Rückblick: Info-Tag "Hofeigene Heubelüftungsanlagen", 2016

Fütterung mit Belüftungsheu

Das Institut für Landtechnik und Tierhaltung der LfL veranstaltete am 16. März 2016 in Grub zum zweiten Mal einen Informationstag zum Thema „Hofeigene Heubelüftungsanlagen“. Viele Betriebsleiter wollen in eine hofeigene Heubelüftung investieren. Dabei stellen sich viele Fragen, z. B. nach den technischen Möglichkeiten für die Belüftung von Heu unter Dach, diesmal mit Augenmerk auf Rundballenbelüftungen, nach den Auswirkungen auf den Arbeitsablauf am gesamten Betrieb sowie nach der Qualität und der richtigen Fütterung des Grundfutters Belüftungsheu als auch nach Milchvermarktungsmöglichkeiten. Diese Fragestellungen mit Chancen und Risiken wurden von Vortragenden aus Forschung und Praxis erörtert. Im Anschluss an die Vorträge haben wir viele namhafte Vertreter der Belüftungstechnik in einer Ausstellung unter ein Dach gebracht. Hier konnten Sie sich als Besucher umfassend und auf kurzen Wegen informieren und diskutieren.

Zusammenfassungen der Vorträge

Bericht über bayerische Betriebe mit hofeigenen Heubelüftungsanlagen
Einleitung

Der Import von v.a. Sojaprotein aus Übersee für die Fütterung von Nutztieren wird zunehmend kritisch gesehen. Vor allem im Bereich der Rinderfütterung ist Sojaextraktionsschrot nicht zwingend für eine ausgeglichene Ration notwendig und kann vollständig durch heimisch erzeugten Rapsextraktionsschrot oder noch besser durch hochwertiges Grundfutter ersetzt werden. Ein Weg zu einer höheren Grundfutterleistung ist der Einsatz von getrockneten Grasprodukten. Seit Anfang 2013 bis März 2015 war daher am Institut für Landtechnik und Tierhaltung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft im Zuge des Aktionsprograms Aufbruch Bayern die Bayerische Eiweißinitiative angesiedelt. Das Ziel der Initiative zur „Verbesserung der Eiweißeffizienz aus heimischer Landwirtschaft“ war es, neben Forschungsprojekten zum Einsatz von heimischen Eiweißträgern auch den Wissenstransfer über den Einsatz von heimischen Eiweißträgern in der Praxis zu verbessern. Seit April 2015 wird im Rahmen eines Nachfolgeprojekts „Effiziente Heubelüftung“ das Thema „hofeigene Heubelüftungsanlagen“ detaillierter bearbeitet. Dazu wird zum einen in einer Versuchsheubelüftungsanlage am Standort Hübschenried verschiedene Technik getestet und zum anderen wird auf Praxisbetrieben die arbeitswirtschaftliche Auswirkung durch die Umstellung auf Belüftungsheu untersucht. Der folgende Beitrag stellt die Ergebnisse zur Verfahrenstechnik bei der Heubelüftung sowie zur Futterqualität von Belüftungsheu aus dem Wissenstransferprojekt dar.

