Gründung Natur- und Bauernhofkindergarten auf dem Spitzöderhof – Teil 1

Familie Aue im Innenhof ihres Anwesens.Zoombild vorhanden

Manfred und Elisabeth Aue mit ihren drei Kindern Veronika, Katharina und Magdalena
Foto: LfL

Manfred und Elisabeth Aue vom Spitzöderhof befinden sich seit Juni 2023 im Gründungsprozess eines Natur- und Bauernhofkindergartens auf ihrer Betriebsfläche. Der Weg bis zur Eröffnung ist mit vielen Aufgaben verbunden. Dieser Prozess wird von der LfL dokumentiert und hier begleitend in mehreren Abschnitten vorgestellt.

Der Gründungsprozess

Im ersten Teil der Reportage wird die Familie Aue sowie der landwirtschaftliche Betrieb vorgestellt. Zudem wird das Gesamtkonzept des Natur- und Bauernhofkindergartens am Spitzöderhof beschrieben. In den bisherigen Schritten wird der Gründungsprozess detailliert anhand der einzelnen Aufbauschritte beschrieben.

Der Hof und die Familie

Betriebliche Daten zum Spitzöderhof

  • Hauptbetriebszweige
    • 130-ha-Ackerbau: Weizen, Gerste und Mais
    • Forstwirtschaft
    • 350 Zuchtsauen, 800 Schweinemastplätze: Vermarktung der Schweine an drei Metzger aus der Umgebung
  • Sonstige Betriebszweige
    • Photovoltaik-Anlage für Eigenverbrauch
    • Maschinen-GbR: Gemeinsame Bewirtschaftung der Ackerflächen mit anderem Landwirt
    • Lohnarbeiten
  • Arbeitskräfte
    • Betriebsleiter Manfred Aue, Betriebsleiterin Elisabeth Aue
    • drei Festangestellte
    • ein Lehrling
  • Infos zur Familie
    • Manfred Aue: Landwirtschaftsmeister und Agrarbetriebswirt
    • Elisabeth Aue: Hauswirtschafterin, Hotelfachfrau, Teilnehmerin BZE Erlebnisbäuerin
    • drei Töchter: Veronika (13 Jahre), Katharina (10 Jahre) und Magdalena (8 Jahre)

Die Familie Aue

Dass Elisabeth und Manfred der Bezug zur Landwirtschaft bei Kindern wichtig ist, merkt man sofort am Umgang mit den eigenen Töchtern. Alle drei helfen gerne am Hof mit und übernehmen sogar echte Verantwortung: Veronika hat jeden Sommer ihre eigene Schweinegruppe, für die sie vom Einkauf bis zum Verkauf alleine verantwortlich ist.
Regelmäßig waren auch die Schulklassen oder Kindergartengruppen der drei auf dem Hof. Die Betriebsleiter sind überzeugt, dass es wichtig ist, schon den Kleinsten zu zeigen, wie unsere Lebensmittel produziert werden. Dadurch können sie Natur, Landwirtschaft und die damit verbundene Arbeit begreifen und eine echte Wertschätzung für Lebensmittel entwickeln. Elisabeth möchte sich dahingehend selbst weiterbilden und nimmt aktuell am Betriebszweig­entwicklungs­seminar der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayern zur Erlebnisbäuerin teil.
Manfred Aue steht mit Kindern auf einem abgeernteten Getreidefeld und zeigt Kindern die Wurzeln einer Pflanze.
"Wenn man aufs Feld raus geht, die kleinen Gerstenpflanzen mit einem Messer halbiert und sieht, wie die Körner angelegt sind – Da muss ich selbst jedes Mal selbst über unsere Natur staunen. Das sind Erfahrungen, die Kinder brauchen und die hängenbleiben", so Manfred Aue.

Tochter Veronika hält ein Ferkel auf dem Arm.

Foto: LfL

Elisabeth Aue steht mit drei Kindern auf dem Feld, zeigt Getreide in ihrer Hand und redet.

Foto: LfL

Die zwei Töchter füttern Hühner auf einer Wiese

Foto: LfL

Gruppenfoto: Familie Aue im Innenhof

Foto: LfL

Zwei Mädchen blicken auf ein Hinterrad von einem Traktor, an dem ein Mann den Luftdruck prüft.

