Einkommenssicherung und -entwicklung durch Diversifizierung in der Landwirtschaft

landwirtschaftliche Halle mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach

Einkommenskombinationen können zur langfristigen Aufrechterhaltung landwirtschaftlicher Betriebe als Lebens- und Arbeitszentrum der landwirtschaftlichen Familie beitragen.

Das Institut für Agrarökonomie der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft hat 2013 im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine umfangreiche Forschungsarbeit zur Bedeutung der Diversifizierung und den Entwicklungsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe, die regionale Wertschöpfung und die Lebensqualität im ländlichen Raum durchgeführt.

Ergebnisse des Forschungsprojekts

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts liefern

  • Informationen über Art und Umfang der Diversifizierung, deren Beschäftigungs- und Einkommenswirkungen
  • Kalkulationsunterlagen zur Bewertung von Modellen der Diversifizierung
  • Stichhaltige Argumente für die Ausrichtung der Qualifizierung von Bäuerinnen und Landwirten
  • Eine Basis zur Vermittlung unternehmerischer Qualifikationen in Schule und Erwachsenenbildung sowie begleitender Coaching-Maßnahmen beim Aufbau von Unternehmenszweigen
  • Informationen zur Feststellung von Förderpräferenzen

Statistik der Einkommenskombinationen

Eine zielgerichtete Diversifizierung verlangt eine ausreichend statistisch abgesicherte Datengrundlage, die betriebliche, örtliche und regionale Gegebenheiten objektiviert und Entwicklungsphasen bereits durchgeführter Diversifizierungsvorhaben nachvollziehbar aufzeigt. Die Datenermittlung im Rahmen des Forschungsprojekts durch die LfL in Form einer repräsentativen Stichprobe der landwirtschaftlichen Betriebe Bayerns zeigt ein annähernd vollständiges und regional differenziertes Bild typischer Formen und Kombinationen der Diversifizierung.
Nach ihr haben 60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe Bayerns Einkommenskombinationen entweder in Form eines Nebenbetriebes der Landwirtschaft oder eines gewerblich eingestuften Betriebszweiges.
Bemerkenswert erscheint, dass mehr als 40 Prozent der ermittelten Geschäftsfelder dem Bereich der erneuerbaren Energien zuzuordnen sind. Bei knapp einem Viertel der diversifizierenden Betriebe ist das Einkommen aus dem Bereich des kombinierten Geschäftsfeldes höher als aus der herkömmlichen landwirtschaftlichen Produktion.
In Betrieben mit Einkommenskombinationen sind zusätzlich zu den gut qualifizierten Familien-Arbeitskräften durchschnittlich 1,76 Fremd-Arbeitskräfte im Betrieb und 2,2 Fremd-AK im Bereich der Einkommenskombinationen beschäftigt. Unter den Fremd-Arbeitskräften findet sich ein Anteil von 40 Prozent angelernter Personen.
Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme vermitteln Verständnis für das wirtschaftliche Potential von Diversifizierungen in landwirtschaftlichen Unternehmen und berücksichtigen auch die gewerblich eingestuften Einkommenskombinationen in Verbindung mit der Landwirtschaft. Der Zahl der Betriebe mit einem "Nebenbetrieb der Landwirtschaft“ sind somit 51 Prozent gewerblich ausgewiesene Bereiche hinzuzurechnen.

Optimale Kombination von Geschäftsbereichen

Neue Geschäftsbereiche sind möglichst optimal in den Gesamtbetrieb einzubinden, d. h. ökonomisch und arbeitswirtschaftlich sinnvoll auf die existente landwirtschaftliche Produktion abzustimmen. Dieser Überlegung folgend wird vielfach die Direktvermarktung mit der Schweinemast oder der Urlaub auf dem Bauernhof mit der Milchviehhaltung kombiniert, um Synergie- und Koppeleffekte zu nutzen.
Plankalkulationen von Alternativen und weitergehend Betriebsentwicklungspläne verschaffen Transparenz über Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung (evtl. Einbindung von Fremd-AK, erforderliche Qualifikationen, zweckmäßige Auslagerung von Aufgaben) und die Erlöse im Gesamtbetrieb, wenn beispielweise zum bisher eingleisig geführten Milchviehbetrieb eine Direktvermarktung aufgenommen wird.

