Tomatenbronzefleckenvirus und Impatiensfleckenvirus
Die beiden Tospoviren Tomatenbronzefleckenvirus (= Tomato spotted wilt virus, TSWV) und Impatiensfleckenvirus (Impatiens necrotic spot virus, INSV) stellen ein zunehmendes Problem im Gartenbau dar.
Beide Viren haben einen weiten Wirtpflanzenkreis, Gemüse- und Zierpflanzen können von beiden Viren befallen werden. Sie werden druch Thripse übertragen, die nur sehr schwer zu bekämpfen sind. Ein vorhanderer Befall ist nur durch konsequentes Handeln zu tilgen.
Die nahe verwandten Tospoviren Erdnuss-Gelbflecken-Virus (Peanut yellow spot tospovirus, PYSV), Erdnuss-Ringflecken-Virus (Groundnut ringspot tospo(?)virus, GRSV) und das Chlorotische-Flecken-Virus der Tomate (Tomato chlorotic spot tospo(?)virus, TCLSV) spielen bislang bei uns noch keine große Rolle.
Taxonomische Eingruppierung und Charakteristika des TSWV und INSV
Beide Viren, TSWV und INSV, gehören zu der Gruppe der TOSPOVIREN. Diese wiederum gehören zu der übergeordneten Familie der Bunyaviridae. Es handelt sich um sphärische, isometerische Viruspartikel mit einer Größe von 70-110 nm.
TSWV und INSV sind sehr komplexe Viren. Sie bestehen aus:
- 3 einzelnen RNA-Strängen ("minus-Orientierung") als Erbsubstanz
- einem Nucleocapsid- (N-)Protein, das die Erbsubstanz umgibt
- einer Hüllmembran (Elementarmembran!)
- 2 Glycoprotein-Fortsätzen (G1 und G2), die aus der Virushülle ragen
- L-Protein (= virale Polymerase) für die Vermehrung der viralen Erbsubstanz
Viruspartikel finden sich in allen Pflanzenteilen.
TSWV und INSV sind charkterisiert durch
- ihren TIP (= Thermaler Inaktivierungspunkt ): 10 minütiges Erhitzen auf 45 °C führt zur Inaktivierung
- ihre BIV (= Beständigkeit in vitro): Überdauerung in Pflanzensaft bei Raumtemperatur 5-7 Stunden
Verbreitung
TSWV und INSV kommen weltweit vor, in Subtropen und gemäßigten Klimaten, im Freiland und in Gewächshäusern. Ihre Ausbreitung wurde durch den internationalen Warenverkehr gefördert und verlief parallel zur Verbreitung derjenigen Thripse, die die Viren übertragen.
Wirtspflanzenkreis
Über 350 Pflanzenarten aus mehr als 50 Pflanzenfamilien (Dicotyle und Monokotyle) können von den beiden TOSPOVIREN befallen werden. Besonders betroffen sind Zierpflanzen und im Falle des Tomatenbronzefleckenvirus (TSWV) Gemüsekulturen.
An der LfL wurden bislang an folgenden Kulturen TOSPOVIREN nachgewiesen
Tomatenbronzefleckenvirus an Zierpflanzen
Agyranthemum, Alstroemeria, Anemone, Aster, Begonia, Bellis, Brachyscome, Callistephus, Chrysantheme, Cinerarie, Cyclamen, Dendranthema, Diascia, Enzian, Gerbera, Gloxinia, Heuchera, Impatiens, Lobelia, Nemesia, Neubelgische Aster, Osteospermum, Pelargonie, Primula, Ranunkel, Sonnenblume, Surfinia, Tagetes, Tropaeolum, Verbene, Zantedeschia, Zinnie
Tomatenbronzefleckenvirus an Gemüse und Gewürzpflanzen
Basilikum, Chili, Gurke, Paprika, Tomate
Impatiensfleckenvirus an Zierpflanzen
Alonsoa, Anemone, Anthurie, Arabidopsis, Begonia, Bellis, Cinerarie, Cyclamen, Cyrtomium, Diascia, Eustoma, Gloxinie, Gomphrena, Hebe, Hosta, Impatiens, Lobelia, Myosotis, Nemesia, Papaver, Pelargonie, Petunia, Ranunkel, Sedum, Surfinia, Streptocarpus, Temari, Trachaelium, Weihnachtsstern
Impatiensfleckenvirus an Gemüse und Gewürzpflanzen
Bohne, Basilikum, Paprika, Tomate
Virusübertragung
Die beiden Viren werden in erster Linie durch Thripse (= Fransenflügler) übertragen. Generell sind Thripse bedeutende tierische Schädlinge bei Pflanzen, aber nur bestimmte Thripse können die beiden Tospoviren übertragen. Die Virusüberträger werden auch als Virusvektoren bezeichnet.
Folgende Thripse übertragen TSWV und INSV
- Frankliniella occidentalis = Kalifornischer Blütenthrips
- Frankliniella schultzei = Gewöhnlicher Blütenthrips
- Frankliniella fusca = Zwiebeltrips
- Frankliniella tabaci = Tabakthrips
- Thrips palmi
- Scirtothrips dorsalis = Chillithrips
Die größte Bedeutung bei der Übertragung von TSWV und INSV kommt dem Kalifornischen Blütenthrips Frankliniella occidentalis zu.
