Artenzahl
Auf den 30 Untersuchungsquadraten wurden 2003 insgesamt 56 verschiedene Pflanzen gefunden (siehe Tabelle 1 ). Dabei trugen die Kräuter (34) zu rund 60 % und die Gräser (20) zu 36 % des Arteninventars bei. An Leguminosen (2) traten nur Weißklee und Rotklee auf, während andere bekannte Kleearten des Dauergrünlandes wie Vogel- und Zaunwicke, Wiesenplatterbse, Hornklee oder Gelbklee auf diesen Flächen nicht vorhanden waren. Vergleicht man das Artenaufkommen dieser intensiv genutzten Flächen mit der in der Literatur beschriebenen möglichen Artenvielfalt des deutschen Dauergrünlandes (BRIEMLE, 1996), so deuten die Ergebnisse dieses Monitorings darauf hin, dass der Beitrag des Intensiv-Grünlandes am theoretischen Arteninventar der Kulturlandschaft Dauergrünland insgesamt mit einem Anteil von rund 3 bis 5 % relativ bescheiden ausfällt.
Umgekehrt und positiv formuliert können die Ergebnisse den Berater und Landwirt insofern „beruhigen", dass nämlich im Wirtschaftsgrünland für die leistungsorientierte Milchviehhaltung wirklich kein vertieftes und nur langjährig zu erwerbendes Studium der Pflanzensoziologie eines ausgebildeten Botanikers notwendig ist. Wer etwa 50 Grünlandpflanzen erkennt, der ist wirklich „Spitze". Wie wir noch sehen werden, reicht in der Regel sogar ein Bruchteil dieser Zahl für eine praxisorientierte und dabei auch noch exakte Grünlandansprache aus.
Tabelle 1 zeigt nämlich ebenfalls, dass auf einer 25 m2-Parzelle - der Größe einer einzelnen Untersuchungsfläche - im Durchschnitt im ersten Aufwuchs (also demjenigen, wo man erfahrungsgemäß in der Regel am meisten sieht) nur 19 verschiedene Pflanzenarten auftraten. Das Minimum lag unter 10 und das Maximum bei ca. 25 Arten, bei zwei Drittel der Flächen bewegte es sich im Bereich zwischen 15 und 23 Arten. Gräser, die den überwiegenden Teil des Erntegutes bildeten (siehe auch Tabelle 2 ), waren auf den Parzellen durchschnittlich mit 7 Arten vertreten, wobei die Spannweite hier zwischen 5 und 13 lag.
In Anbetracht der Tatsache, dass Standardwerke der Gräserkunde, wie etwa KLAPP und OPITZ V. BOBERFELD (1990), alleine etwa 150 Grasarten beschreiben sowie angesichts dieser Ergebnisse sei also nochmals in der Sprache unserer mediengeprägten Zeit kurz und knapp formuliert: „Keine Panik vor Botanik im Grünland!"
Nur wenige Arten finden sich oft
Zu Beginn dieses Kapitels muss für das weitere Verständnis ein in der Pflanzensoziologie gängiger Begriff, nämlich die so genannte „Stetigkeit" erläutert werden. Darunter versteht man die prozentuale Häufigkeit, mit der eine Art in Bezug auf die gesamte Stichprobe auftritt. Wird beispielsweise der Goldhafer in 12 von 30 Untersuchungsflächen gefunden (egal mit welchen Anteilen in den jeweiligen Aufwüchsen), so erreicht er in diesem Falle eine Stetigkeit von 40 %. Diese Zahl ist demnach nur ein Maß für die Häufigkeit des Vorkommens – völlig unabhängig vom Masseanteil.
Abbildung 1 verdeutlicht, dass sich das Arteninventar im Intensiv-Grünland nochmals stark reduziert, wenn man gewisse Maßstäbe in Bezug auf die Häufigkeit des Auftretens anlegt. So ließen sich alleine 20 der insgesamt 56 gefundenen Pflanzen, also mehr als ein Drittel der Gesamtzahl (56) auf weniger als drei Betrieben finden, oder anders ausgedrückt: Nur knapp zwei Drittel (36 Arten) der Pflanzen erreichte eine Stetigkeit von mindestens 10 %.