Entwicklungsverläufe bei der Diversifizierung

Bei der Betrachtung der 15- bis 20jährigen Fallgeschichte von landwirtschaftlichen Unternehmen, die in den 90er Jahren mit Unterstützung einer 5 b-Förderung und mit relativ umfangreichen Investitionen neue Geschäftsbereiche aufgebaut haben, werden Faktoren, die die Entwicklung richtungsweisend beeinflusst haben, sichtbar. Auch hier zeigt sich, dass bei Diversifizierungsvorhaben die Unternehmerpersönlichkeit von überragender Bedeutung ist. Ihre fachliche Qualifikation und ihre Bereitschaft, eine fachkompetente Beratung bei der Wahl, Planung und Umsetzung eines neuen Vorhabens in Anspruch zu nehmen, stellen sich als maßgebliche Kriterien für den Erfolg heraus. Ein charakteristisches Beispiel ist die aus der Nicht-Landwirtschaft einheiratende Bäuerin mit dem Beruf Köchin, die nun einen Gastronomie-Betrieb aufgebaut und zu einem erfolgreichen Standbein geführt hat, bei dem die gesamte Familie mithilft, ohne jedoch die auf Spitzenniveau laufende Landwirtschaft zu vernachlässigen.

Diversifizierung und ländlicher Raum

Die Annahme, dass eine erfolgreich praktizierte Diversifizierung nicht nur landwirtschaftliche Betriebe wesentlich zu stützen vermag, sondern auch zur wirtschaftlichen und demografischen Stabilisierung – insbesondere peripher gelegener ländlicher Räume – beiträgt, zeigt sich an existenten Betrieben, die an ungünstigen Standorten ihre Unternehmen wirtschaftlich führen, Leistungen für das Gemeinwohl bereitstellen und die vor- und nachgelagerte gewerbliche Wirtschaft in der Region stärken.

Allerdings reicht eine Diversifizierung landwirtschaftlicher Betriebe allein nicht aus, um im ländlichen Raum einen positiven stabilisierenden Einfluss auf die demografische Entwicklung nehmen zu können. In der Regel sind die Landwirte primär selbst auf ein bereits existentes, ihren Diversifizierungsvorhaben unterstützendes Umfeld angewiesen, wenn sie Erfolg mit neuen Geschäftsfeldern haben wollen. So sind, um nur einige Beispiele zu nennen, in wirtschaftsstarken, aufstrebenden Regionen selbsterzeugte Produkte effizienter zu vermarkten, touristische Einrichtungen besser auszulasten und Dienstleistungen der verschiedensten Art gefragter als in dünnbesiedelten, marktfernen Räumen. Das schließt nicht aus, dass Unternehmer mit Pioniergeist – allen gängigen Erfahrungen zum Trotz – ihre Chance an abgelegenen Orten entdecken und zum Erfolg führen.

Generell ist das Zukunftspotential des Ortes und dessen Nahbereich mit in die Entscheidung für eine Diversifizierung einzubeziehen. Kriterien wie Ortsgröße, Infrastruktureinrichtungen, verkehrstechnische Anbindung an urbane Zentren, die Entwicklung der Bevölkerung sowie deren Altersstruktur sind gewichtige Faktoren. Gerade bei einer schwachen Wirtschaftsstruktur, peripherer Ortslage, abnehmender Einwohnerzahl und zugleich hohem Altersdurchschnitt ist ein mehr oder weniger hoher Anteil leer stehender landwirtschaftlicher Bausubstanz anzutreffen, die durch strukturbedingte oder organisatorische Veränderungen ihre bisherige Nutzung verloren hat. Sie lässt sich grundsätzlich, entsprechend der Standortgegebenheiten, gewerblich oder für Wohnzwecke mit kommunalpolitischer Unterstützung nutzen.

