Potentialanalyse der Milcherzeugung in Bayern
Ab 1. April 2015 darf mit dem Auslaufen der EU-Milchquotenregelung jeder Landwirt beliebige Mengen Milch erzeugen. Befürchtungen, dass infolgedessen die Milchmenge stark steigt, dürften sich für Bayern aber nicht bewahrheiten.
Ausgehend von der derzeitigen Struktur der bayerischen Milcherzeugung untersucht die Studie der LfL, wie viel Milch theoretisch in Bayern erzeugt werden könnte. Ein Blick zurück bis zum Jahr 1975 zeigt zudem, wie die bayerischen Milchviehhalter in der Vergangenheit auf unterschiedliche Rahmenbedingungen reagiert haben. Daraus werden verschiedene Szenarien entwickelt, wobei die für am wahrscheinlichsten gehaltene Entwicklung nur einen moderaten Anstieg der Milchmenge auf gut 8 Mio. Tonnen im Jahr 2025 prognostiziert.
Die Struktur der bayerischen Milcherzeugung
Im Jahr 2012 bewirtschafteten die rund 38.000 Milchviehbetriebe in Bayern 1,6 Mio. ha Acker- und Grünland und hielten 1,2 Mio. Kühe. Diese Betriebe erzeugten 7,9 Mio. t Milch, wovon 7,5 Mio. t an die Molkereien geliefert wurden.
Der durchschnittliche bayerische Milcherzeuger bewirtschaftete im Jahr 2012 42 ha LF, hielt rund 32 Milchkühe und erzeugte bei einem Leistungsniveau von 6.490 kg/Kuh (6.114 kg/Kuh Milchablieferung) 207.000 kg Milch (195.000 kg Milchablieferung).
In der Analyse der Betriebsgrößen für 2012 ergibt sich folgendes Bild:
- Betriebe mit weniger als 20 Milchkühen machen mehr als ein Drittel der Betriebe aus (37 %). Sie halten 13 % der Kühe und produzieren 13 % der Milch.
- Rund die Hälfte der bayerischen Betriebe (48 %) haben 20 - 49 Milchkühe. Sie halten 50 % der Kühe und produzieren 49 % der Milch.
- 14 % der Betriebe haben 50 - 100 Milchkühe. Sie halten 32 % der Kühe und produzieren 33 % der Milch.
- Nur 1 % der Betriebe haben mehr als 100 Milchkühe. Sie halten 4,5 % der Kühe und produzieren knapp 5 % der Milch.
Theoretisches Potential der Milcherzeugung in Bayern bis 2025
Ausgehend von der derzeitigen Struktur stellt sich die Frage, wie viel Milch in Bayern im Jahr 2025 erzeugt werden könnte, wenn man alle denkbaren Reserven ausreizen würde. Verschiedene Bezugspunkte sind denkbar:
Orientierung an niederländischen/norddeutschen Verhältnissen
Die Niederlande stehen für eine intensive und hoch spezialisierte Milcherzeugung. Überträgt man das dortige Intensitätsniveau mit 6.200 kg Milch/ha LF auf bayerische Verhältnisse, sind theoretisch ca. 19,5 Mio. Tonnen Milch erzeugbar, das ist das 2,6fache der derzeitigen bayerischen Anlieferungsmenge.
Schleswig-Holstein erzeugt im Vergleich zu Bayern mit rund 2.600 kg/ha LF rund 11 % mehr an Milch. Bei dieser Intensität könnte Bayern rund 8,3 Mio. t erzeugen.
Orientierung an historischen Tierbeständen
In den Jahren vor Einführung der Quote (Anfang 80iger Jahre) wurden in Bayern rund 2 Mio. Milchkühe gehalten. Das Produkt aus damaligen Milchkuhbeständen und den zu erwartenden Milchleistungen des Jahres 2025 (ca. 7.300 kg abgelieferte Milch/Kuh) beträgt 14,6 Mio. t und damit rund das Doppelte der heutigen Produktion.
Orientierung am Viehbesatz von max. 2,0 GV/ha LF
Die Düngeverordnung stellt eine Begrenzung der maximal möglichen Viehhaltung dar. Unter der theoretischen Annahme, dass alle Milcherzeuger bis zu dieser Grenze aufstocken, ergibt sich ein Gesamtpotential von 1,76 Mio. Milchkühen inkl. Nachzucht (zusätzlich 540.000 Kühe). Bei einem Leistungsniveau wie unter b) beträgt das Erzeugungspotential 12,8 Mio. Tonnen (+ 62 % im Vergleich zu 2012).