Vor- und Nachteile des Produktionsverfahrens Belüftungsheu

Die Einbringung des Heus unter Dach erfolgt bei einem Soll-Trockenmassegehalt von ca. 60%. Das ist oft mit einer sogenannten „einsonnigen“ Ernte möglich. Das heißt, das Erntegut wird einen Tag lang an der Sonne vorgetrocknet, so dass möglichst viel Wasser entzogen wird. Durch die kurze Feldliegezeit kann das Risiko durch Wettereinfluss reduziert werden. Aufgrund der somit verkürzten Erntedauer im Vergleich zum Bodenheu können optimale Bedingungen bezüglich Bodenfeuchte und Befahrbarkeit des Bodens (Bodenverdichtung und Futterverschmutzung) auch bei kurzen Erntefenstern besser umgesetzt werden. Die Mahd von Grünlandbeständen erfolgt für Belüftungsheu, ähnlich wie bei Silage, in einem frühen Entwicklungsstadium von Ende Schossen bis Beginn Ährenschieben, wodurch niedrigere Rohfaser (XF)-Gehalte und gleichzeitig höhere Rohprotein (XP)-Gehalte erzielt werden können, was wiederum einen höheren Gehalt an pansenstabilem Rohprotein (UDP) bedeutet. Ein Trockenmassegehalt bei der Werbung von ca. 60% bedeutet, dass das Heu oder das Grummet nicht so stark getrocknet wurde, dass Blüten- und Blattteile vom Trockengut abfallen oder abbröckeln. Erst ab einem Trockenmassegehalt von mehr als 60% steigen die Bröckelverluste bei weiteren mechanischen Eingriffen sehr stark an. Weniger Bröckelverluste ergeben einen höheren „realisierten“ Ertrag/ha und steigern die XP-Gehalte des Futters. Ein weiterer Vorteil der Belüftung, wir gehen weitgehend von Warmbelüftung aus, ist der Erhalt der ätherischen Öle und der lichtempfindlichen Farbstoffe. Das Futter bewahrt seinen angenehmen Geruch und ist deutlich geringer mit Verderb anzeigenden Schimmelpilzen belastet als Bodenheu. Daher wird es sehr gerne gefressen, was höhere Futteraufnahmen bei Milchkühen belegen (Fasching et al. 2015). Da Belüftungsheu sehr gering mit sporenbildenden Bakterien belastet ist, finden sich solche geringen Keimbelastungen auch in der Milch. Die Vorteile der Verwendung von Heumilch besonders in der traditionellen Hartkäseherstellung sind bekannt. Dem gegenüber stehen allerdings hohe Investitionskosten für die Errichtung von Bergehallen und die notwendige technische Ausstattung. Meist ist die Belüftungsfläche der limitierende Faktor und die Erntemenge muss darauf abgestimmt werden. Das heißt, dass pro Schnitt meist zwei- bis dreimal gemäht werden muss, was einen hohen Arbeitszeitaufwand für die Ernte bedeutet.

Wirtschaftlichkeit

Während der Laufzeit des Wissenstransfer-Projekts „Hofeigene Heubelüftungsanlagen“ konnten nur einzelne, mündlich überlieferte Angaben zu Investitionen und laufenden Kosten erfragt werden. Da die befragten Betriebe mit unterschiedlichen Systemen arbeiten und in verschiedenen Regionen beheimatet sind, war ein Vergleich nicht zielführend. Es gibt von der LfL ein Online-Werkzeug zur besseren Vergleichbarkeit verschiedener Verfahren zur Heubelüftung. Die dieser Datenbank zugrunde liegenden Daten sollen im Zuge des Folgeprojekts „effiziente Heubelüftung“ ergänzt werden. Im „Deckungsbeitragsrechner“ stehen während der Anwendung "Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten" verschiedene Szenarien zur Verfügung. Der Deckungsbeitragsrechner ist aufrufbar unter:

https://www.stmelf.bayern.de/idb/belueftungsheu.html Externer Link

Seit Ende 2014 besteht die Möglichkeit einer Förderung für Investitionen in betriebliche Heu-Belüftungstrocknungen mit angewärmter Luft auf Basis regenerativer Energien. Über das Bayerisches Sonderprogramm Landwirtschaft (BaySL) sind Investitionen in Warmluft-Solarkollektoren (Unterdachabsaugung) zur Warmlufterzeugung, Wärmespeicher (Kiesspeicher, Wasserspeicher), Wärmetauscher, Luftentfeuchter, Ventilator (Radiallüfter), Steuerungs- und Messeinrichtungen, Krananlagen (schienengeführter Hängedrehkran) zur Beschickung und Entnahme, Boxenbau und den Bau von Kanälen und Luftauslässen für Rundballenanlagen förderfähig. Die Nutzung von Abwärme (z.B. Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Blockheizkraftwerk) ist zulässig und eine Förderung situationsabhängig ab Wärmetauscher möglich. Zu erwähnen ist, dass kein Zusammenhang mit der Einzelbetrieblichen Investitionsförderung (EIF) besteht, daher sind keine „de minimis“ Gelder anrechenbar. Die Förderung nach BaySL ist unabhängig vom KULAP 2016 für Heumilch (B 50). Die maximale Förderung beträgt 25% der Netto-Investitionssumme von maximal 100.000 Euro. Die Förderung einer betrieblichen Heu-Belüftungstrocknung kann nur nach Beratung und positiver Stellungnahme durch einen Landtechnik-Fachberater des zuständigen Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) erfolgen. Dabei ist auch zu dokumentieren, dass es sich um keine Ersatzinvestition handelt. Zuständig für die Antragsannahme und -bearbeitung sind die EIF-Fachzentren Abendsberg, Kulmbach, Weiden und Weilheim.

Zusammenfassung

Im Rahmen des Projekts „Erzeugung von hochwertigem Grundfutter in hofeigenen Heubelüftungsanlagen“ soll ein Pilotbetriebe-Netzwerk in Bayern aufgebaut und der Wissenstransfer zum Thema Heubelüftung in die Praxis vorangetrieben werden. Ziel des Projekts ist das Sammeln und Erstellen einer belastbaren Datengrundlage zu den Umsetzungsmöglichkeiten einer hofeigenen Heubelüftungsanlage. Damit soll erreicht werden, dass das Grundfutter effizienter genutzt wird vor allem im Hinblick auf das heimisch erzeugte Futtereiweiß. Der Wissenstransfer soll zu den Punkten Technik, Ökonomik und Verfahrensablauf mittels Beratungsempfehlungen, die in Form von Flyern oder im Internet zur Verfügung gestellt werden sowie über Informationsveranstaltungen an den Betrieben, durchgeführt werden. Bei den bisher besichtigten 35 Heubelüftungsanlagen setzen alle Betriebe, die keine kostengünstige Abwärme von z.B. einem biogasbetriebenen BHKW nutzen können, die solare Luftanwärmung über eine Unterdachabsaugung ein und kombinieren dies mit einem Entfeuchter für die effiziente Belüftung über Nacht. Sofern Abwärme, in der Regel über Kraft-Wärme-Kopplung, zur Verfügung steht wird die Außenluft über einen Wärmetauscher angewärmt und mittels Radiallüfter in den Heustock oder zu den Heuballen geblasen. Generell ist bei den Lüftern und Entfeuchtern auf eine hohe Effizienz zu achten, da in Bayern die Strompreise relativ hoch sind. Die Qualität des Belüftungsheus aus dem Jahr 2013 und 2014 liegt trotz der witterungsbedingt sehr schwierigen Erntebedingungen auf einem guten Niveau. Bemerkenswert ist der niedrige mikrobielle Besatz.

Referentin: Susanne Jakschitz-Wild, LfL, Institut für Landtechnik und Tierhaltung