Wertschöpfungspotenziale nutzen durch Zusammenarbeit

Stoßen traditionelle Vermarktungsschienen für den unmittelbaren Absatz von landwirtschaftlichen Produkten an den Endverbraucher an Grenzen, erweitert eine zunehmende Zahl Direktvermarkter ihre Geschäftsbeziehungen durch Zusammenarbeit mit der Gastronomie, Kantinen und mit dem Lebensmittelhandel. Sie setzen auf diesem Wege relativ langfristig kalkulierbare Produktmengen ab. Diese Entwicklung stützt die Landwirtschaft und kommt der Nahversorgung der Bevölkerung mit Produkten aus der Region entgegen.
Als wichtige Voraussetzungen für die Tragfähigkeit solcher Geschäftsbeziehungen haben sich das Vertrauen in die Qualität der Erzeugnisse und die Lieferzuverlässigkeit durch die Landwirte erwiesen. Die Dokumentation der qualitätssichernden Maßnahmen ist bei geschäftlichen Bindungen dieser Art unabdingbare Voraussetzung.

Weil die Zusammenarbeit von Anbietern in Anbieternetzwerken bekanntlich nur dann erfolgversprechend ist, wenn sie sowohl den Anbieter als auch dem gesamten Netzwerk einen wirtschaftlichen Nutzen verspricht, muss die fachliche Qualität der Präsentation der Angebote für eine breite Wahrnehmung durch potentielle Kunden zum Erfolg führen.
Am Beispiel des Anbieter-Netzwerks der bayerischen Gesundheitshöfe hat sich gezeigt, dass jeweils aktuelle Informationen von den einzelnen Anbietern über anstehende und durchgeführte Aktivitäten im Zusammenhang mit regionalen Maßnahmen zu einer verbesserten Aufmerksamkeit und damit zu einer häufigeren Frequentierung führen.

Handlungsempfehlungen

Der Diversifizierung in der Landwirtschaft liegt eine breite Vielfalt an Einzelaspekten zugrunde. Aussagen, die für individuelle wie auch gesamtwirtschaftliche Fragestellungen Gültigkeit haben, sind nur auf begrenztes Spektrum verschiedener Diversifizierungslösungen übertragbar:

  • An die Stelle des früheren Rates, mit kleinen investiven Schritten in ein neues Geschäftsfeld einzusteigen, tritt heute die Empfehlung, mutig zu beginnen, wenn bereits reichlich anderweitige Praxiserfahrungen vorliegen.
  • Eine erfolgreiche Diversifizierung hat als Grundlage ein stimmiges Gesamtkonzept für das Unternehmen. Eine Feinabstimmung ist zwischen den Produktionsschwerpunkten unabdingbar und in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess stets im Auge zu behalten. Auf diese Weise wird eine Fehlentwicklung frühzeitig entdeckt und eine Risikoverteilung gewährleistet.
  • Einkommenskombinationen können auf eine oder auch mehrere Generationen ausgelegt sein. Entsprechend der beabsichtigten Dauer ist auf eine mehr oder weniger hohe Flexibilität der Nutzung von Anlagen (z. B. Gebäudenutzung) Wert zu legen.
  • Die innovativen Fähigkeiten und fachlichen Qualifikationen des Unternehmers haben einen überragenden Einfluss auf das Gelingen von Diversifizierungsvorhaben.
  • Für die Beratung gilt, Erfahrungen nüchtern zu analysieren, zu dokumentieren und daraus in die Zukunft weisende Strategien zu entwickeln.
  • Diversifizierung braucht politischen Rückhalt – in Form einer angepassten finanziellen Unterstützung der Landwirte wie auch einer Beratung, die nicht nur Entwicklungen anstößt, sondern verantwortungsbewusst begleitet.

Ansprechpartner
Dr. Gerhard Dorfner
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Agrarökonomie
Hans-Loher-Str. 32, 94099 Ruhstorf a.d.Rott
Tel.: 08161 8640-4661
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de