Strukturentwicklung seit 1975
In der jüngeren Vergangenheit seit 1975 haben drei unterschiedliche Phasen der bayerischen Milchproduktionsentwicklung stattgefunden:
- Phase 1: Eine ausgeprägte Expansionsphase vor Einführung der Milchquote (1975 - 1985) mit einem jährlichen Mengenanstieg von 2,4 %.
- Phase 2: Eine deutlich rückläufige Entwicklung in der Zeit strenger Quotenregelung (ab 1985 bis 1995) mit einem ausgeprägten Rückgang der Betriebe (-5,4% p.a.), einer starken Reduzierung der Zahl der Milchkühe (-2,5% p.a) und einer laufend verminderten Milcherzeugung (-1,0 % p.a.).
- Phase 3: Ein verhaltener Zuwachs der Produktion bei immer noch leichtem Abbau der Kuhbestände in Zeiten weitgehend entwerteter Quote (2005 - 2012) mit zuletzt 1,22 Mio. Milchkühen.
Es liegt nahe, die Prognose auf den Bedingungen der oben beschriebenen drei Phasen aufzubauen und dabei drei mögliche Szenarien (=Varianten) zu diskutieren.
- Variante 1: wie vor der Quote (1975 bis 1985): Kuhzahl + 0,4 % p.a.
- Variante 2: wie in der Milchquotenphase (1985 bis 2005): Kuhzahl - 2,0 % p.a.
- Variante 3: wie am Ende/nach der Quote (2005 bis 2012): Kuhzahl - 0,7 % p.a.
Prognose
Unter der Prämisse einer vor allem züchterisch bedingten Leistungssteigerung ergibt sich folgendes Bild:
Variante 1: Resultierende Anlieferung: + 1,8 % p.a. bzw. 9,36 Mio. t in 2025
Aus der Kombination steigender Kuhzahlen und laufender Leistungszuwächse resultiert ein starkes Produktionswachstum. Mit einer Zunahme der Milchanlieferung von insgesamt knapp 1,8 % p.a errechnet sich bis 2025 für Bayern ein Anstieg von insgesamt 1,9 Mio. t bzw. 25 %.
Variante 2: Resultierende Anlieferung: - 0,7 % p.a. bzw. 6,83 Mio. t in 2025
Einem ausgeprägten Rückgang der Tierzahlen steht ein kontinuierlicher Leistungszuwachs gegenüber. Per Saldo stellt sich dennoch eine tendenziell sinkende Entwicklung der Milcherzeugung ein. Eine Fortschreibung dieser für strenge Mengenregulierung typischen Branchenentwicklung ergibt für den Beobachtungszeitraum eine Produktionsmenge von 6,83 Mio. t oder - 0,6 Mio. t (= - 8,4 %).
Variante 3: Resultierende Anlieferung: + 0,6 % p.a. bzw. 8,11 Mio. t in 2025
Bei nachlassender Wirkung des Quotenregimes (geringe Preise für Milchquoten bzw. Ende der Mengenregulierung) lässt der Druck zu Herdenverkleinerung bei steigenden Tierleistungen nach. Entsprechend kommt es zu einem dauerhaften Anstieg der Anlieferungsmenge auf insgesamt 8,11 Mio. t in 2025 (+ 0,66 Mio. t bzw. + 8,7 % im Vergleich zu 2012).
Variante 3 stellt marktordnungspolitisch die aktuelle Situation dar und herrscht im Prinzip seit 2005. Die Milchliefermengen steigen pro Kuh und Jahr um rund 90 kg, der Kuhbestand nimmt aber ab, weil der durch Betriebsaufgaben verursachte Abbau von Kuhbeständen durch entsprechende Zubauten der aufstockenden Betriebe bzw. Investoren zahlenmäßig nicht ausgeglichen werden kann. Für den Prognosezeitraum ergibt sich daraus ein verhaltener Zuwachs der Milchmenge in Höhe von 50.000 t p.a. bzw. 0,6 % p.a.
