Pflanzenkohle/Biokohle im Ackerbau
Es ist davon auszugehen, dass die Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels sich auf zunehmende Trockenheit, Starkregenereignisse sowie Veränderungen bei der Nährstoffverfügbarkeit einstellen muss. Der Einsatz von Pflanzenkohle im Ackerbau wird zunehmend als potentieller Beitrag zur Entwicklung einer klimaschonenden Landwirtschaft und zur Sicherung der natürlichen Bodenfunktionen diskutiert. Durch Einbringung von Pflanzenkohle in den Boden soll aufgrund ihrer chemisch-physikalischen Eigenschaften die Speicherfähigkeit für Wasser und Nähstoffe erhöht und damit eine langfristige Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, insbesondere bei leichten Böden, erzielt werden. Zum anderen könnte ein Verkohlungsprozess eine langfristige Festlegung von klimaschädlichem CO2 im Boden bewirken und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Terra preta
Die Idee, pyrolysierte Biomasse als Bodenhilfsstoff einzusetzen, geht auf die Entdeckung von Schwarzerde-Böden im Amazonasgebiet zurück, der sogenannten „Terra preta“ (portugiesisch für „schwarze Erde“) beziehungsweise „Terra preta do indio“. Bei diesen für die örtlichen Verhältnisse sehr fruchtbaren Böden handelt es sich um anthropogen entstandene Böden, die das Ergebnis jahrhundertelanger Abfallablagerungen (Speise- und Hausbaureste, Dung, Tonscherben, Holzkohle) am Rande von Indiodörfern sind. Durch die aerobe und anaerobe biochemische Umsetzung organischer Siedlungsabfälle und unter Zugabe von Holzkohlen entstanden, zeichnen sich Terra preta-Böden durch hohe Anteile „stabilen“ polyaromatischen Kohlenstoffs aus. Diese aus einer unvollständigen Verbrennung resultierenden kohlenstoffreichen Substanzen sind vergleichsweise chemisch resistent gegenüber mikrobiellem Abbau. Die hohe Fruchtbarkeit dieser Böden geht aber nicht allein auf die hohen Holzkohleanteile, sondern vor allem auf die im Boden kompostierten nährstoffreichen Materialien zurück.
Was ist Pflanzenkohle/Biokohle?
Die Begriffe Biokohle und Pflanzenkohle werden oft synonym verwandt und ersetzen den aus dem Englischen übernommenen Begriff „Biochar“, eine Wortschöpfung aus „biomass“ (Biomasse) und „charcoal“ (Holzkohle). Laut dem Fachverband Pflanzenkohle dient Biokohle „als Überbegriff für alle aus Biomasse hergestellten Kohlen“, wohingegen mit dem Begriff Pflanzenkohle „das Produkt eines Pyrolyse-Verfahrens“ bezeichnet wird.
Definition nach Europäischem Pflanzenkohle-Zertifikat
In der Richtlinie des Europäischen Pflanzenkohle-Zertifikats (EBC von ‚European Biochar Certificate‘) wurden 2012 erstmals u.a. zulässige Biomassen, Produktionsprotokolle, Eigenschaften der Pflanzenkohle, sowie die Pyrolysetechnik definiert. Laut EBC ist Pflanzenkohle eine durch thermochemische Zersetzung organischer Stoffe und unter stark reduziertem Sauerstoffgehalt produziertes Material. Die zulässigen Produktionstemperaturen reichen von 350 °C bis 1000 °C. Hydrothermale Karbonisierung und Torrefizierung sind weitere Verkohlungsprozesse, deren Endprodukte nach der EBC-Definition aber nicht als Pflanzenkohle bezeichnet werden. Die Hydrothermale Karbonisierung (HTC von ‚hydrothermal carbonisation‘) wird auch als „nasse Pyrolyse“ bezeichnet. HTC-Kohlen werden aus feuchter Biomasse unter hohem Druck und bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen (<300 °C) unter Luftabschluss hergestellt.
Eigenschaften der Pflanzenkohlen
Die Eigenschaften der Pflanzenkohlen hängen stark vom Ausgangsmaterial und dem Produktionsverfahren ab. Insbesondere die Produktionstemperatur und -geschwindigkeit sowie Vorbehandlungen der Pflanzenkohle vor der Einbringung in Ackerböden („Aktivierung“ mit Nährstoffen, Kompostierung, Mahlen, etc.) sorgen für eine hohe Variabilität der Pflanzenkohleeigenschaften. Grundsätzlich bestimmt der Grad der Kondensierung (abhängig von der Produktionstemperatur) die Gehalte an Kohlenstoff und Nährstoffen, die Wasserhaltekapazität, die spezifische Oberfläche und den pH-Wert der Pflanzenkohle. Allgemein gilt: Je höher die Produktionstemperatur, desto stabiler ist die Pflanzenkohle gegenüber dem mikrobiellen Abbau, desto geringer ist allerdings die resultierende Menge der Pflanzenkohle. Bei der Herstellung von Pflanzenkohlen können in Abhängigkeit von den Produktionsbedingungen auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Polychlorierte Biphenyle (PCB), Dioxine und Furane entstehen und müssen zur Gewährleistung des Bodenschutzes überprüft werden.
