Der bäuerliche Familienbetrieb in Bayern – Situation und Perspektiven

Teaserbild Landwirtschaftlicher Familienbetrieb mit Wohnhaus und Wirtschaftsgebäuden

Die Landwirtschaft in Bayern ist besonders geprägt von bäuerlichen Familienbetrieben. Wie gut kommen diese mit dem aktuellen Strukturwandel zurecht? Eine Studie der LfL untersuchte dies.

Das Institut für Agrarökonomie der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft hat 2010 im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine repräsentative Stichprobe von 3.100 landwirtschaftlichen Haushalten in Bayern befragt.

Die Forschungsarbeit zum bäuerlichen Familienbetrieb wurde in zwei Abschnitten durchgeführt:

  1. Der erste Teil beschreibt Struktur und Organisation des landwirtschaftlichen Familienhaushalts und des Betriebs, aber auch die weiteren Geschäftsfelder, in denen die erwerbsfähigen Haushaltspersonen tätig sind. Inhalt und Ausmaß der außerhäuslichen und außerbetrieblichen Erwerbsarbeit von Bäuerin und Landwirt sind aufgezeigt. Es geht um die handelnden Personen, wie zufrieden sie mit der aktuellen Situation sind und wie sie ihre Zukunft gestalten wollen.
  2. Der zweite Teil befasst sich speziell mit den Bäuerinnen, die zur Vorbereitung ihrer Einheirat in einen landwirtschaftlichen Betrieb die Hauswirtschaftsschule (Teilzeitschule) besucht haben. Sogenannten Neubäuerinnen, das sind eingeheiratete Bäuerinnen aus dem nichtlandwirtschaftlichen Bereich, gilt bezüglich ihrer Lebens- und Arbeitskonzepte besondere Aufmerksamkeit.

Teil 1 des Forschungsberichts
Situation und Perspektiven des bäuerlichen Familienbetriebs

Mehrsäulen-Strategien

Der landwirtschaftliche Betrieb hat die wirtschaftliche Sicherung der Existenz der landwirtschaftlichen Familie zum Ziel. "Mehrsäulen-Strategien" in Richtung erhöhter betrieblicher Wertschöpfung werden vor allem dann gesucht, wenn es keine passenden Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft gibt, zusätzlich eine junge Familie durch die Landwirtschaft versorgt werden muss oder die Sicherung der Existenz allein durch das Einkommen aus der Landwirtschaft unzureichend ist.

Tierhaltung bestimmt stark die weiteren Tätigkeiten

Für die Bewirtschaftung unterschiedlichster Nebenbetriebe wie der Direktvermarktung, von Lohnunternehmen oder dem Angebot hauswirtschaftlicher Dienstleistungen ist vor allem Art und Umfang der Tierhaltung bestimmend, und zwar meist stärker als die Flächenausstattung. Bei touristisch attraktiver Lage wird in Milchviehbetrieben vielfach der Urlaub auf dem Bauernhof als Nebenbetrieb, bei professioneller Betrieben vermehrt bereits auch als Hauptbetrieb geführt. Die meisten erfassten Nebenbetriebe fallen in die Rubrik der "hofnahen" Tätigkeiten. Die Direktvermarktung nimmt bei den Nebenbetrieben den höchsten Anteil ein. Das Einkommen aus den Nebenbetrieben liefert wichtige Beiträge zur Lebenshaltung. Mit Hilfe dieser Beiträge verbleibt der Landwirtschaft selbst ein höherer Anteil vom erwirtschafteten Gewinn erhalten, weil nur ein reduzierter Anteil für den "Privataufwand" aufgebracht werden muss.

