Schwebfliegen in der Agrarlandschaft: fressen – bestäuben – schweben

Eine große Schwebfliege sitzt auf einer Schafgarbenblüte.

Große Schwebfliege

Schwebfliegen sind wichtige Bestäuber und Schädlingsantagonisten in der Agrarlandschaft. Vorgestellt wird alles was man wissen muss über die Lebensweise, die häufigsten Arten und die Bedeutung dieser Tiergruppe. Eine Handreichung für Agrarökologen aus Beratung, Forschung und Praxis.

Schwebfliegen – Vielfalt und Lebensweise

Totenkopfschwebfliege <i>(Myathropa florea)</i> putzt sich.Zoombild vorhanden

Totenkopfschwebfliege

Schwebfliegen (Familie Syrphidae) zählen zur Ordnung der Zweiflügler (Dipteren) und kommen weltweit mit etwa 6.000 Arten vor. In Deutschland sind 467 Arten bekannt. Namensgebend für diese Insekten ist Ihre Fähigkeit in der Luft stehend oder schwebend im Schwirrflug zu verharren. Hierfür nutzten sie - wie alle Fliegen - nur ein Flügelpaar. Die Hinterflügel sind zu sogenannten Schwingkölbchen reduziert, die der Orientierung und Steuerung dienen. Ebenfalls auffällig ist die häufig schwarz gelb/orange Zeichnung vieler Arten, die der Abschreckung von Feinden dient und wehrhaften Hautflüglern wie Wespen und Bienen nachgeahmt ist (Mimikry). Die erwachsenen Schwebfliegen ernähren sich von Pollen und Nektar, während die Larven unterschiedliche Nahrungsquellen nutzen. So benötigen manche Larven tierische Kost, andere verrottendes Material und darin enthaltene (Mikro)organismen. Wieder andere ernähren sich von Pflanzenteilen und Pilzen. Viele Arten bringen mehrere Generationen im Jahr hervor. Bemerkenswert ist das ausgeprägte Wanderverhalten einiger Vertreter, so überqueren beispielsweise unzählige Schwebfliegen im Hochsommer die Alpen.
Unter den Insekten gehören die Schwebfliegen zu den Arten, die man besonders gut beobachten kann. Häufig findet man die Tiere auf Blüten oder rastend auf der Vegetation, was sie zu einem beliebten Foto-Motiv und Forschungsobjekt macht. Nicht selten kommt es vor, dass sich eine Schwebfliege auch auf einem ausgestreckten Finger niederlässt.

Aktuelle Situation der Schwebfliegen

Von den 467 Arten, die in der Roten Liste Deutschlands geführt sind, gelten 37 % als mäßig häufig, häufig oder sehr häufig und 50 % als ungefährdet. 176 Schwebfliegenarten Deutschlands zeigen eher einen langfristigen Rückgang ihrer Häufigkeit, nur 18 Arten nehmen zu. Verhältnismäßig viele Arten mit an Totholz gebundenen Larven sind gefährdet. Auch in der Roten Liste der Schwebfliegen Europas ist ein hoher Anteil von 37 % der Arten als bedroht geführt.

Häufige Arten der Agrarlandschaft

Im Rahmen von Projekten der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zur Evaluierung von Agrarumweltmaßnahmen wurde auch die Schwebfliegenfauna in verschiedenen Regionen Bayerns untersucht. Ein Projekt erfasste Schwebfliegen in Blühflächen und Maisfeldern (2011), eines in Ackerflächen und angrenzenden Gewässerrandstreifen (2019/2020) und ein weiteres in unterschiedlich bewirtschaftetem Grünland (2019/2022). Die häufigsten Arten in der Agrarlandschaft sind besonders ausbreitungsstark und anpassungsfähig, wie die Hainschwebfliege (Episysrphus balteatus), die Glänzende Schwarzkopfschwebfliege (Melanostomma mellinum agg.), die Gewöhnliche Langbauchschwebfliege (Sphaerophorica scripta) und die Gemeine Feldschwebfliege (Eupeodes corollae). Sie sind in allen Lebensräumen der Agrarlandschaft sehr häufig anzutreffen und ernähren sich als Larven alle von Blattläusen. Eupeodes corrollae kommt besonders auch auf Ackerflächen vor, während Sphaerophorica scripta verstärkt in blühenden Lebensräumen zu finden ist. Viele weitere Arten sind besonders in reich strukturierten und Grünland geprägten Landschaften häufig vertreten.

