Versuchsaufbau
Vor diesem Hintergrund ist die hier dargestellte Auswertung eines fünfjährigen Grünlandversuches auf einer Saugkerzenanlage am Spitalhof in Kempten zu sehen. Die Standortdaten und einzelnen Varianten sind in Übersicht 1 dargestellt. Die Versuchsfläche setzte sich im Mittel aus 80-85 Prozent Gräseranteil, hauptsächlich Deutsches Weidelgras (Lolium perenne), Wiesenrispe (Poa pratensis) und Gemeiner Rispe (Poa trivialis), einem Kräuteranteil von 14-18 Prozent, vornehmlich Löwenzahn (Taraxacum officinale) sowie 1-3 Prozent Weißklee (Trifolium repens) zusammen.
Neben einem Versuchsglied (1) mit mineralischer PK-Grunddüngung und ausschließlich mineralischer N-Düngung zu jedem Schnitt wurden vier weitere Varianten mit dreimaliger Güllegabe und deutlich differenzierter Terminierung der organischen Düngung angelegt. So erhielt Versuchsglied 2 die erste Güllegabe nach Vegetationsbeginn zum ersten Schnitt, während bei den Varianten 3, 4 und 5 keine Düngung zum ersten Schnitt erfolgte. Weiterhin wurde die letzte Güllegabe bei Variante 2 zum vierten und letzten Schnitt ausgebracht, während bei den folgenden Versuchsgliedern 3, 4 und 5 noch nach dem letzten Aufwuchs gegüllt wurde. Dabei erhielt Variante 3 die Herbstdüngung am 10. Oktober, während bei den Versuchsgliedern 4 und 5 der Termin jeweils um etwa drei Wochen nach hinten verschoben war. Im Unterschied zu den Varianten 3 und 4 mit ausschließlich dreimaliger organischer Düngung erhielten die viermal gedüngten Varianten 2 und 5 eine zusätzliche mineralische Teilgabe zum dritten Schnitt.
Da sich somit die einzelnen Parzellen sowohl in der Art und Menge als auch in der Terminierung der N-Düngung unterschieden, ist demnach nur ein direkter Vergleich zwischen Variante 2 und 5, (Frühjahrs oder späte Herbstgabe), beziehungsweise bei insgesamt niedrigerer N-Gesamtmenge zwischen Variante 3 und 4 (Terminierung der Güllegabe nach dem letzten Schnitt am 10. Oktober oder 2. November) möglich. Jedoch können die Ergebnisse durchaus interpoliert werden. An dieser Stelle sei auch noch darauf hingewiesen, dass es sich am Spitalhof um Gülle mit relativ niedrigem Trockensubstanz- und Nährstoffgehalt handelt (siehe Übersicht 1).
Die Bestimmung der Nitratkonzentration erfolgte im Bodenwasser, das unter den jeweiligen Düngungsparzellen in 80 und 130 cm Tiefe mit keramischen Saugkerzen nach CZERATZKI (1971) gewonnen wurde. An die Saugkerzen wurde mehrmals täglich ein Unterdruck von 0,5 bar angelegt, wodurch das frei bewegliche, dränende Bodenwasser erfasst wurde. Damit über die Versuchsjahre hinweg auch im Winter im wöchentlichen bis zweiwöchentlichen Turnus angesammeltes Bodenwasser gewonnen werden konnte, wurden die Saugleitungen und Sammelgefäße mit einer thermostatisch gesteuerten Schwachstromleitung auf +5°C gehalten. Detaillierte Einzelheiten zur Methodik der Gewinnung von Bodenwasserproben mit Saugkerzen finden sich bei RIESS (1993).
An dieser Stelle sei jedoch betont, dass über Saugkerzenanlagen alleine nur die Nitratkonzentration des Bodenwassers und nicht die tatsächlich ausgewaschene Nitrat- oder Stickstoffmenge bestimmt wird. Für deren Ableitung muss noch die angefallene Sickerwassermenge entweder aus Lysimetern oder klimatischen Berechnungen ermittelt werden. Jedoch ermöglichen die Nitratmessungen im dränenden Bodenwasser durchaus eine vergleichende Abschätzung der potentiellen Nitratbelastung unterschiedlicher Düngungsvarianten.