Über die Hälfte der Landwirte sind auch außerlandwirtschaftlich berufstätig

Eine dritte Säule des Einkommens ist die außerlandwirtschaftliche Berufstätigkeit. Dabei zeigt die Untersuchung eine starke Erwerbsbeteiligung von Landwirt und Bäuerin gleichzeitig. 38 Prozent der Bäuerinnen sind außerlandwirtschaftlich berufstätig mit durchschnittlich 24 Stunden pro Woche, 54 Prozent der Landwirte mit durchschnittlich 36 Stunden pro Woche! Eine außerlandwirtschaftliche Berufstätigkeit findet vor allem in kleineren Betrieben statt. Größere Betriebe suchen dagegen verstärkt innerhalb der Landwirtschaft nach Potenzialen, um das Einkommen anzupassen oder auszugleichen. Außerhäusliche Erwerbstätigkeit liefert nicht nur Einkommen, vielmehr profitieren Haushalte und Betriebe von den Qualifikationen, insbesondere im Bereich des Managements. Sie schärfen den Blick für neue Geschäftsfelder, lassen bisher fremde Chancen entdecken und können diese mittels einer Fort- und Weiterbildung auf ein solides Fundament stellen.

Bäuerin kümmert sich vorrangig um die Haushalts- und Familienarbeit

In 87 Prozent der Fälle übernimmt die Bäuerin führend die Haushalts- und Familienarbeit, weiß jedoch aber auch über das Betriebsgeschehen Bescheid und arbeitet praktisch mit. Mit ihrer stetigen Verfügbarkeit ist dagegen nicht mehr generell zu rechnen.

Zufrieden mit dem Lebenshaltungsniveau

Das Lebenshaltungsniveau schätzten Bäuerinnen im Wesentlichen als "allgemein üblich", das heißt in gesellschaftlicher Hinsicht passend, ein. Konkrete "Erschwernisse" wie finanzielle Belastungen, Krankheiten, Pflegebedürftigkeit oder Schicksalsschläge haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die Einkommenserzielung, Rentabilität, Stabilität und Liquidität des landwirtschaftlichen Betriebs. Sie können erheblich sein und die Zukunftsprognosen empfindlich beeinflussen.

Die meisten sind gern Bäuerin

Trotz hoher Arbeitsbelastung und hoher finanzieller Belastungen überwiegen die positiven Argumente des Berufs der Bäuerin, zum Beispiel die Selbständigkeit, die Freude an der Landwirtschaft. Aufgrund dessen werden auch mit einer großen Offenheit neue Lösungen wie der Einstieg in Einkommenskombinationen gesucht.

Weiterbildung ist wichtig

Damit Maßnahmen zur Anpassung an den Strukturwandel schlechthin beziehungsweise an die individuellen Verhältnisse zum Erreichen einer hohen Zufriedenheit führen, ist eine Unterstützung von außen empfehlenswert. Eine ständige Weiterbildung eröffnet in der Regel neue Perspektiven. Landwirtschaftliche Betriebsleiter liegen mit fünf Tagen Weiterbildung im Jahr über dem Durchschnitt deutscher Unternehmen. Bäuerinnen bilden sich an sechs Tagen im Jahr weiter. Nach geplanten Maßnahmen geordnet, beteiligen sich verstärkt solche Bäuerinnen oder Landwirte an der Weiterbildung, die Anpassungen in der Betriebsorganisation vornehmen wollen.
Knapp zusammengefasst ergibt sich, dass die Familienbetriebe Krisenfestigkeit beweisen, indem sie nach Lösungen suchen und Wege gehen, die zu Familie und zum Betrieb passen.

Teil 2 des Forschungsberichts
Die "Neubäuerin" im landwirtschaftlichen Familienbetrieb

In einem zweiten Abschnitt wurde untersucht, wie Frauen, die sich über die "Hauswirtschaftsschule" auf das Bäuerinnenleben vorbereitet haben, nach ihrer Einheirat in einen landwirtschaftlichen Betrieb in ihrem praktischen, das heißt beruflichem Umfeld agieren.

