Forschungs- und Innovationsprojekt
Gülleansäuerung
Bewertung von pH-Wert senkenden Systemen durch Ansäuerung zur Verringerung der Ammoniakemissionen in Stall und Feld
Mithilfe des aus Dänemark bekannten Verfahrens der Ansäuerung von Gülle wird versucht, durch Zugabe von Säure (z. B. Schwefelsäure), den pH-Wert der Gülle zu senken und die Ammoniakemissionen bereits im Stall zu mindern. Dadurch könnte die umweltbelastende Wirkung von Ammoniak reduziert, sowie die Düngeeffizienz im gesamten Nährstoffkreislauf erhöht werden. Inwiefern ein Ansäuerungsverfahren im Stall auch unter den bayerischen Betriebsverhältnissen und Strukturbedingungen etabliert werden kann, wurde nun an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft untersucht.
Hintergrund des Projektes
Die Ansäuerung von Gülle im Stall ist gemäß der Richtlinie 2010/75/EU als „beste verfügbare Technik“ zur Minderung von Ammoniakemissionen gelistet. So können nach VERA mit dieser Technologie die Ammoniakemissionen um 64 % in Mastschweineställen gemindert werden. Das Verfahren der Ansäuerung beruht auf einer Senkung des pH-Wertes. Durch eine Zugabe von Säure wird der pH-Wert des Wirtschaftsdüngers gesenkt und das Ammonium/Ammoniak Gleichgewicht in Richtung Ammonium verschoben. Folglich werden Ammoniakemissionen reduziert. Dazu wird überwiegend Schwefelsäure verwendet. Die Gülle wird im Stall, bei der Lagerung oder während der Ausbringung angesäuert. Bei der Ansäuerung in Mastschweineställen wird die Gülle aus dem Stall in einem Mischbehälter gepumpt. Dort erfolgt unter ständigem Rühren die Säurezugabe. Anschließend wird ein Teil der Gülle zurück in den Stall, der andere ins Lager geleitet.
Bisher findet die Ansäuerung von Gülle überwiegend in Dänemark eine breite Anwendung. Gerade im Zuge der neuen NEC-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2016/2284), die eine Senkung der Ammoniakemissionen um 29 % gegenüber dem Referenzjahr 2005 für Deutschland vorsieht, wäre die Ansäuerung von Gülle aufgrund ihres hohen Reduktionspotentials eine denkbare Minderungstechnologie um den Zielwert der NEC-Richtlinie einen Schritt näher zu kommen. Fraglich ist, ob sie auch unter den bayerischen Strukturbedingungen und Betriebsverhältnissen etabliert werden kann.
Ziel des Projektes
Mithilfe einer Machbarkeitsstudie und begleitenden Versuchen wurden im Projekt folgende Fragestellungen bearbeitet:
- Wie ist das Interesse an Ansäuerungssystemen im Stall in Deutschland?
- Welche Einflussparameter (z.B. Pufferkapazität) gilt es bei der Ansäuerung von Wirtschaftsdüngern unterschiedlicher Herkunft zu beachten?
- Gibt es Alternativen zu Schwefelsäure, um die Gefahren im Umgang mit Säuren zu minimieren?
- Gibt es eine erhöhte Freisetzung von Schwefelwasserstoff bei der Säurezugabe?
- Welche Auswirkung hat eine mit Schwefelsäure angesäuerte Gülle auf das Gasbildungspotential in Biogasanlagen?
- Wie wirkt sich die angesäuerte Gülle auf den Beton von Güllebehältern und –kanälen aus?
- Welche rechtlichen Konsequenzen müssen bei der Anwendung angesäuerter Güllen im landwirtschaftlichen Betrieb beachtet werden?