Bericht aus der Praxis: Rundballenbelüftung mit Kraft-Wärme-Kopplung

Im Umkreis der Hofstelle von Familie Franzl wurden mehrere Biogasanlagen gebaut. Es hatte jedoch noch keiner ein vernünftiges Wärmekonzept. Deshalb kamen Nikolaus Franzl und seine Frau Brigitte auf die Idee Heu zu Trocknen. Dieses Konzept der Wärmenutzung haben sie dann umgesetzt und betreiben nun seit 2006 eine Rundballentrocknung. Ein Freund aus der Nachbarschaft hatte ihnen eine bestehende Halle verpachtet und sich bereiterklärt die Wärme zum Heutrocknen bereitzustellen. Dort werden zusätzlich zu den 21 Auslässen am Hof weitere 24 Auslässe für Rundballen und Scheitholz zum Trocknen verwendet. Für Rundballen hat sich Familie Franzl wegen der einfacheren Transportmöglichkeit entschieden, da die hofeigene Heulagerhalle zwei Kilometer von der Belüftungsanlage entfernt liegt. Die betriebseigene Heubelüftungsanlage wird mit Fernwärme der gleichen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) betrieben. 2008 wurde der Betrieb auf biologischen Landbau umgestellt. Zum Betrieb gehören 30 ha Grünland - die arrondierte Fläche von 9 ha wurde als Weidefläche eingesät (Kurzrasenweide) und die Kühe auf saisonale Abkalbung umgestellt. Die Abkalbezeit ist von Ende Oktober bis Mitte Januar. Die Siloanlagen aus dem Jahr 1989 werden nach wie vor für Silage verwendet. Die Milchleistung der 50 Kühe liegt bei gut 7000 kg. Im Sommer wird neben der Kurzrasenweide die Ration mit Belüftungsheu und Kraftfutter ergänzt. Die Sommermilch wird von einer mobilen Käserei zu hauptsächlich Schnittkäse verarbeitet und direkt am Hof verkauft. Im Winter erhalten die Kühe Silage, Belüftungsheu und Kraftfutter. Die Futtervorlage des Belüftungsheus
erfolgt dabei recht einfach und schnell mit einem Rundballenauflöser, der an einen Gabelstapler angebaut ist, direkt auf den Futtertisch. Bemerkenswert ist, dass sich die Gesundheit der Kühe deutlich verbessert hat und das Fell glänzt. Obwohl die Heuernte auch nicht gerade weniger Arbeit ist, hat Familie Franzl den Schritt zur Teilumstellung auf Belüftungsheu nicht bereut und sieht für Ihren Betrieb optimistisch in die Zukunft.

Referent: Nikolaus Franzl, Landwirt

Einfluss von getrocknetem Grünfutter in Rationen für Milchkühe auf Futtereffizienz und Tiergesundheit

Die wichtigsten Trockengrobfutter aus Grünfutter sind Heu und gehäckseltes Trockengrünfutter. Im alten Sprachgebrauch wurde dazu „Rauhfutter“ gesagt. Während Heu in Bodentrocknung bzw. in Kaltbelüftung (Unterdachtrocknung) gewonnen wird, ist Trockengrünfutter Grünfutter, das mit Warm- oder Heißluft (unter Dach) und evtl. bei Einsatz von Entfeuchtern und mit moderner Mess- und Steuerungstechnik getrocknet wird und in gehäckselter Form vorliegt. Aufgrund der niedrigen Konservierungsverluste (hohe Flächenproduktivität) und futterqualitativer Vorzüge wird das Trockengrünfutter in Rationen für gesunde Kühe mit optimaler Leistung an Bedeutung gewinnen. Trockengrünfutter hat in der Ration für Rinder folgende Funktionen:

Beitrag zur Strukturwirksamkeit der Ration

Die Faserfraktionen von gehäckseltem Trockengrünfutter (NDF, ADF, Rohfaser) sind voll strukturwirksam, d.h. ihr analytisch bestimmter Gehalt kann mit dem Strukturfaktor 1 multipliziert werden. Der Tagesbedarf einer Kuh mit 650 kg Lebendmasse von 2600 g strukturwirksame Rohfaser bzw. 2800 g strukturwirksamer ADFom kann also mit etwa 10 – 12 kg TS / Tier und Tag aus gehäckseltem Trockengrobfutter gedeckt werden. Es muss beachtet werden, dass getrocknetes Grünfutter, welches anschließend gemahlen und pelletiert wird, trotz des Faseranteiles praktisch keine Strukturwirksamkeit besitzt.

Bereitstellung von Zellulose zur Energieversorgung.

