Die Biogastechnologie ist unter dem Aspekt der Nutzung erneuerbarer Energieträger (NawaRo-Kulturen) und des Klimaschutzes eine zukunftsweisende Technologie. Das Ausbringen der Gärrückstände auf landwirtschaftlich genutzte Flächen leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Schonung bestehender Ressourcen und Aufrechterhaltung natürlicher Kreislaufprozesse. Überdies ist aus ökologischer, aber auch ökonomischer Sicht die Möglichkeit bedeutsam, biologische Abfälle und Reststoffe, die in großen Mengen aus Landwirtschaft, Gartenbau und vor allen Dingen aus industrieller Verarbeitung und Produktion anfallen, für die Energieproduktion zu nutzen. So entstehen laut STEINMÖLLER et al. (2004) in Deutschland allein bei der industriellen Verarbeitung von Kartoffeln zu Stärke, Veredelungsprodukten und Alkohol jährlich zwischen 3 und 4 Millionen Tonnen Rückstände wie Schälreste, Gewebswasser und Schlempe. Zudem könnten nicht vermarktungsfähige, mit Schaderregern belastete Partien in Biogasanlagen gewinnbringend entsorgt werden. Dies wäre insbesondere im Hinblick auf die Verwertung von Partien, die mit Quarantäneschadorganismen (QSO) infiziert sind, von großem Vorteil. Die Entsorgung mit QSO belasteter Partien ist aufgrund von Quarantänevorschriften (z.B. Pflanzen-Quarantäne-Richtlinie 77/93/EWG vom 21.12.1976, konsolidierte Fassung 2000/29/EG vom 08.05.2000; Pflanzenbeschauverordnung in der Fassung vom 03.04.2000, Bundesgesetzblatt 2000, 337) problematisch, weil von der Entsorgung kein Verbreitungsrisiko für die Quarantäneschaderreger ausgehen darf. Zumeist besteht für derartige Befallspartien keine sinnvolle Verwendungsmöglichkeit. Biologische Abfälle und zu entsorgenden Befallspartien entsprechen nicht der Forderung
der Bioabfallverordnung (BioAbfV), des Düngemittelgesetzes und der Düngemittelverordnung nach phytohygienischer Unbedenklichkeit und sind deshalb als kritisch einzustufen. Dementsprechend müssen gemäß der BioAbfV zumindest bei Vergärung im mesothermen Bereich eine Vor- oder Nachpasteurisierung bei 70 °C oder eine Nachkompostierung durchgeführt werden (PHILIPP und PIETSCH, 2008). Grundsätzlich besteht aber nicht nur bei Befallspartien und Bioabfall, sondern bei jeglichem pflanzlichen Material, das in die Biogasanlage gelangt, die Gefahr, dass Pflanzenpathogene den Fermentationsprozess überleben und mit dem Gärrest großflächig auf Kulturflächen verteilt werden. Im Hinblick auf QSO wäre dies ein großes und nicht tolerierbares Risiko. Es könnte in der Folge zu einem raschen und verstärkten Befall der Pflanzen und damit zu einer Zunahme bestimmter Erregerpopulationen auf den Produktionsflächen kommen und damit zu einer Erhöhung das Gefährdungspotenzial.
Ursachen für eine mögliche Aufschaukelung von Krankheiten im Zuge der betriebenen "Kreislaufwirtschaft" sind
- Reduzierte Pflanzenschutzmaßnahmen auf Produktionsflächen von Biogassubstraten
- Enge Fruchtfolgen (z. B. Mais) erhöhen den Befallsdruck kulturspezifischer Erreger
- Entsorung von Befallspartien in Biogasanlagen
Speziell bei mesotherm betriebenen Biogasanlagen, die in einem Temperaturbereich von 35 bis 45 °C laufen, könnten die Temperaturen für eine Inaktivierung der Keime nicht ausreichen, so dass von diesen Anlagen möglicherweise eine erhöhte Gefahr ausgeht. Demzufolge erkennt die BioAbfV die Vergärung im mittleren Temperaturbereich nicht als hygienisierende Behandlung an und schreibt, wie oben ausgeführt, bei Vergärung von Bioabfällen in mesothermen Fermentern zusätzliche Maßnahmen vor. Das eventuell bestehende Problem der mangelnden Hygienisierung hat Auswirkungen auf den Großteil der in Bayern installierten Biogasanlagen, denn nach einer Studie des Instituts für Ländliche Strukturentwicklung, Betriebswirtschaft und Agrarinformatik der Landesanstalt für Landwirtschaft werden immerhin ca. 75 % der bayerischen Anlagen mesotherm geführt.
Beispiel: Quarantäne-Schadorganismen der Kartoffel
In der landwirtschaftlichen Praxis besteht der Bedarf, Kartoffelpartien, die als Folge des Befalls mit Quarantäne-Schadorganismen nicht mehr verkehrsfähig sind, einer angemessenen, ökonomischen und umweltverträglichen Nutzung zuzuführen. Die Verwertung in Biogasanlagen stellt hier eine interessante Möglichkeit dar, sofern sichergestellt ist, dass durch den Biogas-Prozess die Quarantäne-Schadorganismen sicher abgetötet werden.