Methode des Projektes
Mithilfe einer Onlineumfrage wurde das Interesse an Ansäuerungsverfahren im Stall bei Personen mit landwirtschaftlichem Hintergrund ermittelt. Zur Ermittlung der benötigten Säuremenge zur Senkung des pH-Wertes von Wirtschaftsdüngern unterschiedlicher Herkunft wurden Titrationsversuche durchgeführt. Des Weiteren wurde die Bildung von Schwefelemissionen im Batchsystem während der Ansäuerung, sowie innerhalb von sechs Stunden nach der Güllebehandlung bei Rinder- und Schweinegülle untersucht. Daneben wurden alternative Säuren (Zitronensäure, Milchsäure) hinsichtlich der benötigten Menge zur Senkung des pH-Wertes bei Rinder- und Schweinegülle geprüft. Batchversuche wurden außerdem zur Ermittlung des Biogas- und Methanertrags bei einer Ansäuerung von Rindergülle auf unterschiedliche pH-Werte und mit unterschiedlichen Sulfatgehalten vollzogen. In Zusammenarbeit mit der TU München wurde die Auswirkung von angesäuerter Gülle auf unterschiedliche Betonmischungen, die üblicherweise für Güllebehälter und –kanäle verwendet werden geprüft. Für das LVFZ Schwarzenau wurde ein Angebot für eine Ansäuerung im Schweinestall erstellt. Daneben wurden rechtliche Rahmenbedingungen wie JGS-Status und Düngemittelverordnung miteinbezogen.
Ergebnisse des Projektes
Starkes Interesse und große Schwankungen bei den Wirtschaftsdüngern
Personen mit größtenteils landwirtschaftlichem Hintergrund zeigten großes Interesse an der Technologie. So gaben 86 % der Teilnehmer an, dass sie die Technologie befürworten oder zumindest neutral eingestellt sind.
Die Titrationsversuche ergaben, dass Rindergülle signifikant weniger Schwefelsäure zur Senkung des pH-Wertes im Vergleich zu Schweinegülle und Gärrest benötigt. Dabei fand sich bei Schweinegülle und Gärrest eine große Streuweite in der benötigten Säuremenge. Hier empfiehlt sich eine vorab Titration des Wirtschaftsdüngers zur Ermittlung der erforderlichen Säuremenge und der variablen Kosten.
Daneben konnten bei der kurzzeitigen Ansäuerung von Rinder- und Schweinegülle erhöhte Schwefelemissionen bei der Güllebehandlung im Vergleich zu sechs Stunden nach der Säurezugabe ermittelt werden. In der Praxis wird deshalb die Ansäuerung außerhalb des Stalls durchgeführt. Die Schwefelemissionen waren signifikant höher bei der Ansäuerung von Schweinegülle. Hier zeigten sich auch deutliche Unterschiede zwischen dem Ziel-pH-Wert. Bei kontinuierlich gerührter Rindergülle unterschieden sich die Schwefelemissionen während der Ansäuerung nicht von unbehandelter Gülle. Wird Zitronensäure (50 %) oder Milchsäure (80 %) zur Reduzierung der Schwefelwasserstoffbildung verwendet, sind die Aufwandmengen und damit die variablen Kosten deutlich höher.
Zoombild vorhanden
Biogasertrag der angesäuerten Varianten im Vergleich zur unbehandelten Gülle
Batchversuche ergaben, dass bei einer nur über wenige Wochen angesäuerten Gülle eine Erhöhung des Biogasertrags möglich ist. Allerdings kann bei einer Langzeitansäuerung und einer damit verbundenen Hemmung der mikrobiellen Aktivität, der Biogas- und Methanertrag auch deutlich sinken. Anteile von 10-20 % angesäuerter Gülle am Gesamtsubstratanteil sollten folglich nicht überschritten werden.
Bewehrungsstahlkorrosion bei sachgemäßer Anwendung kein Thema
Gülle kann durch ihren Säure- und Sulfatgehalt Schäden an den verwendeten Betonlagerbehältern und –güllekanälen verursachen. Das Schädigungspotential der angesäuerten Gülle war aber im Vergleich zur unbehandelten Gülle nicht signifikant höher. Für Neubauten werden jedoch aufgrund des höheren Sulfatgehaltes von angesäuerten Güllen höhere Anforderungen an die Qualität des Betons gestellt werden (Steigerung der Expositionsklasse von XA1 auf XA3).
Die Machbarkeitsstudie zum Einbau eines Ansäuerungssystems in einen Mastschweinestall zeigte, dass u.a. aufgrund von zusätzlichen Arbeitssicherheitsmaßnahmen hohe Investitionskosten entstehen können. Wie viele Technologien zur Verminderung von Emissionen könnte dies folglich gerade für kleine und mittlere Betriebe zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Fabian Lichti
Projektbearbeitung: Susanne Höcherl
Laufzeit: 01.03.2017-31.12.2019
Projektpartner: AQU 1; Centrum für Baustoffe und Materialprüfung, TU München.
Finanzierung: Bayerisches Staatministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: A/17/03