Zellulose ist der Nährstoff, der die höchsten Erträge bringt. Bei einem Gehalt von 200 – 300 g je kg TS können unter unseren Bedingungen bis 50 dt Zellulose /ha erzeugt werden. Die Zellulose besteht aus Glukosemolekülen, die ß-glukosidisch zu langen Ketten miteinander verknüpft sind. Die Pansenbakterien sind in der Lage diese Verbindung zu lösen, es entsteht Glukose, die zu Essigsäure vergoren wird, die Essigsäure wird durch die Pansenwand resorbiert und liefert im Stoffwechsel Energie. 60 – 80 % des Energiebedarfes wird durch den Wiederkäuer auf diesem Weg gedeckt. Die Nutzung von Zellulose ist nur durch Wiederkäuer möglich.

Nutzung des hohen Rohproteingehaltes und der spezifischen Proteinwirkung

In Abhängigkeit vom Vegetationsstadium liegt der Rohproteingehalt zwischen 150 – 180 g je kg TS, bei getrocknetem Grünfutter aus Klee oder Luzerne auch über 200 g. Im Gegensatz zur Silierung fällt hier der Vorgang der Umsetzungen von Reineiweiß zu NPN – Verbindungen (Proteolyse) weg, so dass ein höherer Reineiweißanteil in getrocknetem Grünfutter vorhanden ist. Besonders wichtig ist, dass das Risiko des Auftretens von Nebenprodukten bei hohen Trocknungstemperaturen steigt. Bei der Heißlufttrocknung kommt hinzu, dass ein Teil des Rohproteins in eine Form umgewandelt wird, die nicht durch Bakterien im Pansen zu Ammoniak abgebaut werden kann. Dieser Anteil von Durchflussprotein (UDP) spielt besonders bei Milchkühen mit hohem Leistungsniveau eine erhebliche Rolle und spart evtl. den Zukauf pansengeschützter Eiweißfuttermittel ein.

Wirkung spezifischer Inhaltsstoffe in Abhängigkeit von der Futtermittelart

Hier ist u.a. besonders der höhere Gehalt an ß-Carotin, Vitamin E und in Abhängigkeit von Gräserart und Witterungsverlauf der Gehalt an wasserlöslichen Kohlenhydraten (Zucker + Fruktane) zu nennen. Das Zusammenwirken dieser Faktoren kann zu einer stabilisierenden Wirkung der getrockneten Grünfuttermittel in der Ration führen, die für die Gesundheit und Leistungsbereitschaft der Milchkühe bedeutungsvoll ist. Trockenprodukte aus Grünfutter sind geeignet, das Risiko einzuschränken, das bei Einsatz nicht einwandfreier Silagen für die Gesundheit der Tiere auftritt. Beim Trockengrünfutter spielen neben der ernährungs-physiologischen Wirkung energie- und nährstoffökonomische Aspekte (z.B. Flächen-produktivität) eine positive Rolle. Trockengrünfutter wird in erster Linie als Alternative zu Grassilage in Anteilen von 10 – 100 % des Grobfutteranteils in Milchkuhrationen eingesetzt.

Referent: Prof. Dr. Manfred Hoffmann, ehem. Sächsischer Landeskontrollverband e.V.

Einfluss der silofreien Fütterung auf die Milchinhaltsstoffe
Geschichte der silofreien Milch

Langgereifte Hartkäse aus Rohmilch wie Emmentaler, Bergkäse, Parmesan, Gruyere, Comte und andere mehr stellen die höchsten Anforderungen an die Milch. Schon um 1900 wurden in den Erzeugungsgebieten dieser Käsesorten Vorschriften für die silofreie hartkäsetaugliche Milch erlassen. Der Kernpunkt aller Milchregulative war und ist das Verbot von Silage. Aus diesen Vorschriften entstanden in Österreich nach dem zweiten Weltkrieg die Milchregulative der Bundesländer Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Ähnliche Milchregulative gibt es auch im Allgäu, der Schweiz, Italien und Frankreich. Im Jahr 1975 wurden in Österreich die Bestimmungen für silofreie Milch festgelegt. Die besondere Qualität dieser Premiummilch wurde mit einem Zuschlag abgegolten. Nach dem EU-Beitritt im Jahr 1995 wurden die Bestimmungen für silofreie Milch in die Lieferverträge übernommen. Bei der Gründung der Österreichischen ARGE Heumilch im Jahr 2004 wurde die silofreie hartkäsetaugliche Milch in „Heumilch“ umbenannt und das österreichische Heumilchregulativ beschlossen. Am 5. März 2016 wurde der Heumilch das EU-Gütesiegel „garantierte traditionelle Spezialität“ verliehen. Die silofreie Fütterung und die silofreie Milch sind die ursprüngliche und traditionelle Art der Milchproduktion und keine vom Marketing erfundene Idee.