Die Konditionen von Variante 3 werden vermutlich auch zukünftig herrschen. Deshalb ist dieses Szenario für die zukünftige Entwicklungsabschätzung der bayerischen Milcherzeugung am besten geeignet. Folgt man dieser Projektion, wird sich in den Jahren bis 2025 die Anlieferungsmenge Bayerns auf gut 8 Mio. t erhöhen.
Die Kenndaten der bayerischen Milcherzeugung bis 2025 sind in Abbildung 1 dargestellt. Es wird ein weiterer Rückgang der Zahl der Betriebe auf etwa 60 % des heutigen Wertes stattfinden. Der Milchviehbestand nimmt um rund 110.000 Tiere auf dann 1,11 Mio. Kühe ab. Die durchschnittliche Herdengröße legt im Gegenzug auf ca. 50 Kühe/Betrieb zu und das durchschnittliche jährliche Produktionsvolumen wächst auf über 370.000 kg/Betrieb.
Zusammenfassung und Ausblick
Die bayerische Milchmenge wird nur moderat steigen
Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich die bayerische Milchproduktion bis 2025 nur in einem engen Korridor verändern wird. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass bis 2025 die Milchanlieferungsmenge deutlich über 8 Mio. t hinausgeht, ebenso wenig wird sie die heutigen 7,5 Mio. t wesentlich unterschreiten. Weder Szenarien starken Wachstums noch eines stark schrumpfenden Erzeugungspotentials in Tabelle 4 sind aus heutiger Sicht wahrscheinlich. Damit bewegt sich die Angebotsveränderung bis 2025 voraussichtlich im unauffälligen, auch in anderen Produktbereichen der Agrarwirtschaft üblichen Rahmen und bleibt auch weit unter dem theoretischen Potential.
Die regionalen Unterschiede werden weiter zunehmen
Regional werden die heute schon beobachtbaren Unterschiede weiter zunehmen. Dabei gilt: Die Kernregionen der bayerischen Milcherzeugung werden ihren Milchcharakter behalten oder gar ausdehnen, während sich die Abwanderung dort verstärken wird, wo sie in den letzten zehn Jahren schon stattgefunden hat. Die Produktionsausdehnung wird also, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt ausfallen, weil auch bei Fortschreibung bisheriger Zuchtfortschritte die Zubauaktivitäten bestenfalls ausreichen, um den Wegfall der Einstellungen auszugleichen.
Langsames Wachstum trotz guter Rahmenbedingungen
Trotz günstiger Rahmenbedingungen (relativ hoher Milchpreis, attraktive Investitionsförderung, sehr niedriges Zinsniveau, verbesserte Flächenprämien in Grünlandregionen, Wegfall der Quotenkosten) sind die Investitionsaktivitäten derzeit zwar rege, aber keinesfalls explosiv. Neben der häufig zitierten Flächenknappheit spielt sicherlich die insgesamt unattraktive Rentabilität der Milchwirtschaft in Verbindung mit hohen arbeitswirtschaftlichen Anforderungen eine zunehmend bremsende Rolle: Bei dem derzeitigen Investitionsbedarf von 10.000 € je Kuhplatz erreichen auch Milcherzeuger mit überdurchschnittlichen Gewinnen von 1.000 € Gewinn/Kuh kaum Arbeitsentlohnungen von 15 €/Stunde. Die Dauer des Kapitalrückflusses beträgt mehr als 25 Jahre.
Auch in der gesamten EU zeigt sich diese grundsätzliche Problematik: Es gibt aktuell nur noch vier EU-Länder, die ihre Quoten erfüllen, die EU-27 unterliefert seit sechs Jahren die Milchquote um durchschnittlich 5 %. Der Anstieg der Produktionsmenge unterschritt dabei die jährlichen 1%igen Quotenaufstockungen.
Die Nachfrage nach Milch bleibt hoch
Bei stabilen Nachfragebedingungen auf europäischen Märkten und Zuwachsraten von mehr als 2,5 % in Drittländern ist deshalb von grundsätzlich intakten Marktverhältnissen auszugehen, die keine staatlichen Eingriffe erforderlich machen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn außerhalb Bayerns ähnliche Entwicklungen wie hier prognostiziert stattfinden.
Ausführlicher Beitrag mit allen zugrunde liegenden Daten, Bedingungen, Annahmen und Szenarien:
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