Schwebfliegen als Bestäuber

Schwebfliegen gelten nach den Bienen als die zweit wichtigste Gruppe an Bestäubern im Agrarökosystem. An Schwebfliegen haftet zwar deutlich weniger Pollen als an Bienen, da ihnen die Behaarung und die speziellen Sammeleinrichtungen fehlen. Dennoch können sie effektive Bestäuber sein. So führt auch die hohe Flugaktivität der Arten, dazu dass die Befruchtung häufig über weite Entfernungen stattfindet. Auch in Gegenden, in denen aus natürlichem oder nicht natürlichem Grund keine oder nur wenige Bienen zu finden sind, dringen sie vor und sorgen dort für die Bestäubung. Die verschiedenen Arten besuchen dabei ein großes Spektrum an Pflanzenarten, darunter auch Kulturpflanzen wie Erdbeeren, Raps und Buchweizen. Die Art der Blüten, die für die Arten nutzbar sind, hängt von der Länge ihrer Mundwerkzeuge ab. Die meisten blattlausfressenden Arten sind mit einem kurzen Rüssel ausgestattet, so dass für sie besonders Blüten bei denen der Zugang zum Nektar nicht oder nur durch eine sehr kurze Krone (> 3mm) behindert wird, attraktiv sind. Im Gegensatz zur Honigbiene oder Hummeln kehren die Tiere nicht wieder zu einem festen Nest zurück, so dass sie flexibler auf hohe Konkurrenz mit anderen Bestäubern oder Blütenmangel reagieren können und neue Ressourcen in weiter Entfernung erschließen.

Schwebfliegen als Feinde von Blattläusen

Larve einer Schwebfliege nähert sich ihrer Beute – einer Blattlaus.Zoombild vorhanden

Larve einer Schwebfliege

Viele Schwebfliegenarten sind wichtige Gegenspieler von Blattläusen in verschiedenen Feldfrüchten. Die erwachsenen Schwebfliegen suchen zur Eiablage gezielt Pflanzen mit stärkerem Blattlausbefall aus, die sie durch chemische Signale finden. Ein Eigelege mit je nach Art einem bis mehreren Dutzend Eiern, wird in der Regel auf die Unterseite von Blättern abgelegt. In der kurzen Larvenphase, bei der Hainschwebfliege beispielsweise nur ein bis zwei Wochen, werden mehrere Hundert Blattläuse vertilgt. Die meisten Arten sind hierbei nicht auf bestimmte Blattläuse spezialisiert. Tatsächlich nutzen die zoophagen Schwebfliegen ein breiteres Nahrungsspektrum. Sie sind opportunistische Räuber, die neben ihrer Hauptnahrung, den Blattläusen, auch andere weichhäutige Schädlinge verzehren können, darunter Thripse und kleine Schmetterlingsraupen. Die Tiere nutzen ihre spezialisierten Mundwerkzeuge, um die Blattläuse anzustechen und ihre Körperflüssigkeit auszusaugen.
Besonders in Kulturen in denen Blattläuse eine relevante Rolle als Schädlinge und Überträger von Viren spielen, wie bei Zuckerrüben und Kartoffeln, aber auch in Leguminosen und Getreide, tragen Nützlinge wie Schwebfliegen maßgeblich dazu bei, Blattlaus Vermehrungen zu kontrollieren. Somit kann im besten Fall der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln reduziert, Kosten eingespart und negative Umweltwirkungen vermieden werden. Die Förderung dieser Tiere im Sinne des Integrierten Pflanzenschutz dient als vorsorgende Maßnahme und damit auch der Resilienz und Nachhaltigkeit des Anbausystems.

Schwebfliegen fördern

Um die Schwebfliegen und ihre Leistungen für den landwirtschaftlichen Betrieb zu vermehren sind folgende Maßnahmen zielführend:
  1. Konsequente Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes, Ökolandbau, Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, optimierte Ausbringungsverfahren (z.B. DropLegs im Raps, Nachtbehandlung), Bienenschutzauflagen beachten, um die Population im Feld so wenig wie möglich zu beeinträchtigen und ein stetes Nahrungsangebot zu gewährleisten, Beeinträchtigung naturnaher Habitate z.B. durch Abdrift minimieren.
  2. Bereitstellung von zusätzlichen Blütenressourcen über den ganzen Vegetationszeitraum. Blüten auf Brachen, Feldrainen, Blühstreifen. Fruchtfolge incl. Zwischenfrüchte mit blühenden Kulturen. Etablierung von Ackerwildkräutern im Getreide.
  3. Erhalt einer natürlichen Begleitflora auf dem Feld für das Angebot an tierischer Nahrung für die Larven sowie Nektar und Pollen für die Schwebfliegen auf dem Acker.
  4. Überwinterungsmöglichkeiten erhalten. Zwar wandern viele Schwebfliegen erst nach dem Winter wieder in die kälteren Regionen zu, dennoch können einige als Larven, Puppen oder erwachsene Tiere an geschützten Stellen wie unter Laub, Rinde, Spalten, Mauerrissen Gebäuden, Steinhaufen, unaufgeräumten Ecken überwintern.
  5. Erhalt bzw. Widerherstellung einer strukturreichen Landschaft, die eine Vielfalt an Lebensräumen, Pflanzenarten, Mikroklimaten bereitstellt und einer Vielzahl an Arten Lebensraum bietet. Viele Schwebfliegen haben ein höheres Feuchtigkeitsbedürfnis als Wildbienen, daher ist gerade auch Schatten und Wasser in der Landschaft wichtig.

