Kartoffelspindelknollen-Viroid (PSTVd)

Das Kartoffel-Spindelknollen-Viroid (Potato spindle tuber viroid = PSTVd) ist gefährlicher Schaderreger, das an Solanaceen-Pflanzen vorkommt. Es handelt sich um ein Viroid, also ein sehr kleines pathogenes Partikel, und gehört zur Gruppe der Pospiviroide. Das Risiko, das von PSTVd ausgeht, und damit die Notwendigkeit konsequenter Bekämpfungsmaßnahmen ist primär der Gefährdung des Anbaus von Kartoffeln und Tomaten geschuldet, wo es wirtschaftliche Verluste bedingen kann. Besonders gefährdet sind die südeuropäischen Länder aufgrund der dort herrschenden hohen Temperaturen. Unter deutschen Klimabedingungen sind Schäden durch PSTVd im Unterglasanbau von Tomaten und eventuell auch im Kartoffelanbau in Süddeutschland möglich.

Quarantäneschaderrger - gesetzliche Vorgaben

Das PSTVd ist als Quarantäneschaderrger eingestuft und in Anhang IAI der Richtlinie 2000/29/EG gelistet. Der Schaderreger darf weder in die EU eingeführt, noch verbreitet werden, woraus ein Handels- und Verbringungsverbot für Pflanzen und Pflanzenteile resultiert, die mit PSTVd infiziert sind. Für die Einfuhr von Pflanzkartoffeln und Solanaceen-Pflanzen zum Anpflanzen aus Drittländern sind in Anhang IV der Richtlinie 2000/29/EG darüber hinaus besondere Maßnahmen beschrieben.
An Solanaceen-Zierpflanzen kann PSTVd symptomlos vorkommen: Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass PSTVd von symptomlos infizierten Pflanzen auf Kartoffel- und Tomatenbestände übertragen werden kann. Seit 2007 wurden deshalb basierend auf der Entscheidung 2007/410/EG der EU-Kommission Notmaßnahmen für PSTVd ergriffen, die sich auf Solanum jasminoides und Brugmansia spp. bezogen. Trotz der mit dieser Kommissionsentscheidung festgelegten Maßnahmen hat sich das PSTVd mittlerweile innerhalb der Union auf diesen Pflanzen ausgebreitet. Es wurden keinerlei Symptome des Befalls mit PSTVd beobachtet und nach einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen eines Befalls von Solanum jasminoides und Brugmansia spp. mit Pospiviroiden minimal sind (Quelle: Durchführungsbeschluss der Kommission (EU) 2015/749 vom 7. Mai 2015 zur Aufhebung der Entscheidung 2007/410/EG über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Potato spindle tuber viroid).
Der Befall an Solanaceen-Zierpflanzen hat, wie die seit 2007 durchgeführten Überwachungsmaßnahmen belegen, nicht zur Ausbreitung des PSTVd auf andere Kulturen in der Europäischen Union geführt. In der Folge wurde die Entscheidung 2007/410/EG aufgehoben. Brugmansia spp. und Solanum jasminoides unterliegen zwar weiterhin den Vorgaben des Anhangs VA Nr. 2.2 der Richtlinie 2000/29/EG, wonach ein Pflanzenpass erforderlich ist, allerdings nicht für Pflanzen, die für den Verkauf an den Endverbraucher vorbereitet und verkaufsfertig sind.

PSTVd – Kurzbeschreibung

Das PSTVd gehört als Viroid zu den kleinsten pathogenen Schaderregern überhaupt. Es wird dem Genus der Pospiviroide zugerechnet. PSTVd besteht ausschließlich aus nackter, einzelsträngiger Erbsubstanz (Ribonukleinsäure = RNA), die meist aus 359 Bausteinen (Nukleotiden) zusammengesetzt ist (Gross et al., 1978) und ausschließlich in geeigneten Wirtszellen vermehrt wird.

Wirtspflanzen des PSTVd

Es muss unterschieden werden zwischen natürlichem Wirtspflanzenkreis und Wirtspflanzen, die nach künstlicher Inokulation in Versuchen infiziert werden können. Der natürliche Wirtspflanzenkreis des PSTVd ist relativ klein. Primäre Wirte sind Kartoffel und andere Solanum-Arten sowie Tomate (Puchta et al., 1990; Verhoeven and Roenhorst, 1995, Elliot et al., 2001). Auch in Avocado wurde PSTVd schon gefunden (Querci et al., 1995). Laut Jeffries (1998) kann das PSTVd experimentell auf 94 Arten aus 31 Familien übertragen werden.

