Speiseleguminosen BioBayern: Aus der Praxis
Platterbsen-Tagebuch Seidlhof

ein Mann steht in einem Feld und hält Pflanzen in der HandZoombild vorhanden

Bereichsleiter ökologischer Landbau, Umweltbildung Marco Zehner

Der Seidlhof in Gräfelfing ist Demobetrieb im Innovationsprojekt "Speiseleguminosen BioBayern". Hier zeigen wir Ihnen, wie Marco Zehner, Bereichsleiter ökologischer Landbau der Seidlhofstiftung, im Jahr 2022 ein Platterbsen-Hafer-Gemenge in Zusammenarbeit mit der LfL angebaut hat.

Das rund 1,5 Hektar große Areal des Seidlhofes dient neben der ökologischen Produktion von gärtnerischen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Umweltbildungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Es ist ein Ort des Lernens über ökologische Zusammenhänge, des Erlebens von Natur und des Begreifens eines naturgemäßen, ökologischen Wirtschaftens im Land- und Gartenbau.
Platterbsen (Lathyrus sativus L.) sind eine mit Ackerbohne (Vicia faba) und Erbse (Pisum sativum) verwandte Gattung und eine sehr alte Kulturpflanze. In Deutschland selten angebaut, erwähnte Fruhwirth in seinem Pflanzenbuch 1898 die Platterbse unter dem Namen "‚Deutsche Kicher‘. In den Hülsen befinden sich meist 2-4 grünlich oder gelblich weiße Samen, die durch eine scharf ausgegrenzte, keilförmige Kante gekennzeichnet sind" (Fruhwirth 1898).
drei Schälchen mit Samen Links und Mitte Samen von Platterbsen (links kleinere hellgelbe, runde, platte Samen, Mitte wie links nur größer), rechts HafersamenZoombild vorhanden

Die Platterbsentypen Merkur und Speiseware aus Italien sowie Saatgut für den Sommerhafer Kaspero

Angebaut werden zwei Platterbsentypen: die Sorte Merkur (Saatbau Linz) und Speiseware aus Italien im Gemenge mit Sommerhafer (Kaspero/Landbauschule Dottenfelderhof e.V.).
Der Seidlhof liegt in der Münchner Schotterebene. Die Böden sind fast ausschließlich Braunerden und Parabraunerden aus flachem kiesführendem Lehm (Deckschicht oder Verwitterungslehm) über Carbonatsandkies bis -schluffkies (Schotter) (nach Bayern Atlas/Legende Nr. 22a).

Dem Landwirt über die Schulter geschaut – Der Anbau am Seidlhof über das Jahr 2022

04.04.2022 – Eine Bodenprobe wird entnommen

Auf einem erdigen Feldfläche steht ein EimerZoombild vorhanden

Ziehen der Bodenprobe

Zu Besuch auf dem Seidlhof zieht eine Mitarbeiterin der LfL eine Bodenprobe auf der Fläche für den Platterbsen-Gemengeanbau. Die Beschaffenheit der Erde ist feinkrümelig mit nur wenigen Steinen in der oberen Bodenschicht, wodurch die Entnahme der Bodenprobe sehr leicht geht. Diese Bodenprobe wird auf die Parameter pH-Wert, verfügbares Phosphor, Kalium und Magnesium untersucht. Wie die meisten Leguminosen bevorzugt auch die Platterbse einen pH-Wert über 7, also einen alkalischen Boden.

12.04.2022 – Aussaat

Ein Traktor mit Sämaschine fährt über ein FeldZoombild vorhanden

Ansaat der Platterbsen (Foto: Marco Zehner)

Mitte April sät Marco Zehner das Platterbsen-Sommerhafer-Gemenge aus. Es ist zur Ansaat trocken und 19 °C warm. Eine gewisse Grundfeuchte ist im Boden vorhanden, auch wenn das Frühjahr wieder relativ trocken ist. Bei einer Aussaattiefe von 5 cm und einem Reihenabstand von 12,5 cm werden 80 keimfähige Körner/m2 Platterbse mit 100 keimfähigen Körnern/m2 Hafer (30 % der ortsüblichen Reinsaatstärke) gedrillt.

02.05.2022 – Auflaufen der Ansaat

auf einem Feld sind die ersten Blätter der Pflanzen zu sehenZoombild vorhanden

Junge Platterbsen- und Haferpflänzchen (Foto: Marco Zehner)

Drei Wochen nach Ansaat sind die Platterbsen und der Hafer gekeimt und zu jungen Pflänzchen herangewachsen.