Foto: LfL

Das Konzept vom Bauernhofkindergarten

Das Konzept vom Bauernhofkindergarten

Allgemeine Infos

Der Kindergarten soll in Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Fürstenzell geführt werden. Diese betreibt bereits den Kindergarten Arche Noah in der Kommune. Zwischen der Gemeinde und dem Spitzöderhof besteht ein Pachtvertrag zur Nutzung des Kindergartens (Gebäude und Fläche) von 25 Jahren.
Der Kindergarten bietet Platz für 20 bis maximal 25 Kinder in einer Gruppe, Zielgruppe sind Kinder ab vier Jahren bis zur Einschulung. Die Betreuungszeiten sind ganzjährig vormittags. Der Kindergarten hat zu den Ferienzeiten bestimmte Schließtage.

Der Standort und die Hütte

Der künftige Bauernhofkindergarten findet Platz auf einem Acker in der Nähe des Betriebes. Das Gelände befindet sich ca. 350 Meter von der Hofstelle entfernt. Es ist über eine dafür angelegte Zufahrt per PKW erreichbar. Dabei wird eine Parkmöglichkeit als Bring- und Holpunkt geschaffen.
Für den Kindergarten wird vom Betrieb eine Hütte in Holzständerbauweise gebaut, die als Schutzraum ausgewiesen ist. Dies bedeutet, dass die Hütte überwiegend bei schlechtem Wetter genutzt wird. Wichtig ist dem Ehepaar Aue, dass der Schutzraum ins natürliche Umfeld passt und möglichst viel Holz beim Bau verwendet wird. Der Gruppenraum umfasst 30 m², das Büro für das pädagogische Personal sowie der Besprechungsraum sind 8 m² groß. Beheizbar ist der Raum durch einen Holzofen. Eine Stromanbindung wird gelegt.
Die Unterkunft ist nicht an fließendes Wasser und an den Kanal angeschlossen. Stattdessen wird eine Komposttoilette zur Verfügung gestellt.
Das Gelände wird mit einem Holzzaun eingegrenzt und abgesichert. Außerdem werden auf dem angrenzenden Acker Gemüsebeete für den Kindergarten angelegt. Dabei können die Kinder Erfahrungen zum Kreislauf der Natur sammeln, indem sie die Beete bepflanzen und pflegen und selbst Verantwortung übernehmen. Zudem wird eine ökologische Ausgleichsfläche mit Hecken und einer Streuobstwiese direkt an der Kindergartenfläche gepflanzt. Die Außenanlagen werden ebenso wie die Zufahrt und der Bring- und Holpunkt durch den Betrieb angelegt.
Das Besondere an der Lage des Kindergartens ist, dass sich daneben ein kleiner Baumbestand befindet, durch den sich ein Bach schlängelt. Dieser darf vom Kindergarten genutzt werden. Das gesamte Gelände bietet ideale Voraussetzungen für frühkindliche Naturerfahrungen.
Der Eingabeplan zeigt das Kindergartenareal.

Foto: LfL

Die Luftaufnahme zeigt anhand von Markierungen den Hof sowie den Standort des zukünftigen Kindergartens.

Foto: Manfred Aue

Einbindung des Bauernhofes

Die Kinder besuchen zwei bis drei Mal pro Woche den Spitzöderhof. Dabei versorgen sie die Tiere und können an den landwirtschaftlichen Kreisläufen teilhaben. Diese Besuche werden von Elisabeth Aue zusammen mit dem pädagogischen Personal vorbereitet und begleitet.
Neben der Naturbeobachtung und Tierbegegnung liegt der Fokus bei den Bauernhof­besuchen auf wiederkehrenden festen Tätigkeiten, deren Verantwortung bei den Kindern liegt, zum Beispiel Füttern der Hühner. Die Hauptverantwortung obliegt jedoch der landwirtschaftlichen Fachkraft. Zudem können die Kinder Tiererfahrungen mit der kleinen Schweinegruppe, den Hasen, den Hühnern sowie Katzen und Enten sammeln. Um den Hof befinden sich Felder und Wiesen sowie Obstbäume und Wälder. Dadurch sollen die Kinder den Kreislauf der Natur und der Landwirtschaft durch saisonale Angebote und anfallende Arbeiten erleben. Beispiele sind das Entsaften von Äpfeln, Hacken von Gehölzen für die Heizung oder das Abernten von Getreide.
Der Schweinestall kann aufgrund der besonderen Hygienevorschriften nur zwei- bis dreimal pro Jahr unter Einhaltung der Hygienestandards besucht werden.
Einmal im Monat wird Elisabeth Aue spezielle landwirtschaftliche Lern- und Erlebnisstationen mit Wissenscharakter vorbereiten.

