Arbeitsgruppe (AG): Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus

Personen auf einem Getreideacker

Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) betreute das "Forum Diversifizierung". Zentrales Anliegen war es, Landwirte dabei zu unterstützen, zusätzliche Einkommensstandbeine aufzubauen.Diese Zielsetzung ist, trotz des Projektabschlusses im Jahr 2016, aktueller denn je. Eine Arbeitsgruppe des Forums bearbeitete das Themenfeld "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften - Landwirtschaft und Tourismus".

Ländliche Räume bieten häufig eine hohe Lebensqualität und intakte Natur, die für Familien - aber auch für Touristen - besonders attraktiv sind. Naturerlebnisse, Nachhaltigkeit, regional erzeugte Lebensmittel und Konsumgüter gewinnen zunehmend an Bedeutung. Mit diesen Besonderheiten lässt sich im ländlichen Tourismus Geld verdienen, gerade wenn regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut und als feste Partnerschaften geführt werden.

Agrotourismus ist mehr als Urlaub auf dem Bauernhof

Landwirtschaftliche Betriebe mit touristischen Angeboten haben mit ihren Stärken auf diese Trends eine gute Antwort. Sie standen bei der Arbeitsgruppe "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus" im Zentrum der Betrachtung. Dabei ist "Agrotourismus" mehr als nur Urlaub auf dem Bauernhof. Mit Angeboten wie Bauernhofgastronomie, Hof-, Natur-, Garten- und Weinerlebnisführungen, erlebnisorientierten Angeboten, Hoffesten und bäuerlichen Qualitätsprodukten bieten landwirtschaftliche Betriebe typische, authentische Erlebnisse für Tages- und Übernachtungstouristen.

Vernetzung führt zu höherer Wertschöpfung im ländlichen Raum

Vielen landwirtschaftlichen Betrieben ist es bereits gelungen, sich in Zusammenarbeit mit anderen Tourismusanbietern und Kooperationspartnern wie regionalen Handwerkern und Dienstleistern oder durch die Verwendung regionaltypischer Materialien und Produkte erfolgreich am Markt zu positionieren. Die Kooperation mit anderen touristischen Unternehmen, mit der Gastronomie und dem Handwerk einerseits sowie mit touristisch relevanten Verbänden, Politik und Verwaltung andererseits (Regionale Wertschöpfungspartnerschaften) erhöht die Wertschöpfung im landwirtschaftlichen Betrieb und trägt damit zur Sicherung der Existenz bei. Darüber hinaus werden auch in der ländlichen Region Wertschöpfung und Arbeitsplätze gehalten bzw. neu geschaffen.

Exkurs: Was sind (regionale) Wertschöpfungsketten? Was ist eine Regionale Wertschöpfungspartnerschaft?

1. Was sind Wertschöpfungsketten (WSK)?

"Allgemein beschreibt eine WSK den gesamten Weg eines Produktes oder einer Dienstleistung vom Erzeuger über den Verarbeiter und den Vermarkter bis zum Endkunden. Die Wertschöpfungskette beschreibt die Abfolge an wertschöpfenden Tätigkeiten bzw. die einzelnen Wertschöpfungsstufen."
Quelle: Schubert/ Bühler (2008), Seite 6

Grafik Regionale Wertschöpfungspartnerschaften - Wertschöpfungskette

Wertschöpfungsketten (WSK) stellen als vereinfachtes Modell die komplexen Beziehungen zwischen Zulieferern, Produzenten und Abnehmern dar. Zutreffender ist der Begriff Wertschöpfungs-Netzwerk, der den vielfältigen Verflechtungen des globalisierten Wirtschaftslebens im 21. Jahrhundert gerechter wird. Unternehmen sind nicht mehr in lineare WSK eingebunden, sondern beziehen einzelne sehr flexible Teilleistungen aus integrierten Leistungssystemen (vgl. Bieger/Scherer 2003: 10-11).

