Forschungs- und Innovationsprojekt
Reduktion von Mähtod bei Wildtieren

Rehkitz im Gras

Methoden zur Reduktion von Mähtod bei Wildtieren am Beispiel von Rehkitzen – Erfahrungsaustausch mit beteiligten Gruppen und Erarbeitung des Optimierungsbedarfs

Dieses Projekt wurde ins Leben gerufen um die große Zahl an Wildtieren, vor allem Rehkitze, aber auch Feldhasen oder Wiesenbrüter, die jedes Jahr unter anderem in Folge der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung getötet werden, nachhaltig zu reduzieren. Laut Literatur verenden rund 100.000 Rehkitze und viele andere Wildtiere jährlich, weil sie von landwirtschaftlichen Maschinen, v. a. Mähwerken erfasst werden. Der Schwerpunkt liegt bei der Frühjahrsmahd, die mit der Setzzeit der Rehkitze zusammenfällt. Für die Fahrer moderner Mähmaschinen sind im Bestand versteckte Rehkitze so gut wie unsichtbar, weil sie meistens eingerollt am Boden liegen und oft zusätzlich vom Aufwuchs verdeckt werden.
Rehwild (Capreolus capreolus) ist eine der Wildarten, welche am meisten von den Verlusten betroffen ist. Ein Großteil der Kitze wird auf Grünland- und Feldfutterbauflächen gesetzt. Man rechnet üblicherweise von Anfang Mai bis Ende Juni mit Rehkitzen in den beschriebenen Beständen. Hier finden sie mehr Schutz vor natürlichen Fressfeinden wie dem Rotfuchs (Vulpes vulpes). In den ersten 6 bis 8 Wochen halten sich die weitgehend geruchslosen Kitze versteckt und pressen sich bei nahender Gefahr bewegungslos auf den Boden anstatt zu flüchten. Durch dieses Verhalten können Kitze effektiv natürliche Feinde meiden. Jedoch wird die Gefahr von nahenden Arbeitsmaschinen mit Kreiselmähwerken durch die Kitze nicht erkannt. Auch aufgrund der hohen Arbeitsgeschwindigkeit der Maschinen (i. d. R. 10 bis 12 km/h und schneller) ist eine Flucht oftmals nicht möglich. Der erste und meist auch der zweite Schnitt überlappen mit der Setzzeit der Kitze und ihren ersten Lebenswochen und stehen somit im Mittelpunkt der Bemühungen zur Reduktion von Mähtod bei Wildtieren.

Hintergrund

Diverse Technologien zur Minimierung der Mähtodwahrscheinlichkeit bei Wildtieren wurden bereits entwickelt und sind auf dem Markt verfügbar. Die einfachsten Techniken sind Vergrämungstechniken, die einen oder einige Tage vor dem Mähen in die Flächen gestellt werden oder direkt am Mähwerk oder Schlepper angebracht werden. Weiterhin gibt es auch verschiedene Empfehlungen zur Mähweise, z. B. ermöglicht die Mahd von innen nach außen einigen Wildtieren die rechtzeitige Flucht. Sowohl in Dänemark als auch in Deutschland wurden Infrarotsensoren zur Detektion von Wildtieren entwickelt und getestet. Bisher war jedoch nur ein handgeführtes Gerät auf dem Markt. Nachteil dieser Technik ist, dass eine Person die Rehkitze während des kurzen Zeitfensters vor dem Mähen mit dem bis zu 6 Meter breiten Gerät zu Fuß suchen und bergen muss und zudem die Infrarotsensoren bei höheren Temperaturen (ab dem späteren Vormittag) die Rehkitze nicht mehr zuverlässig detektieren.
Seit einigen Jahren werden auch Drohnen zur Kitzrettung eingesetzt, wobei verschiedene Techniken zur Anwendung kommen. Allen Methoden gemeinsam ist: Die zu mähenden Flächen werden mit Drohnen, welche mit einer Wärmebildkamera ausgestattet sind, überflogen und die entdeckten Kitze aus den Flächen getragen.

