Preisturbulenzen
Strommarkt Solar/Photovoltaik in Zahlen – Rückblick von 2015 bis heute
Der Strommarkt war lange von niedrigen Preisen und geringer Volatilität geprägt. Im Jahr 2020 beginnt die Covid-19-Krise, im Jahr 2022 folgt der Überfall Russlands auf die Ukraine. Am Strommarkt werden sehr hohe Renditen möglich. Seit dem Jahr 2023 stehen am Strommarkt die Zeichen auf Beruhigung und die langfristige Preisabsicherung wird wieder entscheidend. Das Preisrisiko ist auch abhängig von der Anlagengröße.
Marktwert Solar | Der Großhandels-Erzeugerpreis für Strom aus Photovoltaikanlagen
Photovoltaikanlagen sind fluktuierende Stromerzeuger. Die Sonne bestimmt, wann und wie viel Strom erzeugt und eingespeist werden kann, und zwar für alle Photovoltaik-(PV-)Module gleichzeitig. Der Strom-Großhandel ermittelt stündlich einen neuen Preis. Ein Standardjahr zählt 8.760 Stunden und Einzelpreise. Im Schaltjahr sind es 24 Einzelpreise mehr. Gewichtet man die stündlich eingespeiste Solar-Strommenge mit den stündlichen Großhandelspreisen, ergibt sich der Marktwert Solar (siehe auch schwarze Linie in der Abbildung).
Krisenbedingt hoher Marktwert Solar
Der Jahresmarktwert Solar pendelte in den Jahren 2015 bis 2019 auf niedrigem Niveau zwischen 2,68 und 4,39 ct/kWh um den Mittelwert 3,36 ct/kWh. Auf dem Strommarkt war es schwierig, Geld zu verdienen. Im Jahr 2020 beginnt die Covid-19-Krise, im Jahr 2022 folgt der Überfall Russlands auf die Ukraine. Zunächst senkt der Lockdown den Stromverbrauch und lässt den Jahresmarktwert Solar 2020 auf ein Allzeittief von 2,458 ct/kWh fallen. Im Jahr 2021 setzt die wirtschaftliche Belebung ein und schiebt den Jahresmarktwert Solar auf das 2,2-Fache des Vorkrisenniveaus (7,552 ct/kWh). In dieser Situation kommt der Ukrainekrieg hinzu. Der Strompreis steigt weiter auf das 6,6-Fache des Vorkrisenniveaus (22,306 ct/kWh im Jahresmittel).
Das Strommarktjahr 2023 steht wieder im Zeichen der Beruhigung und zeigt mit 7,20 ct/kWh einen deutlichen Rückgang der Preise. Mit Stand Mai 2024 liegen die Monatsmarktwerte Solar deutlich unter dem Niveau der Monatsmarktwerte 2023. Für das Jahr 2024 lässt sich ein weiter sinkender Jahresmarktwert erwarten.
EEG-Garantievergütung | Der Gesetzgeber sieht weiterhin Förderbedarf
Unbeeindruckt von den hohen Strommarktpreisen im Krisenjahr 2022 sieht der Gesetzgeber für Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) weiterhin einen Förderbedarf und bietet eine EEG-Garantievergütung über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren an. Auch viele PV-FFA-Projektierer folgen dieser Sichtweise, und dies selbst im Jahr 2022: Trotz eines Jahresmarktwerts Solar von über 20 Cent bewarben sich rund 2,4 Gigawatt PV-FFA-Projekte erfolgreich um einen Zuschlag für eine 20-jährige Einspeisegarantievergütung in Höhe von 5,44 Cent.
Ausschreibungsergebnisse Solar "Freifläche"
Große PV-FFA können sich nur über eine Ausschreibung der Bundesnetzagentur mit einer 20-jährigen EEG-Garantievergütung absichern. Hier herrscht intensiver Wettbewerb. Nur die günstigsten Bieter erhalten die Zuschläge. Die geplanten Anlagen bieten nicht selten zum vollkostendeckenden Preis ohne Aufschlag mit. Die Ausschreibungsergebnisse liegen vermutlich nahe an den tatsächlichen Stromgestehungskosten.
Seit 2015 erhielt im Ausschreibungssegment "Freifläche" eine Anlagenleistung von knapp 16,5 GW einen Zuschlag. Der bisher niedrigste Zuschlag für ein Einzelprojekt lag bei 3,55 ct/kWh, der bisher höchste bei 8,40 ct/kWh. Aussagekräftiger als diese beiden Einzelprojekte ist der nach Anlagenleistung gewichtete Mittelwert aller Projekte, der bisher bei 5,74 ct/kWh liegt (siehe auch rote Quadrate in der Abbildung).
Ausschreibungsergebnisse Solar "Dachfläche"
Das Segment "Solar Dachfläche" wird seit 2021 ausgeschrieben. Hier sind die Ausschreibungsmengen deutlich niedriger, und es werden mit Zuschlägen zwischen 7,16 und 10,21 Cent je Kilowattstunde höhere Garantievergütungsansprüche erreicht. Der nach Anlagenleistung gewichtete Mittelwert aller Projekte liegt bisher bei 8,98 Cent je Kilowattstunde (siehe auch gelbe Quadrate in der Abbildung).