Mit dem Begriff der WSK ist generell keine Aussage verbunden in welchem Verhältnis die beteiligten Unternehmen zueinander stehen. Es kann sich dabei sowohl um eine reine Lieferkette handeln, bei der in erster Linie über den Preis „kommuniziert“ wird, wie auch um kooperierende Unternehmen handeln (Schubert/Bühler 2008: S.6).

2. Was versteht man unter einer Regionalen Wertschöpfungskette (RegWSK)?

"Bei einer Regionalen Wertschöpfungskette wird der überwiegende Teil der Stufen bzw. der Tätigkeiten der Wertschöpfungskette in der Region erbracht und damit verbleibt der überwiegende Teil der Wertschöpfung in der Region."
Quelle: Schubert/Bühler (2008), Seite 5/6

3. Was ist eine Regionale Wertschöpfungspartnerschaft (RWP)?

"Bei einer RegWSP handelt es sich um eine strategische Allianz zwischen den Unternehmen einer regionalen Wertschöpfungskette bzw. eines -netzes einerseits und einer regionalen Partnerschaft bestehend aus den zentralen Akteuren der Region aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft andererseits. Ziel der RWP ist die Generierung einer nachhaltigen regionalen Wertschöpfung durch die Inwertsetzung der regionalen Potenziale zum wechselseitigen Nutzen aller Beteiligten."
Quelle: Schubert/Bühler (2008), Seite 5

Die Qualität der Vernetzung ist ausschlaggebend für eine RWP.

Kennzeichnend für eine Regionale Wertschöpfungspartnerschaft sind:

  • die enge partnerschaftliche Zusammenarbeit innerhalb und zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Akteuren in der Region,
  • die konsequente Orientierung der Produkte und Leistungen am Kundennutzen sowie den regionalen Kernkompetenzen und
  • das professionelle und systematische Management der Partnerschaft.
Die ökonomische Grundlage einer RWP bilden funktionierende regionale Liefer- und Wertschöpfungsketten. Gleichzeitig geht eine RWP aber darüber hinaus: Durch die Kooperation zwischen Unternehmen und Akteuren aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft handelt es sich um eine public-private partnership, die sich bei entsprechender Ausgestaltung bis zum Cluster entwickeln kann (Schubert/Bühler 2008: S.6).
Quellen

Bieger, T./Scherer, R. (2003): Clustering und integratives Standortmanagement. Von einem theoretischen Konzept zu konkreten Handlungsstrategien. In: Scherer, R./Bieger, T. (Hg.): Clustering - das Zauberwort der Wirtschaftsförderung. Bern, Stuttgart, Wien: 9–25.
Elbe, S./ Schubert, D. (2008): Mehr Ökonomie in integrierten Ansätzen, mehr integrierte Ansätze in der Ökonomie. ASG - Ländlicher Raum 01/ 2008, S. 39-42
Schubert, D./ Bühler, J. (2008): Leitfaden „Regionale Wertschöpfungspartnerschaften“, online vom 20.02.2015:

Leitfaden "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften" Externer Link

RAD&APARTment – ein Beispiel für eine themenorientierte Regionale Wertschöpfungspartnerschaft

Unterfranken zählt mit seinem ausgezeichneten Wegenetz zu den beliebtesten Rad- und Wanderregionen Deutschlands. Gleichzeitig ist der heimische Rohstoff Holz schon immer Lebensgrundlage und Identität in der Region. Die Nutzung der zahlreichen Rad- und Wanderwege soll mit einem Netz aus qualitativ hochwertigen Übernachtungsmöglichkeiten aus heimischem Holz attraktiver gestaltet werden und Aktivurlauber anlocken:

  • Schaffung von "Low-Budget"-Übernachtungsmöglichkeiten aus heimischem Holz
  • Gemeinsames Betreibernetz und Marketingaktivitäten
  • Enge Zusammenarbeit mit regionalen Tourismusorganisationen
  • Nutzung der touristischen Infrastruktur und der regionalen Gastronomie.
Forum Diversifizierung AG Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus - Collage Rad&ApartmentZoombild vorhanden