Vielfalt der Schwebfliegen

Hornissenschwebfliege <i>(Volucella zonaria)</i>Zoombild vorhanden

Hornissenschwebfliege

Die Schwebfliegen haben aber zusätzlich zu ihrem Nutzen für die Landwirtschaft auch eine Diversität an Lebensweisen entwickelt, die zum Staunen einlädt. So ist die Mimikry, in diesem Fall die Nachahmung stechender Hautflügler, bei der Gattung Volucella der Hummel- und Hornissen-Schwebfliege besonders ausgeprägt. Gleichzeitig nutzt diese Art auch noch die Hummel-, Wespen- oder Hornissennester für die Entwicklung ihrer Larven. Diese ernähren sich dort vorwiegend von gestorbenen Insekten und Abfällen. Andere Schwebfliegenarten haben eine besondere Bindung an Ameisen entwickelt.
Schwebfliegen haben eine Vielzahl an natürlichen Feinden, so werden die Larven und Puppen von mehreren Schlupf-wespenarten parasitiert. Spinnen fangen die erwachsenen Tiere in ihren Netzen und Vögel nutzen sowohl die Larven als auch die erwachsenen Schwebfliegen häufig als Nahrung. Die Larven vieler Schwebfliegen sind auffällig durchscheinend und zum Teil gemustert, oder auch grün, was vermutlich der Tarnung dient. Zum Teil sehen sie auf den Blättern aus wie Vogelkot (Mimese).

Mistbienen - Odelimp‘n - Rattenschwanzlarven

Auf dem Hof oft nicht als Schwebfliege erkannt und doch häufig ist die Gemeine Mistbiene (Erstialis tenax). Die erwachsenen Tiere sehen Bienen ähnlich. Auf dem vorderen Hinterleib ist eine charakteristische Sanduhrzeichnung zu erkennen. Am eher unsteten Verhalten und häufigen Zick-Zack Bewegungen erkennt man die Mistbiene.
Rattenschwanzlarve_Eristalis LarvaeZoombild vorhanden

Rattenschwanzlarve, Foto: Giel Smit

Besonders auffällig sind die Larven der Mistbienen, die man als Rattenschwanzlarven bezeichnet. Die Tiere kommen auch mit den chemisch / mikrobiologisch extremen Bedingungen in Jauche und Güllegruben oder Lachen am Misthaufen gut zurecht. Nicht selten kommt es zu einer starken Vermehrung. Mit ihrem ca. 2 cm langen Atemrohr am Körperende holen sie von der Oberfläche Luft. Nach zwei bis drei Wochen kriechen die Larven aus der Güllegrube um sich an einem trockenen Ort zu Verpuppen. Dies kann in extremen Fällen auch zu einem Hygiene Problem werden. Die erwachsene Fliege betätig sich allerdings als effektiver Bestäuber auch von Kulturpflanzen. Daher kann man ein gesundes Gleichgewicht zwischen Sauberkeit und Natürlichkeit als optimal ansehen. Eine Bekämpfung mit chemischen Mitteln sollte, wie üblich, die letzte Option sein.

Steckbriefe

Einige häufige Arten lassen sich gut erkennen. Hier Beispiele von Arten mit typischen Merkmalen zum Unterscheiden.
Hainschwebfliege an gelber Blüte
Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus)
7 – 12 mm
Europa, Asien, Nordamerika
Hinterleib mit schwarzen Säumen und
mittig eingekerbten schwarzen Linien
(„Schnurrbart“)
Auftreten März – November
Feldschwebfliege auf Weißdornblatt
Gemeine Feldschwebfliege (Eupeodes corollae)
7 – 11 mm
Europa, Asien, Afrika
Hinterleib mit großen gelben
quadratischen oder kommaförmigen
Flecken
Auftreten März - Oktober
Langbauchschwebfliege auf Buchweizenblüte
Langbauchschwebfliege (Sphaerophoria scripta)
9 – 12 mm
Europa, Asien, Nordamerika,
Afrika, Indien
Langer dünner Hinterleib mit variabler
Zeichnung mit gelben Querbinden
Auftreten März – Oktober
Totenkopfschwebfliege auf Scharfgabenblüte
Totenkopfschwebfliege (Myathropa florea)
12 – 14 mm
Europa, Nordasien, Nordafrika
Hinterleib an Seiten mit gelben
Flecken, Mittelbrust mit Zeichnung
die an einen „Totenkopf“ erinnert
Auftreten April – September
Mitstbiene auf Wasserdostblüte
Mistbiene (Eristalis sp.)
14 – 18 mm
Weltweit verbreitet
Hinterleib dunkelbraun, vorne häufig
mit keilförmiger oranger Zeichnung
(„Sanduhr“)
Auftreten März – Oktober

Männlein oder Weiblein?

Bei den häufigen Arten kann man an der Stellung der Augen auch das Geschlecht erkennen: Tiere mir zusammenstehenden Augen sind Männchen, Individuen mit getrennten Augen sind Weibchen. Viele Arten haben auch eine geschlechtsspezifische Zeichnung.