Jahresbericht 2016
Umdenken bei Unkraut
Ein Frühwarnsystem für den Gewässerschutz
Wenn ein Pflanzenschutzmittel zur Gefahr für die Umwelt wird, dann schlägt in Bayern eine von über 500 Messstellen sofort Alarm. Das enge Netz an festen Kontrollstellen überwacht, wie viele belastende Stoffe ins Grundwasser sickern. Damit es so weit erst gar nicht kommt, untersucht die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) neue Pflanzenschutzmittel und deren Einsatzgebiete. „Das ist eine Daueraufgabe, weil immer neue Wirkstoffe auf den Markt kommen, die Einsatzgebiete vielfältig sind und durch Starkregen immer öfter schädliche Substanzen ausgeschwemmt werden“, sagt Klaus Gehring, Pflanzenschutz-Experte der LfL. Einen 100-prozentigen Schutz gibt es noch nicht. „Aber wir arbeiten daran.“
Genau gesagt erforschen Gehring und sein Team, wie das Unkraut in ganz Bayern effektiver reguliert und damit bekämpft werden kann. Die LfL koordiniert dazu Feldversuchsprogramme, die an den eigenen Fachzentren für Pflanzenbau, davon gibt es sieben in Bayern, umgesetzt werden. Insgesamt 58 solcher Versuche waren zum Beispiel zwischen dem Jahr 2.000 und heute im gesamten Bundesland notwendig, um die Wirkstoffe Terbuthylazin und S-Metolachlor zur Unkrautbekämpfung beim Maisanbau genauer analysieren zu können. „Aus diesen Ergebnissen erarbeiten wir Beratungsunterlagen, mit denen interne und externe Berater arbeiten können.“ Zu diesen Beratern zählen Mitarbeiter anderer Ämter, von Ministerien oder von Pflanzenschutzdienststellen, genauso wie die Wasserberater der LfL.
Der Einsatzbereich von Pflanzenschutzmitteln ist in jeder Region unterschiedlich
Weil immer wieder neue Präparate auf den Markt kommen, ist Klaus Gehring in seinem Arbeitsgebiet laufend gefordert, die Einsatzfähigkeit für die bayerischen Anbauverhältnisse zu überprüfen. Das Ziel ist hierbei, möglichst effektive und umweltverträgliche Anwendungen für den Ackerbau in den verschiedenen Regionen Bayerns zu entwickeln. „Das heißt, wir prüfen, in welchen Anwendungen und zu welchem Zweck die Mittel möglichst sinnvoll eingesetzt werden können. Das kommt auch sehr stark darauf an, in welcher Intensität und welcher Region Bayerns ein Mittel angewendet werden soll. Nicht jede Substanz ist überall gleich gut geeignet,“ sagt Gehring.
Ein relativ neues Aufgabenfeld ist die sogenannte „Lückenindikation“. Dabei beschäftigen sich die Forscher mit Pflanzenschutzproblemen in kleinen oder auch neuen Kulturen, für die noch keine Präparate zugelassen sind. „Wir erarbeiten dann neue und passende Anwendungen zur Bekämpfung von Unkräutern, Krankheiten und Schädlingen. Für geeignete Präparate werden Zulassungen beantragt, damit sie der Landwirtschaft zur Verfügung stehen."
Von den LfL-Experten werden nicht nur die Wirkstoffe, Präparate und neue Anwendungen untersucht. Es wird ebenso geforscht, wie unterschiedlich Unkräuter und Ungräser auf die einzelnen Herbizide reagieren. „Das ist sehr detaillierte Resistenzforschung“, sagt Gehring, der sich seit 25 Jahren intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
Wir sorgen für weniger Wasserbelastung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und berät Landwirte im Hinblick auf Alternativen.
Die Politik muss noch bessere Anreize schaffen, damit unsere Empfehlungen umgesetzt werden.
Auf die richtige Anwendung kommt es an
Mit den Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen können für die bayerische Umwelt aber auch Risiken auftreten. Neben den rund 500 Messstellen für das Grundwasser werden vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) mittelfristig 500 Messstellen für Oberflächengewässer wie Flüsse und Seen eingerichtet, deren Daten dann ebenso in die LfL-Forschung einfließen werden. „Unser großes Problem sind die immer stärkeren Regenfälle in Bayern. Dann bleiben die Substanzen nicht im Boden und werden abgebaut, sondern sie werden in umliegende Gewässer gespült und können so bis in große Flüsse gelangen“, sorgt sich Gehring. Die ständige Beobachtung der Gewässer ist auch deshalb eine Vorschrift der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Aktuell weisen in Bayern 20 von 256 Grundwasserkörpern zu hohe Belastungswerte auf oder zeigen einen Trend zum Belastungsrisiko. Grundwasserkörper sind nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie genau festgelegte und voneinander abgegrenzte Grundwassergebiete. „Unsere speziell geschulten Wasserberater sprechen mit den Landwirten vor Ort, damit diese Pflanzenschutzmittel einsetzen, die den Boden und das Wasser nicht mehr belasten“, sagt Gehring. Schon jetzt haben Experten der LfL das Betretungsrecht auf allen landwirtschaftlichen Betrieben und Ackerflächen, um hier jederzeit Proben entnehmen zu können.
„Die Landwirte zu schulen und von unseren Erkenntnissen zu überzeugen, das ist unser Job.“ Letztendlich sei dies aber ein freiwilliges Verzichtsprogramm seitens der Landwirte. „Hier muss die Politik noch bessere Anreize schaffen, damit unsere Empfehlungen umgesetzt werden,“ fordert Gehring.
Trinkwasser unwiederbringlich verschmutzt – die Fehler der 90er-Jahre dürfen sich nicht wiederholen
Was passieren kann, wenn es die Frühwarn-Forschung der LfL nicht gäbe, beobachten die Experten am Beispiel von Altlasten – wie dem Pflanzenschutzmittel Atrazin, das bis Anfang der 1990er-Jahre eingesetzt werden durfte. „Die belastenden Substanzen finden wir vereinzelt noch heute in unserem Grundwasser. Deren Wirkstoffkonzentration hat sich bislang an vielen Stellen kaum verändert, weil ein Abbau durch Mikroorganismen einfach nicht möglich ist“, erklärt der Pflanzenschutz-Experte. „Zudem lassen sich die wasserfesten Stoffe per se nicht hydrolytisch zersetzen. Und bei fehlender Lichteinstrahlung ist auch ein photolytischer Prozess nicht möglich. Trinkwasser können wir hier auf keinen Fall mehr entnehmen.“ Damit solche Langzeitschäden nicht wieder vorkommen, sei die Forschung beim Pflanzenschutz besonders wichtig. Klaus Gehring erklärt den Arbeitsauftrag der LfL wie folgt: „Wir haben Mensch, Tier, Pflanze und Luft gleichermaßen im Blick. Wir erarbeiten Pflanzen- und damit Gewässerschutzmaßnahmen, mit denen eine ressourcenschonende Landwirtschaft betrieben werden kann.
20 von 256 Grundwassergebieten weisen zu hohe Belastungswerte auf oder tendieren zu Belastungsrisiken
Zu hohe Belastungswerte in Grund- oder Oberflächengewässern bedeuten, dass bei Messungen Pflanzenschutzmittel wiederholt und mit zunehmender Tendenz nachgewiesen werden konnten. Das Frühwarnsystem der LfL schlägt dann an und es werden wirksame Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet, damit keine Umweltschäden drohen.
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