Abbildung 1: Die Wertschöpfungspartnerschaft RAD&APARTment

Bauernhof-, Winzer- und Landurlaubsbetriebe zeigen Interesse an diesem Projekt, besonders an den gut ausgestatteten Blockhäusern mit Sanitärbereich und großzügiger Terrasse, mit denen sich neue Zielgruppen ansprechen lassen. Eine Kooperation der Betriebe mit gemeinsamen Angeboten wie z. B. Fahrradtouren mit Gepäcktransport, Natur- und Hofführungen bietet sich an. Wichtig dabei: Wenn Gebäude neu errichtet oder umgenutzt werden, ist eine Baugenehmigung erforderlich. Je nach dem, ob sich der Standort für das Bauvorhaben im Innen- oder Außenbereich befindet, müssen unterschiedliche Voraussetzungen dafür erfüllt sein. Es empfiehlt sich daher, sich frühzeitig in der Planungsphase darüber zu informieren.
Partner des Projekts sind neben den touristischen Anbietern das Netzwerk Forst und Holz, die Tourismusregion Rhön, das Regionalmanagement und das Fachzentrum Diversifizierung (Abbildung 1).
Wertschöpfung entsteht in den Gästebetrieben, aber auch in der Holzverarbeitung, der Gastronomie, Handel und Dienstleistungen. Nicht zuletzt sollen durch das Angebot die Urlauberzahl und die Belegungsdauer steigen, sodass die ganze Region profitiert.

Branchenübergreifende Zusammenarbeit und vielseitige Vernetzung als Erfolgsfaktoren

Branchenübergreifende Zusammenarbeit und vielseitige Vernetzung der Partner zeigen sich als wichtige Erfolgsfaktoren für das Projekt "RADAPARTment in Unterfranken". Aber auch die regionalen Besonderheiten und Kultur können – wenn sie authentisch wirken – zum Erfolgsfaktor werden. Weitere Erfolgsfaktoren wurden von der Arbeitsgruppe "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus" gesammelt und als Kriterienkatalog für erfolgreiche Projekte herangezogen.

Kriterienkatalog Erfolgsfaktoren von Regionalen Wertschöpfungspartnerschaften pdf 213 KB

Die Arbeitsgruppe "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus"

Die Arbeitsgruppe wollte Kooperationen regionaler Akteure fördern und nahm die Zusammenarbeit zwischen den Branchen Landwirtschaft und Tourismus genauer unter die Lupe, um die Vorteile eines gemeinsam erstellten Angebots für alle Kunden im Agrotourismus zu zeigen. Hierzu sollten die Stellschrauben aufgezeigt werden, an denen Bäuerinnen und Landwirte drehen müssen, um eine möglichst hohe Wertschöpfung zu erzielen. Die Experten der AG wollten einen Anstoß geben, dass Landwirte gemeinsam mit anderen Akteuren im ländlichen Raum touristische Produkte entwickeln, die zum lukrativen zweiten Standbein für ländliche Anbieter werden.

Die Ziele der Arbeitsgruppe:

  • Eine Arbeitsdefinition für die Begriffe "Wertschöpfungskette", "Wertschöpfungspartnerschaften" und "Wertschöpfungsnetzwerke" ist gefunden.
  • Das Bewusstsein für die Bedeutung von Regionalen Wertschöpfungspartnerschaften im Bereich Landwirtschaft und Tourismus und dessen Mehrwert für alle Akteure, Kunden und den ländlichen Raum ist geschaffen.
  • Eine Übersicht über bestehende Regionale Wertschöpfungspartnerschaften im Bereich Landwirtschaft und Tourismus in Bayern besteht.
  • Ausgewählte Beispiele sind analysiert, Erfolgsfaktoren und Hemmnisse sind aus der Sicht aller Akteure aufgezeigt, die Wertschöpfung ist beschrieben.
  • Neue Ideen für Wertschöpfungspartnerschaften sind beispielshaft entwickelt und Möglichkeiten für die Steigerung der Wertschöpfung aufgezeigt.
  • Besonders berücksichtigt sind dabei die Faktoren "Regionalität, Qualität und Kundenorientierung".

