Arbeitsschwerpunkt Berglandwirtschaft
Einkommenssicherung und -entwicklung durch Diversifizierung in der Berglandwirtschaft

Weidende Kühe vor einem Bergbauernhof

Landwirtschaftliche Betriebe in Berggebieten sind aufgrund der meist kleinen Betriebsgrößen besonders vom Strukturwandel betroffen. Um zukunftsfähig zu sein, müssen sie sich anpassen. Dies betrifft sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch die zusätzlichen Geschäftsbereiche beispielsweise im Tourismus, bei der Weiterbearbeitung und Direktvermarktung von selbst erzeugten Produkten sowie bei gastronomischen oder pädagogischen Angeboten.

Die LfL untersuchte die "Bedeutung der Diversifizierung in der Berglandwirtschaft für die Einkommenssicherung" als Forschungsvorhaben im Rahmen des Arbeitsschwerpunkts Berglandwirtschaft. Unter Berücksichtigung der multifunktionalen Bewirtschaftung von Bergbetrieben wurde in einer gebündelten Sichtweise die Situation der Landwirtschaft und des Haushalts sowie von Einkommenskombinationen und weiteren sonstigen Tätigkeiten der Haushaltsmitglieder in ausgewählten Berg- und Nicht-Bergbetrieben herausgearbeitet.

Projekte im Forschungsvorhaben

Aufgrund der großen Spannbreite von Einzelaktivitäten landwirtschaftlicher Familien in Berggebieten wurden spezifische Fragestellungen herausgegriffen, um sie in Vertrags-, Bachelor- und Masterarbeiten zu beantworten.

Strukturanalyse landwirtschaftlicher Betriebe mit Diversifizierung in Berggebieten

In Bayern zählen 183 Gemeinden mit einem Flächenanteil von rund 7 Prozent zum Berggebiet. Zwei Drittel der Bergbauern halten Milchvieh, fast 70 Prozent zumindest teilweise in Anbindehaltung. Im Berggebiet sind weit über 20.000 Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt.
Um die Bedeutung von Einkommenskombinationen (EKK) für die Weiterbewirtschaftung und Weiterentwicklung der Bergbetriebe einschätzen zu können, wurden im Untersuchungsansatz charakteristische Ausprägungen von Betrieben der Berglandwirtschaft im Vergleich zu Nicht-Bergbetrieben herausgefiltert.
In 22 zufällig ausgewählten landwirtschaftlichen Haushalten, die EKK in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Urproduktion bewirtschaften und bei denen die Bäuerin eine hauswirtschaftliche Ausbildung beziehungsweise einen verwandten Beruf hat, wurden Untersuchungen durchgeführt.

Folgende Ergebnisse sind festzuhalten:

  • Der Sicherung der Existenz kleinstrukturierter Bergbetriebe ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei Aufgabe der Bewirtschaftung stellt sich zusätzlich zur Schaffung einer neuen Existenzgrundlage für Betriebsleiter- und Hofnachfolgegeneration die Frage nach Aufrechterhaltung der Pflege der Kulturlandschaft.
  • Die Ausübung außerlandwirtschaftlicher Tätigkeiten ist aufgrund des regelmäßigen Einkommensbeitrags zur Existenzsicherung der Betriebe besonders bedeutsam.
  • Die Diversifikation in EKK in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Produktion unter Nutzung von Potenzialen aus Betrieb und regionalem Umfeld verhilft bei entsprechender Fachkompetenz zum Erwirtschaften angemessener Einkommensbeiträge.
  • Bei besonders negativen Auswirkungen auf die betriebliche und regionale Wirtschaftskraft ist die nötige soziale Balance herzustellen, damit Berglandwirte zusätzlich zur betrieblichen Existenzsicherung ihren Beitrag für das Gemeinwohl leisten können. Ihre Interessen müssen die Familien jedoch persönlich vertreten, um letztlich nachhaltige Verbesserungen bei den Lebens- und Arbeitsbedingungen zu realisieren.

Einkommenskombination, Mehrfachbeschäftigungen und Betriebsnachfolge in der Berglandwirtschaft

Nur bei einer gesicherten Hofnachfolge können landwirtschaftliche Betriebe in Berggebieten langfristig erhalten werden. Zur Ermittlung der Einflussfaktoren auf die Hofnachfolge erfolgten in zwei Haupterwerbs- und drei Nebenerwerbsbetrieben Interviews mit den Betriebsleitern und den potenziellen Nachfolgern.