09.05.2022 – Aufgangsbonitur

In einem Feld mit kleinen Pflänzchen liegt ein langer Stab und unterteilt an der Stelle das Feld in zwei BereicheZoombild vorhanden

Links: Platterbse Merkur mit Hafer, rechts: Platterbse Italien mit Hafer

Heute ist Zählen angesagt. Bei jedem Platterbsentyp werden an zehn Stellen verteilt im Feld zwei laufende Meter Ansaat gezählt und die Bestandesdichte auf einen Quadratmeter umgerechnet. Platterbsen- und Haferpflänzchen werden getrennt erfasst. Trotz der Keimfähigkeitsbestimmung im Labor und genauen Berechnungen der Saatmenge kann es beim Feldaufgang anders als geplant aussehen. Wichtig sind die Daten später zur Interpretation der Erträge. Unsere Vorgabe waren 80 keimfähige Körner/m2 bei den Platterbsen und 100 keimfähige Körner/m2 beim Hafer. Die Pflanzenanzahl bei Merkur erreicht mit durchschnittlich 81,2 Pflanzen/m2 eine Punktlandung. Bei den Platterbsen aus Italien sind nicht so viele wie gewünscht gekeimt, hier haben wir durchschnittlich 63 Pflanzen/m2 gezählt. Der Hafer hat auf beiden Flächen eine durchschnittliche Keimpflanzenanzahl – wie angestrebt – von 102 und 103 Pflanzen.
Der Vegetationsstand ist bei beiden Platterbsentypen noch sehr ähnlich. Es fällt deutlich auf, dass durch die Bearbeitung bei Ansaat und Striegeln die vorhandenen Steine an die Oberfläche kommen. Das Feld liegt ja in der Münchner Schotterebene.
In den Reihen muss man schon genau hinsehen welches Grün zum Platterbsen- und welches zum Haferpflänzchen gehört. Besonders die lanzettenförmigen Blätter sind typisch für Lathyrus sativus L.
Kleine Pflänzchen stehen in einem Feld

Platterbse Merkur in der Reihe

Ausgegrabene Platterbse vor blauem Hintergrund

Ausgegrabene Platterbse Merkur

09.06.2022 – Blühbeginn der Platterbsen

Der Bestand hat sich gut entwickelt und die beiden Gemengepartner sind jetzt gut zu unterscheiden. Die Platterbsen haben auch schon die ersten Blüten entwickelt. Bei der Sorte Merkur überwiegt der Anteil weißer Blüten, wohingegen bei der Speiseware aus Italien ein etwas größerer Anteil violetter Blüten vorhanden ist. Die Blütenfarbe deutet auf die Färbung der späteren Körner hin: Je dunkler die Blüte, desto dunkler die späteren Platterbsen. Zur Vermarktung in Deutschland ist eine helle, weißliche Platterbse gewünscht. Die Kontrolle der Wurzeln zeigt auch schon die ersten Knöllchen, d.h. die Besiedelung mit den stickstoffsammelnden Bakterien war erfolgreich.
An einer lila blühenden Blüte sitzt eine Biene

Platterbsenblüte Speiseware Italien mit Biene

Platterbsen, lila blühend, wachsen zusammen mit Hafer im Feld

Platterbsengemenge mit der Sorte Merkur

Ausgegrabene Wurzel einer Platterbse

Knöllchen an Platterbsenwurzel

24.06.2022 – Besuch zur Hauptblüte

In einem Feld mit hohen Pflanzen steht eine InfotafelZoombild vorhanden

Versuchsfeld Platterbsen

Der Hafer hat Ende Juni mit durchschnittlich 87 cm Pflanzenlänge fast seine Endhöhe erreicht. Auch die Platterbsen haben sich sehr schön entwickelt und sie ranken am Hafer empor. Ihre durchschnittliche Pflanzenlänge ist bei der Sorte Merkur 77 cm und bei der Speiseware aus Italien 69 cm. Das Informationsschild am Versuchsfeld steht in Fluchtlinie der zwei verschiedenen Platterbsentypen, links ist die Sorte Merkur, rechts die Speiseware aus Italien.
Einzelne Platterbse vor weißem Hintergrund mit Blüten und HülsenZoombild vorhanden

Teil einer Platterbsenpflanze, Sorte Merkur

In nebenstehendem Bild wurde die obere Hälfte einer Platterbsenpflanze Merkur aus dem Bestand entnommen. Schön sieht man hier die Entwicklungsstufen von der Blüte bis zur Hülse.
Hafer- und Platterbsenpflanze im FeldZoombild vorhanden

Platterbse Merkur neben Haferpflanze

Der Hafer gibt den Platterbsenpflanzen Halt zum Ranken. Allein würden sie ab einer gewissen Höhe umfallen und könnten am Boden nicht mehr abtrocknen. Dann besteht die Gefahr Gefahr von Fäulnis, Krankheiten und Fraßschäden durch Kleinnager.
Nahaufnahme einer Platterbsenhülse, vier Samen sind zu erkennenZoombild vorhanden

Hülse der Platterbsensorte Merkur

Die Nahaufnahme einer Platterbsenhülse der Sorte Merkur zeigt schon die Anlage von vier Samen und ebenso noch die Reste der Blütenblätter am Kelch. Die Natur erschafft ästhetische Kunstwerke, manchmal vergisst man diese zu bewundern, und notiert nur Werte und Ertrag.

