Heimische Milch aus heimischem Futter
Betriebszweigabrechnung liefert Daten für Eigenversorgung der Milchviehbetriebe in Bayern
In der Milchviehfütterung wird mit Gras- und Maissilage überwiegend betriebseigenes Futter eingesetzt. Erwartungsgemäß wird damit ein großer Teil der bayerischen Milch aus sogenanntem „heimischem“ Futter erzeugt, allerdings gibt es bislang keine genauen Zahlen. Für das Aktionsprogramm „Heimische Eiweißfuttermittel“ liefert dieser Beitrag mit Hilfe von Daten der Betriebszweigauswertung (BZA) Anhaltspunkte für die Eigenversorgung der Milchviehbetriebe.
Molkereien versuchen sich mit verschiedenen Marketingstrategien voneinander abzugrenzen, um Marktanteile zu sichern und eine höhere Wertschöpfung am Markt generieren zu können. Eine mögliche Marketingmaßnahme könnte die Bewerbung von Regionalität beispielsweise in Form der „heimischen Futtergrundlage“ sein. Es ist möglich davon auszugehen, dass der „heimische“ Rationsanteil gerade bei der Rinderfütterung relativ hoch ist. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Heimische Eiweißfuttermittel“ des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten befasst sich das Teilprojekt „Markt – Wertschöpfung – Transparenz“ der Institute für Ernährungswirtschaft und Märkte (IEM) sowie Betriebswirtschaft und Agrarstruktur (IBA) an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) auch mit dieser Thematik. Für eine fachliche Diskussion über die Perspektiven dieses Ansatzes sind konkrete Praxiszahlen zum Futtermitteleinsatz erforderlich. Zu diesem Zweck wurden die in der Betriebszweigabrechnung (BZA) Milch erfassten Einzelfuttermittel ausgewertet und nach verschiedenen Kriterien sortiert.
Datengrundlage
In der BZA-Milch werden für die verschiedenen Alterskategorien der Rinder (Milch, Jungvieh in unterschiedlichen Altersstufen) sämtliche auf dem Betrieb verfütterten Futtermittel zugeteilt. Die vorliegende Auswertung stützt sich auf die Ergebnisse des Wirtschaftsjahres 2010/2011. Die ausführlichen Ergebnisse der Betriebszweigabrechnung Bayern 2010/2011 sind im Milchreport 2011 zu finden. Durch die Verwendung der BZA-Daten ist eine gute Abbildung des Futtereinsatzes möglich.
Für die Futtermittelauswertung konnten 286 Betriebe herangezogen werden. Der durchschnittliche BZA-Betrieb ist mit 68 Kühen mehr als doppelt so groß als der bayerische Durchschnittsmilchviehbetrieb mit 31 Kühen. Auch in der Jahresmilchleistung gibt es mit 7 794 kg Milch/Kuh einen Vorteil der BZA-Gruppe in Höhe von 1 365 kg/Kuh im Vergleich zum bayerischen Durchschnitt (6 429 kg Milch/Kuh). Die hier ausgewerteten BZA-Betriebe spiegeln somit die bayerischen Haupterwerbs- und in der Regel auch Zukunftsbetriebe mit größeren Strukturen und höherem Leistungsniveau wider.
Bei der BZA-Erstellung erfolgt eine Plausibilisierung der Futterverteilung in zwei Stufen. Im ersten Schritt wird die verfügbare Futterenergie aus Eigenerzeugung und -zukauf ermittelt und dem Futterbedarf des gesamten Rinderbestands gegenübergestellt. In einem zweiten Schritt werden die Einzelfuttermittel auf die Tiergruppen verteilt. Bei der Kontrolle wird die Futteraufnahme der Tiere mit dem rechnerischen Bedarf verglichen.