Erträge, Futterqualität und N-Entzüge
Tabellen zu den Erläuterungen
Im Mittel der fünfjährigen Untersuchungsperiode wurden auf dem weidelgrasreichen Standort bei viermaliger Schnittnutzung vom Hektar 118 dt Trockenmasse geerntet. Dabei bestand zwischen den einzelnen Düngevarianten, deren Erträge zwischen 114 und 121 dt TM/ha lagen (siehe Tabelle 1), kein signifikanter Unterschied. Dies bedeutet hinsichtlich der Variation der N-Düngung auf dem Versuchsstandort jedoch, dass sich auch im Falle einer langjährig unterbilanzierten Düngung, jedoch anhaltend hohem Ertragsniveau eine unterlassene Frühjahrsgabe nicht negativ im Ertrag bemerkbar machte. Auch wiesen die Ertragsverteilung einzelner Schnitte sowie deren N-Entzüge trotz stark differierender Düngung einen weitgehend ähnlichen Verlauf zwischen den einzelnen Parzellen auf. Das gleiche galt auch für die Energiekonzentration, den Rohprotein- und den Rohfasergehalt. Auf dem Standort war der dritte Aufwuchs tendenziell derjenige mit den höchsten Erträgen und N-Entzügen. Der in der Literatur mehrfach beschriebene häufige Abfall der Energiekonzentration nach dem ersten Schnitt während der Sommermonate und der Wiederanstieg der Werte beim letzten Aufwuchs wurde auch bei diesem Versuch wieder bestätigt.
Während sich durch die variierte Düngung keine Unterschiede im Ertrag, N-Entzug und in der Futterqualität ableiten ließen, so war im Gegensatz dazu der Jahreseinfluss beträchtlich, wie aus der rechten Spalte der Tabelle 2 hervorgeht.
Die Spannweite einzelner Jahre betrug im Mittel der Varianten beim Trockenmasseertrag fast 40 dt/ha, beim Energieertrag ca. 20.000 MJ NEL und beim N-Entzug ca. 110 kg N/ha. Diese Zahlen mögen verdeutlichen, dass für die Ableitung von Faustzahlen für die Beratung, selbst wenn sie sich nur auf einen Standort beziehen, längerfristige Versuchsserien nicht nur gerechtfertigt, sondern unabdingbar sind.
Nitratkonzentration im Bodenwasser
Um die Interpretation der insgesamt 2.580 untersuchten Einzelproben übersichtlich zu gestalten, wurden bei Tabelle 3 die Messergebnisse in drei Jahresabschnitte unterteilt. Hierbei erschien es sinnvoll, den Zeitraum Mai bis September, also Monate mit hohen Trockenmassezuwächsen und N-Entzügen sowie geringem Sickerwasseranfall zusammenzufassen. Der Zeitraum Oktober bis April hingegen wurde nochmals in zwei Abschnitte unterteilt, um gegebenenfalls die Auswirkungen unterschiedlicher Gülleterminierung noch detaillierter darstellen zu können. In der Tabelle sind neben der mittleren Nitratkonzentration der einzelnen Varianten ebenfalls deren Spannweite für die einzelnen Jahre angegeben. Da jedoch ein Durchschnittswert nur wenig über das Eintreten und die Höhe von Einzelereignissen – in diesem Fall hohe Nitratwerte im Bodenwasser - aussagt, wurde der Datensatz zusätzlich dahingehend ausgewertet, wie oft im Verhältnis zu allen über die Jahre gesammelten Sickerwasserproben unter einer Parzelle bestimmte Nitratkonzentrationen überschritten wurden. Dabei wurden die Schwellen 25 bzw. 50 mg NO3/l deshalb gewählt, weil diese Konzentrationen den Richtwert bzw. den Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser darstellen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nicht automatisch vom Nitratgehalt im Bodenwasser auf den Nitratgehalt im Trinkwasser geschlossen werden kann.
Betrachtet man zunächst das Jahresmittel über alle Varianten (Tabelle 3, rechte Spalte unten), so lässt sich feststellen, dass die durchschnittliche Nitratkonzentration im Bodenwasser unter den Grünlandparzellen am Spitalhof mit 5,9 mg NO3/l außerordentlich niedrig war. Der Wert lag sogar geringfügig unter der Konzentration von mitgemessenem Trinkwasser, welches eine Konzentration von 6,4 mg NO3/l aufwies. Heraus-zuheben ist, dass die gemessene Nitratkonzentration im dränenden Bodenwasser weniger als ein Viertel des Richtwertes und weniger als ein Achtel des Grenzwertes für Nitrat im Trinkwasser betrug. Nitratkonzentrationen über 25 mg NO3/l traten nur in 4 Prozent der insgesamt 2.580 gemessenen Proben auf, Werte über 50 mg NO3/l wurden nur bei 0,6 Prozent der Wassererproben festgestellt und Werte über 100 mg NO3/l traten während der Versuchsperiode überhaupt nicht auf.