Übertragungscharakteristika
- Die Virusaufnahme durch den Thrips erfolgt durch Saugen - nur die Larvenstadien L1 und L2 können Viren aufnehmen
- Die Acquisitionszeit (= Dauer des Saugens für Virusaufnahme) beträgt ca. 30 min
- Bloßer Kontakt zwischen Thrips und infizierter Pflanze reicht für eine erfolgreiche Virusaufnahme nicht aus (persistente Übertragung)
- Die Dauer bis ein Thrips Viren wieder abgibt (= Inkubationszeit oder Latenzzeit) beträgt 3-10 Tage
- Die Virusweitergabe an Pflanzen erfolgt ausschließlich durch adulte Thripse
- Die notwendige Fraßzeit für die Übertragung auf eine Pflanze beträgt 15 Minuten
- Die maximale Infektiosität wird 22-30 Tage nach Virusaufnahme erreicht
- Noch nicht ganz geklärt ist, ob eine Vermehrung im Vektor stattfindet
- Ein virustragender Thrips kann die Viren lebenslang weitergebenertragung
- Viren werden aber nicht an Nachkommen weitergegeben
Lebenszyklus des Kalifornischen Blütenthrips Frankliniella occidentalis
Die Entwicklung des Kalifornischen Blütenthrips Franklinielle occidendalis geht vom Ei aus, über 3 Larvenstadien, die (Pseudo-)Puppe bis hin zum erwachsenen Thrips (Imago). Die Entwicklungsgeschwindigkeit hängt von der Temperatur ab.
Andere Übertragungsmöglichkeiten und TOSPOVIRUS-Quellen
- Zugekaufte infizierte Jungpflanzen und Stecklinge
- Mechanische Übertragung --> Vorsicht bei Kulturarbeiten! (Schneiden von Stecklingen etc.)
- Bewässerungssyteme und rezirkulierende Nährlösungen
- Samenübertragung bei TSWV in Einzelfällen (Tomate, Cinerarie)
- Übertragung durch infizierte Pflanzenreste im Substrat - einige Wochen lang möglich
- Durchwuchs im Kompost
- Unkraut
Eine direkte Virusbekämpfung ist nicht möglich. Wichtig ist es vor allem infizierte Pflanzen umgehend aus dem Bestand zu entfernen und am besten über den Müll zu entsorgen. Eine Kompostierung birgt die Gefahr, dass virusbefallene Thripse vom Komposthaufen den Weg zurück in die Kulturen finden und Infektion wieder aufleben lassen. Strikte Maßnahmen der Betriebshygiene sind unabdingbar. Für eine Eindämmung des Befalls ist zudem eine konsequente Thripsbekämpfung erforderlich.
Hinweise zur Bekämpfung der Thripse
- Spritzintervalle: alle 3-4 Tage über einen Zeitraum von 4 Wochen lang, später 1mal pro Woche
- Wechselnde Wirkstoffe verwenden, um einer Resistenzbildung vorzubeugen
- Erde dämpfen zur Bekämpfung der sich im Boden befindenden Puppen
- Nützlingseinsatz zur Thripsbekämpfung reicht nicht aus, da wenige überlebende Thripse ausreichen, um die Infektion weiter zu verbreiten!!
- Eine Kulturpause von 4 Wochen oder die Kultur von Pflanzen, die nicht von TOSPOVIREN befallen werden, unterbricht die Infektionskette und führt sowohl zum Abbau der Thrips- als auch der Viruspopulation
Die Bekämpfung der Thripse gestaltet sich aus folgenden Gründen als sehr schwierig:
- Die im Pflanzengewebe abgelegten Eier sind durch die Epidermis geschützt.
- Die Larven und Imagines halten sich oft im "Verborgenen" auf; sie sind schwer aufzufinden und durch Spritzmittel nur schwer zu erreichen.
- Die Puppen schlüpfen bis zu 40 d nach Abräumen der Kultur, so dass langfristige Bekämpfungsmaßnahmen erforderlich sind.
- Die Puppen befinden sich im Boden bzw. im Substrat und werden durch Spritzmitteleinsatz nicht erreicht. Sich im Boden befindliche Puppen werden nur durch Dämpfen getötet.
- Thripse entwickeln schnell Resistenzen gegenüber Spritzmitteln. In der Praxis bereitet dies zunehmend massivste Probleme.
Folgende Vorsichtsmaßnahmen sind anzuraten, da es besser und einfacher ist, eine Virose nicht erst einzuschleppen als sie durch schwierig durchzuführende Bekämpfungsaktionen wieder loszuwerden:
- Konsequentes Handeln und konsequente Betriebshygiene mit regelmäßigen Desinfektionsmaßnahmen
- Konsequente Überwachung ("Monitoring") durch geschultes Personal - Thripse und verdächtige Pflanzen beobachten!
- Anbringen von Blautafeln zur Kontrolle auf Thripsbefall
- Aufstellen von TOSPOVIREN-Wirtspflanzen (z. B. Gloxinien), die einen Befall schnell anzeigen
- Bekämpfen von Unkraut
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