Personal

Über den Träger werden drei pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechender Ausbildung (eine Erzieherin als Gruppenleitung, zwei Kinderpflegerinnen) für den Kindergarten angestellt. Die Abstimmung des pädagogischen Konzepts und der Angebote läuft in enger Absprache zwischen dem pädagogischen Personal und der Familie Aue.
Elisabeth und Manfred Aue sind in den pädagogischen Abläufen des Kindergartens bzw. bei anfallenden Tätigkeiten rund um das Kindergartenareal zum Teil mit eingebunden.
Frau Aue sitzt am Tisch und lächelt.
"Wir standen schon früh in Kontakt mit dem Personal. Der Austausch mit ihnen ist extrem wichtig. Sie haben viele Ideen, an die wir gar nicht dachten, und so erkennen wir immer mehr das Potenzial eines Bauernhofes für kindliche Erfahrungen", so Elisabeth Aue.

Manfred und Elisabeth Aue zeigen den Eingabeplan des Kindergartensgebäudes.

Foto: LfL

Manfred Aue zeigt auf einem Feld die ersten baulichen Vorbereitungen, die als kleine Erdverschiebungen erkennbar sind.

Foto: LfL

An einem Bach spielen zwei Kinder mit Steinen.

Foto: LfL

Ein Kind hält eine Katze auf dem Arm, im Hintergrund befinden sich landwirtschaftliche Maschinen.

Foto: LfL

Küken unter einer Wärmelampe im Stall.