Die statistische Auswertung ergab, dass die mittlere Stetigkeit (Median der 56 Arten) 23 % betrug und drei Viertel aller Arten maximal eine solche von 63 % erreichten. Eine Stetigkeit von mindestens 50 % stellte daher in diesem Monitoring einen weit überdurchschnittlichen Wert dar, den nur 16 Arten bzw. 6 Gräser erreichten. Darunter befanden sich das Deutsche Weidelgras, jedoch auch das Bastardweidelgras, die Wiesenrispe und die Gemeine Rispe, Wiesenfuchsschwanz und Knaulgras. Als „fast universell" (Stetigkeit von mindestens 80 %) fanden sich nur 8 Arten, darunter die vorgenannten Gräser ohne Fuchsschwanz und Bastardweidelgras sowie Weißklee, Löwenzahn, Scharfer Hahnenfuß und das Gänseblümchen. Aus Abbildung 1 geht ebenfalls hervor, dass vor allem bei einer Vielzahl der Kräuter deren Wiederfindungsrate stark abnahm.
Bestandesprägende Grünlandpflanzen
Nicht überraschend ist, dass es sich - was den Masseanteil der Arten im Futter anbelangt - bei Intensiv-Grünland trotz einer gewissen Spannweite im Allgemeinen um grasdominierte Bestände handelt (siehe Tabelle 2 ). Dabei ist ein durchschnittlicher Anteil der Kräuter in der Größenordnung von 10-20 % durchaus als gewünscht (Mineralstoffgehalt, sekundäre Inhaltsstoffe, größere Nutzungselastizität) zu werten, wobei auch hier starke Schwankungen zu verzeichnen waren und es im Einzelfall natürlich darauf ankommt, welches Kraut wie stark auf einer Fläche vorkommt (Beispiel Ampfer, Bärenklau - siehe auch Tabellen 5 und 6 ).
Als Vertreter der Leguminosen zählt im Intensiv-Grünland fast ausschließlich der Weißklee. Seine positiven Einflüsse auf den Futterwert (Protein, Mineralstoffe), die Futteraufnahme und die Verdaulichkeit sowie auf die erweiterte Nutzungselastizität und die N-Fixierung bei Grünlandbeständen sind immer wieder beschrieben worden und stehen auch gegenwärtig im Interesse angewandter Grünlandforschung (AGGF, 2003). Als Ideal wird ein Anteil an Weißklee in der Größenordnung von 10-20 % im Futter angesehen. Dies wurde jedoch auf den untersuchten Flächen (siehe Tabelle 2 ) im ersten Aufwuchs bei weitem nicht erreicht. Der Weißkleebesatz war vielmehr mit durchschnittlich 4,5 % sehr niedrig, wies jedoch ausgeprägte Jahrgangsschwankungen auf (vgl. Tabellen 5 und 6 ), was für diese Leguminose typisch ist.
Nur wenige Pflanzen weisen auf einer intensiv bewirtschafteten Grünlandfläche höhere Massenanteile auf, was dem Bewirtschafter oder Berater eine Bestandesschätzung natürlich stark erleichtert. So zeigt die in Tabelle 3 aufgeführte Auswertung der gefundenen Artenzahlen in Abhängigkeit ihres Anteiles in der Grünmasse, dass in den Untersuchungsquadraten im Mittel nur 6 Arten mit Anteilen von mindestens 3 % im ersten Aufwuchs vertreten waren. Durchschnittlich 4 Arten erreichten Anteile von mindestens 5 % und nur zwei Arten solche von mindestens 10 %. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine Beobachtungsfläche hinsichtlich ihres Futterwertes mit der Kenntnis und Einschätzung ihrer wichtigsten 3-5 Pflanzenarten (Hauptbestandsbildner) schon ganz gut beschrieben werden kann.