08.08.2022 – Besuch zur Erntebonitur

Feld mit bald erntereifem Hafer, angebaut im Gemenge mit PlatterbsenZoombild vorhanden

Platterbsen-Hafergemenge kurz vor der Ernte

Heute ist das Messen von verschiedenen Parametern angesagt. Der Hafer hat seine Druschreife erreicht und kann bald geerntet werden.
Ein Rahmen von einem Quadratmeter, Seitenlänge 1 m, liegt in einem PlatterbsenfeldZoombild vorhanden

Boniturrahmen im Platterbsenbestand

Von jedem der beiden Platterbsentypen werden je vier m2 per Hand geschnitten. Hier wird die Anzahl an Haferrispen und die Anzahl an Platterbsenpflanzen gezählt und zur Aufarbeitung im Labor (Tausendkornmasse, Gewicht und Kornbesonderheiten) getrennt verpackt. Außerdem wird die Pflanzenlänge vor der Ernte, der Abstand der ersten Platterbsenhülse vom Boden (interessant für die Einstellung des Mähtisches bei der Mähdrescherernte), die Verzweigung der Platterbsen und die Anzahl an Samen je Hülse gemessen.
Die durchschnittliche Pflanzenlänge der Platterbentypen hat sich seit der Blüte kaum mehr verändert. Der Hafer auf der linken Feldseite im Gemenge mit der Sorte Merkur ist auf 97 cm Pflanzenlänge gewachsen, in der rechten Feldhälfte mit der Speiseware auf 91 cm. Vielleicht sind das Auswirkungen der unterschiedlichen Bodenverhältnisse, da in der rechten Feldhälfte die Bestockung des Hafers stärker ist. Die Hafersorte zeigte auf einem für Hafer günstigerem Boden in einem anderen Versuchsfeld 20-30 cm höhere Pflanzen.
Der durchschnittliche Abstand der ersten Platterbsenhülse vom Boden ist bei der Sorte Merkur 45 cm, bei der Speiseware 36 cm. Also kein Problem beim Drusch, solange wie hier kein starkes Lager auftritt.
Auch die Anzahl der Hülsen je Pflanze wird bei 20 zufällig ausgewählten Platterbsenpflanzen gezählt. Hier zeigt die Sorte Merkur mit durchschnittlich sechs Hülsen ein deutlich besseres Ergebnis als die Speiseware mit drei Hülsen. Einen Einfluss könnten auch hier die unterschiedlichen Bodenverhältnisse gehabt haben, da das andere Versuchsfeld annähernd die gleiche Hülsenanzahl für beide Platterbsentypen erbrachte.
Platterbsenhülse mit drei Samen im Hafergemenge

Platterbsenhülse mit drei Samen im Hafergemenge

13.08.2022 – Ernte und Aufarbeitung der Handschnitte

Ein große Tüte mit SaatgutZoombild vorhanden

Ernteprobe Platterbsengemenge Speiseware

Je 2 kg Ernteproben werden zur Untersuchung ins Labor gebracht.
Die Aufarbeitung der Handschnitte brachte hochgerechnet einen Ertrag von 10,6 dt/ha Platterbsen der Sorte Merkur und 6,1 dt/ha Platterbsen der Speiseware. Hier zeigt sich u.a. der geringere Pflanzenaufgang (63 statt 80 Pflanzen/m2), da am zweiten Standort die Erträge der Handschnitte Speiseware mit 12,8 dt/ha besser waren als die der Sorte Merkur mit 10,7 dt/ha. Der Haferertrag war bei den Handschnitten mit 21 und 22 dt/ha vergleichbar.

Fazit

Insgesamt war der Anbauversuch interessant, um die Kultur Platterbse näher kennenzulernen. Wünschenswert wäre ein größerer Sortenvergleich und der Anbau über mehrere Vegetationsjahre, um die Bedürfnisse der Platterbsen in Bayern besser beschreiben zu können. Im Folgeprojekt Speiseleguminosen gibt es ab dem Jahr 2023 einen Exaktversuch zu Platterbsen an drei verschiedenen Standorten in Bayern.

Literatur

  • Fruhwirth, C., 1898. Anbau der Hülsenfrüchte. Berlin: Verlagsbuchhandlung Paul Parey