Käsereischädliche Clostridiensporen

Die Clostridiensporen, oft auch „Buttersäurebazillen“ genannt, sind Dauerformen, die sehr widerstandsfähig gegen Hitze sind und die Pasteurisierung der Milch überstehen. Bei der Herstellung von Silage gelangen Clostridien aus dem Boden in das Futter und können sich während der Gärung und Lagerung in Abhängigkeit von den Bedingungen vermehren. Bei der Heugewinnung und Lagerung ist auf Grund der vorhandenen Luft und dem geringen Wassergehalt keine Vermehrung der „luftscheuen“ Clostridien möglich. Die Clostridiensporen gelangen vor allem über die Kotverschmutzungen der Euteroberfläche in die Milch. Das Hauptproblem der Standardmilch mit Silagefütterung ist der relativ hohe Anteil von Grassilagen mit Buttersäuregärung. Bei Maissilage kommt es nach neuesten Untersuchungen zu einer Vermehrung nach dem Öffnen des Silos. So sind auch bei der Verfütterung von Maissilage erhöhte Werte von Clostridiensporen im Futter der Milchkühe zu finden. Bei silofreier Fütterung liegen die Werte an käsereischädlichen Clostridiensporen unter der technologischen Störgrenze von 200 pro Liter Milch, während bei Verfütterung von Silage bis über 10.000 pro Liter nachzuweisen sind. Die käsereischädlichen Clostridiensporen bewirken bei Hart- und Schnittkäsen schwere Lochungs- und Geschmacksfehler. Bei der Verarbeitung von Standardmilch mit Silagefütterung müssen die Clostridiensporen durch Zentrifugation oder Filtration entfernt oder ihre Entwicklung durch Zugabe von Konservierungsmittel – Nitrat, Lysozym - verhindert werden. Silofreie Milch kann ohne diese physikalische Behandlung und ohne Konservierungsmittel zu Käse verarbeitet werden.

Listerien

Die hauptsächliche Quelle für Listerien in der Milch ist die Verfütterung von Silage mit zu geringer Säuerung und Fehlgärungen. Bei der Lagerung von Heu ist auf Grund des geringen Wassergehaltes keine Vermehrung von Listerien möglich. Listerien sind daher in silofreier Milch nur sehr selten nachzuweisen. So war in 201 Proben silofreier Milch die pathogene Art Listeria monocytogenes nicht nachweisbar. In Standardmilch mit Silagefütterung sind laut Literatur etwa 5 % der Proben Listeria monocytogenes positiv. Für Rohmilch-Weichkäse wird daher häufig silofreie Milch verwendet.

Omega 3-Fettsäuren

Kreislauferkrankungen und Entzündungen beteiligt. Neueste Untersuchungen berichten, dass die Omega-3 Fettsäuren der Milch auch zum Schutz vor Asthma beitragen. Schon vor über 20 Jahren haben wir an der BAM Rotholz den Einfluss der Fütterung auf das Fettsäurespektrum der Milch untersucht. Im Jahr 2010 wurde in Österreich von insgesamt 132 Proben Heumilch bzw. Heumilchkäse das Fettsäurespektrum bestimmt. Als Vergleich wurden 12 Milchproben von Standardmilch mit Silagefütterung untersucht. Die Werte der Heumilch und der Standardmilch entsprechen der Literatur. Alle Werte der Heumilch überstiegen den Maximalwert der Standardmilch. Im Durchschnitt waren die Werte der Heumilch rund doppelt so hoch (1,84fach). Die Werte der Heumilch sind im Durchschnitt auch höher als die Werte, die für Bio-Milch in der Literatur angegeben sind. Der Unterschied zwischen Heumilch und Standardmilch mit Silage ist in der Hauptsache auf den Einsatz von Maissilage zurück zu führen. Wichtig ist auch das Verhältnis von Omega- 6 zu Omega- 3 Fettsäuren. Es soll laut Empfehlung der Ernährungsgesellschaften 5:1 betragen. In Österreich und Deutschland geht man zurzeit von einem Verhältnis 8:1 aus. Das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren, das möglichst eng sein soll, war bei der Heumilch im Durchschnitt nur die Hälfte des Wertes der Standardmilch. Die Werte der Omega-6 Fettsäuren unterschieden sich zwischen den beiden Milcharten nur unwesentlich.