Als Ergebnisse kristallisierten sich heraus:

  • Die Hofaufgaberate ist in bayerischen Berggebieten im Vergleich zu anderen Regionen relativ gering, weil noch viele Betriebe einen Hofnachfolger haben. Eine Ursache hierfür ist ein hohes Maß an Traditionsbewusstsein und Verantwortungsgefühl seitens der jüngeren Generation.
  • Erwerbskombinationen und/oder Mehrfachbeschäftigungen wirken sich stabilisierend auf die Betriebe in Berggebieten aus und sind bei kleineren Haupt- und bei allen Nebenerwerbsbetrieben Bedingung für die Hofübernahme. Eine hohe Tourismusintensität in einer Region senkt die Aufgaberate.
  • Bergbauern schaffen durch die Pflege der Kulturlandschaft und der Traditionen eine wichtige Grundlage für den Bergtourismus. Da dies teilweise zu gering honoriert wird, fallen naturschutzfachlich und kulturell besonders wertvolle Flächen wie Buckelwiesen oft aus der Bewirtschaftung. Deshalb sollten unterschiedliche Möglichkeiten einer höheren Förderung untersucht werden.
  • Der hohe und weiter steigende Anteil von Nebenerwerbsbetrieben in der Berglandwirtschaft ist, im Gegensatz zu anderen Regionen, nicht als ein Indiz für einen baldigen Ausstieg aus der Landwirtschaft zu sehen. Allerdings führt diese Entwicklung im Durchschnitt zu einer späteren Klärung der Nachfolgefrage in der Berglandwirtschaft.

Hofnachfolge in diversifizierenden Betrieben – eine qualitative Untersuchung bayerischer Berglandwirtschaftsbetriebe

Um das Zusammenspiel von Hofnachfolge und EKK darstellen zu können, wurden acht Betriebsleiter befragt. Es handelt sich um Betriebe im Alpenraum und im Bayerischen Wald, die innerhalb der letzten zehn Jahre übergeben wurden und weiter aktiv bewirtschaftet werden.

Unter anderem lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • Die finanzielle Rolle der Einkommenskombinationen in den Betrieben legte eine hohe indirekte Bedeutung der Diversifizierungsmaßnahmen nahe.
  • Männliche Betriebsleiter schienen in der Regel die Arbeit in der "eigentlichen" Landwirtschaft zu favorisieren. Eltern, die weiterhin in den Betrieb involviert waren und zunächst "ihre" Einkommenskombinationen weiterführten, und Partnerinnen, die sukzessive die Aufgaben in den Einkommenskombinationen übernahmen, spielten in solchen Fällen die tragende Rolle für deren Fortbestehen. Das unterstreicht die wesentliche Bedeutung von Frauen in der Landwirtschaft, die oft nicht ausreichend gewürdigt wird.
  • In manchen Betrieben kommt es zu einem erheblichen innerbetrieblichen Strukturwandel. Die Einkommenskombinationen werden zum Kern des Betriebs und die landwirtschaftliche Nutzung wird weitestgehend extensiviert.

Diversifizierung in der Berglandwirtschaft – Chancen und Risiken von Einkommenskombinationen

Können ausgewählte EKK zum Erhalt der Landwirtschaft in Bergregionen beitragen? Mit drei Modellbetrieben im Landkreis Oberallgäu wurde untersucht, in welchem Ausmaß landwirtschaftliche Betriebe ein zusätzliches Einkommen zum Gewinn aus der landwirtschaftlichen Urproduktion zur Sicherung der Existenz benötigen und welchen Beitrag verschiedene Diversifikationsformen dazu beisteuern können. Die Modellbetriebe waren typisch für den Untersuchungsraum Landkreis Oberallgäu, gestaffelt nach der Anzahl Milchkühe bis zur Wachstumsschwelle des Landkreises.

Die Arbeit zeigt, wie bei identischer Belegung mit Ferienwohnungen je nach Art und Umfang in unterschiedlichem Maße Einkommen erzielt wird. Einzelbetrieblich sind jedoch externe Faktoren wie Standort und regionale Disparitäten mit ihrem Einfluss auf den Erfolg verschiedener Einkommensalternativen zu analysieren.

Bedeutung der Diversifizierung in der Berglandwirtschaft – wirtschaftliche und sozioökonomische Situation sowie Perspektiven

Fünf Betriebsleiter mit EKK im Landkreis Miesbach wurden zur wirtschaftlichen und sozioökonomischen Situation von Berggebieten, die im Tourismus, in der Direktvermarktung oder in der Gastronomie diversifizierten, befragt. Aus der Bewertung der Stärken und Chancen im Bereich Landwirtschaft, Landschaft, Natur und Tourismus resultiert ein wichtiges Potenzial für eine Diversifikation. Aus den Schwächen kann das Risiko von Attraktivitätsverlusten der Kulturlandschaft resultieren.

Als Ergebnis betonen Bergbauern die Notwendigkeit des Einsatzes vorhandener Kapazitäten für eine Diversifikation in alternative Erwerbsmöglichkeiten. Zur Verbesserung der Perspektiven sind aus Sicht der Betriebsleiter für den Einstieg spezielle Modelle mit Finanzierungsalternativen anzubieten, für die Umsetzung bürokratische Hindernisse angepasst an die spezifische Situation der Berglandwirtschaft soweit wie möglich abzubauen, dabei staatliche Leistungen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Zudem sind Dörfer auf überbetrieblicher Ebene zur Gewinnung eines hohen Wohn- und Freizeitwertes der alpinen Gebiete instand zu setzen.