Für die nachfolgend ausgewiesenen Ergebnisse wurden die Futtermengen der Färsenaufzucht und der Milchviehhaltung summiert. Die erste Einteilung der Futterarten erfolgte nach sogenannten „Kategorien“, die sich an der Flächennutzung (bspw. Grasprodukte, Maisprodukte, Getreide), der Herkunft (Milchleistungsfutter, Nebenprodukte) als auch am Inhaltsstoff Eiweiß orientiert (Sojaprodukte bzw. Alternativen). Die Einteilung der Futterarten in Kategorien ist in Tabelle 1 dargestellt.
Einteilung der Futterkomponenten
Tabelle 1: Einteilung der Futterkomponenten in KategorienKategorien | Futtermittel |
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Grasprodukte | Grassilage, Weide, Grünland, Ackergras, Grascobs, GPS, Heu |
Maisprodukte außer Körnermais | Silomais, CornCobMix, Grünmais, Maiscobs |
Stroh | Weizen- u. Gerstenstroh |
Klee u.ä. | Klee, Kleegras, Luzerne, Zwischenfruchtanbau, Luzernecobs |
Getreide einschl. Körnermais | Gerste, Weizen, Körnermais, Triticale, Hafer |
Nebenprodukte Nahrungsmittel- und Biokraftstoffproduktion | Biertrebersilage, Melasseschnitzel, Pressschnitzelsilage, Maiskleberfutter, Kartoffelpülpe, Trockenschnitzel, Getreideschlempe (nass und getrocknet), Kartoffelschlempe, Melasse, Möhrentrester, Bierhefe |
Sojaprodukte | Sojaextraktionsschrot, Sojabohne, Sojaschalen |
Rapsprodukte und sonstige Eiweißträger | Rapsextraktionsschrot, Rapskuchen, Betriebsmix Eiweiß, Rapsöl, Erbsen, Rapsexpeller, Leinextraktisschrot u. –kuchen, Süßlupinen |
MLF | Milchleistungsfutter in verschiedenen Energie- und Eiweißstufen |
Mineralfutter | Mineralfutter, Futterkalk, Viehsalz |
Sonstiges | Kartoffeln, Zuckerblattsilage, Futterharnstoff, Glycerin, Propylenglykol, Futterfett |
Futterzusammensetzung in der Milcherzeugung
Abbildung 1 zeigt die Bedeutung der einzelnen Futterkategorien bezüglich Trockenmasse und Frischmasse. Aus fachlicher Sicht der Futterwirtschaft und Fütterung ist die Basis Trockenmasse klar zu präferieren. Aus Sicht der Vermarktung kann der Bezug auf die Frischmasse für den Durchschnittskunden die besser verstehbare Ebene sein. Bei den ausgewerteten Betrieben werden auf der Basis Trockenmasse 39,4 Prozent Grasprodukte (v. a. Grassilage) und 28,3 Prozent Maisprodukte (v. a. Maissilage) eingesetzt, d. h. zwei Drittel des Futters stammt vom Grünland bzw. von Maisflächen. Der Getreideanteil beträgt 9,5 Prozent, Soja- und Rapsprodukte sind mit 5,3 Prozent in den Rationen vertreten. Zugekauftes Milchleistungsfutter nimmt einen Anteil von 5,2 Prozent ein (Abbildung 1, linke Säulen).
Bezogen auf die Frischmasse fallen vor allem die feuchteren Futtermittel, wie Gras-, Mais- und Biertrebersilage (in Nebenprodukte der Nahrungsmittel- und Biokraftstoffproduktion) mehr ins Gewicht, was die anderen wiederum im Verhältnis erniedrigt (Abbildung 1, rechte Säulen). Nach Frischmasse werden 44 Prozent Grasprodukte und ca. ein Drittel Maisprodukte eingesetzt.