Von der Nitratkonzentration im Bodenwasser lässt sich bei Kenntnis des Sickerwasseranfalles die Auswaschung an Stickstoff unter der Fläche bestimmen; die entsprechende Formel lautet hierzu: N-Austrag (kg N/ha) = Sickerwasser (l/m2) x Nitratkonzentration (mg NO3/l)/443
Unterstellt man nach klimatischen Berechnungen für die Standortverhältnisse am Spitalhof je nach Jahr eine Spannweite im Sickerwasseranfall von 400-700 l/m2, so würde dies bei der gegebenen mittleren Konzentration im Bodenwasser von 5,9 mg NO3/l einen N-Austrag aus dem Wurzelraum von nur 5-9 kg N/ha bedeuten.
Anhand Tabelle 2 ist ein ausgeprägter Jahreseinfluss ersichtlich, wobei sich allerdings im Zeitverlauf die über die einzelnen Varianten gemittelten Nitratkonzentrationen in ihrer Spannweite in einem relativ engen Bereich von 1,4 mg NO3/l (Januar-April 1994) und 12,5 mg NO3/l (Januar- April 1993) bewegten. Bemerkenswert ist indes auch, dass sich die einzelnen Jahresabschnitte im Mittel (Tabelle 3) kaum unterschieden. Dies erscheint umso interessanter, da auf dem Standort im Herbst die Nmin-Gehalte mit durchschnittlich 111 kg N/ha in 0-30 cm Bodentiefe (siehe Tabellen 2 und 4) eine beträchtliche Höhe aufwiesen, wobei 50 % des mineralisierten Stickstoffes unter Dauergrünland in Ammoniumform vorlag. Dabei zeigt Tabelle 2, dass selbst Extremwerte wie 172 kg N/ha in 0-30 cm Bodentiefe im Herbst 1991 keinesfalls zu erhöhten Nitratwerten im Bodenwasser in den darauffolgenden Monaten führten, obwohl im darauffolgenden Frühjahr um ca. 100 kg/ha weniger mineralisierter Stickstoff gemessen wurde. Andererseits traten im Winter 92/93 bei einem eher unterdurchschnittlichem Vorrat an mineralischem Stickstoff im Boden, jedoch hohen Herbst- und Winterniederschlägen mittlere Nitratkonzentrationen von 8-12,5 mg NO3/l im Zeitraum Oktober bis April auf. Dies lässt übereinstimmend mit anderen Autoren (RIEDER, 1996; RIESS, 1993; BÖTTCHER, J. und STREBECK, O:, 1990) darauf schließen, dass punktuelle Nmin-Untersuchungen auf Grünland in der Regel ungeeignet zur Bestimmung der Nitratauswaschung sind.
Von Bedeutung ist jedoch vor allem die Frage, ob und in welcher Höhe eine mögliche Gefährdung für die Nitratbelastung des Grundwassers bei stark unterschiedlichem Düngungsregime ausgeht, vor allem, was die Herbstgabe nach dem letzten Schnitt betrifft. Dies ist für die einzelnen Düngungsvarianten in Tabelle 3 dargestellt. Vorausgeschickt sei jedoch zuvor noch ein Vergleich der Nmin-Vorräte im Frühjahr (Tabelle 4, rechte Hälfte) zwischen den Parzellen ohne und mit Gülledüngung nach dem letzten Schnitt (Variante 1-2 bzw. 3-5). Dabei ist die mit 25 m3 dünner Rindergülle ausgebrachte Menge an Gesamtstickstoff mit etwa 50 kg N/ha bzw. 25 kg Ammonium-N/ha anzusetzen. Es zeigte sich bei den Varianten 3-5 im Frühjahr in der Tendenz sowohl ein höherer Anteil an Ammonium-N, als auch ein deutlich höherer Gesamtgehalt an mineralisiertem Stickstoff, der in den Einzeljahren allerdings stark unterschiedlich ausfiel. Daraus deutet sich an, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil des nach dem letztem Schnitt ausgebrachten Güllestickstoffes im Boden konserviert blieb. Leider fehlten für genauere Aussagen eng abgestufte Probenahmen, so dass die Werte lediglich nur einen punktuellen Einblick in den komplexen Stickstoffhaushalt des Bodens erlauben. Dessen Dynamik wird jedoch in Wirklichkeit von gleichzeitig ablaufenden, sich gegenseitig beeinflussenden biologischen Umsetzungsvorgängen sowie Stickstoffzuflüssen und Stickstoffabflüssen bestimmt, worauf auch RIESS (1993) verweist.