In Tabelle 4 sind die Ergebnisse der im Frühjahr 2003 durchgeführten Bestandeserhebung nach Stetigkeit der Arten und deren durchschnittlichem Anteil in der Grünmasse des ersten Aufwuchses klassifiziert. Letzterer wurde nur aus den Parzellen ermittelt, wo eine Art auch tatsächlich auftrat. Deutlich wird (siehe fette Umrandung in der Tabelle), dass von den insgesamt 56 gefundenen Grünlandpflanzen nur 17 Arten, d. h. 30 % sowohl eine Stetigkeit von mindestens 10 % erreichten als auch im Mittel zu mindestens 1 % in den Parzellen vertreten waren.
Mit Abstand an der Spitze im Intensiv-Grünland stehen das Deutsche Weidelgras und (leider auch) die Gemeine Rispe, wobei letztere bei häufigem Auftreten ein Problemgras darstellt (DIEPOLDER und RIEDER, 2004). Andererseits zeigt Tabelle 4 auch, dass andere bekannte Pflanzen wie der Wiesenschwingel oder der Glatthafer, der Namensgeber von früher verbreiteten Grünlandgesellschaften ist (Glatthaferwiesen), sowie der Wiesenrotklee bei intensiver Nutzung kaum eine Rolle spielen.
Aus der Tabelle geht somit ebenfalls hervor, dass in der Praxis die botanische Kenntnis von etwa 20 Arten, davon ca. 10-12 Gräsern, völlig ausreichend ist. Dabei schadet es sicher nicht, wenn zusätzlich auch weniger verbreitete Arten wie Quecke, Weiche Trespe, Wolliges Honiggras, Rasenschmiele und Straußgräser angesprochen werden können, die im Einzelfall durchaus eine Rolle spielen können (siehe Tabelle 5 ).
Dynamik im Grünland – „Hinschaun was wächst!"
Die in Tabelle 5 dargestellten Auswertungen der beiden Untersuchungsjahre 2003 und 2004 belegen zusammenfassend (siehe unten), dass mit den aufgeführten 18 Arten (9 Gräser, 7 Kräuter, 2 Leguminosen) die Bestandeszusammensetzung der Parzellen zu mindestens 84 %, im Mittel zu 97 % und in 75 % der Fälle zu 99 % erklärt werden konnte. Daher gilt nochmals der Satz „Keine Panik vor der Botanik" im Wirtschaftsgrünland für die Milchviehhaltung!
Ebenfalls erkennbar ist an der 50 %-Quantile (Spannweite zwischen der -25 %-. und der +25 %-Quartile) die herausragende Bedeutung von Deutschem Weidelgras, Gemeiner Rispe und - in abgeschwächtem Maße - Wiesenfuchsschwanz als vielschnittverträgliche Hauptbestandsbildner des ersten Aufwuchses. In einigen Fällen zeigte sich zudem eine ausgeprägte Dynamik der Bestände zwischen den Jahren 2003 und 2004, die nochmals in Tabelle 6 herausgearbeitet ist.
So wurde anscheinend die (flachwurzelnde) Gemeine Rispe durch das Trockenjahr 2003 empfindlich im Bestand zurückgedrängt, während die Wiesenrispe, das Knaulgras, der Wiesenfuchsschwanz, der Löwenzahn und vor allem der Weißklee deutlich zunahmen und im Frühjahr 2004 mit höheren Anteilen im ersten Aufwuchs vertreten waren.
Eines wird dabei klar: Auch wenn man - wie dargelegt - im intensiven Grünland nur vergleichsweise wenige Arten sicher kennen muss, ist ein geschärfter Blick umso wichtiger um Aussagen über den Futterwert, den Standort und über Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten von produktionstechnischen Maßnahmen im Grünland treffen zu können.
Abschließend sei noch hinzugefügt, dass hinsichtlich der botanischen Artenvielfalt und der Bestandeszusammensetzung bzw. der daraus ermittelten Futterwertzahl im Mittel kein Unterschied zwischen konventionell und ökologisch bewirtschaftetem Grünland ableitbar war. Vielmehr schwankten die o. g. Parameter bei den Einzelflächen in erheblichem Ausmaß, was auf den großen Einfluss kleinräumiger Standortverhältnisse im Grünland hinweist.