Konjugierte Linolsäuren: CLA

Die konjugierten Linolsäuren kommen in der Hauptsache in Fleisch- und Milchprodukten von Wiederkäuern vor. CLA werden folgende positiven gesundheitlichen Auswirkungen zugesprochen: antioxidativ und antikarzinogen, Reduktion des Körperfettanteils bei gleichzeitiger Erhöhung des Muskelanteils und Verbesserung der Cholesterinwerte. Diese positiven Auswirkungen sind allerdings bislang nicht sicher bewiesen. Die Werte der Heumilch und der Standardmilch entsprechen der Literatur. Im Durchschnitt waren die Werte der Heumilch rund doppelt so hoch (1,89fach). Auch bei den CLA ist der Unterschied zwischen Heumilch und Standardmilch mit Silage in der Hauptsache auf den Einsatz von Maissilage zurück zu führen.

Carotin-Gehalt

Allgemein bekannt ist, dass das Grundfutter durch den Carotin-Gehalt die Farbe des Milchfettes beeinflusst. Junges Grünfutter bewirkt gelbes Milchfett, während bei der Heufütterung im Winter das Milchfett mehr weiß wird. Durch die heute eingesetzte schonende Unterdach-Trocknung von jungem Gras werden diese Auswirkungen stark verringert.

Geruchs- und Geschmacksfehler durch Silage

Im Rahmen des Forschungsprojektes "Einfluss der Silage auf die Milchqualität" wurde an der BAM Rotholz der Geschmack von Milch mit und ohne Silagefütterung untersucht. Dabei wurde der in der Praxis häufig beobachtete Silogeruch der Rohmilch bei Fütterung von Silage eindeutig bestätigt. Ebenso war der Anteil der Proben mit Fehlgeschmack bei der Milch mit Silagefütterung weitaus höher. Auch spätere Untersuchungen z.B. aus dem Jahre 2005 bestätigen diesen Einfluss. Dies war zu erwarten, da viele Silage - besonders bei Fehlgärungen – starke Geruchs- und Geschmacksstoffe verströmen, die von der Milch aufgenommen werden. Zusammenfassend kann man feststellen, dass im Gegensatz zur Fütterung mit Silage bei der silofreien Milch der Gehalt an käsereischädlichen Clostridiensporen unter der technologischen Störgrenze liegt, Listerien und Fehlgeschmack durch das Futter nur sehr selten auftreten und der Gehalt an ernährungsphysiologischen positiven Fettsäuren – Omega-3 und CLA – etwa doppelt so hoch ist. Bei Einsatz von Belüftungsanlagen bei der Heugewinnung sind auch die Unterschiede im Carotin-Gehalt gering.

Qualität von silofreier Milch

Die Qualität von Milch und Milchprodukten erstreckt sich über die Bereiche Verarbeitung, Hygiene, Genuß, Gesundheit, Gefühl und Umwelt. Bei allen Qualitätsbereichen kann die silofreie Milch - mit unterschiedlicher Intensität - positiv bewertet werden. So können die hygienisch sicheren Rohmilchkäse wie länger gereifte Hart- und Schnittkäse nur aus silofreier Milch hergestellt werden. Diese Käse unterscheiden sich von dem Käse aus Standardmilch durch ihren umfassenderen Geschmack. Durch die geringere Schnitthäufigkeit ist die Artenvielfalt bei der Heubereitung höher als bei der Silagewirtschaft. Die silofreie Milch ist somit die erste Wahl bei Milch und Milchprodukten, wobei die silofreie Bio-Milch den höchsten Stellenwert besitzt.