Andere Pospiviroide und ihre Wirtspflanzen

Es gibt Viroide, die ebenfalls den Pospiviroiden angehören, und mehr oder weniger mit dem PSTVd verwandt sind. Diese Viroide befallen andere Wirtspflanzen (z. B. Chrysantheme, Zitrus, Columnea, Iresine) und zum Teil auch Tomate. Sie sind bei der Diagnose von PSTVd zu unterscheiden. PSTVd ist das einzige Viroid, das "unsere" Kartoffel unter natürlichen Bedingungen befallen kann. Das Mexican papita viroid wurde auch in der "wilden" Kartoffel-Art Solanum cardiophyllum (Martinez-Soriano et al., 1996) nachgewiesen. In Infektionsversuchen konnten auch andere Pospiviroide, z. B. Tomato chlorotic dwarf viroid (Singh et al., 1999), Columnea latent viroid (Hammond et al.,1989) und Tomato planta macho viroid (Galindo et al., 1982) auf Kartoffel übertragen werden. Ob diese Viroide tatsächlich unter natürlichen Bedingungen Kartoffeln befallen, hängt wahrscheinlich von vielen Gegebenheiten ab (Abstand zwischen den Kulturen, Hygienemaßnahmen etc.).

Symptome

An PSTVd-infizierten Zierpflanzen aus der Familie Solanaceae waren bislang keine optischen Schäden feststellbar. Der Befall war stets latent. An Kartoffeln hingegen kann es neben Ertragseinbußen auch zur Ausbildung von Symptomen kommen. Das Schadbild wird von der Kartoffelsorte, dem PSTVd-Stamm und den Umweltfaktoren beeinflusst. Es können dabei drastische Symptome auftreten wie gestörtes Wachstum, Wachstumsdepression und Reduktion der Pflanzengröße ("Verzwergung"); außerdem können die typischen kleinen, spindel- oder hantelförmigen, deformierten Knollen mit auffälligen Augen entstehen. Die Stärke der Symptome kann von Generation zu Generation zunehmen. Schäden sind besonders in südeuropäischen Ländern aufgrund der dort herrschenden hohen Temperaturen zu befürchten. Bei Tomaten ist vor allem der Unterglasanbeu gefährdet. An Tomate sind neben der charakteristischen Verbüschelung ("bunchy top"), Verzwergung, Vergilbung der Blätter sowie Blattverdrehungen und -kräuselungen besonders im apikalen Bereich zu beobachten. Die Früchte bleiben klein; bei frühen Infektionen bilden sich keine Früchte aus. Auch bei Kartoffeln und Tomate ist latenter Befall möglich.

Verbreitung an Kartoffel

Die Kartoffel ist die hauptsächlich von PSTVd-Befall betroffene Kultur. PSTVd wurde bei Kartoffeln in Afrika (z. B. Nigeria), Asien (z. B. Afghanistan, China, Indien), Teilen Osteuropas einschließlich der früheren UdSSR, Nordamerika (Smith et al., 1997) und Zentralamerika (Badilla, 1999) gefunden. Während der letzten 10 bis 20 Jahre wurde in Nordamerika und Osteuropa das PSTVd in der Kartoffelproduktion deutlich reduziert oder gar eliminiert. Innerhalb der EU wurde PSTVd in den vergangenen Jahren nur sporadisch in Kartoffel- und Tomatenkulturen nachgewiesen. Deutschland galt als PSTVd frei, da auftretender Befall umgehend getilgt wurde. Im nördlichen Teil Australiens wurde das PSTVd aus einer wilden Solanum-Art isoliert.

Vegetative Vermehrung

PSTVd wird durch vegetative Vermehrung in erheblichem Maße von den Mutterpflanzen auf die Nachkommenschaft weitergegeben. Tochterknollen PSTVd-infizierter Kartoffelpflanze sind zu einem hohen Anteil ebenfalls infiziert. Auch Stecklinge PSTVd-positiver Mutterpflanzen sind größtenteils PSTVd-verseucht. Das gilt insbesondere auch für die Zierpflanzenproduktion.

