Was bedeutet "Diversifizierung" in der Landwirtschaft?

Das Wort "Diversifizierung" ist in der landwirtschaftlichen Szene immer präsenter. Was kann man darunter verstehen und welche Betriebszweige verbergen sich dahinter?

Diversifizierung als betriebswirtschaftlicher Ansatz

Grundsätzlich steht Diversifizierung für "Verschiedenheit". Das betrifft landwirtschaftliche Bewirtschaftungssysteme und Produktionsverfahren genauso wie eine große Anzahl verschiedener Arten in Flora und Fauna. Aus der Sicht der Tierhaltung ist das die Vielfalt an Tierarten, Rassen und genetischen Anlagen, aus Sicht des Pflanzenbaus der Koexistenz aus Kultur- und Wildarten ("Biodiversität"), aus Sicht der Betriebswirtschaft ist es die Kombination verschiedener (und neuer) Betriebszweige. Auf diesen letztgenannten betriebswirtschaftlichen Ansatz als Teil einer Unternehmensstrategie soll hier genauer eingegangen werden.
Es gibt sowohl verschiedene Arten der Diversifizierung als auch unterschiedliche Ziele und Gründe für Betriebe, in diesen Bereich der Landwirtschaft einzusteigen. Es umfasste ein buntes Spektrum und ist ein wichtiges Zukunftsthema für die bayerische Landwirtschaft.
Wichtig sind Entwicklungsstrategien für eine erfolgreiche Zukunft
Um landwirtschaftliche Betriebe langfristig erfolgreich zu führen, ist es wichtig, strategische Entscheidungen über die weitere betriebliche Entwicklung immer im Auge zu haben.
Entwicklungsstrategien landwirtschaftlicher Betriebe können je nach einzelbetrieblicher Ressourcenausstattung und externen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich sein oder auch kombiniert werden.
  • Wachstum (oft verbunden mit Spezialisierung): Ausweitung bestehender Betriebszweige in der landwirtschaftlichen Urproduktion (z. B. Tierhaltung, land- oder forstwirtschaftlich genutzte Fläche)
  • Verbesserung der Produktionstechnik bzw. Steigerung der Produktionsleistung: (Spezialisierung oder auch Intensivierung in den bestehenden Betriebszweigen und im bestehenden betrieblichen Rahmen)
  • Diversifizierung: Schaffung zusätzlicher Erwerbsfelder bzw. Erweiterung des Betriebs um neue Vermarktungswege oder zusätzliche Unternehmertätigkeiten

Definition Diversifizierung
Diversifizierung, oder auch Einkommenskombination genannt, ist ein wichtiger und vielfältiger Bereich in der landwirtschaftlichen Praxis. Es bedeutet für Betriebsleiterfamilien die Erweiterung oder Ergänzung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit um zusätzliche, betriebsgebundene Unternehmertätigkeiten.
Das kann in einer ersten Stufe die Erweiterung der Fruchtfolge und damit der Verkauf zusätzlicher Kulturarten sein und geht bis zur Gründung komplett neuer Betriebszweige auf dem Hof. Das Betriebseinkommen wird in diesem Fall nicht nur aus der klassischen Landwirtschaft, sondern mit Hilfe zusätzlicher Standbeine erwirtschaftet. Diese Betriebszweige nutzen dabei die Ressourcen des landwirtschaftlichen Betriebs (Boden, Kapital, Arbeitskraft) in unterschiedlichem Maße. Ohne das Wort dafür zu benutzen, praktizieren das viele Landwirte trotz des großen Trends der Spezialisierung seit Jahren.

Historisch gesehen war die Forstwirtschaft schon immer für viele Betriebe praktizierte Diversifizierung, genauso wie der Aufbau der Gästebeherbergung oder die Installation einer Photovoltaikanlage auf den Stall- und Wirtschaftsgebäuden in den letzten Jahren.
Vorrangiges ökonomisches Ziel ist dabei die Stabilisierung bzw. Steigerung des Einkommens – im Besonderen der Arbeitsentlohnung - und zugleich die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen von Einzelmärkten, auch Krisenresilienz genannt.
Diversifizierungsstrategien landwirtschaftlicher Betriebe sind vielfältig, erfordern jedoch gleichermaßen unternehmerische Kreativität, ein klares Konzept sowie Mut bei der Umsetzung.

Arten der Diversifizierung

Fachlich wird in drei verschiedene Arten der Diversifizierung unterschieden:
Die horizontale Diversifizierung
Die horizontale Diversifizierung umfasst neue Produkte auf derselben Wertschöpfungsstufe. Beispiel hierfür kann die Erweiterung der betrieblichen Fruchtfolge um weitere Kulturen wie z. B. Kräuter sein.
Die vertikale Diversifizierung
Von vertikaler Diversifizierung spricht man bei neuen Betriebszweigen innerhalb der Wertschöpfungskette (z.B. Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte oder Direktvermarktung).
Die laterale Diversifizierung
Laterale Diversifizierung beschreibt neue Betriebszweige oder Dienstleistungen, die keinen oder wenig Bezug zur bisherigen Produktion bzw. Betriebszweigen haben. Beispiele hierfür können Urlaub auf dem Bauernhof, Winterdienst, oder Energieerzeugung durch Photovoltaik sein.