Zielsetzung

Ziel des Projekts ist, den aktuellen Stand des Wissens und die Erfahrungen aus der Praxis anhand eines Workshops mit allen Interessensgruppen aus Landwirtschaft, Jagd, Landtechnik usw. zusammenzutragen und anschließend für Landwirte aufzubereiten. Dabei sollen insbesondere die derzeit vorhandenen Probleme beim Einsatz verschiedener Strategien zur Wildtierrettung erarbeitet und darauf aufbauend passende Lösungsansätze für einen verstärkten Einsatz zur Rettung von Wildtieren vorgeschlagen werden.
Weiterhin sollen eigene Erfahrungen zum Einsatz von Drohnen zum Zweck der Wildtierrettung gesammelt werden. Dazu wird eine Drohne im Rahmen einer Masterarbeit in der Setzsaison 2019 getestet werden, um Aussagen zu den Erfolgsraten in Kombination mit dem Aufwand beim Einsatz zu erhalten. Basierend auf allen Ergebnissen sollen schließlich Handlungsempfehlungen erarbeitet und ggf. weiterer Forschungsbedarf identifiziert werden.

Methodik

Das Forschungsvorhaben ist in drei Arbeitspakete und den Wissenstransfer gegliedert.
  • Im Rahmen des Arbeitspakets "Workshop" sollen mit allen Interessensgruppen die wichtigsten Pros und Contras zur Wildtierrettung erarbeitet und in aufbereiteter Form den Teilnehmern und Landwirten zur Verfügung gestellt werden.
  • Das zweite Arbeitspaket beschäftigt sich mit Handlungsempfehlungen für alle Beteiligten und identifiziert ggf. weitere notwendige Forschungstätigkeiten. Dabei sollen möglichst viele der im Workshop identifizierten Barrieren aufgelöst werden und in folgenden Arbeiten gezielt einzelne Techniken oder Verfahren weiterentwickelt werden.
  • Das dritte Arbeitspaket "Erste Techniktests" hat zum Ziel, eigene Erfahrungen zum Einsatz der neu am Markt verfügbaren Drohnensysteme zu erarbeiten.
    In der Rehkitzsaison 2019 wurden verschiedene Techniken zur Wildtierrettung an insgesamt 20 Einsatztagen in ganz Bayern mit drei Wildtierrettungsteams getestet. Neben verschiedenen Scheuchen (akustische und visuelle Vergrämung) und weiteren Vergrämungsmaßnahmen (akustischer Wildretter am Mähwerk und Mähmethoden) wurden der tragbare Wildretter (Hersteller Firma i_s_a_ industrieelektronik GmbH), eine günstige, weit verbreitete Version einer Drohne mit Wärmebildkamera (Hersteller Yuneec, Drohne Typ H520, Wärmebildkamera Typ CGO ET) sowie eine Profiversion einer Drohne mit Wärmebildkamera (Hersteller DJI, Drohne Typ Matrice 200, Wärmebildkamera Typ Zenmuse XT2, Vertrieb geo-konzept GmbH) samt Softwarepaket zur automatisierten Wildtiererkennung getestet. Bei den Praxistests wurden umfangreiche Daten zur Erfolgsrate der einzelnen Maßnahmen und zum Arbeitsaufwand sowie zu den Kosten erhoben. Die Daten wurden im Rahmen von studentischen Arbeiten ausgewertet."
  • Im Arbeitspaket Wissenstransfer werden die im Workshop erarbeiteten Erkenntnisse sowie die gewonnenen Erfahrungen beim Einsatz der Drohne für den Wissenstransfer aufbereitet und über das Internet, auf Fachveranstaltungen sowie mittels Beiträgen in einschlägigen Fachzeitschriften einem breiten Anwenderkreis und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Ergebnisse