Bei den Quarantänekrankheiten handelt es sich um schwer bekämpfbare Krankheiten, die beträchtliche wirtschaftliche Verluste bedingen können. In erster Linie sind dabei die beiden Bakteriosen „Bakterielle Ringfäule“ (verursacht durch Clavibacter michiganensis subsp. sepedonicus) und „Schleimkrankheit“ (Ralstonia solanacearum), der „Kartoffelkrebs“ (Synchytrium endobioticum) sowie die Kartoffel-Zystennematoden Globodera pallida und Globodera rostochiensis zu nennen. Durch strikte, von der EU vorgegebene Quarantäneregelungen wird versucht, die Ein- und Verschleppung der gefährlichen Erreger zu verhindern.
Die von einer Befallsfläche geernteten Kartoffeln können zumeist nicht wie ursprünglich geplant vermarktet werden; sie gelten vielmehr als nicht verkehrsfähig und es stellt sich das Problem der Verwertung bzw. Entsorung dieser Partien (Verfütterung von rohen oder gedämpften Knollen, energie- und kostenaufwändige thermische Vernichtung, in bestimmten Fällen industrielle Verarbeitung). Auf Grund mangelnder Kapazitäten und logistischer Probleme kommt es bei der Entsorgung häufig zu Engpässen, so dass der letzte Ausweg tiefes Vergraben in Deponien ist.
Industrielle Abfälle stellen ein phytosanitäres Risiko dar
Jährlich fallen in Deutschland zwischen 3 und 4 Millionen Tonnen Rückstände wie Schälreste, Gewebswasser, Schlempe bei der industriellen Verarbeitung von Kartoffeln zu Stärke, Veredelungsprodukten und Alkohol an. Dazu kommen weitere Abfallstoffe wie Resterden mit organischen Beimengungen, Wasch- und Prozesswasser. Im Sinne einer nachhaltigen, integrierten Produktion und Kreislaufwirtschaft werden organische Verarbeitungsrückstände häufig wieder auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht. Laut umfangreichen Recherchen von Steinmöller (2004) müssen aber Abfälle aus der verarbeitenden Industrie in Abhängigkeit von den Verarbeitungsschritten, der Art der Abfälle sowie deren Behandlung durchaus als risikoträchtig für die Verbreitung von Quarantäne-Schadorganismen eingestuft werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn während der Verarbeitung Hitzeschritte unterbleiben und die Rückstände und Abfälle direkt auf landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgebracht werden (Risikostufe 4 der 4-stufigen Skala: „hohes Verschleppungsrisiko“). Die Abfälle entsprechen somit nicht der Forderung der Bioabfallverordnung (BioAbfV) und des Düngemittelgesetzes (DüMG) nach der phytohygienischen Unbedenklichkeit von Abfällen. Vor einer weiteren Verwendung sind deshalb die Abfälle so zu behandeln, dass ihre seuchen- und phytohygienische Unbedendklichkeit sichergestellt ist.
Biogasanlagen - eine interessante Alternative
Biogasanlagen bieten die Möglichkeit der angemessenen, wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung nicht verkehrsfähiger Befallspartien sowie der Entsorgung risikoträchtiger Bioabfälle und organischer Reststoffe. Beim Einbringen dieser Substrate in Biogasanlagen müssen jedoch grundsätzlich auch die Aspekte der Ökologie und Hygiene berücksichtigt werden, die hinsichtlich ihrer Risiken für Mensch, Tier, Pflanzen und Umwelt zu bewerten sind. Schädliche Auswirkungen sind in jedem Fall zu vermeiden. Dies gilt insbesondere auch beim Einschleusen von Pflanzenmaterial, das mit Quarantäne-Schadorganismen kontaminiert ist: Auf Grund der bei Quarantäne-Schadorganismen geltenden „Null-Toleranz“ muss sichergestellt sein, dass Gärrückstände (Feststoffpfad) sowie das anfallende Abwasser (Wasserpfad) absolut frei von infektiösen Quarantäne-Schadorganismen sind. Ferner werden die Emissionen der einzelnen Pfade durch verschiedene Gesetze und Verordnungen begrenzt; z.B. wird sowohl im Düngemittelgesetz (DüMG)und der Düngemittelverordnung (DüMV) wie auch in der Bioabfallverordnung (BioAbfV) die hygienische Unbedenklichkeit von wieder ausgebrachten Stoffen bzw. Abfällen verlangt.
Daraus ergeben sich Probleme beim Einbringen von Befallspartien sowie kontaminierter Abfälle und Reststoffe in Biogasanlagen, da derzeit noch Unsicherheiten darüber bestehen, inwieweit die in Biogasanlagen ablaufenden biologischen und biochemischen Prozesse tatsächlich zu einer vollständigen Hygienisierung führen.