Zielstellung
In der modernen Rinderhaltung hat die Hornlosigkeit eine große Bedeutung. Das Enthornen von Rindern dient in den Laufställen dem Schutz der Landwirte und auch der Tiere selbst vor Verletzungen. Wichtig ist das Enthornen für die Tiere so schonend wie möglich durchzuführen. In einer Vorstudie des Tiergesundheitsdiensts in Bayern (TGD) wurden hierzu verschiedene Behandlungsverfahren bei Kälbern beim Enthornen erprobt. Hierbei wurden vielversprechende Erfahrungen gemacht, die in dem hier vorgestellten Projekt anhand größerer Tierzahlen und zusätzlich erhobener Einflussfaktoren abgesichert werden sollten. Ziel des Projektes war es, ein praktikables Schmerzmanagement für eine tiergerechte Enthornung verbunden mit einer einfachen Umsetzbarkeit für die Landwirte zu etablieren. Dazu sollten neben der geeigneten Medikation der Tiere auch der geeignete Zeitpunkt, die praktische Umsetzbarkeit und die Handhabung und Eignung verschiedener Enthornungsgeräte geprüft werden.
Schmerzmanagement - Vorgehensweise
Insgesamt wurden 497 Kälber auf sieben Betrieben untersucht, die je nach Versuchsgruppe unterschiedliche Behandlungen erfahren haben. Das Hauptaugenmerk lag auf den Versuchsgruppen 1 und 2, in denen die meisten Kälber enthornt wurden.
- Versuchsgruppe 1: Sedierung/ Schmerzmittel/Eisspray/Enthornen
- Versuchsgruppe 2: Sedierung/Schmerzmittel/Enthornen
- Versuchsgruppe 3: Sedierung/Schmerzmittel/Lokalanästhesie/Enthornen
- Versuchsgruppe 4: Enthornen
- Versuchsgruppe 5: Sedierung/Schmerzmittel (ohne Enthornen)
- Versuchsgruppe 6: Kontrollgruppe (ohne Enthornen)
Jedes Kalb wurde unabhängig von der Versuchsgruppe nach einem gleichen Bewertungsschema beurteilt. Neben Gesundheitsparametern (Körpertemperatur, Durchfall etc.), dem Trinkverhalten und Verhaltensbeobachtungen zu verschiedenen Zeitpunkten wurden von jedem Kalb vier Speichelproben zur Cortisolbestimmung gewonnen. Die Speichelproben wurden 0,25h vor der Enthornung, direkt nach der Enthornung sowie 0,75h und 24h nach der Enthornung genommen. Anhand der Cortisolwerte und der Veränderung der Werte zwischen den Probenahmezeitpunkten sollte das Stresslevel der Kälber in den unterschiedlichen Versuchsgruppen bestimmt werden, um somit Rückschlüsse auf ein tiergerechtes Verfahren ziehen zu können. Zusätzlich zu diesen Parametern wurden bei 15 Tieren Herzfrequenzmessungen und Videobeobachtungen durchgeführt, um weitere Informationen zum Verhalten der Tiere erheben und die Cortisolwerte abgleichen zu können.
Darüber hinaus wurden bei den zu enthornenden Kälbern unterschiedliche Enthornungsgeräte eingesetzt, um deren Handhabung, Funktionsweise sowie Vor- und Nachteile bei unterschiedlich großen Hornknospen sowie Vorgehensweisen zu erheben. Zusätzlich zu den Praxistests wurden die Geräte auch im Hinblick auf ihre Wärmeentwicklung und weitere technische Eigenschaften untersucht. Jedes Gerät wurde entsprechend der Vorgaben aus der Bedienungsanleitung erhitzt und zeitgleich mit einer Wärmebildkamera gefilmt, um die Temperatur erfassen zu können.