Argumente für die Diversifizierung in der Landwirtschaft

Strategien zur einkommenswirksamen Diversifizierung leisten einen nachhaltigen Beitrag zur langfristigen Sicherung und Erhaltung der Existenz landwirtschaftlicher Betriebe, tragen zu einer höheren Wertschöpfung bei und verteilen das unternehmerische Risiko auf mehrere Standbeine.
Die Gründung neuer Geschäftsfelder oder Dienstleistungen dient einer optimalen Ressourcenausnutzung (Boden, Kapital, Arbeitskraft), schafft neue Arbeitsplätze in landwirtschaftlichen Betrieben und stärkt nicht zuletzt den ländlichen Raum.

Landwirtschaftliche Diversifizierung umfasst ein buntes Spektrum an Erwerbstätigkeiten

Klassische Felder der Diversifizierung sind beispielsweise Urlaub auf dem Bauernhof, Direktvermarktung, Pensionspferdehaltung oder auch Energiegewinnung. Das Spektrum an Erwerbsmöglichkeiten hat sich jedoch in den vergangenen Jahren deutlich erweitert und stellt sich mittlerweile als sehr vielfältig dar. Beispiele dafür sind Bauernhofgastronomie (z.B. Hofcafés), Bauernmärkte, Abo-Kisten, erlebnisorientierte Angebote, Landerlebnisreisen, hauswirtschaftliche, kommunale oder fortwirtschaftliche Dienstleistungen, Soziale Landwirtschaft (z.B. Senioren auf dem Bauernhof), Bauernhofkindergarten, …
Die Liste der Möglichkeiten ist umfangreich und zeigt, dass die unterschiedlichsten Themen Einzug in die Landwirtschaft gehalten haben und dass das Angebot sowie die Vielzahl an Betriebszweigen zugenommen haben.

Einstieg in die Erwerbskombination

Die Frage, ob und welches Standbein sich für eine erfolgreiche, wettbewerbsfähige Entwicklungsstrategie eignet, lässt sich für einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht pauschal beantworten. Die Angebote und Dienstleistungen sind vielfältig und die Anforderungen der verschiedenen Einkommensalternativen variieren sehr stark, ebenso wie die Voraussetzungen der Betriebe.
Wichtig ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht für jeden Betrieb jede Erwerbskombination geeignet ist. Vor dem Einstieg in die Erwerbskombination gilt es zu prüfen, inwieweit man selbst, das Umfeld, der Betrieb und der Standort für das angestrebte Angebot geeignet sind. Für ein gutes Gelingen sollte die gesamte Familie hinter dem geplanten Projekt stehen; alle müssen an einem Strang ziehen. Außerdem muss genügend freie Arbeitskapazität für das zusätzliche Standbein zur Verfügung stehen. Grundvoraussetzung ist eine kritische Bestandsaufnahme von Faktoren wie freie Arbeitskapazität, Finanzreserven für Investitionen, Betriebsstruktur (Vereinbarkeit mit bestehenden Betriebszweigen), vorhandene Bausubstanz, Fachwissen, rechtliche/steuerliche Vorgaben, aber auch die Bewertung des Standorts inklusive einer Marktanalyse und nicht zuletzt die Fördermöglichkeiten sind wichtig.

Ansprechpartner und Qualifizierung

I) Erste Ansprechpartner für Fragen rund um die Diversifizierung:
Beratungsabteilungen der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in den jeweiligen Regionen.

Alle Ämter Externer Link

II) Aus- und Fortbildungsangebote in der Diversifizierung:
Die Akademie Diversifizierung bündelt das vielfältige Angebot der Qualifizierungsmaßnahmen. Neueinsteiger finden hier Orientierungs- und Entscheidungshilfen sowie Grundlagenkenntnisse und haben die Möglichkeit, Seminare zur Betriebszweigentwicklung zu besuchen. Wer eine bestehende Einkommenskombination weiter ausbauen will, kann Aufbauseminare, Informationsveranstaltungen uvm. besuchen. Die Qualifizierungsmaßnahmen werden von den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durchgeführt und durch den Freistaat Bayern gefördert.

Akademie Diversifizierung Externer Link

III) Informationen und Beratungshilfen zur Diversifizierung:
Der Arbeitsbereich Diversifizierung des LfL-Instituts für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur entwickelt sich Stück für Stück in Ruhstorf weiter mit der klaren Zielsetzung, sich noch stärker als bisher als Informations- und Beratungsdienstleister auch im Bereich Diversifizierung mit ihren vielen Facetten zu positionieren.

Diversifizierung – ein Zukunftsthema am neuen LfL-Standort Ruhstorf

Bildnachweis:
Kopfbild, Foto: Warmuth/StMELF