Aus dem Vergleich der Jahresmittel der Nitratkonzentration im dränenden Bodenwasser (siehe Tabelle 3, unterer Abschnitt) lassen sich zwischen den einzelnen Düngungsvarianten nur äußerst geringe Unterschiede erkennen. Die Spannweite zwischen den einzelnen Varianten liegt im Bereich von ca. 4 mg NO3/l. Ein höherer Nitratgehalt bei ausschließlicher Mineraldüngung (Variante 1) gegenüber kombinierter oder alleiniger Gülledüngung war in diesem Versuchsabschnitt gegenüber vorherigen Untersuchungen (RIEDER, 1996) nicht erkennbar. Eine Verschiebung der Gülleapplikation nach dem letzten Schnitt von Mitte Oktober bis Anfang November (Variante 3 im Vergleich zu Variante 4) blieb ohne negative Auswirkungen auf die potenzielle Nitratbelastung des Bodenwassers. Auch bei der weit in den Spätherbst verlagerten Güllegabe von Variante 5 war nur tendenziell ein leichtes Ansteigen des Nitratgehaltes zu verzeichnen, wobei Nitratwerte über 50 mg NO3/l nur bei 1 % der Wasserproben gemessen wurden.
Eine noch differenziertere Betrachtung hinsichtlich einzelner Jahresabschnitte, wie bei Tabelle 3 vorgenommen, lässt im Zeitraum Mai bis September keine und während der Monate Oktober bis Dezember bzw. Januar bis April ebenfalls nur geringfügige Unterschiede zwischen einzelnen Düngungsvarianten erkennen. Festzuhalten bleibt, dass beim direkten Vergleich von Variante 3 (Gülle nach dem letzten Schnitt am 10. Oktober) mit Variante 4 (Ausbringungstermin am 2. November) der Novembertermin hinsichtlich der Auswaschungsgefährdung von Nitrat während der Wintermonate nicht schlechter, sondern tendenziell im Mittel und in der Spannweite der Nitratkonzentration einzelner Jahre sogar etwas vorteilhafter abschneidet. Dies erscheint in der Interpretation der Daten durchaus plausibel, wenn man bedenkt, dass die Bodentemperaturen im November wesentlich niedriger als im Oktober liegen und somit die Umwandlung des Güllestickstoffes in die auswaschungsgefährdete Nitratform herabgesetzt ist. Die Extreme unterschiedlicher Gülleapplikation im Versuch, speziell was die Herbstgabe betrifft (vergleiche Variante 2 ohne Gülledüngung nach dem letzten Schnitt und Variante 5 mit Gülle im Spätherbst am 20. November), deuten auf diesem Standort im Mittel der Jahre einen Unterschied von etwa 3-4 mg NO3/l zu ungunsten des späten Termins an. Jedoch zeigen der äußerst geringe Anteil der Wasserproben mit einem Nitratgehalt über 50 mg/l, vor allem aber das sehr niedrige Niveau, dass auch bei später Gülleausbringung zumindest auf diesem Standort von einer erhöhten Auswaschungsgefährdung in Zeitraum Winter bis Frühjahr nicht ausgegangen werden kann.
Unterstellt man nun für die Region während der Monate Oktober bis April einen durchschnittlichen Sickerwasseranfall von 350-450 l/m2 und nimmt eine mittlere Nitratkonzentration von 6 mg/l (Tabelle 3) an, so errechnet sich für diesen Zeitraum eine Stickstofffracht von insgesamt 5-6 kg/ha. Analog würde aus dem Konzentrationsunterschied von Variante 2 und Variante 5 ein Unterschied in der Stickstoffverlagerung von nur ungefähr 3 kg N/ha einhergehen. Daraus lässt sich in Verbindung mit den in Tabelle 4 angedeuteten Unterschieden im mineralischen Stickstoffgehalt ableiten, dass eine moderate Gülledüngung bis in den Spätherbst im Mittel der Jahre zu keiner nennenswerten Belastung des dränenden Bodenwassers führen muss. Vielmehr scheint der nach dem letzten Schnitt ausgebrachte Stickstoff weitestgehend in der Bodenmatrix oder in der dichten Wurzelmasse unter Dauergrünland konserviert zu sein.
Abschließend sei noch bemerkt, dass sich die hier dargestellten Ergebnisse auf einen vergleichsweise tiefgründigen, intensiv genutzten und sehr ertragreichen Grünlandbestand im Allgäu mit sehr hohen Jahresniederschlägen beziehen. Die generelle Übertragung auf andere Grünlandbestände und Standorte ist nicht ohne weiteres möglich. Dennoch verdeutlichen die Untersuchungen, dass Grünland eine Nitratsenke darstellt. Sie weisen aber auch darauf hin, dass gerade wegen der ausgeprägten Jahreseffekte für aussagekräftige Beratungsaussagen langjährige Versuche notwendig sind.