Vermarktungsstrategien

Für die silofreie Milch bieten sich die zwei Vermarktungsstrategien Direktvermarktung und Zusammenarbeit mit einer Handelskette an. Der Vorteil der Direktvermarktung ist der enge Kontakt mit dem Konsumenten und damit die Möglichkeit zu intensiver und authentischer Information. Der Nachteil ist der hohe Arbeitsaufwand. Eine Voraussetzung sind ausreichend Konsumenten in der Umgebung. Die zweite Strategie, Zusammenarbeit mit Handelsketten, wird von der österreichischen ARGE Heumilch gefahren. Da der Markt für Lebensmittel nicht ausdehnbar ist, versuchen sich Handelsketten auf der Spezialitätenund Qualitätsschiene zu profilieren. Silofreie Milch ist eine nur beschränkt verfügbare Milch-Spezialität mit mehrfachen Qualitätsvorteilen. Nach eigener Schätzung sind in Europa nur etwa 3 – 5 % als ganzjährige silofreie Milch verfügbar. Eine Voraussetzung für diese zweite Strategie sind nachvollziehbare und kontrollierte Produktionsbedingungen,wie z.B. das Regulativ für die Heumilch. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Vermarktungsstrategie ist die österreichische Heumilch: „Die Nachfrage nach österreichischen Heumilchprodukten konnte auch im Jahr 2015 gesteigert werden. Bei der weißen Palette legten Heumilchprodukte um 3,8 Prozent zu, bei der gelben Palette um 2,2 Prozent. Auch 2015 konnte die ARGE Heumilch die gesamte österreichische Heumilchmenge von 450 Millionen Kilogramm vermarkten. Der Heumilchzuschlag liegt bei mehr als 5 Cent, für Bioheumilch sind es über 15 Cent.“ (Presseausendung der ARGE Heumilch).

Zusammenfassung

Silofreie Milch, d.h. Milch, die ohne Silage und anderen Fütterungsbeschränkungen produziert wird, ist eine nur beschränkt verfügbare Milchspezialität. Die positiven
Qualitätseigenschaften dieser Milch - sehr niedriger Gehalt an Clostridiensporen, sehr selten Listerien nachweisbar, kein Futtergeruch und –geschmack von Silagen, etwa doppelt so hoher Gehalt der ernährungsphysiologisch positiven Omega-3 Fettsäuren und CLA – sind durch wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen. Außerdem kann die silofreie Milch bei den Qualitätseigenschaften Genuss, Gefühl und Umwelt punkten. Das Beispiel der österreichischen Heumilch zeigt, dass eine erfolgreiche Vermarktung möglich ist.

Referent: Dr. Wolfgang Ginzinger, Berater der ARGE Heumilch, ehem. Direktor der Bundesanstalt für Alpenländische Milchwirtschaft (BAM) in Rotholz

Bilder vom Info-Tag

v. l.: Dr. Jan Harms, Dr. Wolfgang Ginzinger, Stefan Thurner, Nikolaus Franzl, Prof. Dr. Manfred Hoffmann, Dr. Georg Wendl, Susanne Jakschitz-Wild

Referenten

Vortrag Susanne Jakschitz-Wild

Vortrag Susanne Jakschitz-Wild

Vortrag Nikolaus Franzl

Vortrag Nikolaus Franzl

Vortrag Prof. Dr. Manfred Hoffmann

Vortrag Prof. Dr. Manfred Hoffmann

Vortrag Dr. Wolfgang Ginzinger

Vortrag Dr. Wolfgang Ginzinger

Vortragssaal

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Firmenausstellung

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