In der Arbeitsgruppe waren Vertreter/innen touristischer Organisationen, des Berufsstandes und der Landwirtschaftsverwaltung vertreten. Je nach Thematik wurden Inhalte gemeinsam bzw. von einzelnen Teilnehmern der AG erarbeitet oder im Rahmen angegliederter Projekte erstellt. Alle Beiträge wurden der Arbeitsgruppe präsentiert, in der Gruppe diskutiert und bei Bedarf angepasst.

Mitglieder der Arbeitsgruppe "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus" waren
  • Babl Ethelbert (AELF Kempten, Fachzentrum Diversifizierung und Strukturentwicklung, LEADER-Manager Allgäu – westliches Oberland)
  • Birnmeyer Ernst (AELF Weißenburg, Abteilungsleiter L 2 - Beratung und Bildung)
  • Dr. Fuß Andrea (Bayerischer Bauernverband, Leiterin des Fachbereichs Menschen im ländlichen Raum)
  • Gallrapp Diana (Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Niederbayern, Koordination „Aktionsprogramm Bayerwald“)
  • Illi Stephan (Büro für Agrarkultur Prien)
  • Dr. Jantke Corina (TUM-Weihenstephan, Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe)
  • Kapfer Markus (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur, Diversifizierung und Haushaltsleistungen)
  • Loock Elisabeth (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur, Diversifizierung und Haushaltsleistungen)
  • Schaumberg Klaus (AELF Kulmbach, Projektleiter Agrotourismus Frankenwald)
  • Wagner Wolfgang (Bayern Tourismus Marketing GmbH, Stabsstelle Geschäftsführung)
  • Walser Gerda (Vorsitzende des Landesverbands Bauernhof- und Landurlaub Bayern)
  • Witt Reinhold (AELF Schwandorf/ Nabburg, Behördenleiter)

Als Fremdreferentin war beteiligt:
Andrea Hecht (Masterandin an der Technischen Universität München TUM – Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe)

Gruppenbild

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus" (Foto: Markus Kapfer, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft)

Ein herzlicher Dank galt allen Arbeitsgruppen-Mitgliedern und Fremdreferenten für die konstruktive Mitarbeit und die Erstellung der Beiträge.

Das Engagement und Interesse für die Zusammenarbeit in Wertschöpfungspartnerschaften über die eigenen Bereiche hinaus zeigte sich deutlich in den Stellungnahmen der Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Bedeutung der Regionalen Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus.

Stellungnahmen zur Bedeutung der Regionalen Wertschöpfungspartnerschaften pdf 95 KB

Praxisbeispiele und Analyse ausgewählter Projekte zum Thema "Regionale Wertschöpfungspartnerschaften Landwirtschaft und Tourismus"

Die Arbeitsgruppe untersuchte bestehende und sich noch im Aufbau befindende regionale Wertschöpfungspartnerschaften im Bereich Landwirtschaft und Tourismus in Bayern und leitete aus der Analyse ausgewählter Projekte Empfehlungen für Netzwerkpartnerschaften ab. Insbesondere das Projekt Agrotourismus Frankenwald wurde näher betrachtet, vor allem im Hinblick auf die wirtschaftlichen Effekte sowohl für die landwirtschaftlichen Betriebe als auch für die Region. Weiterhin machte die Arbeitsgruppe Vorschläge für den Transfer der Ergebnisse in die landwirtschaftlich-hauswirtschaftliche Bildung und Beratung.

Ansprechpartner:
Institut für Agrarökonomie
Hans-Loher-Str. 32, 94099 Ruhstorf a.d.Rott
E-Mail: Diversifizierung-IBA@LfL.bayern.de

Bildnachweis:
Kopfbild, Foto: www.bayern.by - Bernhard Huber