zwischen den 48 Wintergerstengenotypen, war aber nicht systematisch niedriger für zweizeilige Sorten (geöffnete Symbole) als für mehrzeilige Sorten (geschlossene Symbole).
Stickstoff-Effizienz
Aufgrund der Bedeutung des Stickstoffs bei der Produktion von Biomasse wurde in einer Reihe von Folge-Experimenten versucht, unterschiedliche N-Düngerbehandlungen mit der Methanausbeute bei der Gewinnung von Biogas aus Wintergerste zu verknüpfen. Dazu wurde im Herbst 2013 zuerst die Ausbringung unterschiedlicher Düngungs- und Bewässerungsgaben – eine erweiterte Anwendung der Moving Fields Anlage – an Hand eines Sommergerstenversuches etabliert. Um einen direkten Vergleich zu den Gewächshausversuchen zu schaffen, sind im September 2013 an zwei Standorten in Bayern Feldversuche mit 25 Sorten Wintergerste und 8 Wiederholungen pro Sorte und Standort angelegt worden. Diese Sorten werden im Frühjahr 2014 mit zwei unterschiedlichen Stickstoff-Stufen gedüngt. Im Januar 2014 wurde dann ein neuer Gewächshausversuch mit Wintergerste begonnen: 43 Sorten Wintergerste wurden mit je 9 Wiederholungen in Kleinstparzellen angebaut und mit drei unterschiedlichen Mengen Stickstoff gedüngt. Sorten und Stickstoff-Düngungsstufen in diesem Versuch sind auch im genannten Feldversuch vertreten. Beide Versuche wurde im Juni 2014 geerntet.
Ausblick
Für die Moving Fields Anlage sind schon verschiedene neue Versuche geplant. Demnächst soll an Hand der Sommergerste erkundet werden, ob Bakterien eingesetzt werden können, um die Stickstoff-Effizienz von Gerste zu steigern. Dazu werden im Juli 2014 im Moving-Fields-Gewächshaus 19 Genotypen mit je 20 Wiederholungen angebaut. Jeder Genotyp wird dabei sowohl unterschiedliche Stickstoff-Behandlungen als auch unterschiedliche Bakterien-Behandlungen erfahren. In diesem Versuch werden neue Kisten angewendet, die an zwei Seiten mit Glasscheiben ausgerüstet sind. Dies soll mit Hilfe der Moving Fields Anlage ermöglichen, das Wurzelwachstum der Pflanzenbestände zum ersten Mal zu quantifizieren.
Mittlerweile wurden auf Grund der ersten Ergebnisse Kreuzungseltern, die besonders gut für die Produktion von Biogas geeignet sein könnten, selektiert. Die ersten Nachkommenschaften dieser Sorten sind in das reguläre Züchtungsprogramm der LfL aufgenommen und dazu im Feld angebaut. Am Ende soll dies zu neuen Sorten führen, die sowohl gut an die Bedingungen in Bayern angepasst als auch besonders gut für die Optimierung von Biogasfruchtfolgen geeignet sind.
Projektinformation
Projekleitung: Dr. Markus Herz
Projektbearbeitung: Dr. Vouter Wahl, Robin Käser (Züchtungsforschung Winter- und Sommergerste)
Genehmigte Laufzeit: 2012 - 2013
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten