Forschungs- und Innovationsprojekt
Verhalten von EHEC und krankheitserregenden Clostridien in Biogasanlagen

EHEC-Bakterien können im Darm von Menschen und Tieren, auch von Wiederkäuern, teilweise ohne Auftreten von Krankheitssymptomen vorkommen.

Insbesondere über Gülle als Substrat ist ein Eintrag von EHEC-Bakterien in die Biogasanlage möglich. In der öffentlichen Diskussion zirkuliert der Vorwurf, dass sich EHEC in Biogasanlagen vermehren und dadurch Krankheiten verbreiten können.
Eine Hand hält einen bewachsenen Bakterien-NährbodenZoombild vorhanden

Verdünnungsausstrich einer EHEC-Anreicherungskultur auf Endo-Agar

Weiterhin wird diskutiert, dass krankheitserregende Clostridien für das Auftreten eines „chronischen“ oder „viszeralen“ Botulismus bei Rindern mit verantwortlich seien. Diese könnten z.B. über eine Verunreinigung der Substrate mit Kleintierkadavern wie von Ratten in die Biogasanlage gelangen. Es wird behauptet, dass sie sich im Prozess vermehren und über die Gärrestdüngung in das Futter gelangen.
Bisher liegen kaum fundierte Erkenntnisse zum Vorliegen und Verhalten von EHEC und krankheitserregenden Clostridien in Biogasanlagen, Gärresten und Substraten vor. Die Ergebnisse dieses Verbundvorhabens sollen die Datenlage hierzu verbessern.

Zielsetzung

Anreicherung von <i>Clostridium botulinum</i>: Kultur einer Verdünnungsreihe von Keimträger-MaterialZoombild vorhanden

Kultur einer Verdünnungsreihe von Keimträger-Material

Die Untersuchung verschiedener Biogasanlagen auf Anwesenheit von EHEC und pathogene Clostridien entlang der Prozesskette zur Identifizierung relevanter Quellen der Krankheitserreger und Bestimmung ihrer Konzentration.
Des weiteren die Untersuchung des Potenzials des Biogasprozesses in Keimträgerexperimenten, diese Krankheitserreger zu reduzieren. Hierzu findet eine Prüfung des Verhaltens der Krankheitserreger während des Biogasprozesses bei unterschiedlichen Temperaturen und Verweilzeiten statt.

Methoden

  • Untersuchung der Einsatzstoffe, Fermenterinhalte und Gärreste von ausgewählten bayerischen Praxisanlagen
  • Exposition nicht-krankheitserregender Stämme von EHEC und Clostridium botulinum in Keimträgern mit Gärgemisch in Labor-Biogasanlagen zur Bestimmung des Einflusses auf die Keimzahlen
    • Mesophiler und thermophiler Fermenterbetrieb (38°C, 55°C)
    • Messungen bei unterschiedlichen Verweilzeiten (Minuten – Wochen)
  • Kultivierung von EHEC, C. botulinum und anderen Krankheitserregern in mehreren Stufen in/auf (teil)selektiven Medien und Agarböden
  • Einsatz der Real-Time Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) als molekularbiologisches Analysetool zur Quantifizierung oder zur Bestimmung von kontaminiertem und Pathogen-freiem Proben-/ Kulturmaterial
  • Anwendung der MPN (most probable number) –Methode zur Quantifizierung bei Ansätzen mit Kultivierung
  • Entwicklung/Anpassung sowie Evaluierung und Etablierung geeigneter qPCR-Nachweissystemen für EHEC, C. botulinum und verwandter Krankheitserreger

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung

Verschiedene Stämme von Escherichia coli und Clostridium spp. lösen ernstzunehmende Krankheitsbilder bei Mensch und Tier aus, die mitunter tödlich verlaufen können. Um den Kenntnisstand zum Vorkommen und Verhalten dieser Pathogene in Biogasanlagen zu erweitern, wurden in diesem Verbund-Projekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zwei Fragestellungen bearbeitet:
Zum einen sollte das Vorkommen von EHEC, EPEC, Clostridium botulinum, Clostridium difficile, Clostridium novyi, Clostridium haemolyticum, Clostridium septicum, Clostridium chauvoei und Clostridium perfringens in der Prozesskette (Einsatzstoffe, Fermenterinhalte und Gärprodukte) einer Auswahl bayerischer Praxis-Biogasanlagen untersucht werden (Screening). Zum anderen sollte geprüft werden, wie sich die Keimzahlen künstlich eingebrachter, attenuierter Stämme von EHEC und C. botulinum in Laborbiogasanlagen entwickeln (Keimträgerexperimente).
Der Nachweis der Keime erfolgte über eine kombinierte Methode aus kultureller Anreicherung und molekularbiologischer Detektion mittels quantitativer Real-Time PCR (qPCR).

Nachweise in den Prozessketten von Praxis-Biogasanlagen

Im Screening der Prozessketten wurden abhängig vom Organismus bis zu 163 Proben untersucht. Davon waren ca. 29% Substrate pflanzlicher Herkunft (z.B. Silagen), 11% Substrate tierischer Herkunft (z.B. Gülle, Mist), 27% Fermenterinhalte (Hauptgärer) und 33% Gärprodukte (Nachgärer, Endlager).
EHEC konnten in allen untersuchten Prozessstufen nachgewiesen werden. Pflanzliche Substrate waren dabei relativ gering kontaminiert (8% der Proben). Tierische Substrate waren dagegen stark betroffen (53%), in etwas geringerem Ausmaß auch Fermenterinhalte (36%) und nachgeschaltete Prozessstufen (27%). C. botulinum, C. haemolyticum, C. septicum und C. chauvoei wurden in keiner der Proben nachgewiesen. C. novyi wurde in knapp 4% der Proben gefunden, vorwiegend in Fermenterinhalten und Gärprodukten. C. perfringens und C. difficile wurden in einer geringeren Anzahl von Proben untersucht. C. perfringens (Typ A) wurde in 3% und C. difficile in ca. 50% der Proben gefunden. Die Nachweisrate für C. difficile war in pflanzlichen Substraten gering, in tierischen Substraten, Fermenterinhalten und Gärprodukten dagegen hoch.