Ergebnisse
Während der Versuchsdurchführung konnten zahlreiche Erkenntnisse gesammelt werden, auf die bei der praktischen Durchführung zu achten ist. Grundsätzlich wurden bei sedierten und mit Schmerzmittel behandelten Tieren im Mittel geringere Cortisolwerte gemessen als bei Tieren, die ohne Medikamentengabe enthornt wurden. Auch im Handling während der Enthornung hat sich gezeigt, dass das Enthornen von sedierten Tieren mit deutlich weniger Stress und Verletzungsgefahr für den Landwirt und das Tier verbunden ist. Die Tiere zeigen weniger Abwehrbewegungen als Tiere ohne Sedierung und Schmerzmittel. Auf Grund der geringeren Abwehrbewegungen kann der Enthornungsprozess selbst schneller und genauer erfolgen und es ist keine zusätzliche Fixierung der Kälber notwendig. Allerdings gibt es beim Enthornen von Kälbern, die sediert werden und ein Schmerzmittel verabreicht bekommen, einige Managementmaßnahmen zu beachten:
- Einhaltung der Wirkzeiten der Medikamente (Enthornen 15 Minuten nach der Medikamentengabe).
- Nicht mehr als 2 bis 3 Kälber direkt nacheinander spritzen und enthornen, um Wirkung der Medikamente gewährleisten zu können.
- Zu sedierende Kälber nicht ins Fressgitter sperren bzw. Öffnungen, in die die Kälber die Köpfe stecken und hängen bleiben können, verschließen wegen Erdrosselungsgefahr.
- Je nach Haltungsbedingung und Witterung sedierte Kälber vor Sonneneinstrahlung schützen bzw. vor Nässe, Kälte und Zugluft.
Gerätetests
Unabhängig von der Medikation der Kälber konnte während der gesamten Projektphase festgestellt werden, dass die Hornknospen unabhängig vom Alter und der Rasse tierindividuell sehr unterschiedlich groß sind. Die alleinige empfohlene Altersangabe der Hersteller der Enthornungsgeräte bietet daher nur bedingt Sicherheit für eine erfolgreiche Enthornung. Hier ist vor allem auf eine ausreichend große Aussparung in der Höhe für die Hornknospe im Enthornungsgerät zu achten. Bezüglich des Durchmessers der Brennköpfe liegen die meisten Geräte zwischen 17 - 20 mm. Wobei der Durchmesser des Brennkopfs im Versuch nicht der begrenzende Faktor war. Jedes Enthornungsgerät erfordert durch seine unterschiedliche Bau- und Funktionsweise Übung in der Handhabung. Als sehr wichtig hat sich die Kontrolle des durchtrennten Gewebes nach jedem Brennvorgang erwiesen. Es dürfen keine Verbindungen wie z.B. kleine Häutchen oder Ähnliches zwischen der Hornknospe und dem umliegenden Gewebe mehr bestehen, um eine erfolgreiche Enthornung gewährleisten zu können.
Fazit
Im Hinblick auf die Wärmeentwicklung der Geräte unter standardisierten Bedingungen erreichten alle gas- und netzbetriebenen Enthornungsgeräte in der in der Bedienungsanleitung angegebenen Zeit Werte über 450°C. Die akkubetriebenen Enthornungsgeräte erreichten höhere Temperaturen, wobei hier im Vergleich zu den anderen Geräten auch weniger Masse erhitzt werden muss (Metallring), die sich dementsprechend auch schneller wieder abkühlt. Außerdem schalten sich diese Geräte nach ca. 7 Sekunden automatisch wieder ab, so dass teilweise ein zweiter oder dritter Brennvorgang notwendig war, um die Hornknopse vom umliegenden Gewebe korrekt zu trennen. Für den Geräteeinsatz im Winter ist darauf zu achten, dass Gasbrenner und netzbetriebene Geräte auf Grund der niedrigen Außentemperaturen eine längere Aufheizphase benötigen.
Referentin: Ulrike Bauer, Institut für Landtechnik und Tierhaltung