Wirksamkeit von Pflanzenkohlen hinsichtlich Bodenfruchtbarkeit
Ähnlich wie Ton besitzt Pflanzenkohle je nach Produktionsbedingungen eine relativ große spezifische Oberfläche, an der polare (Wasser) oder geladene Moleküle adsorbiert werden können. Auf Grund dieser Tatsache bieten sich als Einsatzbereich für Pflanzenkohle insbesondere trockene Standorte mit sandigen Böden an. Hier könnte durch den Einsatz von Pflanzenkohle die Speicherfähigkeit für Wasser und Nährstoffe erhöht und damit eine langfristige Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit erreicht werden. In lehmigen und tonigen Böden, die den Großteil der Böden Bayerns ausmachen, sind bei einer Bewirtschaftung nach der guten fachlichen Praxis kaum positive Effekte zu erwarten. Da diese Böden bereits eine hohe natürliche Speicherfähigkeit für Wasser und Nährstoffe besitzen ist kaum eine Erhöhung der Speicherfähigkeit für Wasser und Nährstoffe zu erwarten.
Nährstoffe
Aufgrund der großen Bandbreite an Pflanzenkohlen mit unterschiedlichsten Eigenschaften in Abhängigkeit vom Ausgangsmaterial und den Produktionsbedingungen ist eine generelle Einschätzung ihrer Wirksamkeit kaum möglich. Positive Effekte hinsichtlich Bodenfruchtbarkeit und Ertrag, wie sie insbesondere in tropischen und subtropischen Regionen festgestellt wurden, konnten in temperierten Regionen nicht eindeutig nachgewiesen werden. Zudem gibt es kaum Erkenntnisse, inwieweit eine bodenfruchtbarkeitsfördernde Wirkung auf die Pflanzenkohle selbst oder die nährstofftragenden Substrate zurückzuführen ist. Ein weiterer Aspekt für die Verwendung von Pflanzenkohle ist ihr hohes Sorptionspotenzial. Besonders Stickstoffemissionen oder -auswaschung könnten durch die Zugabe von Pflanzenkohle verringert werden. Andererseits birgt eine hohe Sorptionsleistung auch die Gefahr, Nährstoffe zu binden, welche dadurch nicht mehr pflanzenverfügbar sind. Daher werden Pflanzenkohlen meistens vor der Ausbringung mit Nährstoffen „aktiviert“.
Kohlenstoffspeicherung
Hinsichtlich des Potentials von Pflanzenkohle, Kohlenstoff langfristig im Boden festzulegen (C-Sequestrierung), sind ebenfalls die Produktionsbedingungen von entscheidender Bedeutung: je höher die Produktionstemperatur, desto stabiler ist die Pflanzenkohle gegenüber dem mikrobiellen Abbau und desto größer ist ihr Potenzial hinsichtlich einer langfristigen Festlegung von Kohlenstoff im Boden. Pauschal kann jedoch nicht von einer langfristigen Kohlenstoffbindung im Boden ausgegangen werden. Ergebnisse aus in Laboren durchgeführten Kurzzeitversuchen sind kritisch zu beurteilen, da diese oft unter optimierten Abbaubedingungen gewonnen werden und die entsprechenden Abbauraten aus der Extrapolation der Ergebnisse abgeleitet werden. Für eine umfassende Bewertung der Wirksamkeit von Pflanzenkohlen sind langfristige Feldversuche notwendig, die jedoch noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Biokohleversuch Bayern
Ausbringung der Biokohle auf einer Versuchsparzelle
Im Zeitraum 2013-2017 wurde an der LfL ein Feldversuch durchgeführt, bei dem die Wirkung verschiedener Biokohlen hinsichtlich wichtiger Merkmaler der Bodenfruchtbarkeit (Aggregatstabilität, Humus, mikrobielle Aktivität) sowie des Ertrags in Bayern aufgezeigt werden sollte. Dabei wurde sowohl die Eignung von Pyrolysekohle als auch HTC-Kohle unter Praxisbedingungen verglichen. Der Versuch wurde an drei Standorten in Puch, Großlellenfeld und Ochsenfurt in praxisüblichen Fruchtfolgen durchgeführt, wobei gezielt trockene Standorte mit leichten bis mittelschweren Böden ausgewählt wurden. An den Versuchsstandorten wurden HTC- und Pyrolysekohlen in verschiedenen Applikationsmengen getestet. An allen Standorten erfolgten jährlich humuschemische (organische Bodenkohlenstoff- und Gesamtstickstoffgehalte, pH-Wert) bodenmikrobiologische (mikrobielle Biomasse und Aktivität) und bodenphysikalische Untersuchungen (Aggregatstabilität, Porenverteilung, Textur, Lagerungsdichte). Zudem wurden parzellengenau die Ernteerträge ermittelt und die Nährstoffgehalte im Boden und in den Pflanzen für eine Nährstoffbilanzierung festgehalten.