Analyse von Beweggründen bei der Vermarktungsentscheidung von Milcherzeugern im Berchtesgadener Land

Bayern ist der bedeutendste Milcherzeugerstandort in Deutschland. Der Milchsektor ist mit den Verkaufserlösen die wichtigste Einkommensquelle für die bayerische Landwirtschaft. Als häufigste Verarbeitungsstätten für Milch verarbeiten Molkereien etwa 98 Prozent der erzeugten Milch in Bayern und vermarkten den Produkte überwiegend über den Lebensmitteleinzelhandel. Für den Vertrieb von Milch und Milchprodukten sowie Käse kommen für den Landwirt eigene Direktvermarktung, Direktvermarktung über Sennereien oder über Molkereien in Betracht (Abbildung 1).

Die Beweggründe für oder gegen eine Entscheidung zur Direktvermarktung wurden in vier zufällig ausgewählten milcherzeugenden Musterbetrieben vor dem Hintergrund guter Milchauszahlungspreise der Milchwerke Berchtesgadener Land untersucht.

Grafik wird im Text erläutertZoombild vorhanden

Abbildung 1: Vermarktungswege für Milch und Milchprodukte von Bergbauern und Sennereien

Als Ergebnis konnte gezeigt werden, dass bei einer Entscheidung für eine (teilweise) Direktvermarktung der Milch anstelle der Ablieferung der Milch an die Molkerei in den Betrieben ökonomische Beweggründe vordergründig waren. Des Weiteren konnte anhand von Modellrechnungen verdeutlicht werden, dass es für kleine Milchviehbetriebe im Landkreis Berchtesgadener Land von Vorteil sein kann zu diversifizieren, um betriebswirtschaftliche Risiken zu streuen und auf diese Weise die Existenz nachhaltig sicher zu stellen. Die Ergebnisse aus den Wirtschaftlichkeitsrechnungen zur Direktvermarktung machen deutlich, dass durch die eigene Verarbeitung und Vermarktung der Produkte ein höheres Familieneinkommen zu erwirtschaften ist, sofern entsprechende Arbeitskapazitäten vorhanden sind und ein angemessenes Absatzpotenzial in der Region zur Verfügung steht.

Die Vorzüglichkeit der kooperativen Verarbeitung und Vermarktung von Bergprodukten über verschiedene Absatzwege

Im Rahmen einer Befragung wurde eine Käserei im Landkreis Miesbach im Hinblick auf ihre Stärken und Schwächen analysiert, um auf dieser Grundlage eine Strategie für die künftige Weiterentwicklung abzuleiten. Bei dem Unternehmen handelt es sich um eine Kooperation zwischen 19 milchliefernden Landwirten der Region, die die eigenerzeugten Produkte über verschiedene Absatzwege, z. B. Ab-Hof-Verkauf/Hofladen, Bauern- und Wochenmarkt, Belieferung von Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie, vermarktet.

Zusammendfassend lässt sich festhalten:

  • Obwohl sich die Direktvermarktung von Milch und Milchprodukten in der kooperativ wirtschaftenden Käserei aus Expertensicht sehr positiv darstellt, sind bei der Produktion in der Käserei Arbeitsprozesse in einem ständigen Verbesserungsprozess zu durchleuchten und weiter zu optimieren in Richtung verbesserter Produktivität und Effektivität.
  • Mit der Alleinstellung des abgesetzten Käses aus der Naturkäserei ergibt sich eine hohe Akzeptanz von Bergkäse und eine eher steigende Nachfrage in der Region und im weiteren Umfeld.
  • Eine Honorierung der Leistungen der beteiligten Milchviehbetriebe spiegelt sich im relativ hohen Milchpreis wider. Alle Beteiligten profitieren von einer kurzen Anlieferungsstrecke und der regionalen Vermarktung.

Fazit

Berggebiete benötigen aufgrund der speziellen Gegebenheiten eine gesonderte Behandlung. Unterstützung ist einerseits durch Beratungsangebote und bürokratische Vereinfachungen beim Einstieg in neue Geschäftsbereiche zu gewährleisten.
Hinsichtlich der Vermarktung regionaler Erzeugnisse sind Marketingmaßnahmen, die Unterstützung bei kooperativen Zusammenschlüssen und das Schaffen neuer Absatzwege speziell für Nischenprodukte denkbare Handlungsansätze. Maßnahmen im Bereich Umwelt- und Naturschutz können den Wohn- und Freizeitwert ausgewählter Berggebiete steigern.
Letztlich ist aber im Bereich der Sozioökonomik der landwirtschaftlichen Haushalte anzusetzen, um bei der Finanz- und Arbeitswirtschaft wie auch bei den Wohnverhältnissen grundlegende Neuansätze zur nachhaltigen Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu realisieren.
Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens sind in zwei Publikationen veröffentlicht: Die detaillierte Untersuchung als LfL-Schriftenreihe (266 Seiten) und eine gekürzte Fassung als LfL-Information (87 Seiten).

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Kopfbild, Foto: Warmuth/StMELF