Forschungs- und Innovationsprojekt
Erschließung des verborgenen Potentials anaerober Pilze (Neocallimastigomycota)

Anaerobe Pilze sind die ersten Mikroorganismen, die im Verdauungstrakt von Pflanzenfressern frisch aufgenommenes faserreiches Futter besiedeln. Sie heften sich dabei an die pflanzliche Biomasse an und durchwurzeln sie. Dieser mechanische Aufschluss der Lignocellulose wird durch eine einzigartige enzymatische Maschinerie verstärkt, die die in den Pflanzenfasern enthaltenen Zucker (vor allem Cellulose und Hemicellulose) freisetzt, spaltet, abbaut und teilweise verwertet. Anaerobe Pilze und ihre Fähigkeiten könnten künftig die Verwertung bisher ungenutzter faserreicher Reststoffe in den Bereichen Bioenergie und Biotechnologie ermöglichen.
Mikroskopische Aufnahme anaerober Pilze im flüssigen Kulturmedium WeisenstrohZoombild vorhanden

Anaerobe Pilze besiedeln in einem flüssigen Kulturmedium Weizenstroh (1)

Seit ihrer Entdeckung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Erkenntnis im Jahr 1970, dass es sich bei diesen Organismen um anaerob lebende Pilze handelt, haben Wissenschaftler versucht, anaerobe Pilze und ihre außergewöhnlichen lignocellulolytischen Fähigkeiten zu nutzen. Dabei stellten sich die Kultivierung vieler dieser Pilze und das geringe Wissen über ihre Ökologie als schwierig heraus.
Anaerobe Pilze unter dem Mikroskop im flüssigen Kulturmedium WeizenstrohZoombild vorhanden

Anaerobe Pilze besiedeln in einem flüssigen Kulturmedium Weizenstroh (2)

Im Verbundprojekt HiPoAF (unleashing the hidden potential of the anaerobic fungi) bearbeitet ein Konsortium aus Österreich (PI: Dr. Sabine Marie Podmirseg, Innsbruck), Deutschland (PI: Dr. Michael Lebuhn, Weihenstephan) und der Schweiz (PI: Prof. Urs Baier; Zürich) in enger Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen in Großbritannien und der Tschechischen Republik diese Fragestellungen, auch um die Neocallimastigomycota der biotechnologischen Nutzung wie z.B. der Biogasgewinnung zuzuführen.

Mehr Information zum Verbundvorhaben finden Sie unter: Externer Link

Zielsetzung

Das Ziel des Verbundvorhabens ist es, mit den vereinten institutionellen Stärken primär die methodischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Das Konsortium ermittelt die essentiellen Wachstumsfaktoren für die unterschiedlichen anaeroben Pilze, entwickelt geeignete Kultivierungs- und Nachweismethoden und prüft schließlich ihren biotechnologischen Einsatz für den Aufschluss von faserreichen Reststoffen.
Die Aufgabengruppe AQU1c (Mikro- und Molekularbiologie) der Abteilung Qualitätssicherung und Untersuchungswesen an der "Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft" (LfL), ist dabei für die Entwicklung bzw. Verbesserung molekularbiologischer Methoden zur Quantifizierung, zum Aktivitätsnachweis und zur phylogenetischen Klassifizierung anaerober Pilze zuständig.

Methoden

Im Projekt werden molekularbiologische Ansätze kombiniert, um optimierte Methoden zu generieren.
  • DNA- und RNA-Extraktion mit hoher Qualität und hohem Ertrag
  • Real-Time PCR-basierte Techniken zur Quantifizierung der Organismen (DNA-Ebene) und ihrer Aktivität (RNA-Ebene)
  • Konventionelle PCR zur Sequenzierung der Nukleinsäuren
  • Next-Generation-Sequenzierung auch als Metagenomik und Transkriptomik (ohne PCR-Einsatz), direkte RNA-Sequenzierung
  • Bioinformatische Auswertung der Sequenzierungsergebnisse
Anaerobe Pilzstruktur (Zoosporangium und Rhizoid)Zoombild vorhanden

Anaerobe Pilzstruktur (Zoosporangium und Rhizoid)

Ein Hauptziel von AQU1c ist es, molekulare Differenzialmarker zur spezifischen Analyse (quantitativ und qualitativ) anaerober Pilze in Proben aus der Umwelt zu etablieren. Dieser Ansatz ermöglicht es, auch bislang unbekannte Arten anaerober Pilze zu identifizieren und phylogenetisch zu klassifizieren. Hierzu ist es erforderlich, auf eine möglichst umfassende Datenbasis zurückgreifen zu können. Zum Ausbau dieser Datenbasis dienen die Stammsammlung anaerober Pilze von AQU1c (s. Abb.) sowie andere Quellen.
Anaerobes Pilzisolat in flüssigem Medium (Teil der AQU1c-Stammsammlung)Zoombild vorhanden

Anaerobes Pilzisolat in flüssigem Medium (Teil der AQU1c-Stammsammlung)

Durch selektive („axenische“) Kultivierung einzelner anaerober Pilzstämme aus einer Umweltprobe werden die anderen mikrobiellen Gruppen ausgeschlossen, und durch gezielte Extraktion der Nukleinsäuren der anaeroben Pilze und ihre Sequenzierung können die erforderlichen Informationen generiert werden. Die Stämme und die Informationen werden genutzt, um die Spezifität von bereits vorhandenen PCR-Primern zu evaluieren und ggf. neue Primer für die spezifische Analytik zu entwickeln.
Projektinformation
Projekttitel: Unleashing the hidden potential of the anaerobic fungi (Neocallimastigomycota) - HiPoAF
Projektleitung: Dr. Sabine Podmirseg (Koordination) und Prof. Dr. Insam Heribert (UIBK, Österreich), Prof. Dr. Urs Baier (ZHAW, Schweiz) und Dr. Michael Lebuhn (LfL-AQU1c, Deutschland)
Projektbearbeitung des Teilvorhabens von LfL-AQU1c: Diana Young, Veronika Dollhofer
Laufzeit: 01.07.2019–28.02.2022
Finanzierung: Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (SNF), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Förderkennzeichen: LE 3744/4 1
Projektpartner: Universität Innsbruck-Institut für Mikrobiologie (UIBK), Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Technisches Universität München (TUM), Universität Bielefeld Centrum für Biotechnolgie (CeBiTec), Aberystwyth University in Großbritannien (IBERS), Institut für Tierphysiologie und Genetik der Tschechische Republik (IAPG)