Die Mehrgefahrenversicherung – Der Dreiklang Landwirtschaft – Versicherung – Staat

Vom Sturm umgedrückte Maispflanzen

Foto: Vereinigte Hagel

Um die Existenzfähigkeit zu sichern, kann der Abschluss einer Mehr­gefahren­versicherung sinnvoll sein. Der Freistaat Bayern unterstützt die Landwirte dabei finanziell.

Wetterereignisse werden in Zukunft häufiger und deren Ausprägung extremer. Die landwirtschaftlichen Einkommen werden durch höhere Ertragsschwankungen zunehmend destabilisiert. Das erhöhte Risiko erfordert unter anderem Anpassungen im Pflanzenbau und höhere Liquiditätsreserven.

Probleme im Pflanzenbau durch den Klimawandel

Folgende Auflistung zeigt, welche Problemen durch den Klimawandel im Pflanzenbau zunehmend zu erwarten sind.
KlimaentwicklungMögliche Probleme für den Pflanzenbau
↑ CO2-Konzentration (Verdoppelung bis 2100 möglich)
↑ Temperatur in Nordeuropa um 2,3 bis 5,3 °C bis 2080
↑ Vegetationsperiode
↓ Anzahl Frosttage
↓ Tage mit geschlossener Schneedecke
Kahlfrost
↑ Anzahl extremer Hitzetage, SolarstrahlungHitzestress und Sonnenbrand
↑ Niederschlagsmengen im WinterhalbjahrStaunässe und Überschwemmungen
↓ Niederschlagsmengen im SommerhalbjahrTrockenstress
↓ Häufigkeit der Niederschläge
↑ Intensität der Niederschläge
Starkregen und Erosion
↑ Windgeschwindigkeiten (vmax)wahrscheinlich mehr Stürme und Hagel
Quelle: Schätzl, R. (2019) aus Krengel S. (2018)

Der Dreiklang – Landwirtschaft - Versicherung – Staat

Rechnerisch wird Risiko so dargestellt:
Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadenshöhe
Beide Faktoren sollten zunehmend ins Visier der Landwirtschaft rücken.
  • Pflanzenbauliche Anpassung sind möglich beim Anbau (zum Beispiel Fruchtarten, Sorten, Fruchtfolgen), dem Wasserhaushaltsmanagement (zum Beispiel wasserschonende Bodenbearbeitung, Erosionsschutz, Bewässerung, Bestandsführung, Aussaattermine, Bestandesdichte) oder bei Düngemanagement und Pflanzenschutz.
  • Im betrieblich finanziellen Bereich wird das Liquiditätsmanagement mit steigendem Ertragsrisiko zunehmend wichtiger, um in ertragsschwachen Jahren Liquiditätsengpässe besser meistern zu können.

Was ist zu tun?

1. Schritt: Angebot einholen

  • Ein Angebot ist vorgeschrieben.
  • Es wird jedoch dringend empfohlen mehrere Angebote einzuholen, da sich die Angebote bei Prämienhöhe und Vertragsinhalten unterscheiden.

2. Schritt: Versicherung abschließen

  • Versicherung kann vor Förderantragsstellung abgeschlossen werden (kein Verstoß im Sinne eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns).
  • Bestehende Verträge können zu förderfähigen Policen erweitert werden (Umstellungsangebote).

3. Schritt: Förderung beantragen

  • Die Förderung ist mit dem Mehrfachantrag bis zum 15. Mai (Ausschlussfrist) in IBALIS zu beantragen.
  • Die voraussichtliche Nettoprämie ist anzugeben (laut Angebot/Vertrag). Die versicherten Nutzungsschläge sind im FNN zu kennzeichnen.

Wann ist es sinnvoll, eine Mehrgefahrenversicherung abzuschließen?

In erster Linie geht es darum, eine mögliche Existenzgefährdung zu vermeiden. Die erste Frage muss also sein, ob man nach einem Extremwetterereignis möglicherweise in seiner Existenz bedroht ist, weil Liquiditätsreserven nicht ausreichen und auch nicht in der notwendigen Höhe aufgebaut werden können.

Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadenshöhe

Es ist also auch abzuschätzen, inwieweit man durch pflanzenbauliche Anpassungsmaßnahmen (siehe Punkt Landwirtschaft) das Risiko (Schadenshöhe und/oder Eintrittswahrscheinlichkeit) verringern kann. Entscheidend ist auch die Risikobereitschaft des Betriebsleiters und seiner Familie. Je geringer die Risikobereitschaft ist, desto sinnvoller ist das Auslagern des Risikos in eine Versicherung. Nicht zuletzt ist auch der Vergleich des geschätzten, monetären Risikos mit dem Angebot des Versicherungsunternehmens nach Abzug der Förderung sinnvoll. Das ist allerdings eine Rechnung mit hohen Unsicherheiten.
Ein Beispiel:
Es wird alle fünf Jahre mit einem 30-prozentigen Ertragsausfall durch die abgesicherten Gefahren Hagel, Sturm, Starkregen, Starkfrost, Trockenheit und Fraßschäden gerechnet. Bei einem Umsatz von 100.000 Euro aus den betroffenen Kulturen beträgt das monetär bewertete Risiko 30.000 Euro alle fünf Jahre oder 6.000 Euro pro Jahr.
Dieser Wert ist zu vergleichen mit der Versicherungsprämie.
In der Praxis wird von einer zwei- bis dreimal höheren Versicherungsprämie gegenüber der bisherigen Hagelversicherung ausgegangen. Für die Hagelversicherung fielen in dem Beispielsbetrieb bisher 2.200 Euro an. Bei einer Verdreifachung ist demnach künftig eine Versicherungs­prämie von 6.600 Euro zu zahlen. Nach Abzug der Förderung von maximal 50 % sind jährlich etwa 3.300 Euro insgesamt an Versicherungsprämie fällig. Diese liegt weit unter dem geschätzten monetär bewerteten Risiko von 6.000 Euro pro Jahr. Der Abschluss einer Mehrgefahrenversicherung wäre aus diesem Winkel betrachtet also sinnvoll.
Liquidität vor Rentabilität
Diese Rechnung muss allerdings berücksichtigen, dass die Liquidität in Form von Rücklagen auch in dem Fall ausreichend sein muss, wenn das Ereignis, sprich 30.000 Euro weniger Umsatz (!), nicht erst im fünften Jahr, sondern zum Beispiel schon im ersten Jahr eintreten sollte.

Ansprechpartner
Winfried Satzger
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Agrarökonomie
Menzinger Straße 54, 80638 München
Tel.: 08161 8640-1420
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de

Foto: Winfried Satzger

Winfried Satzger