Vergleich der Erkennungsqualität
Bei allen getesteten Techniken konnten nicht alle Wildtiere vor dem Mähtod gerettet werden. Je nach Einsatzbedingungen gelang dies mal mehr und mal weniger gut. Der für kleinere Flächen wie z. B. Erosionsschutzstreifen oder Gewässerrandstreifen bestens geeignete tragbare Wildretter im Tragebetrieb schneidet bei der Sensitivität, also der Zahl die angibt, wie viele der sich tatsächlich in der Fläche befindlichen Wildtiere mit den technischen Lösungen gefunden wurden und wie viele übersehen wurden und somit beim Mähen absprangen oder vermäht wurden, mit 67 % detektierten Wildtieren besser ab als die Drohnen (Profiversion: 30 %, weit verbreitete Version 57 %) und als beim Einsatz auf dem Quad (40 %).
Ähnlich stellen sich die Ergebnisse beim Vorhersagewert bzw. der Genauigkeit dar. Dieser Wert gibt an, wie viele der mittels der Technik detektierten potentiellen Wildtiere auch tatsächlich Wildtiere waren, da es oft passiert dass z. B. ein Maulwurfshügel oder eine kahle Stelle bzw. verlassene Liegeplätze von Rehkitzen fehlerhaft als Wildtier von der Technik identifiziert wurde.
Effektivität der verschiedenen Techniken
Beim tragbaren Wildretter im Tragebetrieb wurden in 67 % der Fälle die Wildtiere richtig detektiert, also nicht mit anderen Dingen wie z. B. Maulwurfshügeln verwechselt. Im Einsatz auf dem Quad und bei der weit verbreitete Version der Drohne lag dieser Wert bei 31 % und bei der Profiversion der Drohne dahingegen nur bei 18 %. Da bei der Betrachtung auf Basis der gefundenen Wildtiere Flächen ohne Wildtierbesatz nicht berücksichtigt werden können, wurde zusätzlich die Fehlerrate pro Fläche ermittelt. Bei der Fehlerrate schnitt die Profiversion der Drohne mit nur 14 % Fehlern auf allen Flächen am besten ab, gefolgt von der weit verbreiteten Version der Drohne (21 %) und dem tragbaren Wildretter (beide Betriebsarten zusammengefasst: 25 %).
Die Effektivität der verschiedenen Scheuchen und weiteren Vergrämungsmaßnahmen wie das Anmähen und der Einsatz des akustischen Wildretters am Mähwerk konnte aufgrund der niedrigen Einsatzhäufigkeit in der Saison 2019 nicht detailliert bewertet werden. Es kann jedoch festgehalten werden, dass die Art der Vergrämung (akustisch, optisch oder olfaktorisch bzw. eine Kombination) so gewählt werden sollte, das diese auf dem betreffenden Feldstück einen neuen Reiz darstellt.

Arbeitsaufwand
Der Arbeitsaufwand für alle technischen Lösungen ist je nach Flächenstruktur relativ hoch, genauso wie die daraus resultierenden Kosten pro ha. Der tragbare Wildretter schneidet bei kleinen Flächen dabei am günstigsten ab und kann auch von einer Person allein eingesetzt werden. Für Flächen von 0,5 bis 3 ha benötigt man weniger als 30 Minuten pro ha und liegt bei Kosten von bis zu 35 € pro ha. Bei der günstigen, weit verbreiteten Version der Drohne werden zwei und bei der Profiversion der Drohne drei Personen für den Einsatz benötigt. Für die Drohnen sind der Arbeitsaufwand und die Kosten erst ab Flächengrößen von mehr als 3 ha in einem einigermaßen tolerierbaren Rahmen mit weniger als 20 Minuten Arbeitszeit pro ha und somit Kosten unter 45 € pro ha.

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Kitz- und Wildtier-Rettung, Video des StMELF-Instagram-Kanals

Workshop Wildtierrettung in Grub

Projektinformation
Projektleitung: Stefan Thurner
Projektbearbeitung: Katharina Mikschl
Kooperationspartner: Referat F8 "Oberste Jagdbehörde" des StMELF
Laufzeit: 2018-2019
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten StMELF
Förderkennzeichen: A/18/19