Untersuchungen zur Widerstandsfähigkeit der Krankheitserreger

In Keimträgerversuchen bei 38°C wurde die Gesamtkeimzahl von C. botulinum (Sporen + vegetative Zellen) nach 63 d von anfänglich zwischen 104 und 105 MPN * mL-1 um 1,3 bis 2,8 Zehnerpotenzen reduziert. Dies entsprach einer Reduktion um 95,4% bis 99,8%. Eine Reduktion um 90% (D-Wert) wurde im Mittel innerhalb von 34,6 ± 11,2 d erreicht. Im thermophilen Prozess betrug die Reduktion schon nach 3 d mindestens 99,7% (D-Wert: 1,0 ± 0,2 d).
EPEC wurden im mesophilen Prozess innerhalb von 23 ± 1 h in einem Versuch um knapp 2, in einem anderen um bis zu 6 Zehnerpotenzen reduziert (97,6 bis 99,9999%, D-Werte: 3,2 bis 14,9 h). Die unterschiedlich schnelle Inaktivierung der EPEC in den mesophilen Keimträgerversuchen könnte auf den unterschiedlich hohen Ammoniak-Konzentrationen im Gärgemisch beruhen. Höhere Ammoniak-Konzentrationen gingen mit schnelleren Keimzahlreduktionen einher. Bei 55°C konnten schon nach 30 min Exposition von anfänglich ca. 108 MPN * mL-1 keine EPEC mehr nachgewiesen werden. Die dezimale Reduktion war damit nach maximal 3,5 min erreicht.

Bedeutung für die Praxis

Die Untersuchungsergebnisse zeigten einen Eintrag von EHEC/EPEC in Biogasanlagen insbesondere durch tierische Substrate auf. In nicht unbedeutendem Maß konnte EHEC/EPEC auch in Fermenterinhalten und Gärprodukten qualitativ nachgewiesen werden. In Keimträgerversuchen wurde demgegenüber eine Reduktion des als Indikator eingesetzten EPEC-Stamms im mesophilen und noch deutlich schneller im thermophilen Biogasprozess festgestellt.
Die untersuchten pathogenen Clostridium spp. kamen nicht oder nur in wenigen Proben aus Praxis-Biogasanlagen vor. C. botulinum war dabei nicht nachzuweisen. Der als nosokomialer Keim bekannte Erreger C. difficile wurde dagegen vergleichsweise häufig nachgewiesen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.
Gerade die Abwesenheit von C. botulinum in der großen Anzahl untersuchter Proben aus Praxis-Biogasanlagen belegt die untergeordnete Bedeutung des Organismus in diesem Umfeld. Die Ergebnisse aus Keimträgerversuchen zeigen zudem, dass auch der durch die Fähigkeit zur Sporenbildung resistentere C. botulinum durch den mesophilen und noch deutlicher durch den thermophilen Biogasprozess reduziert wird. Es konnten keine Hinweise auf eine Vermehrung in Biogasanlagen gefunden werden.
Demnach gilt für die Parameter EHEC und C. botulinum, dass die hygienische Qualität eines Gärprodukts gegenüber der Rohgülle/Mist als verbessert einzuschätzen ist. Das Ausmaß der Hygienisierung ist abhängig vom betrachteten Organismus und den Gärbedingungen.
Projektinformation
Verbundvorhaben zwischen der LfL (AQU1c, 1, Mikro- und Molekularbiologie; ILT2a, 2, Fermenterbetrieb, Beprobung von Praxisanlagen) und dem LGL (3)
Projektleitung: Dr. Michael Lebuhn (1), Dr. Ute Messelhäußer (3)
Projektbearbeitung: Bianca Fröschle (1), Elena Madge-Pimentel (1), Thomas Barufke (2), Rainer Kissel (2), Diana Andrade (2), Dr. Ute Messelhäußer (3)
Laufzeit: 01.11.2011 – 31.12.2013
Finanzierung: Bayerisches Staatministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: N/11/30
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Förderkennzeichen: 47c-G7131-2011/19-8/11-28

Mehr zum Thema

Zentrale Analytik
Mikro- und Molekularbiologie

Mikroorganismen sind entscheidend an landwirtschaftlichen Stoffkreisläufen beteiligt. Hierzu zählt auch der Biogasprozess. Mit mikro- und molekular-biologischen Methoden wird untersucht, welche Mikroorganismen für den Prozess wichtig sind und wie Krankheitserreger im Prozess abgetötet werden. Mehr

Arbeitsschwerpunkt der LfL
Regenerative Energien

Die Möglichkeiten der regenerativen Energieerzeugung sind vor allem in der Landwirtschaft ein Thema. Die Endlichkeit fossiler Energieträger und die Notwendigkeit die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, zwingen uns zu konsequentem Energiesparen und kontinuierlichen Effizienzverbesserungen im Energieeinsatz. Ein forcierter Ausbau Regenerativer Energien ist unumgänglich. Mehr