Kontaktübertragung

Eine wichtige Rolle spielt die Übertragung durch Kontakt. Hier ist vor allem die Verschleppung durch verseuchte Maschinen und Gerätschaften sowohl im Freiland als auch im Gewächshaus zu nennen. Dies gilt sowohl für Kartoffeln als auch Tomaten und andere Kulturen. Über infizierten Pflanzensaft wird das Viroid sehr effektiv weiterverschleppt. In eigenen Untersuchungen konnten wir die mechanische Übertragung des PSTVd von Solanum jasminoides auf Tomatenpflanzen eindeutig belegen (L. Seigner, M. Kappen, C. Huber, M. Kistler und D. Köhler (2008): First trials for transmission of Potato spindle tuber viroid from ornamental Solanaceae to tomato using RT-PCR and an mRNA based internal positive control for detection. Journal of Plant Diseases and Protection, 115 (3), 97–101). Bei allen Kulturmaßnahmen sollte deshalb äußerst vorsichtig vorgegangen werden. Betriebshygiene ist von entscheidender Bedeutung. Auch von verseuchte Erde, kontaminierten Töpfen, Stellflächen und Wasser geht ein nicht zu unterschätzendes Risiko aus.

Samenübertragung

PSTVd kann bei Kartoffel, aber auch bei anderen Kulturen über den Samen weitergegeben werden, wobei 0-100 % der Samen infiziert sein können (Fernow et.al., 1970; Singh, 1970), sowie über Pollen und Eizellen (Grasmick and Slack, 1986; Singh et al., 1992). Der Nachweis des Viroids in Tomatensaatgut führte in vergangenen Jahren mehrfach zu Beanstandungen (Quelle: JKI).

Blattlausübertragung

In Versuchen wurde nachgewiesen, dass PSTVd zu einem kleinen Anteil auch Blattlaus-übertragbar sein kann, wenn eine gleichzeitige Infektion mit dem Kartoffelblattroll-Virus (PLRV) vorliegt (Salazar et al., 1995; Querci et al., 1996; Syller and Marczewski, 1996; Querci et al., 1997; Singh and Kurz, 1997).

Gegenmaßnahmen und Vorbeugung

  • Vernichtung infizierter Pflanzen, so dass eine weitere Verbreitung ausgeschlossen ist (z. B. Müllverbrennung)
  • Umfassende Testung im Betrieb, sobald Befall in einer Kultur festgestellt wurde
  • Umfassende Desinfektionsmaßnahmen bei festgestelltem Befall
  • Zukauf ausschließlich von untersuchten Jungpflanzen oder Pflanzen, die von getesteten Mutterpflanzen abstammen, Aufbau gesunder Mutterpflanzenbestände
  • Vermarktung ausschließlich von getesteter, gesunder Ware
  • Allgemeine Betriebshygiene
  • Desinfektion von Schnittwerkzeugen und andere Desinfektionsmaßnahmen
  • Vorsicht bei allen Kulturmaßnahmen

Untersuchung und Nachweis PSTVd

Da PSTVd bei Zierpflanzen keinerlei sichtbare Symptome verursacht, können hier nur Labortestungen eine Aussage über "Befall" oder "Nicht-Befall" bringen. Bei positivem Befund besteht Meldepflicht. Befallene Sorten und Partien sind so zu entsorgen, dass eine weitere Verschleppung ausgeschlossen wird.

