Frischer Wind in der Beratung
Der neue FitnessCheck der staatlichen Landwirtschaftsberatung in Bayern

Zwei Personen diskutieren über die Ergebnisse des FitnessChecks.

Foto: Winfried Satzger

Mit dem neuen Werkzeug "FitnessCheck" will die staatliche Beratung der landwirtschaftlichen Familie helfen, passende Zukunftsentscheidungen mit Blick auf die betriebliche und familiäre Gesamtsituation zu treffen.

Den Betrieb nachhaltig zu entwickeln, setzt eine ganzheitliche Betrachtung unter Einbeziehung der ganzen Familie voraus. Das war schon immer Ziel der landwirtschaftlichen Unternehmensberatung. Um diesen Aspekt noch stärker in den Fokus zu stellen, hat die Bayerische Landwirtschaftsberatung den sogenannten "FitnessCheck" entwickelt.

Der FitnessCheck besteht aus zwei Teilen

Bestandteil des FitnessChecks ist zum einen die Selbsteinschätzung der Landwirte und Landwirtinnen mit Hilfe eines Online-Tools (Stufe 1). Dies ist das eigentliche Novum an dem Konzept und Garant dafür, dass der Blick auf das Ganze nicht verloren geht. Zum anderen besteht der FitnessCheck aus der bereits seit vielen Jahren bekannten und bewährten strategischen Unternehmensberatung (Stufe 2).

Stufe 1: Selbsteinschätzung mit 30 Thesen

"Die Familie ist sich einig über die zukünftige Ausrichtung", "Wir empfinden die Arbeitsbelastung als tragbar" oder "Wir haben klare Ziele definiert und setzen diese konsequent um" sind beispielsweise drei von 30 Thesen, die im Rahmen des neuen FitnessChecks mit Punkten zwischen 0 und 10 bewertet werden können.
Insgesamt werden die Bereiche "Familie", "Arbeitswirtschaft", "Wirtschaftliche Situation", "Unternehmensführung", "Entwicklungsmöglichkeit" und "Wirkung auf die Gesellschaft" beurteilt – es handelt sich um strategische Kern-Fragestellungen, die zumindest bei größeren betrieblichen Entscheidungen gut überlegt werden sollten und einen guten Einstieg für eine ganzheitliche Unternehmensberatung bieten.

Individuelles Netzdiagramm als Ergebnis der Selbsteinschätzung

Das Ergebnis der Selbsteinschätzung wird automatisiert in Form eines Netzdiagramms angezeigt (Abbildung 1).

Die in jeder Kategorie erreichte Punktzahl ist in einem Spinnennetzdiagramm dargestellt.

Abbildung 1: Die in jeder Kategorie erreichte Punktzahl wird in einem Spinnennetzdiagramm dargestellt.

Diskussionen innerhalb der Familie erwünscht

Idealerweise führen alle im Betrieb Beteiligten für sich die Selbsteinschätzung durch und diskutieren sie anschließend.
Da hierbei sensible Bereiche angesprochen werden, wie Hofnachfolge, Einkommen, Arbeitsbelastung, Unternehmensziele oder Entscheidungsfindung, können hier durchaus kontroverse Diskussionen entstehen. Aus Sicht erfahrener Beraterinnen und Berater sind dies allerdings sehr wichtige Diskussionen, um eine zukunftsfähige und nachhaltige Unternehmensentwicklung zu gewährleisten. Nur wenn mögliche grundlegende Differenzen ausdiskutiert werden, können dauerhaft tragbare Lösungen erarbeitet werden. Andererseits kann es aber auch sein, dass der Familie durch die Selbsteinschätzungen bestätigt wird, dass es bereits einen guten Zusammenhalt mit gleichgerichteten Bedürfnissen und Zielen gibt.

Stufe 2: Strategische Unternehmensberatung wie bisher

In dieser Stufe werden die Stärken und Schwächen der Selbsteinschätzung eingehend besprochen. Es werden Möglichkeiten diskutiert, derzeit bestehende Problembereiche zu verbessern. Auf dieser Grundlage werden mögliche Ziellösungen erarbeitet.

Pläne werden nochmal hinterfragt

Bei Beratungen liegen häufig bereits zu Beginn ganz klare Vorstellungen der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter von einem konkreten Vorhaben vor. Das Problem: Die Pläne sind häufig nicht ausreichend in der Familie abgestimmt. Zudem beruhen sie manchmal auf einer gewissen "Betriebsblindheit", und oft ist der monetäre Gewinnzuwachs das alleinige Entscheidungskriterium. Speziell in solchen Fällen kommen die Vorteile des FitnessChecks zum Tragen. Denn Pläne mit oft sehr weitreichenden Konsequenzen werden nochmal grundlegend hinterfragt:
  • Steht die ganze Familie hinter der Maßnahme?
  • Entspricht die Maßnahme den Zielen des Unternehmens und der Familie? Oder müssen überhaupt erst einmal Ziele formuliert werden?
  • Wurde der Hofnachfolger ausreichend eingebunden?
  • Wie ist die Arbeitsbelastung?
  • Macht die Arbeit überhaupt Spaß?
  • Wie kommt die Familie mit neuen Schulden zurecht – auch mental?
  • Wie wirkt sich die Maßnahme auf die Akzeptanz in der Nachbarschaft oder allgemein in der Bevölkerung aus?
  • etc.

Der Weg zum FitnessCheck

Bei betrieblichen Herausforderungen können sich bayerische Landwirte und Landwirtinnen an ihr örtliches Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wenden. Nach einem ersten telefonischen Gespräch, bei dem das Beratungsanliegen geklärt und betriebliche Informationen eingeholt werden, sendet der Berater oder die Beraterin per Mail den Link zum FitnessCheck. Betriebsleiterin oder Betriebsleiterin und Familienmitglieder schätzen sich wie oben beschrieben selbst ein (Stufe 1).
Im anschließenden Beratungsgespräch mit dem Berater oder der Beraterin des Landwirtschaftsamtes wird das Ergebnis der Selbsteinschätzung eingehend besprochen, und es werden Ziellösungen im Sinne einer strategischen Unternehmensberatung erarbeitet (Stufe 2).
Um jeder individuellen Beratungsanfrage gerecht zu werden, kann von dieser Vorgehensweise aber auch abgewichen werden. Manchmal bietet es sich an, als ersten Schritt ein persönliches Beratungsgespräch zu führen und die Selbsteinschätzung in anderer Form einfließen zu lassen.

Liste der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayern Externer Link

Zur Entstehung des FitnessChecks

Die Inhalte des FitnessChecks wurden in einer Arbeitsgruppe aus Beraterinnen und Beratern der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und der staatlichen Führungsakademie entwickelt. Federführend für die Erstellung des Konzeptes und verantwortlich für die Programmierung des Online-Tools war die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft.
Die wesentlichen Vorgaben waren, dass das Tool selbsterklärend und sehr einfach mit einem geringen Zeitaufwand zu handhaben ist. Essentiell ist, dass die Selbsteinschätzung vollständig anonym bleibt und die Eingaben außerhalb der PDF-Datei nicht gespeichert werden.