§51 EEG | Der Gesetzgeber übernimmt bei negativen Großhandelspreisen für große Solaranlagen nicht immer das volle Marktrisiko
Hat eine Solaranlage einen Anspruch auf EEG-Garantievergütung und ist diese nicht von §51 EEG betroffen, übernimmt der Gesetzgeber über die gesamte Laufzeit das Marktpreisrisiko. Für die meisten Betreiber von Solaranlagen sind daher niedrige oder negative Marktpreise im Stromgroßhandel ohne betriebswirtschaftliche Bedeutung.
§51 EEG-Risiko für neue Solaranlagen ab 400 kWp
Für neu nach EEG 2023 errichtete Solaranlagen mit einer installierten Leistung ab 400 kWp gilt gemäß §51 EEG folgende Ausnahme: Diese Solaranlagen haben während Großhandelsstunden mit negativen Strompreisen keinen Anspruch auf EEG-Garantievergütung. Die Stromeinspeisung ist in diesen Stunden zwar möglich, aber ohne ausgleichende Marktprämie. Im Jahr 2024 müssen für diesen Vergütungsverlust mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden am Großhandel negative Preise aufweisen. Ab 2026 verschärft sich die Regel: Dann genügen bereits mindestens zwei aufeinanderfolgende Stunden mit negativen Großhandelspreisen. Ab 2027 gilt die §51-EEG-Regel für jede Stunde mit negativen Großhandelspreisen.
§51-EEG-Risiko für ältere Solaranlagen ab 500 kWp
Auch Solaranlagen, die nach EEG 2017 oder EEG 2021 in Betrieb genommen wurden, sind ab der Anlagengröße 500 kWp vom §51 EEG betroffen. Bei nach EEG 2017 in Betrieb genommenen Solaranlagen müssen mindestens sechs aufeinanderfolgende Stunden negative Großhandelspreise aufweisen, bei nach EEG 2021 in Betrieb genommene Solaranlagen sind es mindestens vier aufeinanderfolgende Stunden mit negativen Großhandelspreisen. Anders als bei EEG-2023-Anlagen verschärft sich die §51-Regel für Solaranlagen nach EEG 2017 und EEG 2021 nicht sukzessive in den kommenden Jahren.
Ohne EEG-Garantievergütung | Eine riskante Wette auf den zukünftigen Marktpreis?
Foto: colourbox.de_Neirfy
Die gesetzlich garamtierte EEG-Vergütung lässt jederzeit eine höherpreisige Stromdirektvermarktung zu. Mit ihr kann der Betreiber einer PV-FFA von hohen Marktpreisen profitieren und die EEG-Garantievergütung nach Marktlage als Erzeugerpreisuntergrenze nutzen.
Private Stromlieferverträge dienen dem Stromkäufer nicht selten als Preisobergrenze für seinen Zukaufstrom. Für Betreiber einer PV-FFA wirkt der private Stromliefervertrag daher meist als Preisuntergrenze und als Preisobergrenze für seinen erzeugten und verkauften Strom. In diesem Fall kann der Betreiber nur bedingt von den hohen Marktpreisen profitieren.
Vermarktungschance und -risiko bei Vollkosten in Höhe von 5,74 Cent je Kilowattstunde
Eine PV-FFA mit einem Jahresstromertrag von 1 Mio. kWh/ha sowie ohne vertragliche Strompreisbindung, die ihre erzeugte Strommenge stets zu besten Preisen am freien Markt platziert und im Jahr 2022 den vollen Jahresmarktwert Solar in Höhe von 22,306 ct/kWh erlösen kann, erwirtschaftet bei Vollkosten in Höhe von 5,74 ct/kWh vor Steuern einen Überschuss von 16,566 ct/kWh und 165.660 Euro/ha.
Im Gegensatz dazu stehen die Jahre 2015 bis 2019. Bei einem mittleren Marktwert Solar von 3,362 ct/kWh schlägt für die genannte Anlage bei identischer Vermarktungsstrategie ein Verlust von 2,378 ct/kWh und jährlich 23.780 Euro/ha zu Buche. Der größte Verlust wäre 2020 in Höhe von 32.820 Euro/ha bei einem Jahresmarktwert von 2,458 ct/kWh aufgelaufen.
Jeder Cent multipliziert sich bei einer Million Kilowattstunden je Hektar zu 10.000 Euro
Ohne vertraglich oder gesetzlich über das EEG abgesichertem Erzeugerpreis ist der Betrieb einer PV-FFA vor diesem Hintergrund eine riskante Wette auf den zukünftigen Marktpreis. Letztendlich ist für Betreiber von PV-FFA nur eines sicher: Jeder Cent je Kilowattstunde wird bei oben genanntem Hektarstromertrag umgerechnet zu 10.000 Euro/ha. Das gilt für die Gewinnchance und das Verlustrisiko gleichermaßen.
Ansprechpartner
Martin Strobl
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Agrarökonomie – Ökonomik regenerative Energien
Menzinger Straße 54, 80638 München
Tel.: 08161 8640-1474
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de
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