Nachweisverfahren und Nachweismethoden

Der Nachweis von PSTVd ist grundsätzlich sehr aufwändig und kostenintensiv. Der PSTVd-Nachweis und die eindeutige Befallsfeststellung erfolgen in zwei Schritten:
  1. PSTVd-Nachweis über moderne molekularbiologische Verfahren wie RT-PCR (= Reverse Transkriptase Polymerase-Kettenreaktion) oder Realtime-RT-PCR
  2. Sequenzierung zur eindeutigen Identifizierung des Viroids auf genetischer Ebene
Mit den modernen molekularbiologischen Verfahren (RT-PCR und Realtime-PCR) ist in den allermeisten Fällen ein sehr empfindlicher und spezifischer Nachweis möglich. Dennoch ist auch dabei nicht ausgeschlossen, dass sehr geringe Konzentrationen des Viroids nicht nachgewiesen werden. Liegt ein positiver Befund vor, so besteht Befallsverdacht und weitere Analysen sind notwendig. Mit Hilfe der nachgeschalteten Sequenzierung in einem beauftragten Speziallabor wird die genetische Sequenz des Viroids bestimmt. Dies dient der eindeutigen Identifizierung von PSTVd, da in der PCR möglicherweise auch andere Viroide als PSTVd erfasst werden und in seltenen Fällen unspezifische Kreuzreaktionen auftreten können. Die Sequenzierung ist zur Abklärung positiver oder verdächtiger RT-PCR-Befunde unbedingt durchzuführen. Nur wenn die Sequenzierung ein positives Ergebnis für PSTVd erbringt, gilt der Befall als bestätigt.
Auch über Gensonden ist ein sensitiver Nachweis gewährleistet, allerdings wird damit nicht ausschließlich PSTVd nachgewiesen, sondern auch andere Pospiviroide werden erfasst, die so nicht voneinander zu unterscheiden sind. Weit weniger empfindlich ist die Umkehr-Elektrophorese (Return-Elektrophorese, R-Elektrophorese = R-PAGE). Außerdem differenziert die Return-Elektrophorese nicht zwischen PSTVd, Pospiviroiden und anderen Viroiden. Aus genannten Gründen erfolgt der PSTVd-Nachweis an der LfL über RT-PCR und nicht über Gensonden oder Umkehr-Elektrophorese.

PSTVd-Nachweis an der LfL

An der LfL erfolgt der PSTVd-Nachweis über RT-PCR (Reverse Transcriptase Polymerase-Kettenreaktion) und anschließende Sequenzierung der RT-PCR-Produkte.
Ein positiver Befund oder Befallsverdacht bei der RT-PCR-Untersuchung muss in jeden Fall über eine Sequenzierung, bei der das Viroid genetisch eindeutig identifiziert wird, abgesichert bzw. abgeklärt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es bis zur eindeutigen Abklärung des Befundes 2-3 Wochen dauern kann.
Das an der LfL angewandte Nachweisverfahren basiert auf international anerkannten Standards, dem Standard der European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO) für den Nachweis von PSTVd und auf dem für den PSTVd-Nachweis geltenden Internationalen Standard für phytosanitäre Maßnahmen (ISPM).

Ergebnissicherheit

Empfindlichkeit des Tests
Vor der Testung sollten die Pflanzen unter günstigen Vermehrungsbedingungen für Pospiviroide kultiviert werden, d. h. mehrere Wochen bei Temperaturen von über 20 °C, so dass Viroide sicher nachzuweisen sind. Bei der Testung von Stecklingen ist zu bedenken, dass aufgrund der vorausgehenden Anzuchtbedingungen bei ggf. relativ niedrigen Temperaturen die Nachweissicherheit der Viroiduntersuchung verringert sein kann (geringe Viroidkonzentration). Es sollte deshalb zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachtestung erfolgen, insbesondere dann, wenn das Pflanzenmaterial für die weitere Vermehrung genutzt werden soll. Infektionen, die erst wenige Wochen vor der Probenahme oder später erfolgt sind, werden nicht sicher erfasst.
Spezifität des Tests
Mit der RT-PCR alleine können auch andere Viroide mit erfasst werden. Deshalb erfolgt zur Abklärung eines positiven oder verdächtigen RT-PCR-Befundes stets eine nachfolgende Sequenzierung des RT-PCR-Produkts zur Identifizierung des Viroids auf genetischer Ebene. Diese kombinierte Vorgehensweise erlaubt einen spezifischen Nachweis des PSTVd.

Qualitätssicherung

Das virologische Labor und die anderen Diagnoselabore der LfL betreiben ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem und nehmen regelmäßig an europa- oder deutschlandweit organisierten Ringversuchen zum Schaderregernachweis teil (Laborvergleichsuntersuchungen und Eignungsprüfungen). Dies gilt in besonderem Maße auch für Ringversuche zum Nachweis des PSTVd und anderer Pospiviroide.

Qualitätsmanagement und Akkreditierung in den Diagnoselaboren des Instituts für Pflanzenschutz

In allen Laboren der LfL kommt der Qualität der Untersuchungsergebnisse und der Qualitätssicherung oberste Priorität zu. Eine Vielzahl von Verfahren sind in den verschiedensten Analysebereichen nach der international geltenden Norm für Prüf- und Kalibrierlaboratorien akkreditiert. Von der Akkreditierung profitieren im Wesentlichen auch unsere Kunden.

Qualitätsmanagement an der LfL