Anteil des selbsterzeugten Futters
In der BZA Milch gibt es keine Information, ob das jeweilige Futtermittel als „heimisch“ gelten kann. Unterscheidbar hingegen sind eigenerzeugte und zugekaufte Futtermittel. Eigenerzeugte gelten in der Auswertung per Definition als „heimisch“, zugekaufte können regionalen oder heimischen Ursprungs sein (Beispiel Grassilage, Biertreber, Getreide) oder sind mit hoher Wahrscheinlichkeit internationale Importe (Sojaextraktionsschrot).
In Abbildung 2 sind die Mengen aller eingesetzten Futtermittel in Trockenmasse dargestellt. In den jeweiligen Futterkategorien ist der Anteil der Eigenerzeugung und des Zukaufs ablesbar. Grasprodukte und Klee werden zu 99 Prozent bzw. 98 Prozent im eigenen Betrieb erzeugt – gefolgt von Maisprodukten, die zu 96 Prozent aus dem eigenen Betrieb stammen. Verfüttertes Getreide stammt immerhin zu 83 Prozent aus Eigenerzeugung. Bei Rapsprodukten und anderen Eiweißpflanzen (Sojaprodukte ausgenommen) werden lediglich 2 Prozent eigenerzeugt – was nicht heißen muss, dass diese Futtermittel nicht in geringer Entfernung erzeugt wurden. Vor allem Erbsen werden selbst erzeugt und verfüttert. Die Mengen der klassischen Zukaufkomponenten wie Milchleistungsfutter, Sojaprodukte oder Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie sind im Vergleich zum Grobfutter relativ klein.
Für die Gesamtbeurteilung der Situation ist der Fokus von den einzelnen Futterkategorien auf die gesamten Futtermengen zu richten. Zum einen stellt sich die Frage, wie groß der Anteil des eigenerzeugten Futters an der gesamten Futtermenge ist. Dazu wurde die Fütterung von Färsen und Kühen summiert, aber auch separat untersucht. Wie sich der Eigenanteil des Futters bei den beiden Betriebszweigen unterscheidet, ist in Tabelle 2 dargestellt. Bei der Färsenaufzucht wird in der Regel mehr Grobfutter (Gras- und Maisprodukte) eingesetzt als bei Milchvieh. Der Anteil an selbsterzeugtem Futter liegt bei 91 Prozent Trockenmasse bzw. 94 Prozent Frischmasse. In der Milchkuhfütterung hingegen wird mehr Kraftfutter eingesetzt, weswegen auch der Anteil an selbsterzeugtem Futter etwas niedriger ist. Dieser betriebseigene Anteil macht nach Trockenmasse 75 Prozent und nach Frischmasse 83 Prozent aus. Werden beide Betriebszweige aggregiert und zusammengeführt wie in der Praxis üblich, ergibt sich ein Eigenanteil nach Trockenmasse von 80 Prozent und nach Frischmasse von 86 Prozent.
Tabelle 2: Durchschnittlicher Anteil an eigenerzeugtem Futter bei der MilcherzeugungAnteil an eigenerzeugtem Futter | Frischmasse | Trockenmasse |
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Färsenaufzucht | 94 % | 91 % |
Milchkühe | 83 % | 75 % |
Färsenaufzucht + Milchkühe | 86 % | 80 % |
„Heimisches Futter“ aus Sicht des Marktes
Das Thema „heimische Futtermittel“ stößt insgesamt auf Interesse, wird aber unterschiedlich verstanden und interpretiert. In der Diskussion zur Verwendung des Qualitätskriteriums Futterherkunft lassen sich die Futtermittel wie folgt einteilen:
- Vom Betrieb selbsterzeugtes Futter, das grundsätzlich als heimisch gelten kann.
- Zugekauftes Futter, das mit entsprechendem Logistik-, Bürokratie- und Kontrollaufwand als heimisch deklarierbar ist. Hierzu zählen beispielsweise zugekauftes Grobfutter (Silagen, Heu), aber auch Getreide oder Biertreber. Diese Futtermittel werden jedoch derzeit bezüglich ihrer regionalen Herkunft nicht deklariert.