Die Hofnachfolge entscheidet über die Weiterführung des Betriebs

Die Weiterführung eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs hängt nach wie vor von einer sachkundigen Hofnachfolge ab, ein einschneidendes Ereignis für die Zukunft der Familie und des landwirtschaftlichen Unternehmens. Mit der Übernahme des Betriebs durch den Partner bei der Einheirat der Bäuerin wird nicht nur der Zuschnitt des landwirtschaftlichen Betriebs, sondern auch der "Lebenszuschnitt" der Partner beziehungsweise der Familie bestimmt. Die Geburt von Kindern in der "Aufbauphase" ist Grundlage für ein Familienleben, dem der vorderste Platz in der Werteskala eingeräumt ist.

Fast die Hälfte der Bäuerinnen stammen nicht aus der Landwirtschaft

Von den 85 Prozent in die bayerischen Familienbetriebe eingeheirateten Bäuerinnen (in nur 15 Prozent der bayerischen Familienbetriebe übernehmen Töchter den Betrieb) stammten zum Zeitpunkt der Untersuchung (2008/09) 57 Prozent aus der Landwirtschaft und 43 Prozent aus einem anderen beruflichen Bereich. Wie sich bei der Analyse der Qualifikation der Bäuerinnen zeigte, gehören auch diese Bäuerinnen zur "bestens ausgebildeten Generation von jungen Frauen". Mindestens ein mittlerer Schulabschluss war Voraussetzung für die Ausübung ihres vor der Heirat erlernten nichtlandwirtschaftlichen Berufs. Nachdem Bäuerinnen Familie und außerhäusliche Erwerbsarbeit verstärkt simultan, also in der gleichen Lebensphase zu vereinbaren versuchen, führen sie in der Regel ihre Erwerbstätigkeit so lange weiter, bis die Geburt von Kindern Grenzen setzt. Auch wenn sie die Rückendeckung von Seiten der Familie, vor allem vom Ehepartner, aber auch den Schwiegereltern in Form einer sinnvollen Aufgabenverteilung haben, arbeiten sie zur Gewährleistung eines akzeptablen Grades an Vereinbarkeit der verschiedenen Aufgabenbereiche außerlandwirtschaftlich vorwiegend in Teilzeit.

Die Männer beteiligen sich an der Haushalts- und Familienarbeit

Den Ergebnissen der Untersuchung zufolge ist dies bei der partnerschaftlichen Unternehmensführung sehr förderlich.

Außerhäusliche Berufstätigkeit der Bäuerinnen wichtiger Einkommensbeitrag

Die außerhäusliche Berufstätigkeit der Bäuerinnen verschafft dem Betrieb einen wichtigen Einkommensbeitrag. Zudem wird aber auch die einmal erworbene außerlandwirtschaftliche berufliche Aus- und Weiterbildung der Bäuerin mit unternehmerischem Weitblick in die Organisation von Haushalt und Betrieb mit einbezogen.

Positive wie negative Seiten des Berufs

Den Lebensstil können Bäuerinnen – nach ihren Angaben – relativ gut eigenständig bestimmen. Genauso bietet ihnen die Selbständigkeit und infolge dessen die relativ große zeitliche Ungebundenheit, der Arbeitsplatz am Wohnort und die Naturverbundenheit große Freiheitsgrade bei der Gestaltung ihrer Lebens- und Arbeitswelt. Körperlich anstrengende Arbeit, finanzielle Belastungen mit den Folgen für das frei verfügbare Einkommen, ein ungeregelter Urlaub stehen als belastende Größen im Raum. Das ist ein Anlass zur Überprüfung der Betriebsorganisation, inwieweit unwirtschaftlich erscheinende Aufgaben aufzugeben, anzupassen oder sinnvoller Weise an Dienstleister zu vergeben sind.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich durch die "Neubäuerinnen" der Lebensstil bäuerlicher Familien nicht grundlegend ändert. Änderungen werden vollzogen in Richtung Strukturierung des Tagesablaufs, um freie Zeit zu gewinnen, die auch als tatsächliche Freizeit - mit der Familie - realisiert wird.

Ansprechpartner:
Dr. Gerhard Dorfner
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Agrarökonomie
Hans-Loher-Str. 32, 94099 Ruhstorf a.d.Rott
Tel.: 08161 8640-4661
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de