Die Erträge der Versuchsparzellen zeigten eine relativ hohe räumliche Variabilität an allen drei Standorten, aber keinerlei Effekte im Hinblick auf Ertragshöhe, -qualität, Schädlingsbefall, Verunkrautung oder Wasserverfügbarkeit, die systematisch der Biokohleapplikation zuzuordnen wären. Trotz Biokohleapplikation ergaben sich bei starkem Trocken- und Hitzestress 2015 teilweise sehr niedrige Silomaiserträge. Eine ertragsrettende Erhöhung der Wasserspeicherung durch Biokohle konnte - auch bei hohen Applikationsmengen - in diesem sehr starken Stressjahr nicht gefunden werden. Damit erfüllte die Biokohle weder die Hoffnungen im Hinblick auf eine bodenchemische noch eine bodenphysikalische Verbesserung in leichten bis mittelschweren Ackerböden in ertragsrelevantem Umfang. Die humusanalytischen Ergebnisse weisen auf eine relativ schnelle Zersetzung der Biokohle hin, womit auch die Erwartungen im Hinblick auf eine langfristige Kohlenstoffsequestrierung nicht erfüllt wurden.
Weitere Ergebnisse und Literatur zu Pflanzenkohle finden sich im Abschlussbericht zum Biokohleversuch der LfL
Abschlussbericht: Wirkung karbonisierter organischer Reststoffe auf die Bodenfruchtbarkeit , LfL-Schriftenreihe 3/2018
Rechtliche Vorgaben zum Einsatz von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft
Der Einsatz von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft und im Gartenbau unterliegt dem Düngemittelrecht. Dies soll sicherstellen, dass von den ausgebrachten Stoffen keine Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgeht. In der Düngemittelverordnung (DüMV) sind Pflanzenkohlen, Biokohlen, BioChar etc. bislang nicht zugelassen und dürfen deshalb auch nicht angewendet werden. Ausschließlich Braunkohlen (auch Leonhardit, Xylith, nicht als Rückstand aus vorherigen Produktions- und Verarbeitungsprozessen) und Holzkohle (mit einem Kohlenstoffgehalt von mindestens 80 % in der Trockenmasse aus chemisch unbehandeltem Holz) sind als Ausgangsstoffe für Kultursubstrate (nicht aber für Bodenhilfsstoffe oder Düngemittel!) und als Trägersubstanz, in Verbindung mit der Zugabe von Nährstoffen über zugelassene Düngemittel, zugelassen. Die Ausgangsstoffe (Holzkohle aus unbehandeltem Holz) und das Endprodukt (z.B. Kultursubstrat aus/unter Verwendung von Holzkohle) müssen die Schadstoffgrenzwerte der DüMV einhalten (Anlage 2, Tabelle 1.4 DüMV).
Schadstoffe
Problematisch ist, dass bei der Herstellung Kohlen in Abhängigkeit von den Ausgangsstoffen und Produktionsbedingungen auch organische Schadstoffe, insbesondere polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), aber auch polychlorierte Biphenyle (PCB) sowie Dioxine und Furane (PCDD/F) entstehen können. Die Entstehung von PCB und PCDD/F ist hauptsächlich vom Chlorgehalt der pyrolysierten Biomasse abhängig. Zur Gewährleistung des Bodenschutzes sollten die Gehalte dieser Stoffgruppen daher überprüft werden. Abnehmer von Holzkohlen sollten unbedingt auf die Unbedenklichkeit im Hinblick auf die vorgenannten Schadstoffe achten und die entsprechenden Angaben vom Inverkehrbringer einfordern.
Einsatz im Ökolandbau
Gemäß Durchführungsverordnung (EU) 2019/2164 wurde Pflanzenkohle als vereinbar mit den Grundsätzen des Ökolandbaus befürwortet und in den „Anhang I Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe“ der VO (EG) Nr. 889/2008 aufgenommen. Pflanzenkohle wird hier definiert als Pyrolyseprodukt aus einem breiten Spektrum von organischen Materialien pflanzlichen Ursprungs und für den Zweck der Bodenverbesserung genannt. Weitere Bedingungen (z.B. zu Höchstwerten an PAK) für die Verwendung von Pflanzenkohle im Ökolandbau müssen beachtet werden.
Die EG Öko-VO und ihre Durchführungs-Verordnungen regeln Produktion und Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen. Das in Verkehr bringen oder die Anwendung von Düngemitteln wird im Düngemittelrecht geregelt. Das Düngemittelrecht gilt auch für den ökologischen Landbau. Da Pflanzenkohle kein Synonym für Holz- oder Braunkohle ist, dürfen auch weiterhin im Ökolandbau nur Düngeprodukte eingesetzt werden, die nach Düngemittelrecht zugelassen sind. Pflanzenkohlen sind nicht zugelassen.