Foto: LfL

Bisherige Schritte zum Bauernhofkindergarten

Der Natur- und Bauernhofkindergarten Spitzöderhof entsteht

Der Aufbau eines Bauernhofkindergartens ist mit vielen einzelnen Schritten verbunden. Die Schritte sind häufig parallel abzuarbeiten und gestalten sich bei jeder Gründung individuell je nach Ausgangslage des Betriebes und nach Organisation des Kindergartens. Im Folgenden wird der Gründungsprozess beispielhaft am Betrieb Aue dargestellt.
1. Anfrage durch die Gemeinde | Juni 2023
Eines Tages kam überraschend der Anruf vom örtlichen Bürgermeister. Er fragte das Ehepaar, ob sie sich vorstellen könnten einen Waldkindergarten auf ihrer Fläche umzusetzen. "Wir waren erstmal überrascht über diese Anfrage", so Manfred, "doch ein Kindergarten in der Natur – Die Idee ist grundsätzlich gut. Uns ist es aber wichtig, dass im pädagogischen Konzept die Landwirtschaft einen festen Bestandteil einnimmt." So war die Idee des Natur- und Bauernhof­kindergartens geboren. Von da an nahm alles schnell Fahrt auf, die ersten Behördentermine und viele Gespräche mit verschiedenen Personen und Vertretern standen an. In dieser Zeit tauschten sich Elisabeth und Manfred Aue mit bereits bestehenden Bauernhof­kindergärten aus und besichtigten diese teilweise vor Ort. "Begeisterung für das Projekt ist wichtig", meint Elisabeth. "Es braucht auf jeden Fall einen langen Atem, das kann ich jedem bei einem solchen Projekt raten. Man muss sich auf viel Kontakt mit Behörden einstellen."
2. Hoftermin durch die Gemeinde | Juni 2023
Die ersten Termine am Hof waren mit Vertretern der Gemeinde, des Trägers sowie der Qualitäts­aufsichts­behörde für Kinder­tagesstätten des Amtes für Jugend und Familie am Landratsamt. Diese waren sofort vom Standort sowie vom Konzept des Kindergartens überzeugt.
3. Einbindung der Nachbarn und der Jägerschaft | Sommer 2023
Ein wichtiger Schritt war, die Nachbarn und die Jägerschaft aktiv miteinzubinden und möglichst früh persönlich zu informieren. Aus dem Umfeld gab es nur Zustimmung zum Projekt.
4. Einstimmiger Gemeinderatsbeschluss | Juli 2023
Das Projekt wurde im Gemeinderat vorgestellt und einstimmig befürwortet.
5. Vor-Ort-Termine mit verschiedenen Vertretern | September 2023
Da der Spitzöderhof ein viehhaltender Betrieb und somit Lebensmittel­produzent ist, stand auch ein Termin mit dem Veterinäramt an. Dabei wurde ein Konzept zum Schutz des Tierbestandes besprochen.
Ein weiteres Gespräch fand zum Thema Betriebshaftpflicht mit der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) statt.
Zusätzlich wurden vor Ort Gespräche mit dem Gesundheitsamt bzgl. Trinkwasser sowie der kommunalen Unfallversicherung geführt.
6. Gespräche mit der Baubehörde | ab Herbst 2023
Der Prozess der baulichen Genehmigung beansprucht mehrere Monate. Erste Abstimmungen fanden bereits im Herbst 2023 statt. Die Gemeinde bezeichnete damals das Projekt als "Sonstiges Vorhaben im Außenbereich", und aus Sicht der Kommune wurde das Projekt befürwortet. In einer Stellungnahme vom zuständigen AELF wurde das Projekt ebenfalls deutlich befürwortet.
7. Planung der Hütte | Oktober 2023
Im Oktober wurden erste Pläne für die Hütte als Schutzraum für die Kinder erstellt. Den Plan haben die Betriebsleiter mit einem regionalen Bauunternehmen entworfen.
8. Einreichung des Bauantrags beim zuständigen Bauamt | Januar 2024
Der Bauantrag für die Schutzhütte wurde im Januar 2024 eingereicht.
9. Positiver Bescheid zur Umsetzung des Bauvorhabens | Mai 2024
Seit Herbst 2023 laufen die Absprachen zur baulichen Umsetzung. Im Mai 2024 erteilte die zuständige Baubehörde den positiven Bescheid zur Umsetzung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieses schnelle Vorgehen nur durch viele intensive Gespräche möglich wurde. So fand Ende März ein runder Tisch mit relevanten Entscheidungs­trägern statt. Dabei wurde thematisiert, dass dieses Konzept eine neue Form des Bauens für einen Kindergarten darstellt. Es müssen Ausgleichsflächen geschaffen werden. Der Bau gilt als Sonderbau, aus diesem Grund müssen besondere Brandschutzvorgaben eingehalten sowie ein Gutachten erstellt werden.
Aus Sicht der Betriebsleiter ist dieser Prozess langwierig und braucht offene Kommunikation und Geduld. Wichtig ist, dass man die Kommunikation nicht scheut, sich immer wieder zum Stand erkundigt und Telefonate führt. In offenen Gesprächen müssen von allen Seiten Kompromisse eingegangen werden. Die Abstimmung mit den Entscheidungs­trägern erfolgte im engen Austausch.
Am Ende bezeichnen Manfred und Elisabeth die Zusammenarbeit als sehr kooperativ. Dabei waren die Kommunikations- und Kooperations­bereitschaft sowohl auf Seiten des Betriebes wie auch bei den Entscheidungsträgern für einen Erfolg ausschlaggebend.
10. Baubeginn | Frühjahr 2025
Der Baubeginn der Hütte sowie die Errichtung des Geländes ist im Frühjahr 2025 geplant.
Zwei Kinder füttern Kaninchen im Stall im Karotten.

Durch die Versorgung der Tiere am Spitzöderhof wird ein soziales Miteinander gefördert.
Foto: LfL

Zwei Kinder balancieren auf einem Baustamm über einen kleinen Bach.

Das Waldstück an der Kinder­garten­fläche bietet ideale Voraus­setzungen für Erfahrungen in der Natur.
Foto: LfL

Der Hahn genießt die Morgensonne vor dem Hühnerhaus.

Am Spitzöderhof gibt es viele Tiere, um die sich die Kinder kümmern und echte Ver­antwortung über­nehmen können.
Foto: LfL

Das Betriebsleiterhaus im Innenhof des Spitzöderhofs.

Der Innenhof der Familie Aue auf dem Spitzöderhof.
Foto: LfL

In Teil 2 der Dokumentation zum Aufbauprozess wird der Fokus auf andere Themen gelegt. Fortsetzung folgt.

Ansprechpartnerin bei Fragen zum Projekt
Magdalena Zauner
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft,
Institut für Agrarökonomie
Hans-Loher-Str. 32
94099 Ruhstorf a.d.Rott

Bildnachweis:
Kopfbild, Foto: Freudenstein