Tierwohl in der Aquakultur – Untersuchungen zur Beurteilung der Belastungen für Fische in der semi-intensiven und intensiven Fischhaltung in Bayern

Im Gegensatz zu landwirtschaftlichen Nutztieren gibt es bei Fischen nur wenige Methoden zur Bestimmung des Wohlbefindens. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Tierwohls in Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit besteht ein Bedarf an grundlegenden Untersuchungen zur Einschätzung und als Argumentationshilfe für die heimische Aquakultur.

Zielsetzung

Forellenteichanlage des Instituts für Fischerei
In diesem Projekt sollten erstmalig umfassende Daten zur Belastung der Fische bei unterschiedlicher Produktionsintensität, Haltungsumwelt und verschiedenen Managementmaßnahmen gewonnen werden. Die dabei geplante, nicht-invasive Messung des Stresshormons Cortisol im Fischhaltungswasser ermöglicht eine fischschonende Untersuchung verschiedener Noxen bei extensiver, semi-intensiver und intensiver Haltung sowie bei verschiedenen Bewirtschaftungsmaßnahmen (z. B. Sortieren, Abfischen, Hältern). Daraus sollen neue Erkenntnisse zum Tierwohl bei Fischen unter den Bedingungen der teichwirtschaftlichen Praxis in Bayern gewonnen werden.

Methode

Technik: Nicht-invasive Messung des Stresshormons Cortisol im Wasser bei praxisüblicher Fischhaltung

Als geeigneter physiologischer Parameter zur Beurteilung des Stressgeschehens bei Fischen gilt u.a. das Cortisol. Cortisol ist Teil der primären Stressreaktion. Nachdem ein Stressor aufgetreten und als solcher erkannt ist, wird eine Kaskade in Gang gesetzt, an deren Ende Cortisol ins Blut abgegeben wird. Bisher wurden bei Fischen Messungen von physiologischen Normalwerten und Belastungseffekten (Stress) mittels Blutuntersuchungen durchgeführt, die allerdings aufgrund der dabei erforderlichen Handhabung (Herausnahme der Fische aus dem Wasser) für die Beurteilung von praxisüblichen Fischhaltungen und Arbeitsabläufen wenig aussagefähig sind. Darüber hinaus darf die Blutentnahme lediglich unter tierärztlicher Aufsicht erfolgen. Das Stresshormon Cortisol ist bei Fischen jedoch nicht nur im Blutplasma nachweisbar, sondern wird – ebenso wie andere Stoffwechselmetabolite – auch über die Kiemen ins Wasser abgegeben. Durch die direkte Exkretion über die Kiemen ist davon auszugehen, dass das „freie“ Cortisol mit der aktuellen Konzentration des physiologisch-aktiven Cortisols im Blutkreislauf korreliert.
Die Cortisolkonzentrationen im Wasser sind in der Regel zu gering, um sie direkt im Praxisbetrieb nachweisen zu können. Deshalb sind spezielles Verfahren der Filtration und Festphasenextraktion notwendig, um das im Wasser enthaltene Cortisol aufzukonzentrieren. Durch dieses Verfahren ist es möglich die Cortisolkonzentration im Wasser ohne Störung und Beeinflussung der Fische (Stresseffekt) zu messen. Dadurch sind wiederholte Messungen an denselben Fischen oder derselben Gruppe möglich. Auch kleine oder seltene Fische können ohne die potentiell gefährliche Blutentnahme untersucht werden.

Weitere Kriterien die unter Anderem zur Bestimmung des Tierwohls herangezogen werden:

  • Leistungsparameter (Wachstum, Futterverwertung, Korpulenz, etc.)
  • Fischverluste
  • Qualitätsparameter (z.B. Parasitierung, Fischkondition, Flossenzustand)

Ergebnisse

Cortisolabgaberate bei Forellen und Karpfen nach Stress

Abb.: Verlauf der Cortisolabgaberate nach dem Zurücksetzen von Regenbogenforellen und Karpfen. Die Werte wurden in der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls eingezeichnet.
  • Das Umfischen ganzer Bestände stellt zwar eine starke Belastung dar, einhergehend mit einer akuten Stressreaktion. Werden diese Maßnahmen jedoch fachgerecht durchgeführt, kehren die Cortisolwerte nach 1-2 Stunden (bei Regenbogenforellen und Karpfen) wieder auf den Ruhewert zurück.
  • Sowohl Ruhe- als auch Freisetzungswerte bei Stress sind nicht nur abhängig von der Fischart, sondern auch insbesondere von der Größe bzw. Altersklasse (oft höhere Freisetzung bei kleinen Fischen) sowie dem Geschlecht oder teils auch der Tageszeit (Tagesrhythmus).
  • Selbst hohe Fischdichten von 50-90 kg/m³ führten im Vergleich zu moderaten Besatzdichten von 10-20 kg/m³ nicht zu einer erhöhten Cortisolfreisetzung, wenn die Haltungsbedingen ansonsten im optimalen Bereich gehalten wurden (hoher Sauerstoffgehalt, ausreichender Durchfluss etc.).

Schlussfolgerung

Die Methodik der Cortisolmessung im Haltungswasser erwies sich insbesondere bei gut erfassbaren Haltungsbedingungen (Haltungsvolumen, Fischbestandsbiomasse, Wasserdurchlauf) als reproduzierbar und verlässlich. Für die Haltung, Handhabung (Abfischen, Sortieren) und Hälterung in den praxisüblichen Becken und Teichen am IFI Starnberg konnten anhand dieses Parameters erstmalig repräsentative Daten zur Intensität und zum zeitlichen Verlauf von akuten und chronischen Stressgeschehen bei Forellen, Saiblingen und verschiedenen Welsarten gewonnen werden. Dabei wurde festgestellt, dass insbesondere die Handhabung der Fische erhebliche Stressreaktionen verursachen, die jedoch bei fachgerechter Arbeitsweise von den Tieren in verhältnismäßig kurzer Zeit ohne erkennbare Schäden kompensiert werden können.
Das durchgeführte Projekt lieferte in diesem Zusammenhang wertvolle Ansätze zur Methodenanwendung, deren Anpassung an die Aquakulturpraxis und letztendlich eine Fülle von Messdaten und Erkenntnissen, die zur Beurteilung des Tierwohls bei Fischen herangezogen werden können.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. H. Wedekind
Projektbearbeitung: K. Lübke, Dr. H. Wedekind
Laufzeit: 08/2013-12/2016
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, aus Mitteln der bayerischen Fischereiabgabe
Förderkennzeichen: A/13/18