- Zugekauftes Futter, das in der Regel nicht heimisch ist, wie zum Beispiel Sojaextraktionsschrot oder Mineralfutter.
Für eine transparente Verbraucherkommunikation ist zudem eine konkrete Gebietsabgrenzung nötig, wie zum Beispiel Bayern, Deutschland, EU oder Europa. Aus Verbrauchersicht sollte das Einzugsgebiet so heimatbezogen und nah wie möglich sein, damit sich der Kunde mit dem Produkt besser identifizieren kann. Laut Generationenumfrage 2009 wären der Wohnort, die Region, Bayern oder Deutschland geeignete Abgrenzungen, um sich mit einer Region zu identifizieren. Je kleiner hier wiederum das Gebiet, desto „verbundener“ fühlt sich der Einzelne.
Andererseits ist aus Sicht der Erzeuger bzw. der Futter- und Nahrungsmittelindustrie im Gegensatz dazu die regionale Verfügbarkeit und Preiswürdigkeit der Futtermittel ein entscheidender Faktor. Das benötigte Futter muss in ausreichenden Mengen mit einer bestimmten Qualität und konkurrenzfähigen Preisen in einer definierten Region produziert und logistisch organisiert werden können. Als weitere Einflussfaktoren aus Sicht des Marktes sind Anforderungen an einen transparenten Nachweis, die Platzierungskosten im Handel und die Verbraucherkommunikation bei der Einführung von Lebensmitteln aus heimischem Futter abzuwägen.
Fazit
Die detaillierte Auswertung der eingesetzten Futtermittel in der BZA-Milch unterstreicht die oft geäußerte These der hohen Bedeutung selbsterzeugter und damit auch heimischer Futtermittel für die bayerische Milcherzeugung mit konkreten belastbaren Zahlen. In der Milcherzeugung der BZA-Betriebe werden 80 Prozent des Futters (nach Trockenmasse) bzw. 86 Prozent (nach Frischmasse) im eigenen Betrieb erzeugt. In der Annahme, dass der bayerische Durchschnittsbetrieb weniger Kraftfutter einsetzt, als in den BZA-Betrieben gezeigt wird, ist dieser Anteil im bayerischen Gesamtdurchschnitt noch höher einzuschätzen. Zukauffutter aus dem regionalen Umfeld – dessen Anteile kaum quantifizierbar sind – erhöht die Werte nochmals.
Damit ergibt der vorhandene regionale Futtereinsatz auf der Erzeugerseite ein großes Potenzial in der Vermarktung
„heimischer Milch“ aus „heimischem Futter“. Allerdings sind hier die o. g. Einschränkungen aus Sicht des Marktes noch zu berücksichtigen.
Literatur
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (2012): Bayerischer Agrarbericht 2012.
München
Bayerischer Agrarbericht 2012
Dorfner, G.; Hofmann, G. (2012): LfL-Information: Milchreport Bayern 2011 – Ergebnisse der Betriebszweigabrechnung – Milchproduktion 2010/11.
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Institut für Ländliche Strukturentwicklung, Betriebswirtschaft und Agrarinformatik (ILB). 1. Auflage. München
Milchreporte Bayern
Jung, H. (2009): Generationenstudie 2009 Heimatgefühl und Leben in Bayern – Generationenspezifische und regionale Unterschiede von Einstellungen zu Politik und Heimat.
Hans Seidel Stiftung e.V. München
Schätzl, R.; Stockinger, B. (2012): Abschlussbericht – Strategien zur Erhöhung des Anteils von heimischen Eiweißfuttermitteln in der Nutztierfütterung.
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Institut für Betriebswirtschaft und Agrarökonomie (IBA). München – unveröffentlicht
Der vorliegende Beitrag wurde auch im Magazin „Schule und Beratung“ (SuB), der offiziellen Informationsschrift des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, veröffentlicht (Ausgabe 8/2013, Seite 36).
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